Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.04.2021, Az. V ZR 147/19

5. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 6591

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Gegenstand

Erwerb landwirtschaftlicher Flächen im Beitrittsgebiet: Beachtlichkeit der Privatisierungsgrundsätze; Einholung eines Verkehrswertgutachtens für die anzukaufende Fläche


Leitsatz

1. Die zur Umsetzung von § 1 Abs. 6 TreuhG erlassenen Privatisierungsgrundsätze 2010 erlangen nicht schon durch ihre Veröffentlichung, sondern nur durch eine entsprechende ständige Praxis der BVVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und nur in deren Rahmen gegenüber Erwerbern Außenwirkung.

2. Deshalb kann die BVVG gegenüber einem Erwerber nur bei einer entsprechenden Praxis verpflichtet sein, auf dessen Verlangen ein Verkehrswertgutachten für die anzukaufenden Flächen einzuholen und ihm die Flächen zu dem in dem eingeholten Gutachten ermittelten Wert zu verkaufen.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 26. April 2019 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger führten Anfang August 2012 in der zuständigen Niederlassung der beklagten [X.] ein Gespräch über den Erwerb der von ihnen bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen nach den „Grundsätze(n) für die weitere Privatisierung der Flächen der [X.]“, auf die sich der [X.] und die [X.]esländer im Beitrittsgebiet, ausgenommen [X.], im Frühjahr 2010 verständigt hatten, (veröffentlicht auf der Webseite der [X.]: https://www.bvvg.de/wp-content/uploads/2019/10/Privatisierungsgrundsaetze.pdf - fortan [X.] oder [X.] 2010) und kauften die Flächen mit notariellem Vertrag vom 11. Oktober 2012 für 5.615.019,06 €. Der Kaufvertrag wurde erfüllt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19. September 2016 vertraten die Kläger gegenüber der Beklagten die Auffassung, der Kaufpreis sei um 2.403.751,78 € überhöht gewesen und forderten die Beklagte erfolglos zur anteiligen Rückzahlung des Kaufpreises auf.

2

Die Kläger behaupten, der Niederlassungsleiter der Beklagten habe ihnen bei dem Gespräch erklärt, der Kaufpreis sei nicht verhandelbar, es bestehe nur die Möglichkeit, den verlangten Preis zu zahlen oder das Erwerbsrecht bereits am 30. September 2012 zu verlieren. Jeglicher Versuch, den Kaufpreis durch ein Gutachten überprüfen zu lassen, sei erfolglos geblieben. Sie hätten nur die Wahl gehabt, die für ihren Milchviehbetrieb unverzichtbaren Flächen und damit ihre Existenzgrundlage zu verlieren oder den überhöhten Kaufpreis zu zahlen. Sie meinen, die Beklagte habe damit gegen die Regeln in Nr. 2.2.3 Abs. 5 [X.] 2010 verstoßen und hafte ihnen deshalb auf Schadensersatz. Die erwähnte Regelung der Grundsätze lautet:

„Die [X.] ermittelt den Kaufpreis entsprechend § 5 Abs. 1 FlErwV unter Berücksichtigung von Ausschreibungsergebnissen. Kommt eine Einigung über den Preis nicht zustande, kann ein Gutachten in Auftrag gegeben werden. Die [X.] wird die Gutachter mit dem als Anlage 2 beigefügten Schreiben beauftragen.“

