Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2013, Az. III ZR 73/13

III. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 541

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BUN[X.]ESGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]ES VOLKES

URTEIL
III ZR 73/13

Verkündet am:

5. [X.]ezember 2013

B o t t

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

[X.] § 198 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1; ZPO § 485 Abs. 2

a)
[X.]as auf der Grundlage des § 485 Abs. 2 ZPO durchgeführte selbständige Beweisverfahren und der nachfolgende Hauptsacheprozess stellen getrennt zu betrachtende Gerichtsverfahren im Sinne von §
198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] dar. Kommt es sowohl im selbständigen Beweisverfahren als auch im [X.] zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, entstehen zwei eigenständig zu bemessende Entschädigungsansprüche nach § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.].

b)
Es ist sachgerecht, die im [X.] außerhalb des Anwen-dungsbereichs des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB entwickelten Grundsätze zu den Grenzen der Überprüfbarkeit der richterlichen Verfahrensführung auch auf das Entschädigungsverfahren nach §§ 198 ff [X.] zu übertragen. Im [X.] kann deshalb die Verfahrensführung des [X.]s nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft wer-den.

[X.], Urteil vom 5. [X.]ezember 2013 -
III ZR 73/13 -
OLG Frankfurt am Main
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[X.]er III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. [X.]ezember 2013
durch den Vizepräsidenten [X.] und die [X.] [X.]r.
[X.], [X.], [X.] und Reiter

für Recht erkannt:

[X.]ie Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 30. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

[X.]ie Klägerin trägt die Kosten des [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand

[X.]ie Klägerin macht gegen das beklagte Land im Wege der Feststellungs-
und Leistungsklage einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nach-teile wegen überlanger [X.]auer eines selbständigen Beweisverfahrens und eines nachfolgenden Bauprozesses
(im Folgenden: Hauptsacheverfahren)
geltend.

[X.]as selbständige Beweisverfahren dauerte
zwei Jahre und drei Monate, während der Zivilprozess nach fünf Jahren und vier Monaten beendet war.

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[X.]ie Klägerin hatte in einer Wohnanlage ein Reihenhaus erworben. [X.] Baumängeln beantragte sie -
zusammen mit weiteren Erwerbern -
am 18.
Januar 2005 beim [X.] G.

die [X.]urchführung eines selbständi-gen Beweisverfahrens. [X.]er vom [X.] beauftragte Sachverständige K.

legte am 16. Juli 2005 ein schriftliches Gutachten vor und ergänzte dieses am 17. Juni 2006 und 14. November 2006. [X.]as Verfahren endete mit der mündlichen Anhörung des Sachverständigen am 30. April 2007.

Im Juni 2007 erhob die Klägerin gegen den Bauträger Feststellungs-
und Leistungsklage vor dem [X.] G.

zum Zwecke der [X.]urchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen Baumängeln. In der Folgezeit traten drei weitere Eigentümer
von Reihenhäusern
dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin als [X.] bei. [X.]as [X.] beauftragte den bereits im selbständi-gen Beweisverfahren tätig gewesenen Sachverständigen K.

mit der Er-stattung eines weiteren schriftlichen Gutachtens. Nach [X.]urchführung eines Ortstermins am 22. Oktober 2008 erkrankte der Sachverständige auf nicht [X.] und wurde mit Beschluss des [X.]s vom 23. Februar 2009
von seinem Auftrag entbunden. [X.]er neu
bestellte
Sachverständige K.

teilte im August 2010 mit, dass er sich wegen gesundheitlicher Beeinträchtigun-gen und starker beruflicher Inanspruchnahme zu einer Gutachtenerstattung nicht in der Lage sehe, und regte an, den inzwischen wieder genesenen Sach-verständigen K.

erneut zu beauftragen. Nach entsprechender Beschluss-fassung durch das [X.] führte der Sachverständige K.

einen [X.] Ortstermin durch und legte sein Gutachten am 5. August 2011 vor. Zu der von den [X.]en beantragten Gutachtenergänzung kam es nicht mehr, da der Sachverständige Anfang 2012 erneut längerfristig erkrankte. Schließlich wurde der Rechtsstreit in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2012 durch einen [X.] beendet.
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[X.]ie Klägerin hatte, nachdem sie bereits am 7. Juli 2011 [X.] beim [X.] (im Folgenden: [X.]) sowohl hinsichtlich des selbständigen Beweisverfahrens als auch des [X.] eingelegt hatte, am 19. [X.]ezember 2011 beim [X.] unter Hinweis auf §§ 198 ff [X.]
erhoben. Noch vor der einvernehmlichen Beendigung des Bauprozesses hatte
die Klägerin am 23. Juli 2012 die streitgegenständliche [X.] beim [X.] eingereicht.

