Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.04.2016, Az. I ZR 23/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12124

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Gegenstand

Werbung im Internet für Telekommunikationsdienstleistungen: Begriff des Mitbewerbers; Werbung eines lokal ausgerichteten Unternehmens auf bundesweit ausgerichteten Portalen; Irrführung über die Verfügbarkeit eines Produkts; Veranlassung des Verbrauchers zu einer geschäftlichen Entscheidung beim Aufsuchen einer Internetseite - Geo-Targeting


Leitsatz

Geo-Targeting

1. Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG kann auch ein Unternehmen sein, dessen Waren oder Dienstleistungen die angesprochenen Verbraucher in dem Gebiet, in dem die beanstandete Werbung erscheint, nicht erwerben können.

2. Wer auf bundesweit ausgerichteten Portalen im Internet für Telekommunikationsdienstleistungen wirbt und weder aus der Natur der Sache noch aufgrund entsprechender Hinweise als allein lokal oder regional ausgerichtetes Unternehmen zu erkennen ist, erweckt den Eindruck einer grundsätzlich bundesweiten Verfügbarkeit seiner Waren und Dienstleistungen.

3. Für die Frage, ob ein relevanter Teil des Verkehrs irregeführt wird, ist allein auf die von der beanstandeten Werbung angesprochenen Verkehrskreise abzustellen.

4. Eine irreführende Werbung über die Verfügbarkeit eines Produkts ist lauterkeitsrechtlich auch dann erheblich, wenn die Werbung außerhalb seines Absatzgebiets trotz eines Geo-Targeting-Verfahrens noch in einem spürbaren Umfang (hier: 5% der Abrufe der Werbung aus anderen Regionen) abrufbar bleibt.

5. Für die Frage, ob Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, steht das Aufsuchen einer Internetseite, auf der Produkte oder Dienstleistungen unmittelbar bestellt werden können, dem Betreten eines stationären Geschäfts gleich.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 22. Dezember 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Wettbewerber beim Angebot von [X.]anschlüssen. Während die Klägerin ihre Dienstleistungen bundesweit vertreibt, ist das Angebot der Beklagten auf das durch ihr Kabelnetz abgedeckte Gebiet begrenzt, das sich im Wesentlichen auf [X.] beschränkt.

2

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine sogenannte Bannerwerbung der Beklagten im [X.]. Dabei erschienen ähnlich wie auf einer [X.] Werbebilder in einer Endlosschleife. Die Werbebanner hatten beispielsweise folgenden Text:

Bringt auch das Herz zum Rasen:

[X.] bis zu 100Mbit/s

K.    macht's möglich.

3

Die Klägerin beanstandet, dass diese Bannerwerbung der Beklagten auch außerhalb von [X.] und damit außerhalb des Gebiets, in dem [X.]anschlüsse der Beklagten verfügbar waren, aufgerufen werden konnte.

4

Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von [X.] zu verbieten,

[X.]    (hier: [X.]- und [X.]) im [X.] mit Werbebannern außerhalb des Bereichs zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, in dem die beworbenen Produkte abgenommen werden können (im Wesentlichen: räumlicher Bereich von [X.]), wenn dies geschieht, wie in dem in Fotokopie als Anlage [X.] und/oder Anlage [X.] und/oder Anlage [X.] und/oder Anlage [X.] und/oder Anlage [X.] beigefügten Werbebanner.

5

Die Beklagte hat geltend gemacht, die beanstandete [X.]werbung habe sich nicht bundesweit abrufen lassen. Vielmehr sei sie durch die [X.] für Aufrufe außerhalb [X.]s gesperrt gewesen. Dabei sei allenfalls mit einem Streuverlust von fünf Prozent, also einer äußerst geringen Aufrufbarkeit außerhalb des eigenen Netzgebiets, zu rechnen.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Berufungsgericht hat den auf Unterlassung der Bannerwerbung außerhalb der räumlichen Verfügbarkeit des Angebots der [X.] gerichteten Antrag als zulässig und begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

8

Der Antrag sei trotz Verwendung der Formulierung "im Wesentlichen: räumlicher Bereich von [X.]" hinreichend bestimmt. Die Klägerin habe in der Begründung ihres Antrags deutlich gemacht, dass sie Werbung verboten wissen wolle, die von Personen außerhalb des Gebiets des Kabelnetzes der [X.] aufgerufen werden könne. Zugleich stelle die Formulierung sicher, dass Werbung in [X.] insgesamt zulässig sei, auch wenn die Leistung der [X.] in diesem Bundesland aus technischen Gründen nicht überall genutzt werden könne.

