Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.02.2023, Az. VI ZR 295/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1274

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Gegenstand

Arzthaftung wegen unzureichender Beratung einer Schwangeren: Straflosigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs und schwerwiegende Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren durch drohende Geburt eines schwerbehinderten Kindes


Leitsatz

1. Für eine schwerwiegende Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren im Sinne von § 218a Abs. 2 StGB müssen Belastungen zu befürchten sein, die ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangen, dass dies von der Frau nicht erwartet werden kann. Bei der zu erwartenden Geburt eines schwerbehinderten Kindes und der hieraus resultierenden besonderen Lebenssituation müssen diese Belastungen dergestalt sein, dass sie die Mutter in ihrer Konstitution überfordern und die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres seelischen Gesundheitszustandes als so drohend erscheinen lassen, dass bei der gebotenen Güterabwägung das Lebensrecht des Ungeborenen dahinter zurückzutreten hat.

2. Der fortgeschrittene Zustand der Schwangerschaft kann nicht ausgeblendet werden. Auch wenn das Lebensrecht des Kindes dem Grunde nach eine zeitliche Differenzierung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht nicht zulässt, sind bei der Abwägung zur Bestimmung der Voraussetzungen der medizinischen Indikation auch die Dauer der Schwangerschaft und die daraus resultierende besondere Situation für Mutter und Kind in den Blick zu nehmen. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um ein lebensfähiges Kind einige Wochen vor der Geburt handelt.

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 19. Februar 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger nehmen die [X.] wegen unzureichender Beratung über die Möglichkeit einer schweren Behinderung ihres ungeborenen Kindes auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Nach der Geburt eines gesunden Kindes im Jahr 2005 ließ die Klägerin eine weitere gewünscht eingetretene Schwangerschaft im Jahr 2010 abbrechen, nachdem bei dem Kind ein sog. Turner-Syndrom diagnostiziert worden war. Es folgte der spontane Abort einer weiteren Schwangerschaft Anfang 2011, der eine negativ verlaufene Testung der Kläger auf Erbkrankheiten nach sich zog. Im Juni 2011 wurde bei der Klägerin eine weitere Schwangerschaft festgestellt, deren Betreuung ab 7. Juli 2011 (12. Schwangerschaftswoche [SSW]) die [X.] übernahmen. Am 1. September 2011 (20. SSW) führte der Beklagte zu 2, Oberarzt der Frauenklinik der [X.] zu 1, eine [X.]e Feindiagnostik durch, bei der sich bei dem Kind der beide Hirnhemisphären verbindende Balken (corpus callosum) nicht und eine weitere essentielle Hirnstruktur (cavum septum pellucidum) nicht gut darstellen ließen. Am 10. November 2011 wurde [X.] eine Erweiterung der Hirnwasserkammer festgestellt (Ventrikulomegalie) und am 15. November 2011 eine [X.]-Aufnahme gemacht. Diese ergab eine komplexe Mittellinienstörung mit Hydrozephalus, Balkendysgenesie und Falxhypoplasie.

3

Am 17. November 2011 wurde die Klägerin wegen einer Muttermundschwäche stationär in der Klinik der [X.] zu 1 aufgenommen, wo sie bis zum 24. November 2011 verblieb. In dieser [X.] führten die Kläger ein Gespräch zunächst mit dem [X.], Oberarzt der Kinderklinik der [X.] zu 1, sowie im [X.] hieran am 22. November 2011 ein Gespräch mit dem [X.] zu 2 hinsichtlich des [X.]. Nach der Geburt des Kindes am 3. Januar 2012 wurde festgestellt, dass es am sog. Aicardi-Syndrom leidet. Es liegen eine Balkenagenesie (vollständiges Fehlen des Balkens), eine Polymikrogyrie (Fehlbildung der Hirnrinde mit exzessiver Faltung der Hirnrinde), ein Hydrozephalus, Plexuszysten im Gehirn und chronische Subduralhämatome vor. Die Augen sind fehlgestaltet, das Kind ist in seiner kognitiven und motorischen Entwicklung stark retardiert. Es kann nicht laufen, nicht krabbeln, nicht sprechen und nicht greifen, der [X.] ist schwer gestört und es leidet unter einer starken therapieresistenten Epilepsie.