[X.]ie Klägerin ist der Auffassung, das selbständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren seien unangemessen verzögert worden, wobei der zu berücksichtigende [X.]raum bereits mit dem im Januar
2005 gestellten [X.]santrag
beginne. Es liege ein einheitliches Verfahren vor, das bei sorgfältiger Bearbeitung insgesamt nur zwei Jahre und zehn Monate hätte [X.] dürfen.

[X.]as [X.] hat die auf Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer und der Einstandspflicht des Beklagten
sowie Zahlung einer angemessenen Entschädigung von mindestens 5.teilweise unzulässig sowie im Übrigen als unbegründet angesehen und insge-samt abgewiesen.

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klä-gerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.

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Entscheidungsgründe

[X.]ie zulässige Revision
ist nicht begründet.

I.

[X.]ie Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Beklagten [X.] sich die Zulassung der Revision durch das [X.] nicht nur auf einen etwaigen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Verzögerung des
Hauptsacheverfahrens.

Im Tenor des angefochtenen Urteils wurde die Revisionszulassung un-eingeschränkt ausgesprochen. Aus den Ausführungen zur Zulassung in den Entscheidungsgründen ergibt sich lediglich, dass die Revision zur "notwendigen Klärung des Verzögerungsbegriffs im Sinne von § 198 Abs. 1 [X.]"
zugelassen werden sollte. [X.]iese Rechtsfrage betrifft nicht nur den auf das Hauptsachever-fahren bezogenen Leistungsantrag; das Verständnis des entschädigungsrecht-lichen Verzögerungsbegriffs ist vielmehr für die Beurteilung des Gesamtstreit-stoffs von Bedeutung. [X.]en Entscheidungsgründen kann somit nicht mit der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit entnommen werden, dass das Oberlan-desgericht die Revision nur eingeschränkt zulassen wollte (vgl. Senatsurteile vom 15.
April 2010 -
III ZR 196/09, [X.]Z 185, 185 Rn. 7 und vom 5. Mai 2011
-
III ZR 91/10, NJW-RR 2011, 1106 Rn. 22 mwN; [X.], Urteil vom 29. Januar 2003 -
XII [X.], [X.]Z 153, 358, 360 ff).

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II.

[X.]as [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:

[X.]ie Feststellungsklage sei unzulässig. [X.]er Antrag sei im Hinblick auf den bei Klageerhebung noch offenen [X.]punkt der Beendigung des [X.] gestellt worden. Mit dessen einvernehmlicher Beilegung
sei das Fest-stellungsinteresse entfallen.

[X.]ie Leistungsklage sei unzulässig, soweit die Klägerin Entschädigung wegen überlanger [X.]auer des selbständigen Beweisverfahrens geltend mache. [X.]enn
nach Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen [X.]verfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ([X.]) vom 24. No-vember 2011 ([X.] I S. 2302) hätte
die Klage spätestens am 3. Juni 2012 er-hoben werden müssen. Sie
sei jedoch erst am 23. Juli 2012 beim [X.] eingegangen. [X.]as selbständige Beweisverfahren und das Hauptsache-verfahren seien zwei unterschiedliche Verfahren, so dass eine Entschädigung jeweils nur verfahrensbezogen geltend gemacht werden könne.

Hinsichtlich des
Hauptsacheverfahrens
fehle es an einer unangemesse-nen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Bei der [X.] des unbestimmten Rechtsbegriffs der unangemessenen Verfahrens-dauer könne nicht auf einen abstrakt-generalisierenden Maßstab abgestellt werden, der sich an statistischen [X.]urchschnittswerten orientiere. Vielmehr ver-lange § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.], dass das Ausgangsverfahren im Hinblick auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles festgestellt werden müsse, ob eine ent-12
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schädigungsrechtlich relevante Verzögerung vorliege. Sodann sei eine [X.] aller Umstände unter dem Gesichtspunkt vorzunehmen, ob die [X.] trotz Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnit-ten noch angemessen sei. Nach diesem Prüfungsmaßstab ergebe sich keine unangemessene Verfahrensdauer. [X.]as [X.] habe das Verfahren in al-len Stadien
zumindest auf vertretbare Weise gefördert. [X.]ie wesentlichen [X.] seien durch [X.]ritte im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] verur-sacht worden, weil die vom [X.] nach Anhörung der [X.]en beauftrag-ten Sachverständigen ihre Gutachten nicht zeitnah erstattet hätten.

III.

[X.]iese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung
stand.