3

Das [X.] hat die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1 (Rückzahlung des über dem Verkehrswert liegenden Teils des Kaufpreises) und zu 4 (vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten) für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und sie hinsichtlich der Anträge zu 2 und 3 (anteilige [X.] sowie Erwerbsnebenkosten) abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] auch die Anträge zu 1 und 4 abgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision der Kläger, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.] 2019, 217 veröffentlicht ist, hält den Kaufvertrag für wirksam. Es liege weder ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot noch eine sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises vor. Auch Ansprüche wegen Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen schieden aus. Die Beklagte sei zwar an den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Sie müsse deshalb ihre potentiellen Vertragspartner vorvertraglich gleich behandeln. Sie hätte deshalb auch im Fall der Kläger ein Gutachten über den Verkehrswert einholen müssen, wenn über diesen Uneinigkeit bestanden und sie nach ihrer ständigen Verwaltungspraxis in solchen Fällen ein Gutachten eingeholt habe. An beidem fehle es. Die Beteiligten seien sich über den Kaufpreis offenbar einig gewesen. Die behauptete Verwaltungspraxis habe es schon nach dem eigenen Vortrag der Kläger seit mindestens 2011 nicht (mehr) gegeben. Es seien seitdem keine Gutachten über den Verkehrswert mehr eingeholt worden. Die [X.] änderten daran nichts. Die Kläger hätten keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte verwaltungsinterne Regelungen einhalte. Maßgeblich sei allein, ob die Beklagte von ihrer ständigen Verwaltungspraxis abgewichen sei. Das sei nicht der Fall. Deshalb schieden Ansprüche schon dem Grunde nach aus.

II.

5

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rückzahlung der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem von ihnen behaupteten Verkehrswert der erworbenen Flächen.

6

1. Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Rückzahlungsanspruch der Kläger aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 [X.]. Der Kaufvertrag der Parteien ist weder insgesamt noch in Bezug auf die [X.] wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 [X.] oder eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 [X.]) oder [X.] (§ 138 Abs. 2 [X.]) nichtig.

7

a) Die Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Kaufvertrages wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 [X.] scheidet aus. Die [X.] sind kein Gesetz (vgl. Art. 2 EG[X.]). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG führte nur dann zur Nichtigkeit des Kaufvertrages oder der [X.], wenn Art. 3 Abs. 1 GG den Vertrag oder die [X.] eindeutig nicht zuließe (vgl. [X.], Urteil vom 5. Mai 2015 - [X.], [X.]Z 205, 220 Rn. 12 für die willkürliche Kündigung eines Girovertrags). Das ist nicht der Fall. Der geltend gemachte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG betrifft nicht den Inhalt des Kaufvertrages, sondern das Vorgehen der [X.] bei der Vorbereitung des Vertrages. Es kommt deshalb insoweit nur ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten in Betracht.

8

b) Eine Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Kaufvertrages als sog. wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 [X.] liegt nicht vor, weil zwischen dem von den Klägern behaupteten Wert der Grundstücke und dem vereinbarten Kaufpreis kein besonders grobes Missverhältnis besteht. Das setzte eine Überschreitung des Verkehrswerts um mehr als 90 % voraus (vgl. Senat, Urteile vom 24. Januar 2014 - [X.], [X.], 1440 Rn. 8 und vom 15. Januar 2016 - [X.], [X.], 1753 Rn. 7). Hier sind es aber nach dem Vortrag der Kläger „nur“ rund 74 %. Weil eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten in einem solchen Fall nicht vermutet wird, käme eine Nichtigkeit nach § 138 [X.] nur in Betracht, wenn eine verwerfliche Gesinnung der [X.] hervorgetreten wäre oder ähnlich gewichtige Umstände vorlägen (vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 2014 - [X.], [X.], 1440 Rn. 10). Daran fehlt es hier aber schon wegen der Möglichkeit der Kläger, die Flächen statt im Wege des [X.] im Wege der Ausschreibung zu erwerben. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des Wuchertatbestands (§ 138 Abs. 2 [X.]).