9

Durch die Werbung auch außerhalb ihres Vertriebsgebiets täusche die [X.] über die Verfügbarkeit der Ware im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG. Diese Irreführung sei geeignet, die Marktentschließung bei den umworbenen Verkehrskreisen in relevanter Weise zu beeinflussen. Das Verbot des § 5 UWG erfasse auch Fälle, in denen von der Irreführung lediglich eine Anlockwirkung ausgehe, die noch rechtzeitig vor der Kaufentscheidung ausgeräumt werde. Selbst wenn der durch die beanstandete Werbung angelockte Kunde, der wegen der fehlenden Verfügbarkeit das konkrete Produkt nicht erwerben könne, bei dieser Gelegenheit keine anderen Waren des Anbieters erwerbe, könnten doch Mitbewerber erheblich beeinträchtigt werden. Der enttäuschte Kunde könnte nicht mehr bereit sein, das teurere Produkt des Mitbewerbers zu beziehen und von einem Erwerb insgesamt Abstand nehmen.

Der von der Bannerwerbung ausgehenden Irreführungsgefahr habe die [X.] nicht durch eindeutige Hinweise ausreichend entgegengewirkt. Dafür genüge die Angabe "[X.]" in ihrem Unternehmenskennzeichen nicht. Aus diesem Kürzel folge nicht zwingend ein Hinweis auf [X.]. Lokal verankerte Unternehmen seien zudem nicht gehindert, bundesweit tätig zu werden.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken (dazu [X.]). Das Berufungsgericht hat auch zu Recht den Unterlassungsanspruch für begründet erachtet (dazu II 2).

1. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Klageantrag ausreichend bestimmt.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derartig undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der [X.] deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem [X.] verboten wird, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2013 - [X.], [X.], 1229 Rn. 22 = [X.], 1613 - Kinderhochstühle im [X.]; Urteil vom 5. November 2015 - [X.], [X.], 705 Rn. 11 = [X.], 869 - [X.]). Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung des [X.] zu bestimmen, wobei die Klagebegründung zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, [X.]Z 194, 314 Rn. 27 - Biomineralwasser; [X.], [X.], 1229 Rn. 25 - Kinderhochstühle im [X.]).

b) Danach hat das Berufungsgericht den Klageantrag trotz der an sich unbestimmten Formulierung "im Wesentlichen" zu Recht als ausreichend bestimmt angesehen. Die Klägerin begehrt vorliegend allein ein Verbot der Bannerwerbung der [X.] außerhalb des Bereichs, in dem die beworbenen Angebote abgenommen werden können. Der Klammerzusatz "(im Wesentlichen: räumlicher Bereich von [X.])" verdeutlicht lediglich, dass sich das Versorgungsgebiet der [X.] räumlich im Wesentlichen auf [X.] erstreckt. Die Klägerin wollte dadurch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Leitungen der [X.] und damit die Abnahmemöglichkeit für ihre Produkte nicht immer stets genau an der Landesgrenze enden. Zugleich hat die Klägerin durch den Klammerzusatz verdeutlicht, dass sie der Bannerwerbung der [X.] im gesamten Land [X.] nicht entgegentreten will, selbst wenn dort in einzelnen Gebieten eine Versorgung durch die [X.] nicht möglich sein sollte. Das hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 2. Dezember 2014 ausdrücklich klargestellt.

2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG aF und §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG wegen irreführender Werbung der [X.] zu.

a) Da die Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der [X.] sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 4. Februar 2016 - I ZR 194/14, [X.], 403 Rn. 9 = [X.], 450 - [X.]). Nach dem Aufruf der [X.]seiten mit den beanstandeten Werbebannern zwischen dem 11. Dezember 2012 und dem 24. Januar 2013 und vor der Entscheidung in der Revisionsinstanz am 28. April 2016 ist das im Streitfall maßgebliche Recht mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das 2. Gesetz zur Änderung des [X.] ([X.] I 2015, S. 2158) novelliert worden. Die Bestimmung des § 3 Abs. 1 UWG wurde von der bisherigen [X.] entlastet und ebenso wie die [X.] des § 3 Abs. 2 UWG dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken angeglichen. In § 5 Abs. 1 UWG wurde eine Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie entsprechende Relevanzklausel eingefügt. Diese Änderungen haben nur klarstellenden Charakter und entsprechen der Auslegung des bisher geltenden [X.] durch den [X.]. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage hat sich damit nicht ergeben.

