Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2013, Az. VI ZB 6/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5482

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
6/13

vom

28. Mai 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 85 Abs. 2; § 233 ([X.], [X.])
a)
Bestehen nach dem Wortlaut der Verfügung, durch die die [X.] verlängert worden ist, Unklarheiten und begründete Zweifel über den Umfang der Verlängerung, ist das Vertrauen des Mitteilungsempfängers in eine antragsgemäße Verlängerung nicht geschützt.

b)
Bei Beantragung einer Fristverlängerung muss das hypothetische Ende der bean-tragten Fristverlängerung bei oder alsbald nach Einreichung des [X.] im [X.] eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und [X.] spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüft werden, [X.] das wirkliche Ende der Frist festgestellt wird.

[X.], Beschluss vom 28. Mai 2013 -
VI [X.]/13 -
OLG [X.]

LG Traunstein

-
2
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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
28. Mai 2013
durch die Rich-ter Zoll und [X.], die Richterin [X.] und die Richter
Pauge und
Stöhr
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 3.
Zivilsenats des [X.] vom 14.
Dezember 2012 wird auf seine Kosten als unzulässig verwor-fen.
[X.]: 108.918,15

Gründe:
I.
Gegen das die Klage abweisende Urteil des [X.] vom 31.
Mai 2012, das dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 4.
Juni 2012 zuge-stellt worden ist, hat dieser am 3.
Juli 2012 Berufung eingelegt. Auf den am Montag, dem 6. August 2012, eingegangenen Antrag hat das Berufungsgericht die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 6.
September 2012 verlängert und den Prozessbevollmächtigten des [X.] am 8.
August 2012 hiervon in [X.] gesetzt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbe-gründungsfrist
und die Berufungsbegründung sind am 20.
September 2012 beim Berufungsgericht eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] 1
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hat
den Antrag damit begründet, dass er Verlängerung der [X.] bis 20.
September 2012 beantragt habe und die Fristverlängerung antragsgemäß, wenn auch mit der Datumsangabe nur bis zum 6. September 2012 verfügt worden sei.
Das dem Verlängerungsantrag entsprechende Frist-ende
am 20. September 2012 sowie eine Vorfrist für den 10.
September 2012 habe die Sekretärin bereits bei Stellung des Antrags auf Fristverlängerung auf Anweisung des Prozessbevollmächtigten im Terminkalender vermerkt. Der Pro-zessbevollmächtigte sei nach der telefonischen Auskunft seiner Sekretärin, dass dem Verlängerungsantrag antragsgemäß stattgegeben worden sei, davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung bis 20.
September 2012 einzu-reichen sei. Erst nach Rückkehr aus dem Urlaub am 10.
September 2012 habe er bemerkt, dass die Berufungsbegründungsfrist lediglich bis 6.
September 2012 verlängert worden sei. Die Verfügung des Gerichts sei im vorliegenden Fall nicht eindeutig, da die Frist zwar antragsgemäß verlängert worden sei, die Verlängerung jedoch,
abweichend von dem Antrag, nur bis 6.
September 2012 verfügt worden sei. Es fehle auch der Hinweis, dass dem weitergehenden [X.] nicht stattgegeben werde. Der Prozessbevollmächtigte
habe
sich auf die Richtigkeit der Mitteilungen seiner Sekretärin verlassen können, da diese bisher alle Fristen ordnungsgemäß eingetragen und verfolgt und es auch sonst auf-grund ihrer bisherigen korrekten und nicht zu beanstandenden Arbeitsweise keinen Anlass für etwaige Zweifel an der
Richtigkeit ihrer Aussagen gegeben
habe. Wegen seiner
urlaubsbedingten
Abwesenheit bis 10.
September 2012 sei es ihm nicht möglich gewesen, sich auf die verkürzte Frist einzustellen bzw. einen entsprechenden weiteren Verlängerungsantrag zu stellen.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag mit dem [X.] Beschluss zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verwor-fen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz
