Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 37/13 B

6. Senat | REWIS RS 2013, 444

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen - Überprüfung der Kombination einer Gesprächsleistung und des Ordinationskomplexes - Anmerkung zu einer Gebührenordnungsposition - gleicher Rang wie Leistungslegende - Vertragsarzt - persönliche Pflicht zur korrekten Abrechnung - Einschränkung der Befugnis einer Kassenärztliche Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten - Zurückverweisung eines Befangenheitsantrages - Geltendmachung als Verfahrensfehler


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9600 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der 1940 geborene Kläger, der als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen für die [X.]/2005 bis IV/2005. Die [X.] hob die Honorarbescheide für diese Quartale teilweise auf, weil eine Prüfung mittels Quartals- und [X.] ergeben habe, dass er jeweils an mehreren [X.] (15, 25 und 23 Tage in den betroffenen Quartalen) mehr als 12 Arbeitsstunden abgerechnet habe. Den Widerspruch hiergegen wies die [X.] mit Widerspruchsbescheid vom [X.] zurück. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31.10.2011). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] mit Urteil vom [X.] zurückgewiesen. Der Bescheid der [X.]n sei nicht zu beanstanden. Es stehe insbesondere mit den zeitlichen Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ([X.]) in Einklang, bei gleichzeitiger Abrechnung der Gebührenordnungspositionen 03110 bis 03112 und 03120 [X.] eine Zeit von 20 Minuten anzusetzen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des [X.], zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) sowie einen Verfahrensfehler rügt (§ 160 Abs 1 [X.] [X.]G).

3

II. Die Beschwerde des [X.] hat keinen Erfolg. Soweit sein Vorbringen den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G genügt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

4

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G (vgl dazu [X.] 91, 93, 107 = [X.] 3-5870 § 10 [X.]; B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl B[X.] [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN; B[X.] [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] ). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB B[X.] [X.] 3-1500 § 146 [X.]; [X.] 3-2500 § 75 [X.]; [X.] 3-1500 § 160a [X.]; vgl auch B[X.] [X.] 3-4100 § 111 [X.] S 2 f; s auch B[X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die [X.] in B[X.] [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 sowie [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.]6 Rd[X.] 4 f; [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.]).

5

a) Soweit der Kläger fragt:

        

"Dürfen zum Zweck der Tages- und Quartalsprofilbildung im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung nach § 106a [X.]B V andere Zeitvorgaben als solche, welche im Anhang 3 zum [X.] enthalten sind, herangezogen werden?",

ist dies jedenfalls nicht klärungsfähig. Die [X.] ist hier nicht etwa entgegen § 8 Abs 1 Abrechnungsprüfungs-Richtlinien von Zeitvorgaben des Anhangs 3 des [X.]-Ä abgewichen. Sie hat vielmehr die im [X.]-Ä festgelegten Zeiten berücksichtigt. Nach der Anmerkung zu der Gesprächsleistung [X.] 03120 [X.]-Ä (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten) ist bei einer [X.] der Leistungen nach den [X.] bis 03112 ([X.] nach Lebensalter gestaffelt) und 03120 eine Dauer der [X.] von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der [X.] 03120. Die Kombination einer Gesprächsleistung und des [X.]es, die im Anhang 3 [X.]-Ä nicht gesondert aufgeführt ist, kann nur anhand dieser Vorgaben überprüft werden. Die Anmerkung zu einer Position des [X.]-Ä hat denselben Rang wie die [X.] (vgl B[X.] [X.] 4-2500 § 106 [X.]0 Rd[X.]6 = Juris Rd[X.] 22; [X.] 4-5531 [X.] 7120 [X.] Rd[X.]3 ff). Die [X.] weist zu Recht darauf hin, dass der Zeitaufwand von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Abrechenbarkeit beider Leistungen nebeneinander und eine vom [X.]-Ä abweichende Zeitbewertung ausgeschlossen ist. Soweit die [X.] im Übrigen vom Anhang 3 [X.]-Ä abgewichen ist, erfolgte dies zugunsten des Klägers.