9

2. Zu Recht verneint das Berufungsgericht auch einen Anspruch der Kläger auf Schadensersatz wegen Verletzung einer vorvertraglichen Verpflichtung gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 [X.] i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Entgegen der Ansicht der Kläger war die [X.] nach den [X.] nicht verpflichtet, auf Verlangen der Kläger ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks einzuholen und ihnen die verkauften Flächen zu dem in dem Gutachten ermittelten Preis zu verkaufen.

a) Die [X.] ist allerdings im Innenverhältnis zu der [X.] ([X.]) als ihrem Auftraggeber und gegenüber dem dieser gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] vorgesetzten [X.] zur Einhaltung der [X.] verpflichtet. Sie haben den Zweck, die Privatisierung der ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen im Beitrittsgebiet zu steuern. Diese Flächen sind der [X.] durch §§ 1 und 3 der 3. [X.] z. [X.] übertragen worden und nach § 4 der 3. [X.] z. [X.], § 1 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 6 [X.] so zu privatisieren, dass den ökonomischen, ökologischen, strukturellen und eigentumsrechtlichen Besonderheiten dieses Bereiches Rechnung getragen wird. Hierbei handelt es sich um gesetzliche Vorgaben, die die [X.] und die von ihr beauftragten Unternehmen, hier also die [X.] als Privatisierungsstelle des [X.], im Interesse der Allgemeinheit zu beachten haben. Was das praktisch bedeutet, wird durch die [X.] konkretisiert. Sie wirken wie eine [X.], die die [X.] als Privatisierungsstelle des [X.] im Innenverhältnis zur [X.] zu beachten hat (vgl. Senat, Urteil vom 14. September 2018 - [X.], [X.] 2018, 766 Rn. 14). Daran ändert es, wie es sich etwa der Regelung in Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG entnehmen lässt, nichts, dass das [X.] die Leitlinien mit den betroffenen [X.]ländern in dem in Art. 1 des Einigungsvertrages genannten Gebiet abgestimmt und darin die Mitwirkung dieser Länder bei der Umsetzung vorgesehen hat.

b) Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Bindung der [X.] im Innenverhältnis auch eine Verpflichtung gegenüber den Erwerbern im Außenverhältnis entspricht, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine solche Bindung mit dem Berufungsgericht (KG, [X.] 2019, 217) unter Hinweis auf den internen Charakter der Leitlinien verneint ([X.], Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 U 21/12 [[X.]], unveröffentlicht, Umdruck S. 4). Teilweise wird sie mit unterschiedlicher Begründung bejaht (KG, [X.] 2013, 170 Rn. 12: § 242 [X.]; KG, Urteil vom 19. September 2019 - 23 [X.], unveröff., Umdruck S. 6/7, Gegenstand des Parallelverfahrens V ZR 248/19 vor dem Senat, Wiedergabe in [X.] 2020, 184; [X.], NL-[X.] 2011, 354, 355 f.: ständige Praxis; [X.], [X.] 2013, 331, 333: angestrebte Rechtssicherheit; ebenso Fahje, [X.] 2019, 309 f.; [X.]/[X.], [X.] 2014, 402, 403: Gleichbehandlungsgrundsatz).

c) Ob die [X.] im Außenverhältnis zu den Erwerbern verpflichtet ist, entsprechend den [X.] vorzugehen, lässt sich weder uneingeschränkt bejahen noch uneingeschränkt verneinen. Entscheidend ist vielmehr, wie die [X.] die [X.] im maßgeblichen Zeitpunkt - hier also bei Abschluss des Kaufvertrages - in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen als Privatisierungsstelle des [X.] (vgl. Senat, Urteil vom 25. September 2009 - [X.], [X.] 2010, 69 Rn. 8), der auch die [X.] nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 [X.] übertragen worden ist, aufgrund des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden ist.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]verwaltungsgerichts begründen ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen schon durch ihr Vorhandensein Rechte des Bürgers. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang diese infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sind ([X.]E 34, 278, 281; 36, 323, 327; 44, 136, 138; 52, 193, 199; 58, 45, 51; 152, 211 Rn. 24; NVwZ-RR 1996, 47, 48; NJW 1996, 1766, 1767; [X.], 2122 Rn. 6 f.). Dem entspricht die Rechtsprechung der mit verwaltungsähnlichen Materien befassten Senate des [X.]gerichtshofs (Beschlüsse vom 11. Dezember 2018 - [X.] 48/17, [X.], 1126 Rn. 21 und vom 20. Juli 2020 - [X.] [[X.]] 5/19, [X.] 2020, 480 Rn. 4). Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass eine interne Leitlinie nur durch eine entsprechende Praxis der adressierten Stelle und die an eine solche Praxis anknüpfende Verpflichtung zur Gleichbehandlung Außenwirkung erlangen kann.

