Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.07.2010, Az. I ZB 35/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5211

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Gegenstand

Markenanmeldung: Unterscheidungskraft längerer Wortfolgen - Die Vision


Leitsatz

Die Vision

Längere Wortfolgen entbehren in der Regel jeglicher Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss des 33. Senats ([X.]) des [X.] vom 31. März 2009 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Anmelderin hat beim [X.] die Eintragung der Wortfolge

Die Vision: [X.] ENGAGEMENT IN TRÜFFELPRALINEN

Der Sinn: Jeder weiß [X.] wann zu tun ist und was NICHT zu tun ist

Der Nutzen: Alle tun das [X.] zur richtigen Zeit

als Marke für - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - folgende Waren und Dienstleistungen beantragt:

Klasse 30

Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, [X.], [X.], [X.], Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;

Klasse 35

Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;

Klasse 42

Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Rechtsberatung und -vertretung.

2

Die Markenstelle des [X.]s hat die Anmeldung wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben ([X.], 1060).

4

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.

5

II. Das [X.] hat die Beschwerde der Anmelderin für unbegründet erachtet, weil die angemeldete Wortfolge wegen Fehlens der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung als Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausgeschlossen sei. Es hat hierzu ausgeführt:

6

Zwar lasse sich ein Waren und Dienstleistungen beschreibender Zusammenhang nicht in Bezug auf alle drei im angemeldeten Zeichen enthaltenen Slogans herstellen. Gleichwohl werde die angemeldete Wortfolge nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden. Gegen die Unterscheidungskraft sprächen bereits die Länge des angemeldeten Zeichens und der Umstand, dass die verschiedenen Slogans im Verbund verwendet würden. Da bei dem angemeldeten Zeichen mehrere Slogans nacheinander aufgeführt seien, fehle es an Kürze, Originalität und Prägnanz und damit an wichtigen Indizien, die für eine Unterscheidungskraft sprechen könnten. Allein zur Erfassung der komplexen Gesamtwortfolge benötige der Verkehr eine erhebliche Zeit, was für sich genommen schon dagegen spreche, dass die Wortfolge als ein Zeichen bzw. ein betrieblicher Herkunftshinweis erfasst werde. Der Verkehr werde angesichts fehlender Gewöhnung an [X.] als Kennzeichnung in der angemeldeten Wortfolge keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sehen, sondern nur die Wortfolge als solche erkennen.

7

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) bejaht.

8

1. Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], [X.]. v. 4.12.2008 - I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 [X.]. 11 = WRP 2009, 813 - Willkommen im Leben; [X.]. v. 22.1.2009 - I ZB 34/08, [X.], 949 [X.]. 10 = [X.], 963 - [X.], m.w.N.).

9

Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortzeichen gerechtfertigt sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen ([X.] [X.], 778 [X.]. 12 - Willkommen im Leben; [X.], 949 [X.]. 12 - [X.], m.w.N.).

2. Nach den Feststellungen des [X.]s beschreiben zwar nicht alle drei im angemeldeten Zeichen enthaltenen Werbesprüche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Das angemeldete Zeichen enthält zudem, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, keine gebräuchliche Wortfolge, die vom Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt daraus jedoch nicht, dass dem angemeldeten Zeichen Unterscheidungskraft zukommt.

