Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2014, Az. I ZB 31/14

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1314

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Gegenstand

Berufungsverfahren gegen eine Verurteilung zur Auskunftserteilung: Notwendige Begründung eines Berufungsverwerfungsbeschlusses wegen Nichterreichens der Mindestbeschwer nach Gegenvorstellung des Rechtsmittelführers gegen die Wertfestsetzung


Leitsatz

Wendet sich der Rechtsmittelführer mit einer Gegenvorstellung gegen die Festsetzung des Werts des Beschwerdegegenstands durch das Berufungsgericht auf einen 600 € nicht übersteigenden Wert und trägt er Umstände vor, die eine Neubewertung der Beschwer rechtfertigen, muss die Entscheidung des Berufungsgerichts, mit der es die Berufung wegen Nichterreichens der Wertgrenze als unzulässig verwirft, nachvollziehbar erkennen lassen, warum es an seiner Bewertung festhält.

Tenor

Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des - richtig - 21. Zivilsenats des [X.] vom 25. November 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 21. Zivilsenats des [X.] vom 25. November 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert beträgt bis zu 900 €.

Gründe

1

I. Die Klägerin betreibt einen Kunsthandel und eine Galerie. Auch der [X.] betrieb einen Kunsthandel. Er war bis Ende 2008 unter anderem auf Kommissionsbasis für die Klägerin tätig. Die Klägerin hat behauptet, sie habe dem [X.]n zwischen Dezember 2006 und Ende 2008 die in der Klageschrift aufgelisteten acht Kunstwerke mit einem Gesamtwert von 38.470,24 € im Rahmen eines Kommissionsvertrags übergeben. Sie nimmt den [X.]n im Wege einer Stufenklage auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch.

2

Das [X.] hat den [X.]n durch Teilurteil vom 13. Januar 2011 verurteilt, über die ihm von der Klägerin überlassenen [X.]n gemäß den im [X.] aufgelisteten [X.] Auskunft zu erteilen und nach Auskunftserteilung Rechnung zu legen.

3

Dagegen hat der [X.] mit der Begründung Berufung eingelegt, bereits am 25. November 2010 sei über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Berufungsgericht hat den Gegenstandswert für die Berufung mit Beschluss vom 9. Februar 2011 auf 500 € festgesetzt. Die vom [X.]n dagegen erhobene Gegenvorstellung hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 18. Februar 2011 zurückgewiesen. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.]n am 16. Juli 2013 aufgehoben worden war, hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 25. November 2013 die Berufung des [X.]n gegen das Teilurteil des [X.]s vom 13. Januar 2011 als unzulässig verworfen, weil der Wert des [X.] 600 € nicht übersteige und das [X.] die Berufung nicht zugelassen habe.

4

Innerhalb der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde hat der [X.] einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Der Senat hat ihm mit Beschluss vom 3. April 2014 für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Der [X.] hat gegen die Verwerfung der Berufung Rechtsbeschwerde eingelegt und wegen der Versäumung der Frist zu deren Einlegung und Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

5

II. Dem [X.]n ist Wiedereinsetzung in die versäumten Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil er vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat ohne Verschulden gehindert war, diese Fristen einzuhalten (§ 233 Satz 1 ZPO). Die [X.] nach § 234 ZPO sind gewahrt.

6

III. [X.] ist zulässig und begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

1. [X.] ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO eine Entscheidung des [X.] erfordert. Der angegriffene, die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluss des Berufungsgerichts verletzt das Recht des [X.]n auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und sein Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG). Die vom Berufungsgericht gestellten Anforderungen erschweren dem [X.]n den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise. Dies führt zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde (vgl. [X.], [X.] vom 7. November 2013 - 2 BvR 1895/11, juris Rn. 14 mwN; [X.], Beschluss vom 10. Mai 2012 - [X.], [X.], 796, 797; Beschluss vom 23. Januar 2013 - [X.] 167/11, [X.], 1117 Rn. 4; Beschluss vom 25. September 2013 - [X.] 200/13, [X.], 1362 Rn. 4; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - [X.], juris Rn. 5).