1.
[X.]ie am 23. Juli 2012 eingereichte Feststellungs-
und Leistungsklage we-gen behaupteter Überlänge
des selbständigen Beweisverfahrens
ist infolge Versäumung
der Klagefrist gemäß Art. 23 Satz 6 [X.] unzulässig. [X.]ie dage-gen erhobenen [X.] der Revision bleiben ohne Erfolg.

a) Für bei Inkrafttreten des [X.] und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
am 3. [X.]e-zember 2011 bereits abgeschlossene Verfahren enthält Art. 23 Satz 6 [X.] eine Sonderbestimmung. [X.]ie Klage zur [X.]urchsetzung eines Entschädigungs-anspruchs muss in diesen Fällen bis zum 3. Juni 2012 erhoben werden. [X.]urch diese Regelung wird gewährleistet, dass für Betroffene -
ebenso wie bei § 198 Abs. 5 Satz 2 [X.] -
(mindestens) eine sechsmonatige, an Art. 35 Abs. 1 16
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[X.] angelehnte [X.] gilt ([X.] in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Art. 23 [X.] Rn.
9). Als be-sondere Zulässigkeitsvoraussetzung für die [X.] ist die Klage-frist vom Gericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. BSG, Urteile vom 21. Februar 2013

[X.] ÜG 1/[X.] und 2/[X.], BeckRS 2013, 69771 und 2013, 69268,
jeweils
Rn. 17; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 256). Nach fruchtlosem
Fristablauf ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
Insoweit gilt nichts anderes als bei [X.] der einjährigen Ausschlussfrist nach § 12 StrEG. Auch in diesem Fall
ist jeglicher Antrag auf Entschädigung unzulässig, gleichgültig, auf welchen Gründen die Verspätung beruht
(vgl. BT-[X.]rucks. 17/3802
S. 22; [X.], [X.], 56.
Aufl., § 12 StrEG Rn. 1).

b) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass das auf der Grundlage des § 485 Abs. 2 ZPO durchgeführte, am 30. April 2007 [X.] selbständige Beweisverfahren und der nachfolgende Zivilrechts-streit (Hauptsacheprozess) jeweils eigenständige Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] darstellen, die bei der Prüfung der Angemessen-heit der Verfahrensdauer getrennt
zu betrachten sind. In jedem dieser Verfah-ren besteht ein eigenständiges Interesse an einem zeitgerechten Abschluss. [X.]ie [X.]auer des Beweissicherungsverfahrens hätte im Fall der Überlänge -
unter den weiteren Voraussetzungen
der Übergangsbestimmung des Art. 23 Satz 1 [X.] -
einen eigenen Entschädigungsanspruch nach § 198 [X.] begründen können. [X.]urch die am 23. Juli 2012 eingereichte Feststellungs-
und Leistungs-klage wurde die Klagefrist des Art. 23 Satz 6 [X.] jedoch nicht gewahrt, so dass sich die Klage als unzulässig erweist.

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aa) § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] enthält eine Legaldefinition des Gerichtsver-fahrens im Sinne der Entschädigungsregelung sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Gerichtsverfahren ist dabei aber nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten [X.]. Vielmehr geht das Gesetz von einem an der Hauptsache orientierten [X.]sbegriff aus ([X.] aaO § 198 [X.] Rn. 33 f).

In zeitlicher Hinsicht gilt der gesamte [X.]raum von der Einleitung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung als ein Verfahren. Neben den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens tritt über den Wortlaut des § 198 Abs.
6 Nr. 1 [X.] hinaus die anderweitige Erledigung des Verfahrens, wenn aus prozessualen Gründen eine förmliche Entscheidung nicht (mehr) geboten ist
(vgl. [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 54).

In sachlicher Hinsicht ergibt sich aus § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.], dass auch ein auf vorläufigen Rechtsschutz gerichtetes Verfahren entschädigungsrechtlich eigenständig zu behandeln ist. [X.]ies gilt unabhängig davon, ob daneben oder danach ein normales Erkenntnisverfahren über den streitigen Anspruch [X.] wird.
[X.]as Recht auf effektiven Rechtsschutz ist auch dann verletzt, wenn
eine nur vorläufige gerichtliche Entscheidung zu spät kommt.
Eine ab-schließende Entscheidung in der Hauptsache kann die Verletzung der [X.] im vorläufigen Rechtsschutz nicht mehr heilen, selbst wenn
diese in einer für das Hauptsacheverfahren angemessenen [X.] ergeht
(BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 22 f; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 41).

