Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 36/13 B

6. Senat | REWIS RS 2013, 386

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen - Anmerkung zu einer Gebührenordnungsposition - gleicher Rang wie Leistungslegende - Vertragsarzt - Delegation der Leistungsabrechnung - Organisations- und Überwachungspflichten - persönliche Pflicht zur korrekten Abrechnung - Zurückverweisung eines Befangenheitsantrages - Geltendmachung als Verfahrensfehler


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der 1940 geborene Kläger, der als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme wegen [X.] in den [X.]/2005 bis IV/2006. Die beklagte [X.] ([X.]) hob die Honorarbescheide für diese Quartale teilweise auf, weil eine Prüfung mittels Quartals- und Tagesprofilen ergeben habe, dass der Kläger jeweils an mehreren [X.] (zwischen 3 im Quartal IV/2006 und 32 im Quartal I/2006) mehr als 12 Arbeitsstunden abgerechnet habe. Mit Beschluss vom 13.7.2009 verfügte der [X.] das Ruhen der Zulassung für die Dauer von sechs Wochen. Das [X.] hat auf die Klage diesen Bescheid aufgehoben (Urteil vom 31.10.2011). Das L[X.] hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des [X.] geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.3.2013).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des [X.], zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) sowie einen Verfahrensfehler rügt (§ 160 Abs 1 [X.] [X.]G).

3

II. Die Beschwerde des [X.] hat keinen Erfolg. Soweit sein Vorbringen den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G genügt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

4

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G (vgl dazu [X.] 91, 93, 107 = [X.] 3-5870 § 10 [X.]; B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl B[X.] [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN; B[X.] [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] ). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB B[X.] [X.] 3-1500 § 146 [X.]; [X.] 3-2500 § 75 [X.]; [X.] 3-1500 § 160a [X.]; vgl auch B[X.] [X.] 3-4100 § 111 [X.] S 2 f; s auch B[X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die [X.] in B[X.] [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 sowie [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.]6 Rd[X.] 4 f; [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.]).

5

a) Soweit der Kläger fragt:

        

"Darf ein [X.] hinsichtlich der Frage, ob ein Vertragsarzt seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verletzt hat, andere [X.]vorgaben als solche, welche im Anhang 3 zum EBM enthalten sind, heranziehen?",

ist dies jedenfalls nicht klärungsfähig. Der beklagte [X.] der beklagten KÄV ist hier nicht etwa entgegen § 8 Abs 1 Abrechnungsprüfungs-Richtlinien von [X.]vorgaben des Anhangs 3 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) abgewichen. Er hat vielmehr die im EBM-Ä festgelegten [X.]en berücksichtigt. Nach der Anmerkung zu der Gesprächsleistung [X.] 03120 EBM-Ä (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten) ist bei einer [X.] der Leistungen nach den [X.] bis 03112 ([X.] nach Lebensalter gestaffelt) und 03120 eine Dauer der [X.] von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der [X.] 03120. Die Kombination einer Gesprächsleistung und des [X.]es, die im Anhang 3 EBM-Ä nicht gesondert aufgeführt ist, kann nur anhand dieser Vorgaben überprüft werden. Die Anmerkung zu einer Position des EBM-Ä hat denselben Rang wie die [X.] (vgl B[X.] [X.] 4-2500 § 106 [X.]0 Rd[X.]6 = Juris Rd[X.] 22; [X.] 4-5531 [X.] 7120 [X.] Rd[X.]3 ff). Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass der [X.]aufwand von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Abrechenbarkeit beider Leistungen nebeneinander und eine vom EBM-Ä abweichende [X.]bewertung ausgeschlossen ist.

6

b) Die Frage:

        

"Handelt ein Vertragsarzt hinsichtlich einer nicht peinlich genauen Abrechnung mit Eventualvorsatz, wenn er aufgrund vor Jahren getätigter Aussagen seiner Helferinnen, dass bei den Abrechnungen 'sicherlich vielleicht nicht alles richtig' sei, dass sie aber eher 'zu wenig als zu viel(e) Nummern aufgeschrieben' hätten, keine eigene Prüfung auf Plausibilität seiner Abrechnungen vornimmt?"

ist ebenfalls nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Vom Vertragsarzt muss die Kenntnis der Gebührenordnung erwartet werden; er allein ist verantwortlich für die korrekte Abrechnung seiner Leistungen. Soweit er sich bei der Abrechnung personeller und/oder technischer Hilfe bedient, entlastet ihn dies nicht von seiner Verantwortung. Wird die Leistungsabrechnung delegiert, treffen den Vertragsarzt Organisations- und Überwachungspflichten. Dies gilt erst recht, soweit er auf Nachfragen von seinen Mitarbeiterinnen lediglich allgemeine Rückmeldungen erhält, die in ihrer Unbestimmtheit Anlass zu einer konkreten Überprüfung geben.