6

b) Die Frage:

        

"Handelt ein Vertragsarzt zumindest grob fahrlässig, wenn er einen in der Anmerkung zur [X.] [X.] 2005 enthaltenen Abrechnungsausschluss nicht beachtet, da sein [X.] diesen Abrechnungsausschluss nicht erkennt?"

ist ebenfalls nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Zum einen erfordert die sachlich-rechnerische Richtigstellung grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes. Soweit dies in zulässiger Weise von der im Bereich der [X.]n geltenden Vereinbarung zur Abrechnungsprüfung gefordert wird, haben die Vorinstanzen mit nicht zu beanstandender Begründung ein Verschulden des Klägers bejaht. Vom Vertragsarzt muss die Kenntnis der Gebührenordnung erwartet werden; er allein ist verantwortlich für die korrekte Abrechnung seiner Leistungen. Soweit er sich bei der Abrechnung personeller und/oder technischer Hilfe bedient, entlastet ihn dies nicht von seiner Verantwortung. Weder die Teilnahme von Mitarbeitern an Fortbildungen zur Abrechnung nach dem [X.]-Ä noch die Verwendung zertifizierter Software führen dazu, dass der Vertragsarzt von seiner persönlichen Pflicht zur korrekten Abrechnung befreit wird.

7

c) Die Frage:

        

"Soweit im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nach § 106a Abs 2 [X.]B V nur Prüfzeiten des Anhang 3 des [X.] 2005 herangezogen werden dürfen, überschreitet eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ihr Schätzungsermessen, wenn sie unter Berücksichtigung einer auf einer Anmerkung zu [X.] 03120 [X.] 2005 basierenden Prüfzeit eine zeitanteilige Rückforderung vornimmt?"

ist zunächst in ihrer Zielrichtung unklar. Soweit der Kläger damit erneut zur Überprüfung stellen will, ob die [X.] für die Kombination von Gesprächsleistungen und [X.] eine 20minütige Dauer bei den [X.] zugrunde legen durfte, kann auf die Ausführungen zu a) verwiesen werden.

8

d) Die Frage:

        

"Genießt der Vertragsarzt im Hinblick auf zuviel gezahltes Honorar Vertrauensschutz, soweit die KÄV gegenüber dem Vertragsarzt erklärt, 'Die von Ihnen eingereichten Behandlungsfälle wurden sachlich und rechnerisch richtiggestellt, soweit Fehler erkennbar waren (zum Beispiel unrichtige Anwendung des [X.])', eine Überprüfung im Wege einer Plausibilitätsprüfung jedoch, trotz ihrer technischen Möglichkeit nicht stattgefunden hat oder dem Arzt das Prüfergebnis nicht mitgeteilt wurde?"

zielt auf die Beurteilung des konkreten Einzelfalles, die regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist. In der Rechtsprechung des Senats ist im Übrigen geklärt, dass die Befugnis der KÄV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus [X.] eingeschränkt ist, soweit die KÄV diese Befugnis bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (B[X.]E 89, 90, 98 f = [X.] 3-2500 § 82 [X.] S 11 f; bekräftigt in B[X.] Urteil vom 26.6.2002 - [X.] KA 26/01 R - Juris Rd[X.]9). Dass die Überprüfung durch die KÄV hier auch eine Überprüfung anhand von [X.] umfasste, konnte, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, der Erklärung der KÄV nicht entnommen werden. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um insoweit ein spezifisches Vertrauen des Vertragsarztes zu begründen (vgl B[X.] [X.] 4-2500 § 106a [X.] Rd[X.]9).

9

2. Auch ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.]G und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]4, 24, 36).

Soweit der Kläger sich gegen die Zurückweisung des [X.] gegen die Richterin [X.] im Beschluss des L[X.] vom 8.3.2013 wendet, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor. Im Hinblick auf § 557 Abs 2 ZPO (iVm § 202 [X.]G) unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des [X.] grundsätzlich dann nicht, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung der Prüfungsbefugnis des [X.] ist bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 406 Abs 5 ZPO zurückgewiesen wird, gegeben, wenn sie - wie hier - von einem L[X.] erlassen werden und deshalb gemäß § 177 [X.]G der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind. Dies hat zur Folge, dass die Zurückweisung eines [X.] grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geltend gemacht werden kann. Die Bindung des [X.] entfällt lediglich, wenn die Zurückweisung des [X.] auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder wenn die Zurückweisung des [X.] darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl B[X.] [X.] 4-1100 Art 101 [X.] Rd[X.] mwN). Das Ablehnungsgesuch des [X.] gegen die Richterin [X.] hat das L[X.] nicht willkürlich zurückgewiesen. Selbst wenn die Richterin im Zusammenhang mit der Beurteilung der Befangenheit der ehrenamtlichen Richterin T.
sachlich fehlerhaft gehandelt haben sollte, begründet dies die Besorgnis einer Parteinahme noch nicht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 6 KA 37/13 B

11.12.2013

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Dortmund, 31. Oktober 2011, Az: S 16 KA 52/09, Urteil

§ 87 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 2 SGB 5, § 106a Abs 2 SGB 5, Anh 3 EBM-Ä 2005, Nr 01320 EBM-Ä 2005, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 37/13 B (REWIS RS 2013, 444)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 444

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