8

2. [X.] ist auch begründet.

9

a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, das Vorbringen des [X.]n rechtfertige es nicht, die Beschwer für das Berufungsverfahren auf über 600 € festzusetzen. Bei der Bewertung des [X.] des zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung Verurteilten sei der konkrete Aufwand an [X.] entscheidend, den die sorgfältige Erteilung der Auskunft und Rechnungslegung erfordere. Danach sei die Beschwer des [X.]n mit nicht mehr als 500 € zu bewerten, auch wenn davon ausgegangen werde, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung nicht ohne fremde Hilfe in der Lage sei. Selbst wenn sich seine Geschäftsunterlagen ungeordnet in mehreren Umzugskartons befänden, habe er nicht glaubhaft gemacht, dass das Aussortieren der für die Auskunftserteilung und Rechnungslegung erforderlichen Unterlagen und die geordnete Aufstellung von Einnahmen und Ausgaben zu den [X.]n einen Zeitaufwand erforderten, der bei Hinzuziehung von Hilfspersonen einen Kostenaufwand von über 500 € verursache. Es bestehe keine Notwendigkeit, hierfür einen Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer heranzuziehen. Eine Aushilfskraft ohne hervorgehobene Qualifikationen sei zur Ausführung dieser Arbeiten in der Lage.

b) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des [X.] ausgegangen, nach der sich der gemäß §§ 2, 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzende Wert des [X.] im Fall der Einlegung der Berufung der zur Auskunftserteilung verurteilten Person nach ihrem Interesse bemisst, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte [X.] ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (vgl. nur [X.], Beschluss vom 24. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 85, 87; Beschluss vom 10. März 2010 - [X.], [X.], 891 Rn. 6; Beschluss vom 22. März 2010 - [X.], [X.], 998 Rn. 2; Beschluss vom 9. November 2011 - [X.], [X.], 216 Rn. 13; Beschluss vom 9. Februar 2012 - [X.]/11, [X.] 2012, 270 Rn. 7; Beschluss vom 13. März 2014 - [X.], [X.], 908 Rn. 7 = NJW-RR 2014, 1210).

c) [X.] kann die Bemessung der Beschwer darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht von dem ihm gemäß § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Die Bemessung der Beschwer ist rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht bei der Bewertung des [X.] maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 139 ZPO nicht festgestellt hat ([X.], Beschluss vom 26. Oktober 2011 - [X.] 465/11, NJW 2011, 3790 Rn. 17; [X.], [X.] 2012, 270 Rn. 8; [X.], [X.], 796 Rn. 8; [X.], Beschluss vom 24. Juli 2012 - [X.], juris Rn. 4). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der angefochtene Beschluss lässt nicht erkennen, auf welcher Tatsachengrundlage das Berufungsgericht das ihm gemäß § 3 ZPO eingeräumte Ermessen bei der Ermittlung der Beschwer des [X.]n ausgeübt hat.

aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der [X.] infolge seiner psychischen Erkrankung außer Stande ist, die ihm auferlegten Auskunfts- und [X.] selbst zu erfüllen, so dass er hierfür fremde Hilfe in Anspruch nehmen muss. Für die Ermittlung der Beschwer des [X.]n ist deshalb darauf abzustellen, welche Kosten ihm durch die Inanspruchnahme fremder Hilfe bei der Erfüllung der ihm auferlegten [X.] entstehen.

bb) Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der [X.] keinen Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer einschalten muss, um die Verpflichtung aus dem landgerichtlichen Urteil zu erfüllen. Der [X.] war als Kommissionär der Klägerin tätig und hat über die ihm anvertraute [X.] Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Dies erfordert nicht das Spezialwissen eines Rechtsanwalts oder Wirtschaftsprüfers. Vielmehr reicht die Einschaltung einer Person aus, die Erfahrung mit der Ausführung von Buchhaltungstätigkeiten hat.

cc) [X.] wendet sich jedoch mit Recht dagegen, dass das Berufungsgericht den Wert der Beschwer des [X.]n mit nicht mehr als 500 € bewertet hat. Das Berufungsgericht hat die für die Wertbemessung erforderlichen Grundlagen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, so dass sich diese nicht nachvollziehen lassen.