7

c) Die Frage:

        

"Ist es ermessensfehlerhaft, wenn ein [X.] bei seiner Ermessensentscheidung im Rahmen eines Disziplinarverfahrens wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung nicht zugunsten des Vertragsarztes berücksichtigt, dass ein Abrechnungsausschluss aus einer Anmerkung zu [X.] EBM 2005 nicht durch sein [X.] dem Vertragsarzt angezeigt wird?"

bezieht sich erkennbar allein auf den konkreten Einzelfall. Im Übrigen hat das [X.] - ihm insoweit folgend das L[X.] - zu Recht ausgeführt, dass die Ausgestaltung der Praxissoftware dem Arzt als Verwender zuzurechnen ist.

8

d) Die Frage:

        

"Schließt eine durch die KÄV nicht zeitnah durchgeführte Plausibilitätsprüfung und die damit verbundene Nichtinformation eines Vertragsarztes über eine implausible Abrechnung ein schuldhaft pflichtwidriges Handeln des Vertragsarztes im Hinblick auf die Nichtbeachtung eines Abrechnungsausschlusses aus?"

zielt ebenfalls auf die Beurteilung des konkreten Einzelfalles, die regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist. Im Übrigen besteht eine Pflicht der Beklagten zur Durchführung einer Plausibilitätsprüfung innerhalb einer bestimmten [X.] nicht. Eine zeitliche Grenze bildet insoweit nur die Ausschlussfrist von vier Jahren für eine sachlich-rechnerische Richtigstellung (vgl dazu zuletzt Urteile des Senats vom [X.] - B 6 [X.]/12 und 17/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch wenn die KÄV nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der [X.] auf Implausibilitäten hinweist, lässt das die unabhängig hiervon bestehende Pflicht des Vertragsarztes zur korrekten Abrechnung unberührt.

9

e) Für die Frage:

        

"Übt ein [X.] sein Auswahlermessen im Hinblick auf die Auswahl einer Disziplinarmaßnahme unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft aus, wenn er im Fall einer zu Unrecht erfolgten [X.] von [X.] und [X.] EBM 2005 ein Ruhen der Zulassung beschließt, da der Vertragsarzt die Verantwortlichkeit für die Fehlerhaftigkeit seiner Abrechnung vornehmlich bei [X.] und hierzu auf Einlassungen des Vertragsarztes verweist, wonach er seine Abrechnung durch Helferinnen erledigen lasse und im Übrigen auf die Fehlerfreiheit seiner Abrechnungssoftware vertraut habe?"

zeigt der Kläger ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung auf. Das L[X.] hat im Übrigen insofern rechtsfehlerfrei die Einlassungen des Klägers im Sinne der angefochtenen Entscheidung als Hinweis auf eine fehlende Einsicht und ein unzulässiges Verschieben der Verantwortung auf die Mitarbeiterinnen gewürdigt.

f) Die Frage:

        

"Bedarf eine Ermessensentscheidung, welche als Ergebnis eine im Verhältnis zu anderen Fällen der fehlerhaften [X.] von [X.] und [X.] EBM 2005 wesentlich weitergehende Disziplinarmaßnahme vorsieht, einer besonderen Begründung der Abweichung?"

betrifft ebenso die besonderen Umstände des Einzelfalles. Das L[X.] hat im Übrigen mit vertretbarer Begründung die Ausführungen der Beklagten für ausreichend erachtet und zutreffend als maßgeblich angesehen, dass die individuellen Umstände gewürdigt wurden. Dabei hat es zu Recht darauf hingewiesen, dass der [X.] den gesetzlichen Rahmen für das Ruhen von maximal zwei Jahren (§ 81 Abs 5 Satz 2 [X.]B V) nicht ansatzweise ausgeschöpft hat.

2. Auch ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.]G und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]4, 24, 36).

Soweit der Kläger sich gegen die Zurückweisung des [X.] gegen die Richterin [X.] im Beschluss des L[X.] vom 8.3.2013 wendet, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor. Im Hinblick auf § 557 Abs 2 ZPO (iVm § 202 [X.]G) unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des [X.] grundsätzlich dann nicht, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung der Prüfungsbefugnis des [X.] ist bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 406 Abs 5 ZPO zurückgewiesen wird, gegeben, wenn sie - wie hier - von einem L[X.] erlassen werden und deshalb gemäß § 177 [X.]G der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind. Dies hat zur Folge, dass die Zurückweisung eines [X.] grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geltend gemacht werden kann. Die Bindung des [X.] entfällt lediglich, wenn die Zurückweisung des [X.] auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder wenn die Zurückweisung des [X.] darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl B[X.] [X.] 4-1100 Art 101 [X.] Rd[X.] mwN). Das Ablehnungsgesuch des [X.] gegen die Richterin [X.] hat das L[X.] nicht willkürlich zurückgewiesen. Selbst wenn die Richterin im Zusammenhang mit der Beurteilung der Befangenheit der ehrenamtlichen Richterin [X.] sachlich fehlerhaft gehandelt haben sollte, begründet dies die Besorgnis einer Parteinahme noch nicht.

3. [X.] folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 6 KA 36/13 B

11.12.2013

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Dortmund, 31. Oktober 2011, Az: S 16 KA 73/09, Urteil

§ 87 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 2 SGB 5, § 106a Abs 2 SGB 5, Anh 3 EBM-Ä 2005, Nr 01320 EBM-Ä 2005, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 36/13 B (REWIS RS 2013, 386)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 386

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