Ebenfalls zum gerichtlichen Verfahren zählt § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] ausdrücklich das Verfahren zur Bewilligung von Prozess-
oder Verfahrenskos-tenhilfe. Aus dem Prinzip
der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.[X.]. 20
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Art.
20 Abs. 3 GG) folgt das Gebot, die Situation von [X.] und [X.] bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. [X.]aher ist auch beim Verfahren zur Bewilligung der Prozess-
oder Verfahrens-kostenhilfe eine angemessen schnelle richterliche Entscheidung geboten. Kommt diese zu spät, kann das den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzen (BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 23).

bb) Jedenfalls für das selbständige Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO, auf dem in [X.] -
wie im Streitfall -
nahezu alle [X.] basieren, kann nichts anderes gelten. [X.]ieses Verfahren hat [X.] (vgl. [X.]/Pastor, [X.], 14. Aufl.,
Rn. 1, 76). [X.]ie Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener [X.] zum [X.] zu bringen, kann auch dann verletzt sein, wenn es in einem besonde-ren Beweisverfahren, das dazu bestimmt ist, Streitfragen tatsächlicher Art durch Einholung eines Gutachtens rasch zu klären, zu erheblichen Verzögerungen kommt. [X.]ass dabei noch nicht endgültig über ein Recht entschieden wird, recht-fertigt keine andere Beurteilung. [X.]enn der Charakter eines eigenständigen, vom Hauptsacheprozess unabhängigen Verfahrens ergibt sich eindeutig aus der
Systematik der
gesetzlichen Regelung sowie deren Sinn und Zweck.

cc) Nach § 485 Abs. 2 ZPO kann vorprozessual, das heißt im Falle eines noch nicht anhängigen Rechtsstreits, eine [X.] die schriftliche Begutachtung durch einen
Sachverständigen beantragen, um insbesondere den Zustand oder den Wert einer Sache, die Ursachen eines Sachschadens oder Sachmangels und den Aufwand für die Beseitigung eines solchen Schadens oder Mangels festzustellen, sofern sie hierfür ein rechtliches Interesse hat. [X.]er Grundgedanke des selbständigen Beweisverfahrens besteht darin, den Streitparteien außer-halb eines Erkenntnisverfahrens die Möglichkeit zu eröffnen, für das (spätere) 24
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Prozessgericht mit voller Beweiskraft (§ 493 Abs. 1 ZPO) verbindliche Tatsa-chenfeststellungen treffen zu lassen. [X.]adurch sollen Prozesse vermieden (vgl. § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO), mindestens aber der Gang des Verfahrens erleich-tert und beschleunigt sowie widersprüchliche Prozessergebnisse verhindert werden (vgl. nur [X.], Urteil vom 5. [X.]ezember 1996 -
VII ZR 108/95, [X.]Z 134, 190, 192 f; Hk-ZPO/[X.], ZPO, 5. Aufl., Vorbemerkung zu §§
485-494a Rn. 1;
Musielak/[X.], ZPO, 10. Aufl., §
485 Rn. 2;
[X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., vor § 485 Rn. 2). [X.]iesem Zweck entsprechend wird das Verfahren gemäß §§ 485 ff ZPO als eigenständiges, in der Regel kontradiktorisches Gerichtsver-fahren durchgeführt (Musielak/[X.] aaO
§ 485 Rn.
1, 5).

dd) Um ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO in Gang zu bringen, ist ein schriftlicher Antrag bei dem Gericht zu stellen, das nach der Behauptung des Antragstellers für die Entscheidung in der [X.] zuständig wäre (§ 486 Abs. 2 Satz 1, § 487 ZPO). Mit dem Antrag auf [X.] wird der Anspruch, um dessentwillen die Beweissicherung vor-genommen wird, noch nicht rechtshängig
([X.]/Pastor aaO
Rn. 4). [X.]as [X.] unterliegt weitgehend den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessord-nung. [X.]ies gilt vor allem für diejenigen über die Termine, Ladungen sowie die Beweisaufnahme (vgl.
§ 492 Abs. 1 ZPO), sofern diese nicht im Einzelfall dem besonderen Zweck des selbständigen Beweisverfahrens widersprechen ([X.]/Pastor aaO Rn. 6). Eine rechtliche Verbindung zu einem bestimmten Rechtsstreit ist nicht notwendig. [X.]ie Erheblichkeit der [X.] für ein späteres Hauptsacheverfahren wird nicht überprüft ([X.]/Pastor aaO Rn. 4, 8).

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Nach überwiegender Ansicht kann auch für ein selbständiges Beweisver-fahren außerhalb eines anhängigen Rechtsstreits Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wobei es auf die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage gerade nicht ankommt. Allein entscheidend ist, ob ausreichend Aussicht besteht, dass dem Beweissicherungsantrag stattgegeben wird ([X.]/Pastor aaO Rn. 6, 140).

ee) [X.]as selbständige Beweisverfahren ist -
ohne dass eine förmliche Entscheidung ergeht -
beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 -
VII ZR 172/09, NJW 2011, 594 Rn. 11). Bei einer mündlichen Sachverständigenanhörung -
wie hier -
ist dies
regelmä-ßig mit der Genehmigung des Protokolls nach § 162 ZPO der Fall (vgl. nur [X.]/Pastor aaO Rn. 111; Hk-ZPO/[X.] aaO § 492 Rn. 3; [X.]/[X.] aaO § 492 Rn. 4).

ff) [X.]as Beweisverfahren
nach §§ 485 ff ZPO
ist auch gebührenrechtlich selbständig ([X.]/[X.] aaO § 494a Rn. 1). Es gehört nicht zu einem bereits anhängigen oder nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens an-hängig werdenden Hauptsacheverfahren ([X.]/Pastor aaO Rn. 143). Gemäß Nr. 1610 [X.] fällt eine 1,0-Gerichtsgebühr an. [X.]er Rechtsanwalt erhält eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV-RVG) und gegebenenfalls eine Ter-minsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG).