bb) Deshalb erlangen die zur Umsetzung von § 1 Abs. 6 [X.] erlassenen [X.], anders als der 23. Zivilsenat des [X.]s meint (Urteil vom 19. September 2019 - 23 [X.], unveröff., Umdruck S. 6/7, Gegenstand des Parallelverfahrens V ZR 248/19 vor dem Senat, Wiedergabe in [X.] 2020, 184), nicht schon durch ihre Veröffentlichung, sondern nur durch eine entsprechende ständige Praxis der [X.] i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und nur in deren Rahmen Außenwirkung (vgl. [X.], 211 Rn. 24 und [X.], [X.], 2122 Rn. 6). Daran ändert es nichts, dass die [X.] auf Außenwirkung angelegt waren ([X.], [X.] 2013, 331, 333) und den Pächtern der [X.] den für die Erhaltung ihrer Betriebe notwendigen sog. Direkterwerb ermöglichen sollten ([X.], [X.] 2014, 139). Diese Zielsetzung besagt nämlich nichts über die Bedingungen, unter denen die Regelungen der [X.] einklagbare Rechte der Erwerber begründen. Verwaltungsvorschriften werden regelmäßig erlassen, um die Praxis nachgeordneter Behörden zu vereinheitlichen und ggf. auch, um sie - wie hier - im Rahmen der Gesetze in eine bestimmte Richtung zu lenken (vgl. [X.]E 100, 335, 339). Die öffentliche Bekanntgabe entsprechender Verwaltungsvorschriften führt auch dazu, dass diejenigen, die mit den adressierten Stellen der Verwaltung zu tun haben, deren zu erwartende Verwaltungspraxis besser überblicken und einschätzen können. Das ändert aber nichts an der Natur der Verwaltungsvorschrift als interner Regelung mit unmittelbarer Bindungswirkung nur für die mit den Vorschriften adressierten Stellen (vgl. [X.], [X.], 110 Rn. 39). Die Entscheidung für eine Steuerung der Verwaltungspraxis durch Verwaltungsvorschriften ist regelmäßig auch eine Entscheidung dafür, diese Vorschriften bei Bedarf flexibel ändern zu können (vgl. dazu [X.], 211 Rn. 25) und den Betroffenen nicht unmittelbar Ansprüche einzuräumen. Das ändert sich nur und erst, wenn die Verwaltungsvorschriften in ständiger Praxis umgesetzt werden und dadurch unter dem Gesichtspunkt einer Verpflichtung zur Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG Rechte der Betroffenen gegenüber der Verwaltungsbehörde entstehen.

d) Auf dieser Grundlage haben die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 [X.] schon nicht dargelegt. Die [X.] wendet zwar die [X.] an. Hier kommt es aber darauf an, ob die [X.] gegenüber einem Erwerber auch verpflichtet war, auf dessen Verlangen ein Verkehrswertgutachten für die anzukaufenden Flächen einzuholen und ihm die Flächen zu dem in dem eingeholten Gutachten ermittelten Wert zu verkaufen. Das wäre nur der Fall, wenn die [X.] Nr. 2.2.3 Abs. 5 PG 2010 bei Abschluss des Vertrags in ständiger Praxis so gehandhabt hätte. So liegt es hier jedoch nicht.