4, § 238 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die [X.] wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeu-tung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückge-wiesen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem
Kläger nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines
Prozessbe-vollmächtigten beruhe. Dieser habe nicht durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt, dass die Rechtsmittelfrist zuverlässig festgehalten und kontrolliert würde. Es fehlten organisatorische Maßnahmen, die die
Eintra-gung einer verlängerten Frist zeitnah mit dem Eingang der gerichtlichen Mittei-lung über die Fristverlängerung gewährleisteten. Werde
ein Antrag auf Fristver-längerung gestellt, müsse das hypothetische Ende der beantragten Fristverlän-gerung bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags in den [X.] eingetragen,
als vorläufig gekennzeichnet und spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüft werden, damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt werden könne. [X.] dürfe die endgültige Frist eingetragen werden, bevor die Verlängerung gewährt sei. Die Sekretärin des Prozessbe-vollmächtigten des [X.] habe es unterlassen, die tatsächlich gewährte Frist mit der beantragten und notierten Frist abzugleichen. Hätte sie dies getan, hätte sie bemerkt, dass die Fristverlängerung nicht wie beantragt gewährt worden ist.
Da eine entsprechende Anweisung des Prozessbevollmächtigten
des [X.]
fehle, sei
ein Organisationsverschulden des Klägervertreters
gegeben. Außer-dem
habe der Klägervertreter für die
Verlängerung der
Berufungsbegründungs-3
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frist
um sechs Wochen der Einwilligung des Gegners bedurft. Dass seinem [X.] ohne die Mitteilung der Einwilligung des Gegners stattgegeben würde, ha-be der Klägervertreter nicht erwarten dürfen.
2. Das Berufungsgericht hat dem Kläger die beantragte Wiedereinset-zung zu Recht versagt. Die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beruht auf dem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das
dem Kläger nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen ist.
a) Dass die Berufungsbegründungsfrist am 6. September 2012 abgelau-fen ist, zieht der Kläger mit Recht nicht in Zweifel. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genießt er auch keinen Vertrauensschutz in die [X.] bis zum 20. September 2012. Einem berechtigten Vertrauen stünde allerdings nicht schon entgegen, dass die erforderliche Einwilligung des Gegners nach §
520 Abs.
2 Satz 2 ZPO für eine Fristverlängerung in der bean-tragten Weise nicht vorgelegen hat, weil auch ohne die Einwilligung eine bewil-ligte Fristverlängerung wirksam wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2004 -
XI
[X.]/04, [X.]Z 161, 86, 89). Die vorliegende Verlängerungsverfü-gung ist
nicht vergleichbar mit einer "antragsgemäßen" Fristverlängerung ohne Angabe eines Datums für das Fristende. Macht die Verfügung den [X.] zum Inhalt der Fristverlängerung selbst, gilt zwar die Frist auch dann als antragsgemäß verlängert, wenn sie im Antrag fehlerhaft berechnet worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 30. April 2008 -
III
ZB 85/07, NJW-RR 2008, 1162 Rn.
2 und 4). Im Streitfall bestand jedoch
nach dem Wortlaut der Verfügung eine offensichtliche klärungsbedürftige Differenz zwischen der da-tumsmäßigen Festsetzung des Endes der Frist einerseits und der "antragsge-mäßen" Verlängerung andererseits, aufgrund deren ein Vertrauen des Pro-zessbevollmächtigten des [X.] auf das Ende der Frist am 20. September 2012 nicht gerechtfertigt war.
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6
-