b) Die Klägerin ist für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG als Mitbewerberin aktivlegitimiert.

aa) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Dafür reicht es aus, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete [X.] den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 17. Oktober 2013 - [X.], [X.], 573 Rn. 15 = [X.], 552 - Werbung für Fremdprodukte; Urteil vom 31. März 2016 - [X.], [X.], 710 Rn. 19 = [X.], 843 - Im Immobiliensumpf).

bb) Danach ist die Klägerin in Bezug auf die konkret beanstandeten [X.] Mitbewerberin der [X.]. Zwar beschränkt sich das Gebiet, in dem die Parteien tatsächlich im Wettbewerb Dienstleistungen absetzen, im Wesentlichen auf [X.], während die Klägerin die Werbung der [X.] nur in dem Gebiet beanstandet, in dem diese ihre Leistungen nicht anbieten kann. Mit der beanstandeten Werbung betätigt sich die [X.] aber außerhalb von [X.] im Endkundenmarkt für [X.]anschlüsse und damit auf demselben sachlichen, räumlichen und zeitlichen Markt wie die Klägerin. Dadurch kann die Klägerin außerhalb [X.]s behindert werden, obwohl die Verbraucher dort die Leistungen der [X.] nicht beziehen können, weil diesen Verbrauchern im Hinblick auf das für sie nicht verfügbare Angebot der [X.] die von der Klägerin angebotenen Leistungen weniger attraktiv erscheinen können, so dass sie unter Umständen von einer Auftragserteilung an die Klägerin abgehalten werden können.

c) Soweit die Bannerwerbung der [X.] außerhalb ihres Vertriebsgebiets für kabelgebundene [X.]anschlüsse abrufbar ist, ist sie zur Täuschung der Verbraucher über die räumliche Verfügbarkeit der Dienstleistungen der [X.] geeignet.

aa) Nach der vom Berufungsgericht als richtig unterstellten Behauptung der [X.] können etwa 5% der von der Werbung angesprochenen Verbraucher die beworbenen Dienstleistungen tatsächlich nicht beziehen. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, diesen Verbrauchern gegenüber erwecke die Werbung der [X.] den unzutreffenden Eindruck, sie könnten die Leistungen der [X.] in Anspruch nehmen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Bei [X.]nutzern außerhalb [X.]s, denen die Werbung erscheint, wird der Eindruck einer jedenfalls bundesweiten Verfügbarkeit des Angebots der [X.] erweckt, so dass sie annehmen werden, diese Leistungen grundsätzlich auch an ihrem Wohnort in Anspruch nehmen zu können.

bb) Nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Bestandteil "[X.]" im Unternehmenskennzeichen der [X.] lasse eine räumliche Beschränkung ihres Vertriebsgebiets auf [X.] nicht erkennen. Die Annahme, "[X.]" in der Bezeichnung "kabel [X.]" oder "kabel bw" werde außerhalb des Bundeslandes [X.] nicht ohne weiteres als Kurzbezeichnung für dieses Bundesland verstanden, ist nicht erfahrungswidrig. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass lokal verankerte Unternehmen nicht gehindert seien, bundesweit tätig zu werden. Das ist dem Verbraucher grundsätzlich bekannt.

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang darauf, dass Unternehmen mit einem lokalen oder regionalen Wirkungskreis durch ihre Präsenz im [X.] nicht notwendig darauf hinweisen, ihre Waren oder Leistungen bundesweit anzubieten. Trotz des ubiquitären Charakters des [X.]s bleiben stationäre Betriebe, die sich und ihr Angebot im [X.] darstellen, grundsätzlich auf ihren räumlichen Tätigkeitsbereich beschränkt. Unternehmen wie zum Beispiel ein Handwerksbetrieb, ein Restaurant oder ein Hotel, die sich - aus welchen Gründen auch immer - auf einen bestimmten Wirkungskreis beschränkt haben, weisen mit ihrer [X.]präsenz nicht notwendig darauf hin, dass diese Beschränkung in Zukunft wegfallen soll. Abweichendes gilt aber dann, wenn ein Unternehmen mit seinem [X.]auftritt auch außerhalb seines bisherigen Wirkungskreises ansässige Kunden anspricht und ihnen seine Dienstleistungen anbietet. Eine solche Ansprache von Kunden liegt bei der beanstandeten Werbung der [X.] vor, weil ihr keine räumliche Beschränkung zu entnehmen ist.

Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass zwischen der schlichten bundesweiten Aufrufbarkeit des [X.]auftritts eines Unternehmens (so im Fall [X.], Urteil vom 22. Juli 2004 - [X.], [X.], 262 = [X.], 338 - soco.de) und einer Werbung zu unterscheiden ist, die - wie im Streitfall - aktiv auf bundesweit ausgerichteten Portalen wie [X.], [X.] und [X.] oder dem nicht für [X.] bestimmten Portal nordbayern.de geschaltet worden ist. Wer in dieser Weise überregional im [X.] wirbt und weder aus der Natur der Sache noch aufgrund entsprechender Hinweise als allein lokal oder regional ausgerichtetes Unternehmen zu erkennen ist, erweckt den Eindruck einer grundsätzlich bundesweiten Verfügbarkeit seiner Waren und Dienstleistungen. Das gilt insbesondere bei der Werbung für Telekommunikationsdienstleistungen, bei der sich das Verkehrsverständnis deutlich von demjenigen der [X.]präsenz stationärer Betriebe unterscheiden kann.

Das bedeutet zwar nicht, dass der Verbraucher eine tatsächliche Verfügbarkeit der angebotenen Dienstleistungen der [X.] für jeden Haushalt im [X.] erwarten wird. Ihm werden grundsätzlich technische Einschränkungen bei der Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen in bestimmten Gebieten bewusst sein. Der Kunde rechnet regelmäßig aber jedenfalls nicht damit, dass das Bundesland, von dem aus er einen [X.]anschluss für seinen Wohnsitz nutzen möchte, von vornherein nicht zum Vertriebsgebiet der [X.] gehört.

d) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Irreführung durch die beanstandete Bannerwerbung relevant.

aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG ist eine irreführende geschäftliche Handlung nur unlauter, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei kommt es auf die Vorstellung des verständigen und [X.] aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers an ([X.], Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 193/99, [X.], 550, 552 = [X.], 799 - Elternbriefe; Urteil vom 5. November 2015 - [X.], [X.], 521 Rn. 10 = [X.], 590 - [X.]). Erforderlich ist, dass die Werbung geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen ([X.], Urteil vom 26. Februar 2009 - [X.], [X.], 888 Rn. 18 = [X.], 888 - [X.]; Urteil vom 8. März 2012 - [X.], [X.], 1053, 1054 Rn. 19 = [X.], 1216 - Marktführer Sport).

bb) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Berufungsgerichts, die beanstandete Werbung der [X.] führe zu einer relevanten Irreführung der Verbraucher, revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach den Angaben der [X.] erfasse ihre Bannerwerbung zu etwa 5% Verbraucher in Gebieten, in denen ihre Dienstleistungen nicht erhältlich seien. Diejenigen Verbraucher, die allein über die territoriale Verfügbarkeit getäuscht werden könnten, würden zu 100% getäuscht. Diese Erwägungen tragen im Ergebnis die Annahme einer relevanten Irreführung.

(2) Die Klägerin beanstandet die Bannerwerbung der [X.] nicht als solche. Sie wendet sich vielmehr lediglich dagegen, dass diese Werbung außerhalb [X.]s an Orten aufgerufen werden kann, wo die beworbene Dienstleistung der [X.] nicht verfügbar ist. Bezugspunkt für die Frage, ob ein relevanter Teil des Verkehrs irregeführt wird, sind allein die von der beanstandeten Werbung angesprochenen Verkehrskreise. Dementsprechend liegt eine relevante Irreführung grundsätzlich etwa dann vor, wenn ein beworbenes Produkt nur in einer von 100 Filialen eines Handelsunternehmens nicht verfügbar ist (vgl. [X.], [X.], 1257, 1258; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 5 Rn. 315; Fezer/Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 278; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 59 Rn. 339).

