Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. V ZB 106/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10048

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:010617BVZB106.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]/16
vom

1. Juni 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2
Die Berufungsbegründungsfrist kann nicht unter einer Bedingung verlängert werden. Geschieht dies dennoch, ist nur die Bedingung unwirksam, die Fristver-längerung ist hingegen wirksam.

[X.], Beschluss vom 1. Juni 2017 -
V [X.]/16 -
Kammergericht

[X.]

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2
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Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 1. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr.
Brückner, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 27.
Zivilsenats des [X.] vom 14. April 2016 aufgeho-ben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 310.700

Gründe:
I.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 9. September 2015 zugestellte Urteil des [X.] fristgerecht Berufung eingelegt. Die am 10. November 2015 ablaufende Frist zur Begründung der Berufung ist wiederholt verlängert worden, und zwar erstmals bis zum 9. Dezember 2015 und weitere Male mit Zustim-mung der Beklagten bis zum 8. Januar 2016 und 8. Februar 2016. Am 8. [X.] 2016 hat der [X.] der Klägerin erneut die Verlängerung der Frist bis zum 8. März 2016 beantragt und anwaltlich versichert, der [X.]
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zessbevollmächtigte der Beklagten habe der Fristverlängerung zugestimmt. Der Vorsitzende des Berufungssenats

n-gerung wird mit der Maßgabe gewährt, dass der Prozessbevollmächtigte der m
Schriftsatz hat die Klägerin die Berufung begründet.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Kammerge-richt
mitgeteilt hatte, keine Zustimmung zu der am 8. März 2016 beantragten Fristverlängerung erteilt zu haben, hat die Klägerin vorsorglich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbe-gründungsfrist gestellt. Diesen Antrag hat das
Kammergericht
zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 4. April 2016 hat es die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.
Das Berufungsgericht meint, die Berufungsbegründung der Klägerin sei verspätet eingegangen. Die Berufungsbegründungsfrist sei am 8. Februar 2016 nicht wirksam verlängert worden. Die Fristverlängerung sei von der [X.] Bedingung abhängig gemacht worden, dass der [X.] der Beklagten zugestimmt habe. Daran fehle es.
Zwar sei es offensichtlich zu ei-nem Missverständnis zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien ge-kommen.
Die Klägerin habe auf die Verfügung des Vorsitzenden vom 8. Febru-ar 2016 aber nicht vertrauen,
sondern von einer wirksamen Fristverlängerung nur ausgehen dürfen, wenn sie sich sicher gewesen sei, dass die Zustimmung vorliege.
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III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statt-hafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§
574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat der Klägerin den Zu-gang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt ihren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsst[X.]tsprinzip, vgl. [X.] 77, 275, 284) und
eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 -
V [X.], [X.], 367, 368 mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hätte das Rechtsmittel nicht wegen Versäumung
der Berufungsbegründungsfrist als unzu-lässig verwerfen dürfen (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Vorsitzende des
Beru-fungssenats
hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. März 2016 wirksam verlängert. Innerhalb dieser Frist ist die Berufungsbegründung eingegangen.
a) Nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Berufungsbegründungsfrist von dem Vorsitzenden auf Antrag verlängert werden, wenn der Gegner einwil-ligt. Ohne diese
Einwilligung
ist die Verlängerung nur bis zu einem Monat und nur dann zulässig, wenn nach der freien Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Beru-fungskläger erhebliche Gründe darlegt (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Ist die Beru-fungsbegründungsfrist, wie hier, bereits einmal ohne Zustimmung des Beru-fungsgegners
um einen Monat verlängert worden, so kommt eine weitere Ver-4
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längerung nur noch bei Vorliegen der Einwilligung des Gegners in Betracht. Diese muss nicht schriftlich und gegenüber dem Berufungsgericht erklärt wer-den; sie kann vielmehr auch vom Prozessbevollmächtigten des [X.] eingeholt und gegenüber dem Gericht dargelegt werden (vgl. [X.], [X.] vom 9. November 2004 -
XI [X.], [X.]Z 161, 86, 89; Beschluss vom 22. März 2005 -
XI [X.], NJW-RR 2005, 865, 866; Beschluss vom 12.
April 2006 -
XII [X.], [X.], 2192 Rn. 9).
b) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zwar ausgegangen. [X.] ist aber seine Auffassung, die Verlängerung der Berufungsbe-gründungsfrist sei wegen Fehlens der Bedingung, unter der sie gewährt worden sei, unwirksam.
Die
Berufungsbegründungsfrist kann nicht unter einer Bedin-gung verlängert werden. Geschieht dies dennoch, ist nur die Bedingung [X.], die Fristverlängerung ist hingegen wirksam.
[X.])
Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist bedingungs-feindlich. Der Berufungsführer, der um eine solche Verlängerung nachsucht, muss anhand der Antwort des Gerichts zweifelsfrei feststellen können, wann die Frist abläuft. Dies folgt aus dem Grundsatz der [X.]. Dieses aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete Postulat setzt nicht nur Maßstäbe für die Erkenn-barkeit des in Betracht kommenden Rechtsmittels, sondern auch für die
Voraussetzungen, unter denen es zulässig ist (vgl. [X.]K 16, 362, 366; [X.], Beschluss
vom 27. Oktober 2015 -
2 BvR 3071/14, juris Rn. 12; [X.], Urteil vom 28. Juli 2016 -
I [X.], NJW 2017, 806 Rn. 11; jeweils mwN). Hierzu gehört, dass Fristen, von deren Einhaltung die Zulässigkeit eines Rechtsmittels abhängt, eindeutig bestimmbar sind. Daran fehlte es, wenn eine Fristverlängerung unter eine Bedingung gestellt werden könnte. Der Ablauf der Begründungsfrist wäre dann nämlich nicht kalendermäßig und damit klar be-stimmbar, sondern hinge von dem Nachweis des Eintritts der gesetzten Bedin-8
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gung ab. Von solchen Unwägbarkeiten dürfen die Rechtsmittelgerichte die Zu-lässigkeit eines Rechtsmittels nicht abhängig machen.