aa) In Nr. 2.2.3 Abs. 5 PG 2010 ist eine entsprechende Verpflichtung schon nicht klar und eindeutig geregelt. Danach ermittelt die [X.] den Kaufpreis entsprechend § 5 Abs. 1 FlErwV unter Berücksichtigung von [X.]. In dieser Vorschrift sind die inhaltlichen Vorgaben für die Ermittlung des Verkehrswerts, zu dem die Flächen verkauft werden sollen, geregelt. Sie sieht in Satz 4 zwar die Möglichkeit vor, eine abweichende Bestimmung durch ein Verkehrswertgutachten des [X.] zu verlangen, aber nur für den - hier nicht gegebenen - Fall, dass von regionalen [X.] abgewichen werden soll. In Nr. 2.2.3 Abs. 5 Satz 2 PG 2010 ist zudem kein Anspruch auf Einholung eines Gutachtens, sondern nur bestimmt, dass dies geschehen kann. Ob sich das damit eingeräumte Ermessen, wie das [X.] in seinem erwähnten Urteil vom 19. September 2019 (23 [X.], unveröffentlicht, Wiedergabe in [X.] 2020, 184) meint, in solchen Erwerbsfällen stets auf null reduziert, muss hier nicht geklärt werden.

bb) Eine Verwaltungsvorschrift unterliegt nämlich keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie eine Rechtsnorm. Maßgeblich ist gerade auch in Fällen, in denen der Wortlaut in einer Verwaltungsvorschrift - wie hier - unklar und darum auslegungsbedürftig ist, wie die zuständigen Stellen die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben ([X.], NJW 1996, 1766, 1767). Für die Pflichtverletzung kommt es deshalb entscheidend darauf an, ob die [X.] in dem Zeitraum, in dem der [X.] geschlossen wurde - Oktober 2012 -, in ständiger Praxis auf Verlangen des Erwerbers ein Verkehrswertgutachten eingeholt und dem Erwerber die Flächen zu dem Wert verkauft hat, den das Gutachten ergab. Die Kläger haben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vorgetragen, die Beklagte habe jedenfalls seit 2011 durchgängig abgelehnt, ein Gutachten einholen zu lassen. Von dem in den [X.] als Anlage 2 beigefügten Muster für eine Gutachterbeauftragung sei seit 2011 in keinem Fall Gebrauch gemacht worden. Etwas anderes ergibt auch nicht der im Berufungsurteil wiedergegebene Vortrag der [X.], sie habe bis zum [X.] bei mehr als 1.000 Vertragsschlüssen nur 27 Gutachten in Auftrag gegeben. Danach bestand in dem maßgeblichen Zeitraum Oktober 2012 gerade keine ständige Praxis der [X.], auf Verlangen des Erwerbers ein Gutachten einzuholen und die Flächen zu einem Kaufpreis in Höhe des in dem Gutachten festgestellten Werts zu verkaufen (vgl. auch [X.]/[X.], [X.] 2014, 402).

cc) Jedenfalls aus diesem Grund scheidet auch die Annahme einer individualvertraglichen Selbstbindung der [X.] speziell gegenüber den Klägern aus. Eine solche Selbstbindung kann sich jedenfalls nicht daraus ergeben, dass die [X.] die Übersendung des [X.] „zur Vorbereitung eines Flächenerwerbs nach den [X.]“ verbunden hat. Nichts lässt erkennen, dass die [X.] damit von ihrer ständigen Praxis abweichen und in einem für sie zentralen Punkt für den konkreten Vertrag ein von ihrer ständigen Praxis abweichendes Verständnis einzelner Regelungen der [X.] (vgl. oben Rn. 17) zugrunde legen wollte.