Kann einem Wortzeichen kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es zwar im Allgemeinen keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt ([X.] [X.], 778 [X.]. 11 - Willkommen im Leben, m.w.N.). Einem Zeichen kann die Unterscheidungskraft jedoch auch fehlen, wenn es keinen beschreibenden Begriffsinhalt hat und kein gebräuchliches Wort ist. So sind insbesondere längere Wortfolgen, wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig (st. Rspr.; vgl. [X.]. v. 13.6.2002 - I ZB 1/00, [X.], 1070, 1071 = [X.], 1281 - Bar jeder Vernunft; [X.], 778 [X.]. 12 - Willkommen im Leben; [X.], 949 [X.]. 12 - [X.]). Dem steht nicht der Grundsatz entgegen, dass an Wortfolgen keine anderen rechtlichen Maßstäbe anzulegen sind als an sonstige Arten von Zeichen. Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind zwar für alle Arten von Zeichen dieselben; bei der Anwendung dieser Kriterien kann sich aber zeigen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht jede Art von Zeichen notwendig in gleicher Weise wahrnehmen ([X.], Urt. v. 21.10.2004 - [X.]/02, [X.]. 2004, [X.] = GRUR 2004, 1027, 1029 [X.]. 34 - [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit] Urt. v. 21.1.2010 - [X.]/08, [X.], 228 [X.]. 37 - [X.] [Vorsprung durch Technik]). Eine längere Wortfolge vermittelt dem angesprochenen Verkehr in der Regel nicht den Eindruck eines betrieblichen Herkunftshinweises ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 8 Rdn. 144 m.w.N. zur Rechtsprechung des [X.]).

3. Danach hat das [X.] rechtsfehlerfrei angenommen, dass der angemeldeten Wortfolge jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Nach den Feststellungen des [X.]s sehen die angesprochenen Verkehrskreise in dem angemeldeten Zeichen wegen der Länge der Wortfolge keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen. Dem Zeichen fehlt es an Kürze, Originalität und Prägnanz und damit an wichtigen Indizien, die für eine Unterscheidungskraft sprechen könnten. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. [X.] [X.], 778 [X.]. 12 - Willkommen im Leben; [X.], 949 [X.]. 12 - [X.]).

Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das [X.] habe den Umstand, dass der Verkehr zur Erfassung der komplexen Gesamtwortfolge erhebliche Zeit benötigt, zu Unrecht zur Begründung der fehlenden Unterscheidungskraft herangezogen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das [X.] nicht verkannt, dass es für die Unterscheidungskraft unerheblich ist, ob die angesprochenen Verkehrskreise sich das angemeldete Zeichen merken können (vgl. [X.], [X.]. v. 8.12.1999 - [X.], [X.], 502, 503 f. = [X.], 520 - [X.], m.w.N.). Das [X.] hat das Fehlen der Unterscheidungskraft vielmehr allein daraus hergeleitet, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Wortfolge keinen Herkunftshinweis sehen.

Gleichfalls ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde die Annahme des [X.]s, der Verkehr werde angesichts fehlender Gewöhnung an [X.] als Kennzeichnung in der angemeldeten Wortfolge keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen, sondern nur die Wortfolge als solche erkennen. Da der Verkehr nach den Feststellungen des [X.]s nicht daran gewöhnt ist, in [X.] eine Kennzeichnung zu sehen, kommt es nicht darauf an, ob der Verkehr, wenn er an [X.] als Kennzeichnung gewöhnt wäre, in der angemeldeten Wortfolge einen betrieblichen Herkunftshinweis sähe.

Es kann dahinstehen, welche Folgen eine Zurückweisung des angemeldeten [X.] im Hinblick darauf hat, dass die in dem Mehrfachslogan enthaltenen Einzelslogans jeweils für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen als Marke der Anmelderin eingetragen sind (vgl. [X.], [X.]. v. 21.10.2008, 33 W (pat) 22/07, 33 W (pat) 33/07 und 33 W (pat) 37/07, jeweils juris). Die Rechtsbeschwerde macht geltend, bei einer Zurückweisung des [X.] könnte die Anmelderin die Einzelslogans nicht durch Verwendung des [X.] im Geschäftsverkehr rechtserhaltend nutzen und würden Dritte die Einzelslogans durch eine Verwendung des [X.] nicht verletzen. Es kommt nicht darauf an, ob die Befürchtungen der Anmelderin berechtigt sind. Sie können jedenfalls nicht die Eintragung eines Zeichens rechtfertigen, dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

[X.]Büscher

                       Schaffert                                Koch

Meta

I ZB 35/09

01.07.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 31. März 2009, Az: 33 W (pat) 21/07, Beschluss

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.07.2010, Az. I ZB 35/09 (REWIS RS 2010, 5211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5211

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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