bb)
Die von dem
Vorsitzenden
des Berufungsgerichts bestimmte Bedin-gung, unter der die Fristverlängerung stehen sollte, ist daher unwirksam. Die
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
ist hingegen wirksam.
Sie ist als unbedingt anzusehen.
Zwar
ist die Prozesshandlung einer Partei, die
von einer unzulässigen
Bedingung abhängig gemacht wird, unwirksam (vgl. Senat, Beschluss vom 8.
Oktober 1992 -
V [X.], [X.], 713; [X.], Beschluss vom 26.
September 2007 -
XII [X.], [X.], 43 Rn. 15 f.; [X.]/[X.], ZPO, 31.
Aufl., Vor § 128 Rn. 20).
Für Fristverlängerungen des Gerichts kann dies aber nicht gelten.
Bei der Prüfung der Frage, ob eine Fristverlängerung wirksam ist, ist vielmehr auf den allgemeinen Grundsatz der Wirksamkeit rechtsfehlerhaft ergangener gerichtlicher Entscheidungen und auf Vertrauens-schutzgesichtspunkte abzustellen. Danach darf eine Prozesspartei, der auf ih-ren rechtzeitig vor Fristablauf gestellten Antrag eine Fristverlängerung gewährt worden ist, grundsätzlich davon ausgehen, dass die betreffende richterliche Verfügung wirksam ist (vgl. Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 -
V [X.], [X.]Z 182, 307 Rn. 16; [X.], Beschluss vom 18. November 2003 -
VIII ZB 37/03, [X.], 1460 mwN; Beschluss vom 12. Februar 2009 -
VII ZB 76/07, [X.], 1149 Rn. 13; Beschluss vom 19. Juli 2016 -
II ZB 3/16, NJW-RR 2016, 1529 Rn. 14).
c) Schließlich
ist unerheblich, dass die erforderliche Einwilligung des [X.]n der Beklagen nicht vorgelegen hat (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auch ohne sie ist die bewilligte Fristverlängerung wirksam (vgl. [X.], Urteil vom 18. November 2003 -
VIII ZB 37/03, [X.], 1460, 1461; Be-10
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schluss vom 9. November 2004 -
XI [X.], [X.]Z 161, 86, 89; Beschluss vom 30. April 2008 -
III ZB 85/07, NJW-RR 2008, 1162 Rn. 4).
Ob das auch gilt, wenn der Vorsitzende von dem Rechtsmittelführer
bewusst getäuscht worden ist, hat der [X.] bislang offen gelassen (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Oktober 1998 -
VII ZB 21/98, NJW-RR 1999, 286, 287). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist
es offensichtlich zu einem Missverständnis zwischen den Prozessbevoll-mächtigten der Parteien über das Vorliegen des Einverständnisses gekommen.
3. Der die Berufung der Klägerin als unzulässig verwerfende Beschluss des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Ent-scheidung über das Rechtsmittel an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
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IV.
Den
Gegenstandswert des [X.]
hat der Senat
nach der Wertfestsetzung des Berufungsgerichts bestimmt.
[X.]
Schmidt-Räntsch
Brückner

Göbel
Haberkamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.09.2015 -
13 O 302/14 -

KG, Entscheidung vom 14.04.2016 -
27 [X.] -

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Meta

V ZB 106/16

01.06.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. V ZB 106/16 (REWIS RS 2017, 10048)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10048

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V ZB 106/16

2 BvR 3071/14

I ZR 9/15

II ZB 3/16

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