(1) Das Berufungsgericht hat bei der Festsetzung des Streitwerts auf 500 € mit Beschluss vom 9. Februar 2011 darauf abgestellt, dass der [X.] die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung selbst und im laufenden Geschäftsbetrieb erbringen kann. Die dagegen gerichtete Gegenvorstellung des [X.]n, mit der dieser auf seine psychische Erkrankung und das Erfordernis fremder Hilfe hingewiesen hat, hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 18. Februar 2011 zurückgewiesen, ohne dabei nachvollziehbar zu begründen, warum dieser bei seinem Streitwertbeschluss vom 9. Februar 2011 noch nicht bekannt gewesene Sachverhalt an der Streitwertfestsetzung nichts änderte. Das Berufungsgericht hat auch nach dem weiteren Vortrag des [X.]n nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, seine Geschäftsunterlagen befänden sich unsortiert in mehreren Umzugskartons, keine Veranlassung gesehen, seiner die Berufung verwerfenden Entscheidung einen anderen [X.] als 500 € zugrunde zu legen.

(2) Für die Wertbemessung bei der Erfüllung einer Auskunftspflicht durch die verurteilte [X.] selbst sind die Vorschriften des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes ([X.]) heranzuziehen ([X.], [X.], 891 Rn. 6; [X.], Beschluss vom 23. März 2011 - [X.] 436/10, [X.], 623 Rn. 10; Beschluss vom 27. Februar 2013 - [X.], [X.] 2013, 154 Rn. 14; Beschluss vom 29. Juli 2014 - [X.] 37/13, juris Rn. 6). Muss sich die [X.] bei der Auskunftserteilung und Rechnungslegung fremder Hilfe bedienen, ist dagegen auf die Kosten abzustellen, die die Einschaltung einer Hilfsperson verursacht.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass die Eigenleistung des [X.]n bei laufendem Geschäftsbetrieb mit 500 € zu bemessen sei, können angesichts der moderaten Vergütungssätze des [X.] noch als angemessen angesehen werden. Es hätte jedoch einer nachvollziehbaren Berechnung des erforderlichen Kostenaufwands bedurft, den der [X.] zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung für die Auskunftserteilung und Rechnungslegung unter Inanspruchnahme fremder Hilfe gehabt hätte. Veranlassung hierzu bestand deshalb, weil der [X.] seine Geschäftstätigkeit eingestellt und sich wegen seiner psychischen Erkrankung zumindest vorübergehend in stationärer oder teilstationärer Behandlung befunden hatte. Da das Berufungsgericht eine solche Berechnung nicht angestellt hat, ist die Bemessung des Werts des [X.] nach wie vor nur auf 500 € nicht nachvollziehbar. Der Hinweis, die Festsetzung des Werts des [X.] entspreche der Verfahrensweise des Berufungsgerichts in allen vergleichbaren Fällen, reicht in Anbetracht der Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts nicht aus.

3. Danach ist der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache, die nicht zur Endentscheidung reif ist, an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Büscher     

        

Schaffert     

        

Ri[X.] Dr. Koch
ist in Urlaub und
daher gehindert
zu unterschreiben.

                                   

Büscher

        

Löffler     

        

Schwonke     

        

Meta

I ZB 31/14

17.11.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 25. November 2013, Az: II-21 U 3/11

§ 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2014, Az. I ZB 31/14 (REWIS RS 2014, 1314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1314


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 31/14

Bundesgerichtshof, I ZB 31/14, 17.11.2014.


Az. 21 U 3/11

Oberlandesgericht Köln, 21 U 3/11, 29.09.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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