Maßgeblich für den Umfang der gerichtlichen Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist, auf den sich eine [X.] grundsätzlich verlassen kann, ist der objektive Inhalt (vgl. [X.], Beschluss vom 30. April 2008
-
III
ZB 85/07, aaO). Grundsätzlich ist hierfür der Wortlaut der Mitteilung entscheidend und zwar auch dann, wenn die Verfügung des Vorsitzenden, durch die die Beru-fungsbegründungsfrist verlängert wird, einen Fehler aufweist, aufgrund dessen die Frist um einen größeren Zeitraum verlängert scheint als verfügt. Jedoch ist das Vertrauen des Mitteilungsempfängers nicht geschützt, wenn der Fehler of-fensichtlich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Januar 1999 -
V
ZB 31/98, [X.], 1304). Dies gilt auch im Fall einer Unklarheit. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] konnte aus der Sicht des objektiven Empfängers der Verfügung des Berufungsgerichts nicht ohne begründete Zweifel eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20. September 2012 entnehmen. Die be-rechtigten Zweifel hätte er jedenfalls durch eine Rücksprache bei Gericht klären müssen.
b) Eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des [X.], die den Abgleich der notierten hypo-thetischen Frist mit der gewährten Frist sicherstellte, hätte die Möglichkeit [X.], die Frist zu wahren. Eine solche hat der Kläger aber weder dargetan noch glaubhaft gemacht.
Nach gefestigter Rechtsprechung gehört es zu den Aufgaben des Rechtsanwalts, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu [X.], dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13.
Juli 2010 -
VI
ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn.
6 und vom 15.
April 2008 -
VI
ZB 29/07, juris Rn.
10). Auf welche Weise der Anwalt sicherstellt, dass die Eintragung im 7
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7
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[X.] und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm grundsätzlich frei. Durch die organisatorischen Maßnahmen muss
aber sichergestellt
werden, dass die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderli-chen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. unverzüglich nach Ein-gang des betreffenden Schriftstücks, und im unmittelbaren zeitlichen Zusam-menhang vorgenommen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Februar 2003 -
VIII
ZB 115/02, [X.], 1460, 1461). Beantragt der [X.] eine Fristverlängerung, so muss das hypothetische Ende der beantragten Fristverlängerung bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im [X.] eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und rechtzeitig spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüft werden, damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 13.
Juli 2010 -
VI
ZB 1/10, aaO; [X.], Beschlüsse vom 14.
Juli 1999 -
XII
[X.]2/99, NJW-RR 1999, 1663; vom 22.
November 2001 -
XII
ZB 195/01, NJW-RR 2002, 712; vom 13.
Dezember 2001 -
VII
ZB 19/01, [X.] 2002, 906, 907 und vom 14.
Juni 2007 -
I
ZB 5/06, AnwBl
2007, 796, 797).
Diesen Anforderungen entsprach die [X.] in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des [X.] nicht. Nach
den
von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] keine Vorkehrungen getroffen, durch die sichergestellt wäre, dass der Eintrag des hypothetischen
Endes
der von ihm beantragten Fristverlängerung im [X.] bei oder alsbald nach Eingang
der
gerichtlichen Verlängerungsverfügung
abgeglichen wird.
Vielmehr blieb ungeprüft, ob
die im [X.] notierte hypothetische Frist mit der durch die gerichtliche Verfügung verlängerten Frist tatsächlich
überein-stimmt.
Hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] die erforderlichen orga-nisatorischen Vorkehrungen getroffen, wäre der damit betrauten Sekretärin [X.], dass entgegen dem gestellten Antrag die Begründungsfrist nur bis 10
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zum 6.
September 2012 verlängert worden ist. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte er eine weitere Fristverlängerung beantragen können. [X.] trug das vom Prozessbevollmächtigten geschilderte Vorgehen
das Risiko der Fristversäumung für den
-
hier gegebenen
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Fall in sich, dass
die Fristver-längerung nicht in der beantragten Weise gewährt würde.
Zoll
[X.]
[X.]

Pauge
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.05.2012 -
2 O 2926/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 14.12.2012 -
3 U 2732/12 -

Meta

VI ZB 6/13

28.05.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2013, Az. VI ZB 6/13 (REWIS RS 2013, 5482)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5482

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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