Nach allem kann nicht zweifelhaft sein, dass ein selbständiges Beweis-verfahren, das auf der Grundlage des § 485 Abs. 2 ZPO
angeordnet worden ist, ein eigenes Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] darstellt, das unabhängig von einem Hauptsacheverfahren entschädigungsrechtlich einer isolierten Betrachtung unterliegt. Kommt es sowohl im Beweissicherungsverfah-27
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ren als auch im Hauptsacheprozess zu einer unangemessenen [X.], entstehen zwei eigenständig zu bemessende Entschädigungsansprüche.

c) [X.]er weitere Einwand der Revision, die Auffassung des [X.], dass das selbständige Beweisverfahren
kein Teil des erst im Oktober 2012 abgeschlossenen Klageverfahrens sei, lasse die Rechtsprechung des [X.] außer Betracht, geht fehl. Soweit die Klägerin, ohne dies näher auszu-führen, die Rechtsprechung des [X.] dahin verstehen will, dass für die Einlei-tung eines Gerichtsverfahrens, dessen Verzögerung Entschädigungsansprüche auslösen könne, "irgendein kontradiktorischer Antrag"
wie etwa
ein Antrag auf eine "interim measure"
genüge, steht dem die vom Senat geteilte Rechtsauffas-sung des [X.]s nicht entgegen. Wie dargelegt, wird durch die ge-trennte Betrachtung von selbständigem Beweisverfahren und [X.] ein
etwaiger
Entschädigungsanspruch wegen überlanger [X.]auer eines [X.]sverfahrens
nicht in Abrede gestellt. Für die im Streitfall entschei-dungserhebliche Frage, ob Beweis-
und Hauptsacheverfahren als ein einheitli-ches
Verfahren im Sinne von §
198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] anzusehen sind, lassen sich aus der
von der Revision in Bezug genommenen
Rechtsprechung des [X.]
jedoch
keine verbindlichen Vorgaben herleiten.

2.
Soweit die Feststellungsklage die [X.]auer des Hauptsacheverfahrens als solche (mit-)umfasst, ist zwar die Klagefrist gewahrt. [X.]as [X.] hat jedoch insoweit die Feststellungsklage
zu Recht mangels Feststellungsinteres-se
als unzulässig abgewiesen.

a) [X.]ie Klägerin hat in der Klageschrift die zusätzlich erhobene Feststel-lungsklage
damit begründet, dass die Schadensentwicklung noch nicht abge-schlossen sei; das Ausgangsverfahren sei noch nicht beendet, so dass es zu 31
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weiteren Verzögerungen kommen könne. Ob diese Begründung tragfähig und der Feststellungsantrag ursprünglich zulässig war, kann dahinstehen (vgl. inso-weit [X.] aaO § 198 [X.] Rn.
263). Jedenfalls war zum maßgeblichen [X.]punkt der mündlichen Verhandlung vor
dem [X.] ein Feststellungsinte-resse nicht mehr vorhanden.

[X.]as Ausgangsverfahren wurde durch den [X.] vom 12. Ok-tober
2012
beendet. [X.]amit stand die Verfahrensdauer endgültig fest. [X.]ie Kläge-rin begehrt für die gesamte [X.]auer der
nach ihrer Auffassung zu berücksichti-genden Verzögerungen eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschä-digungszahlu

[X.]urch diesen Leistungsantrag werden die immateriellen
Nachteile
(§ 198 Abs. 2 Satz 1 [X.]) vollumfänglich abge-deckt. [X.]ass die Klägerin entschädigungsfähige materielle Nachteile erlitten hat, wird nicht behauptet und ist auch nicht
ersichtlich. Zum [X.]punkt der mündli-chen Verhandlung vor dem [X.]
war somit
nach allgemeinen zi-vilprozessualen Grundsätzen für ein Feststellungsbegehren kein Raum mehr.

b) Vergeblich beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang
auf die Regelung des § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 [X.]. [X.]anach ist die Feststel-lung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, in schwerwiegenden Fäl-len -
als ergänzende Wiedergutmachung -
neben der Entschädigung möglich
(BT-[X.]rucks. 17/3802 S.
22). Eine Klage
unmittelbar auf Feststellung der unan-gemessenen [X.]auer neben einer Entschädigung
scheidet dennoch
aus. [X.]enn das Gesetz räumt dem Betroffenen keinen Anspruch auf gerichtliche Feststel-lung der Unangemessenheit in den genannten Fällen ein, sondern begründet lediglich die Befugnis des Gerichts zu einer solchen Feststellung. Ob das [X.] diese Feststellung zusätzlich zur Entschädigung trifft, ist in sein Ermessen ("kann") gestellt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 2013 -
5 C 34
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23.12 [X.], BeckRS 2013,
55758 Rn. 63, 68 f; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 262; Schenke, NVwZ 2012, 257, 264;
[X.], Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn.
152 f). Es fehlt somit an einem subjektiven Recht des Betroffenen, das dieser im Klagewege geltend machen könnte.

