Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.07.2019, Az. B 13 R 150/19 B

13. Senat | REWIS RS 2019, 5443

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Sachverhaltsschilderung - Mindestanforderung an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 2. Mai 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt [X.] beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom [X.] hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim [X.] eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf einen Verfahrensmangel, das Übergehen eines Beweisantrags (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]). Mit der Beschwerdebegründung hat er zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.

3

II. 1. Der Antrag des [X.] auf Gewährung von [X.] zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom [X.] ist abzulehnen.

4

Nach § 73a [X.] [X.] iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem [X.] ua nur dann [X.] bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeord-net werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom [X.] nicht erfolgreich sein kann. Der Kläger hat [X.] für eine von einem beim [X.] zugelassenen [X.] bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am [X.] bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 [X.] bis 3 [X.] genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 [X.] [X.] vorgeschriebenen Form dargelegt wäre. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).

5

Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von [X.] entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] (§ 73a [X.] [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

6

2. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom [X.] genügt hinsichtlich des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes des Verfahrensfehlers nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 [X.] [X.]. Der Kläger hat bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Beschluss des [X.] zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt. Seinen Schilderungen sind nur Teile der entscheidungserheblichen Tatsachen zu entnehmen. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines [X.]. "Bezeichnet" ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn einzelne Sachverhaltselemente herausgegriffen werden und anhand dieser der behauptete Verfahrensmangel diskutiert wird, sondern nur dann, wenn er in der Gesamtheit der ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass die Entscheidung darauf beruhe ([X.] Beschluss vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]4 S 21 = juris Rd[X.]; s auch [X.] Beschluss vom 10.10.2017 - [X.] R 234/17 B - juris RdNr 5). Dies erfordert neben der Angabe der den Mangel begründenden Tatsachen ua eine - in der Beschwerdebegründung des [X.] weitgehend fehlende - geraffte Darstellung der tragenden Gründe der angegriffenen Entscheidung. Denn nur hierdurch wird das [X.] in die Lage versetzt, festzustellen, dass die Entscheidung auf Grundlage der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des [X.] (vgl [X.] Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - [X.] Nr 79 zu § 162 [X.]; [X.] Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - [X.] 1500 § 160 [X.]3) auf diesem Mangel beruhen kann.

7

3. Abgesehen davon genügt die Beschwerdebegründung des [X.] aber auch im Übrigen nicht den [X.] im Hinblick auf den von ihm gerügten Verfahrensmangel.

8

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB [X.] Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - [X.]E 2, 81, 82; [X.] Urteil vom 24.10.1961 - 6 [X.] 19/60 - [X.]E 15, 169, 172 = [X.] [X.] zu § 52 [X.]). Nach § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] kann die Geltendmachung eines [X.] auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Dabei ist von der Rechtsauffassung des [X.] auszugehen. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des [X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

9

Der Kläger hat geltend gemacht, das [X.] hätte eine Abklärung des Absinkens seines Leistungsvermögens durch Einholung eines weiteren Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vornehmen müssen. Das [X.] sei dem weiteren Beweisantrag insoweit nicht gefolgt.

Mit diesen Ausführungen genügt der Kläger jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung einer unzureichenden Sachaufklärung durch das [X.]. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des [X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des [X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das [X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl zB [X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 5; [X.] Beschluss vom 3.12.2012 - [X.] R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN).

Der Kläger benennt zwar einen "Beweisantrag", macht jedoch weder Angaben zu dessen genauem Inhalt (a), wann er den benannten Beweisantrag im Verlaufe des Verfahrens vor dem [X.] gestellt hat (b), noch dass er ihn auch auf die Anhörung des [X.] hin zur Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 [X.] aufrechterhalten hat (c).

a) Nur aufgrund der Benennung des Inhalts des Beweisantrags bzw dessen Formulierung kann das Beschwerdegericht überprüfen, ob es sich um einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS der § 118 [X.] [X.], § 373 ZPO handelt. Denn ein zu einer Zulassung der Revision führender Beweisantrag kann grundsätzlich nur ein solcher sein, der in prozessordnungsgerechter Weise formuliert ist, das Beweisthema möglichst konkret angibt und insoweit wenigstens umreißt, was die Beweisaufnahme ergeben soll ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]8a mwN). Entsprechende Angaben fehlen in der Beschwerdebegründung. Die Darlegung, es hätte vom [X.] ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, genügt dem nicht.

b) Auch fehlt es an der Angabe, wann, in welchem Schriftsatz der benannte Beweisantrag gestellt worden ist, denn nur dann ist das Beschwerdegericht in der Lage, ihn - ohne weiteres Studium der Akten - aufzufinden und dessen Relevanz im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu prüfen.

c) Ungeachtet dessen mangelt es schließlich an der nach ständiger Rechtsprechung des [X.] geforderten Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl zB [X.] Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - juris RdNr 5; [X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 97/05 B - juris RdNr 6; [X.] Beschluss vom [X.] - B 9a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]3 Rd[X.]1 mwN). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - das [X.] von der ihm durch § 153 Abs 4 [X.] eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 [X.] muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, dem [X.] ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl [X.] Senatsbeschluss vom 7.2.2017 - [X.] R 389/16 B - juris RdNr 9; s auch [X.] Beschluss vom 9.3.2016 - B 1 KR 6/16 B - juris RdNr 4 f mwN). Die Beschwerdebegründung enthält keine Angaben hierzu.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

4. Die Verwerfung der der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

5. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 13 R 150/19 B

16.07.2019

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Hamburg, 22. Juni 2017, Az: S 4 R 839/14, Urteil

§ 103 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 153 Abs 4 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 373 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.07.2019, Az. B 13 R 150/19 B (REWIS RS 2019, 5443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5443

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