Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.05.2011, Az. B 13 R 103/11 B

13. Senat | REWIS RS 2011, 6131

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Sachaufklärungspflicht - besondere Darlegungsanforderungen


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 25. Januar 2011 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S., , zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] nach dem Vortrag des [X.] einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung aus versicherungsrechtlichen Gründen verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim [X.] Beschwerde eingelegt und zu deren Durchführung Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt S., , beantragt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel.

3

II. Der [X.] ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 ZPO). Denn die Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt bereits nicht die insoweit geltenden formellen Voraussetzungen. Da dem Kläger PKH nicht zu gewähren ist, hat er auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

4

Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 17.5.2011 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des [X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.] nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

5

Wer die Zulassung der Revision wegen eines [X.] begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4; [X.] vom 19.11.2007 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4). Dabei ist zu beachten, dass gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] gestützt werden kann und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 [X.] nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

6

Die Beschwerdebegründung des [X.] wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Er rügt einen Verstoß gegen § 103 [X.] und § 62 [X.]. Zwar führe das [X.] im angefochtenen Urteil aus, dass es "umfangreich ermittelt" habe. Dies sei jedoch unzutreffend. Vielmehr seien "erhebliche Lücken in der Ermittlung" vorhanden. Er sei vom [X.] nicht zu einem konkreten Vortrag "hinsichtlich der Wartezeit bzw Beitragszeiten" aufgefordert worden, obwohl er dort mehrmals angerufen habe, um möglichen Ermittlungen Vorschub zu leisten und ggf Beweisanträge stellen zu können. Sein zuvor tätiger Rechtsanwalt habe ihn auch nicht von dem Termin zur mündlichen Verhandlung benachrichtigt. Sein persönliches Erscheinen habe das [X.] nicht angeordnet.

7

Dieses Vorbringen erfüllt die gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 [X.] Teils 3 [X.] bei der Rüge einer Verletzung des § 103 [X.] zu beachtenden besonderen Darlegungsanforderungen nicht. Insoweit muss nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die Beschwerdebegründung (1) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) die Rechtsauffassung des [X.] wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) erläutern, weshalb die Entscheidung des [X.] auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr, vgl zB [X.] vom [X.] - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 11; [X.] vom 19.11.2007 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5; [X.] vom [X.] - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 18 Rd[X.] 8). Entsprechende Ausführungen des [X.] fehlen. Ein - wie hier - in der Vorinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter kann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] nur gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift wiederholt hat oder dieser im Urteil des [X.] erwähnt wird (stRspr, zB [X.] vom [X.] aaO mwN). Der Sinn dieser Anforderungen ist, dass - ohne gesonderte Ermittlung - auch für das Rechtsmittelgericht klar ist, welche Anträge nach dem Ergebnis des Sach- und Streitstandes und der Auffassung eines Beteiligten beim Schluss der mündlichen Verhandlung vom Gericht noch zu behandeln (gewesen) sind (vgl [X.] vom 24.5.1993 - [X.] 3-1500 § 160 [X.] 9 S 21; [X.] vom [X.] aaO; Senatsbeschluss vom [X.] R 377/07 B - Juris Rd[X.] 6). Diesen Anforderungen wird der Beschwerdevortrag nicht gerecht. Der Kläger hat weder behauptet, einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am [X.] durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten aufrechterhalten zu haben, noch hat er dargelegt, dass ein solcher im angefochtenen Urteil Erwähnung gefunden hätte.

8

Die Rüge des [X.] ist auch nicht geeignet, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 GG) ordnungsgemäß zu bezeichnen. Zum einen können die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer [X.] präsentiert wird ([X.] vom [X.] R 202/10 B - BeckRS 2010, 74248 Rd[X.] 11 mwN). Zum anderen sind im Rahmen einer [X.] Darlegungen erforderlich, dass der Beschwerdeführer alles getan hat, um sich mit seiner Forderung nach weiterer Sachaufklärung in der Tatsacheninstanz Gehör zu verschaffen (vgl zB [X.] vom 19.3.1991 - [X.]E 68, 205, 210 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] 1 S 6; s auch [X.] 74, 220, 225 sowie [X.] vom [X.] - 1 BvR 3268/07 - Juris Rd[X.] 28 ff). Mithin muss er bei einer auf unterlassene Sachaufklärung gestützten [X.] ebenfalls aufzeigen, dass er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag zu Protokoll aufrechterhalten hat bzw dass ein solcher im Urteil des [X.] wiedergegeben ist (Senatsbeschluss vom [X.] R 475/09 B - BeckRS 2010, 71417 Rd[X.] 17 mwN). Daran fehlt es hier. Im Übrigen verlangt § 62 [X.] nicht, dass der Beteiligte selbst gehört wird, wenn er sich durch seinen Prozessbevollmächtigten Gehör verschaffen kann (Senatsbeschluss vom 14.11.2005 - [X.] [X.] 245/05 B - Juris Rd[X.] 8; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 62 Rd[X.] 6f). Weshalb dem Kläger dies durch seinen seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen sein soll, zeigt er nicht auf.

9

Auch hat er nicht dargelegt, dass die fehlende Anordnung seines persönlichen Erscheinens, die nach § 111 Abs 1 [X.] im Ermessen des Vorsitzenden steht und der Sachaufklärung oder der Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten dient, nicht aber die Funktion hat, das rechtliche Gehör der Betroffenen sicherzustellen ([X.] vom 31.1.2008 - B 2 U 311/07 B - Juris Rd[X.] 4 mwN), ausnahmsweise ermessensfehlerhaft gewesen sein soll. Der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits nicht zu entnehmen, dass das Vorbringen des [X.] zu seiner "sozialversicherungspflichtige(n) Erwerbsbiografie" gerade seine persönliche Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung am [X.] erforderlich gemacht hätte und weshalb der Vortrag nicht auch durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten hätte erfolgen können.

Die Bitte des [X.] um einen richterlichen Hinweis für den Fall, dass "weiterer Vortrag notwendig sein" sollte, kann nicht dazu führen, dass von einer Entscheidung über die nicht formgerecht begründete Beschwerde zunächst abzusehen wäre. Denn es besteht keine Verpflichtung des Senats, den anwaltlich vertretenen Kläger vor einer Entscheidung über seine Beschwerde auf Mängel der Beschwerdebegründung hinzuweisen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang des § 73 Abs 4 [X.]. § 106 Abs 1 [X.] gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen ([X.] vom [X.] - B 7 [X.] 60/10 B - Juris Rd[X.] 7).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen einer Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 [X.]).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 13 R 103/11 B

31.05.2011

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Berlin, 21. Februar 2006, Az: S 26 R 516/05

§ 62 SGG, § 103 SGG, § 111 Abs 1 SGG, § 118 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 141 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.05.2011, Az. B 13 R 103/11 B (REWIS RS 2011, 6131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6131

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 3268/07

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