3.
Entgegen der Auffassung der Revision hat das [X.] eine unangemessene [X.]auer des Hauptsacheverfahrens zu Recht verneint.

a) Ob die [X.]auer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und [X.]ritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-[X.]rucks. 17/3702 S. 18).

Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich und würde im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bereits an der Vielgestaltigkeit der Verfahren und prozessualen Situationen scheitern. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich die Angemessen-heit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 [X.]), wurde bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die [X.]auer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen (Senatsurteil vom 14. November 2013 -
III ZR 376/12, juris
Rn. 26 mwN, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen). [X.]er Verzicht auf allgemeingültige [X.]vorgaben schließt es regelmäßig aus, die Angemessenheit der Verfahrensdauer allein anhand statis-tisch ermittelter [X.]urchschnittswerte oder ausschließlich durch Rückgriff auf sonstige Orientierungs-
beziehungsweise
Richtwerte
zu ermitteln (vgl. [X.], 36
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Urteile vom 11. Juli 2013 -
5 C
23.12 [X.] aaO Rn.
28
ff und
5
C 27.12 [X.], BeckRS 2013,
56027
Rn.
20
ff; siehe auch BSG, Urteile vom 21. Februar 2013 aaO
je-weils Rn. 25 ff zu dem Sonderfall des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde nach dem [X.]: statistische Zahlen als "hilfreicher Maßstab").

Ebenso wenig kommt ein Evidenzkriterium in dem Sinne in Betracht, dass eine bestimmte Verfahrensdauer schon für sich genommen ohne Einzel-fallprüfung als unangemessen eingestuft werden müsste (vgl. [X.] aaO §
198 [X.] Rn. 88; [X.] aaO Rn. 76).
Soweit die Revision in diesem Zusam-menhang meint, dass im vorliegenden Fall eine Verfahrensdauer von knapp acht Jahren (bei Zusammenrechnung von selbständigem Beweisverfahren und Hauptsacheprozess) unzweifelhaft unangemessen sei, lässt sie außer [X.], dass auch bei einer mehrjährigen Verfahrensdauer sich deren Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2
[X.]). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die [X.]auer des Verfahrens beruht.

b) Unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die [X.] dann, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der
Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.[X.]. Art. 20 Abs.
3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 [X.] folgende Verpflich-tung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (Senatsurteil
vom 14. November 2013
aaO
Rn. 28; vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 37 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 29).

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Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgebli-cher [X.]raum
die [X.], wie sie §
198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] de-finiert (vgl. [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 78). [X.]ies hat zur Konsequenz, dass Verzö-gerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen [X.] eingetreten sind, nicht zwingend
die Unangemessenheit der [X.]sdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden [X.] insbesondere zu überprüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteil vom 14. No-vember 2013 aaO
Rn. 30; vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn.
44; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 79, 100 f). Maßgeblich ist, ob am Ende des Verfahrens die Angemes-senheitsgrenze überschritten worden ist ([X.] aaO Rn. 92). Es wäre [X.] zu kurz gegriffen, Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten schlicht "aufzuaddieren"
([X.] in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei über-langen Gerichts-
und Ermittlungsverfahren, § 198 [X.] Rn. 24).
Stets muss allerdings
in den Blick genommen werden, dass mit zunehmender Verfahrens-dauer
sich die mit dem Justizgewährleistungsanspruch verbundene Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (vgl. nur Senatsurteil vom 4. November 2010 -
III ZR 32/10, [X.]Z 187, 286 Rn.
11 mwN).