e) Eine Verletzung von Schutzpflichten gemäß § 241 Abs. 2 [X.] kann auch nicht darin gesehen werden, dass die [X.] den Klägern keine Nachberechnungsklausel angeboten oder nachvollziehbare Einwände der Kläger gegen den Kaufpreis unberücksichtigt gelassen hätte. Die [X.] war nicht verpflichtet, den Klägern eine Nachberechnungsklausel anzubieten. Solche Klauseln wurden zwar in [X.] über den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch Pächter der [X.] nach § 3 [X.] häufig vorgesehen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 1008 Rn. 12). In den [X.] sind solche Klauseln aber nicht (mehr) vorgesehen; dass sie dennoch in ständiger Praxis vorgesehen worden sein sollen, behaupten die Kläger nicht (vgl. dazu auch [X.]/[X.], [X.] 2014, 402 f.). Ob die [X.], worauf die von den [X.]ministerien der Finanzen und für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. April 2013 veröffentlichten Protokollnotizen (Abdruck in [X.] 2013, 242) schließen lassen, auf Grund einer ständigen Praxis i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet war, konkrete, etwa anhand eines bereits eingeholten Verkehrswertgutachtens nachvollziehbare Einwände gegen ihren [X.] zu berücksichtigen, bedarf keiner Entscheidung. Die Kläger haben nicht geltend gemacht, sie hätten solche Einwände vorgetragen, sondern nur, sie hätten vergeblich versucht, den [X.] durch ein Verkehrswertgutachten überprüfen zu lassen; dazu war die [X.] aber nicht verpflichtet.

f) Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob behördeninternen Leitlinien ausnahmsweise dann Außenwirkung zukommen kann, wenn die Entscheidung der Stelle, an die sich die Leitlinien richten, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vertretbar oder in sonstiger Weise willkürlich ist (vgl. [X.], DVBl 2019, 383 Rn. 76, 77). Dass die [X.] seit 2011 auch bei einem entsprechenden Verlangen des Erwerbers keine Gutachten mehr einholt, kann angesichts der Unschärfe der Formulierung in Nr. 2.2.3 Abs. 5 PG 2010 und des Umstands nicht als willkürlich angesehen werden, dass die erwähnten Protokollnotizen zu den [X.] festhalten, dass „die [X.] […] den Marktwert der Flächen im Rahmen des [X.] weiterhin [Hervorhebung nur hier] auf der Grundlage ihres Vergleichspreissystems ermitteln [wird].“

g) Im Übrigen wäre ein Anspruch der Kläger verjährt. Er unterliegt als Schadensersatzanspruch, anders als der von dem [X.] angenommene, aber nicht gegebene Bereicherungsanspruch (dazu Senat, Urteile vom 25. Januar 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 824 Rn. 20 f., vom 6. Februar 2009 - [X.], NVwZ-RR 2009, 412 Rn. 30 und vom 12. Dezember 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 1008 Rn. 18), nicht einer Verjährungsfrist von zehn Jahren nach § 196 [X.], sondern der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren nach § 195 [X.]. Diese Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 [X.] mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Dieser Zeitpunkt trat spätestens bei Abschluss des Kaufvertrages am 11. Oktober 2012 ein. Zu diesem Zeitpunkt war den Klägern klar, dass die [X.] ein Gutachten nicht einholen und nur zu dem dann auch vereinbarten Kaufpreis verkaufen wollte. Zu einer Hemmung durch Verhandlungen (vgl. § 203 [X.]) ist es nicht gekommen, da die [X.] ein entsprechendes Ansinnen der Kläger umgehend zurückgewiesen hat (vgl. [X.]/Schmidt-Räntsch, [X.], 16. Aufl., § 203 Rn. 5b). Die Verjährungsfrist begann deshalb am 1. Januar 2013 und war daher bei Einreichung der Klage am 24. April 2017 bereits abgelaufen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Göbel 

      

[X.]     

      

[X.]     

      

Meta

V ZR 147/19

23.04.2021

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 26. April 2019, Az: 5 U 59/18, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 1 Abs 1 S 1 TreuhG, § 1 Abs 6 TreuhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.04.2021, Az. V ZR 147/19 (REWIS RS 2021, 6591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6591


Verfahrensgang

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Az. V ZR 147/19

Bundesgerichtshof, V ZR 147/19, 23.04.2021.


Az. 5 U 59/18

Oberlandesgericht Hamm, 5 U 59/18, 20.05.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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