Die allein von der beanstandeten Werbung angesprochenen Verkehrskreise außerhalb [X.]s werden zwar möglicherweise entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht zu 100% getäuscht. So mag ein Teil dieser Verbraucher das Kürzel "[X.]" zutreffend als Hinweis auf [X.] erkennen und sich wegen des Wohnsitzes außerhalb dieses Bundeslandes von der Werbung nicht angesprochen fühlen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen aber jedenfalls die Annahme, dass ein erheblicher Teil der außerhalb [X.]s von der beanstandeten Werbung angesprochenen Verbraucher über die räumliche Verfügbarkeit des Angebots der [X.] irregeführt wird.

(3) Der lauterkeitsrechtlichen Erheblichkeit der Irreführung steht nicht entgegen, dass die [X.] nach ihrer vom Berufungsgericht als richtig unterstellten Behauptung ein Geo-Targeting-Verfahren verwendet, durch das mit einer Genauigkeit von 95% Verbraucher aus [X.] erreicht werden, die allein die [X.] als Kunden für ihre Leistungen gewinnen will. Die von der [X.] grundsätzlich unerwünschte Ausstrahlung ihrer Werbung in Gebiete, in denen sie ihre Leistung nicht anbietet, ist kein unter Umständen unerheblicher "Ausreißer", sondern ein Streuverlust, der von der [X.] bewusst in Kauf genommen wird, obwohl sie eine Irreführung durch einen Hinweis auf die räumliche Verfügbarkeit ihres Angebots ohne weiteres ausschließen könnte.

(4) Die Werbung der [X.] ist geeignet, die dadurch irregeführten Verbraucher außerhalb [X.]s zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

Diese Verbraucher werden dazu veranlasst, sich durch Aufruf der Webseite der [X.] näher mit deren Angebot zu befassen. Der Begriff der "geschäftlichen Entscheidung" umfasst nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2013 - [X.]/12, [X.], 196 Rn. 36 = [X.], 161 - [X.]). Das Aufsuchen einer [X.]seite, auf der Produkte oder Dienstleistungen unmittelbar bestellt werden können, steht dem Betreten eines stationären Geschäfts gleich (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2016 - I ZR 231/14, [X.], 399 Rn. 16 f., 22 = [X.], 459 - [X.]).

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Schutzbereich des § 5 UWG umfasse Fälle, in denen von der Irreführung - wie im Streitfall - eine Anlockwirkung ausgeht, grundsätzlich auch dann, wenn die Irreführung noch rechtzeitig vor der Kaufentscheidung ausgeräumt wird (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2011 - [X.], [X.], 208 Rn. 34 = [X.], 311 - 10% Geburtstags-Rabatt; [X.], [X.], 1226, 1228; Bornkamm in [X.]/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 5 Rn. 2.192). Es kann deshalb dahinstehen, ob es überhaupt als ein zur Ausräumung eines Irrtums über die räumliche Verfügbarkeit des Angebots der [X.] ausreichender Hinweis anzusehen ist, wenn der Kunde bei Beginn eines Bestellvorgangs auf der [X.]seite der [X.] seine Postleitzahl angeben soll, damit sichergestellt werden kann, ob das von ihm gewünschte Produkt für seine Adresse verfügbar ist.

e) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] gemäß Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - [X.]). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung der Richtlinie 2005/29/[X.], die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist. Der vorliegende Sachverhalt ist nicht mit dem Fall "[X.]" vergleichbar, den der Senat zum Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens gemacht hat ([X.], [X.], 399 - [X.]). Die beim Senat bestehenden Zweifel an der Auslegung der Entscheidung "[X.]" des [X.] ([X.], 196) im Hinblick auf dessen Urteil "[X.]" ([X.], Urteil vom 12. Mai 2011 - [X.]/10, Slg. 2011, [X.] = GRUR 2011, 930 Rn. 56) bestehen im Streitfall nicht, weil nicht die Unterlassung wesentlicher Angaben im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/[X.] in Rede steht und wegen der [X.] von [X.]handel und stationärem Handel kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass dem Aufsuchen eines Geschäfts in der Entscheidung "[X.]" im [X.]handel grundsätzlich der Aufruf einer [X.]seite mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit entspricht.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                    Schaffert                          [X.]

                 Koch                        [X.]

Meta

I ZR 23/15

28.04.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 22. Dezember 2014, Az: 2 U 56/14

§ 2 Abs 1 Nr 3 UWG, § 5 Abs 1 S 1 UWG, § 5 Abs 1 S 2 Nr 1 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.04.2016, Az. I ZR 23/15 (REWIS RS 2016, 12124)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3310 REWIS RS 2016, 12124

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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