[X.]urch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs ge-mäß § 198 [X.] an die Verletzung konventions-
und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 [X.], Art. 2 Abs. 1 i.[X.]. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus. Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Be-rücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als 41
42
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18

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sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO
Rn. 31; vgl. [X.], [X.], 789, 791 f; [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 39 und 5 C 27.12 [X.] Rn.
31; siehe auch BSG, Urteile vom 21. Februar 2013 aaO jeweils Rn. 26: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").

c) Im Rahmen der gebotenen Gewichtung und Abwägung aller relevan-ten [X.] ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung des Gerichts im Zusammenhang stehen, bei Berücksich-tigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich ge-rechtfertigt sind. [X.]abei darf die Verfahrensführung nicht isoliert für sich [X.] werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist. [X.]abei kommt es darauf an, wie das Ausgangsgericht die Sach-
und Rechtslage aus seiner Sicht ex ante einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO
Rn. 32; vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 41 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 33).

aa) Bei der Beurteilung des Verhaltens des Gerichts muss
der verfas-sungsrechtliche Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) be-rücksichtigt werden. [X.]a die zügige Erledigung eines Rechtsstreits kein Selbst-zweck ist und das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächli-che und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht verlangt (Senatsurteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 14), muss dem Gericht
in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs-
und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorga-43
44
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19

-

ben besteht ein Ermessen des verantwortlichen [X.]s hinsichtlich
der [X.]sgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht
ein
Gestaltungsspielraum
zuzubilligen, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rech-nung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshand-lungen dazu erforderlich sind. Erst wenn die Verfahrenslaufzeit in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2
[X.] auch bei Be-rücksichtigung dieses Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu [X.] ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor (Senatsurteil
vom 14.
November 2013 aaO
Rn. 33; BSG aaO jeweils Rn. 27; [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 42 und 5 C
27.12 [X.] Rn. 34).

bb) Insofern kann eine Parallele zu dem ebenfalls im Spannungsverhält-nis zwischen
richterlicher
Unabhängigkeit und dem Gebot effektiven
Rechts-schutzes stehenden Amtshaftungsrecht gezogen werden. Im Amtshaftungspro-zess wird
die Verfahrensführung
des [X.]s
außerhalb des [X.] des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB
nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn
bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege das rich-terliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Bei der insoweit anzustellenden Bewertung darf der [X.]faktor zwar nicht ausgeblendet werden, zumal sich bei zunehmender Verfahrensdauer -
wie bereits ausgeführt -
die Pflicht des [X.], sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet; er ist aber nicht der allein entscheidende Maßstab (Se-natsurteil vom 4. November 2010 aaO Rn.14).

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20

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cc) Es ist sachgerecht, diese Grundsätze
zu den Grenzen der Überprüf-barkeit der richterlichen Verfahrensführung auf das Entschädigungsverfahren nach §§ 198 ff [X.] zu übertragen, auch wenn die Annahme einer unangemes-senen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 [X.] keine vorwerfbare Säumnis des Gerichts
voraussetzt und
auf strukturellen Problemen innerhalb des Verantwortungsbereichs des Staates beruhen kann, auf die der [X.] keinen Einfluss hat (BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 16, 19). Soweit in einem [X.] nach §§ 198 ff [X.] zu prüfen ist, ob die richterliche Verfahrens-gestaltung zu entschädigungsrechtlich relevanten Verzögerungen geführt hat,
ist kein Grund dafür ersichtlich, warum hier für die Beurteilung der richterlichen Verfahrensführung ein anderer Maßstab als im [X.] gelten
sollte (vgl. [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 20; [X.] aaO §
198 [X.] Rn. 127 ff; [X.] aaO Rn. 97).
[X.]ementsprechend begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der Zivilprozessordnung vertret-bare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben. Ein Anspruch des Rechtssuchenden auf optimale Verfahrensförderung besteht nicht ([X.], [X.] vom 14. [X.]ezember 2010 -
1 BvR 404/10,
juris Rn. 16).

d) [X.]ie Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die [X.] entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsge-richt den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, [X.]enkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung [X.] Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind 46
47
-

21

-

(vgl. Senatsurteile
vom 4. November 2010 aaO Rn. 18
und vom 14. November 2013 aaO
Rn. 34; Musielak/Ball
aaO § 546 Rn. 12).

Unter Berücksichtigung dieser
und der zuvor erörterten Grundsätze hält die Beurteilung des [X.]s, die [X.]auer des Hauptsacheverfahrens sei
nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.

aa) [X.]as [X.] hat bei der Überprüfung der einzelnen [X.]sabschnitte den zutreffenden Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt, in-dem es auf die Vertretbarkeit der Verfahrensgestaltung durch das [X.] abgestellt hat. Soweit die Revision geltend macht, das Entschädigungsge-richt habe das Vorliegen einer relevanten Verzögerung allein daran gemessen, ob eine "grobe Verletzung grundrechtlichen Schutzes"
vorliege oder "rechts-staatliche Grundsätze durch die Verzögerung krass verletzt seien", übersieht sie, dass das Gericht diese Gesichtspunkte -
anknüpfend an die verfassungs-gerichtliche Terminologie zu § 93a [X.]G beziehungsweise §
43a
[X.] -
lediglich als Beispielsfälle für eine unvertretbare Verfahrensge-staltung aufgeführt hat.

bb) Als rechtsfehlerfrei erweist sich die Auffassung des [X.],
die
erneute Bestellung
des bereits im selbständigen Beweisverfahren tätigen
Sachverständigen K.

sei nicht
unvertretbar gewesen.

Es
war nahe
liegend und sachgerecht, den bisherigen Sachverständigen, dessen Sachkunde aus Sicht des [X.]s nicht zweifelhaft war und der auch nicht mit Erfolg abgelehnt wurde, mit der für erforderlich gehaltenen
Gut-achtenergänzung zu beauftragen. Es kommt hinzu, dass -
wie das [X.] festgestellt hat -
die mögliche Auswahl der in Betracht kommenden 48
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Sachverständigen begrenzt war (die [X.] konnte überhaupt nur zwei Gutachter benennen) und die Klägerin selbst an der Bearbeitungsdauer des im selbstän-digen Beweisverfahren erstatteten Gutachtens keinen Anstoß genommen hatte.

cc) [X.] nicht zu beanstanden ist ferner die Annahme des Entschädigungsgerichts, dass in dem Verfahrensstadium zwischen der Entbin-dung des erkrankten Sachverständigen K.

am 23. Februar 2009 und der Einleitung des Verfahrens
zur Ernennung eines neuen Sachverständigen am 12. Mai 2009 keine sachwidrige Verzögerung festzustellen sei.

[X.]as [X.] musste nach der Entpflichtung des Sachverständigen K.

zunächst den Rücklauf der Akten und der bereits erstellten Unterlagen abwarten. Im Hinblick auf den Antrag der Klägerin, vor Ernennung eines neuen Sachverständigen den Beweisbeschluss zu ergänzen, war es erforderlich, dass
sich das Gericht, nachdem die Akte seit [X.] des vergangenen Jahres beim Sachverständigen gewesen war, in den komplexen Streitstoff erneut [X.]. Soweit
das
[X.] hierfür einen
angemessenen
Prüfungs-zeitraum von etwa sechs Wochen
veranschlagt hat, lässt dies Rechtsfehler nicht erkennen.

dd) [X.]ass das [X.] den faktischen Verfahrensstillstand
zwi-schen der Beauftragung des Sachverständigen Kl.

am 20. Januar 2010 und der erneuten Bestellung des Sachverständigen K.

im Septem-ber 2010 nicht dem Beklagten zugerechnet hat, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

52
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23

-

[X.]er [X.]verlust ist dadurch eingetreten, dass der Sachverständige Kl.

den Gutachtenauftrag auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen und anderweitiger beruflicher Auslastung nicht erledigt hat. Angesichts einer erwarteten Bearbeitungsdauer von mindestens zehn bis zwölf Wochen und un-ter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums war die Sach-standsanfrage des [X.]s vom 28. Mai 2010 nicht verspätet. Zu Recht ist das [X.] auch davon ausgegangen, dass die erneute Sach-standsanfrage des [X.]s vom 10. August 2010 (als Reaktion auf die un-zureichende Auskunft des Sachverständigen vom 26. Juni 2010), mag sie auch etwa einen Monat zu spät erfolgt sein, entschädigungsrechtlich nicht ins Ge-wicht fällt. Wie bereits ausgeführt,
kommt es im Rahmen der
Gesamtabwägung nach § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] darauf an, ob der Betroffene durch die Länge des Verfahrens in seinem Grund-
und Menschenrecht
aus Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 2 Abs.
1
i.[X.]. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 1 [X.]
beeinträchtigt worden ist. [X.]amit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt. [X.]a-ran fehlt es hier.

ee) [X.]ie Wertung des [X.]s, dass die [X.] vom 24. Juli 2012 mit Terminierung auf den 12. Oktober 2012 vertretbar gewe-sen sei,
weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.

Nachdem der Sachverständige K.

auf Nachfrage
des Gerichts am 24. Mai 2012 seine fortbestehende krankheitsbedingte Verhinderung angezeigt hatte, musste das [X.] noch die vom Prozessbevollmächtigten der Klä-gerin erbetene Stellungnahmefrist bis zum 2. Juli 2012 abwarten. Auch unter Berücksichtigung des Gebots, dass die Gerichte sich mit zunehmender [X.] nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens
bemühen
müs-55
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24

-

sen, ist in einer komplexen [X.], die aufwendig vorbereitet werden muss, ein zeitlicher Vorlauf bis zur Verhandlung von etwa drei Monaten unbedenklich.

[X.]ie Revision der Klägerin ist nach allem zurückzuweisen.

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]
Reiter
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 30.01.2013 -
4 [X.] 9/12 -

58

Meta

III ZR 73/13

05.12.2013

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2013, Az. III ZR 73/13 (REWIS RS 2013, 541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 541

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 73/13

III ZR 196/09

III ZR 91/10

VII ZR 172/09

III ZR 376/12

III ZR 32/10

1 BvR 404/10

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