4

Die Kläger behaupten, aus dem [X.] vom 15. November 2011 habe sich der Befund einer schweren Hirnfehlbildung ergeben, welcher ihnen nicht mitgeteilt worden sei. Angesichts der festgestellten Befunde - insbesondere des Umstands, dass eine corpus callosum-Agenesie mit einer Begleitfehlbildung eines Hydrozephalus vorgelegen habe - sei mit schweren Fehlbildungen zu rechnen gewesen. Wäre ihnen dies mitgeteilt worden, hätten sie sich angesichts der dann gegebenen Prognose einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung der Klägerin für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden. Infolge der Geburt und Pflege des schwerstbehinderten Kindes habe die Klägerin nunmehr eine tiefgreifende und dauerhafte Depression erlitten sowie einen körperlichen Erschöpfungszustand mit Krankheitswert.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufungen der Kläger hat das [X.] das Urteil des [X.]s abgeändert und der Klage überwiegend stattgegeben. Mit ihren durch den Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die [X.] ihre Anträge auf Zurückweisung der Berufungen weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

[X.] ([X.] 2021, 52) hat - soweit im vorliegenden Zusammenhang relevant - zur Begründung ausgeführt, die [X.] hätten ihre Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 hätten einen Behandlungsvertrag geschlossen, in dessen Schutzbereich der Kläger als werdender Vater einbezogen und in dessen Rahmen der Beklagte zu 2 tätig geworden sei, als er mit den Klägern den [X.] erörtert habe. Aufgrund des Behandlungsvertrages sei der Beklagte zu 2 verpflichtet gewesen, die Kläger darauf hinzuweisen, dass der ihm bekannte Befund einer [X.], einhergehend mit einer Falxhypoplasie und einem Hydrozephalus, die Möglichkeit beinhalte, ein mehr als nur leicht behindertes Kind zur Welt zu bringen. Den sich so ergebenden Beratungs- und Hinweispflichten sei der Beklagte zu 2 bei dem Gespräch am 22. November 2011 nicht nachgekommen. Die Kläger seien vom [X.] zu 2 bei der Besprechung des [X.]es auf die Möglichkeit einer schweren Behinderung nicht, jedenfalls nicht in realistischer Weise hingewiesen worden, obwohl diese mit einer nicht nur völlig untergeordneten Wahrscheinlichkeit bestanden habe. Gleiches gelte für das von den Klägern zuvor mit [X.] geführte Gespräch. Der Sachverständige habe erläutert, dass nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen davon auszugehen sei, dass es selbst bei einer isolierten [X.] - also ohne Hinzutreten weiterer Komplikationen - in 12 % der Fälle zu schweren Behinderungen, die über Entwicklungsverzögerungen und Lernbehinderungen hinausgehen, kommen könne.

7

Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit einer schweren Behinderung sei ursächlich für die Entscheidung der Klägerin geworden, das Kind auszutragen. So stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin bei Kenntnis einer auch nur geringen Wahrscheinlichkeit einer Behinderung die Schwangerschaft auf legalem Wege abgebrochen hätte. Die Klägerin habe bei ihrer Anhörung erläutert, sie habe nie ein schwerbehindertes Kind haben wollen und hätte sich bei einem Hinweis auf die möglichen Behinderungen auf jeden Fall für einen Abbruch der Schwangerschaft entschieden. Dies habe sie noch dahingehend konkretisiert, dass sie bei einer nur einprozentigen Wahrscheinlichkeit, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen, eine Abtreibung hätte vornehmen lassen. Auch diese Angaben seien glaubwürdig. Es erscheine zwar zunächst wenig naheliegend, dass eine Schwangere sich angesichts der deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit, ein gesundes Kind zu bekommen, für die Tötung eines bereits überlebensfähigen Fötus entschieden hätte. Maßgeblich seien aber nicht allgemeine Standards, sondern die konkrete Situation gerade der Klägerin, bei der sich jede Art von Bewertung verbiete. Insofern sei zu sehen, dass die Kläger sich, wie bereits ausgeführt, in erheblichem Umfang einer pränatalen Diagnostik wegen der Sorge unterzogen hätten, das Kind könne nicht gesund sein. Vor allem aber habe die Klägerin durch die frühere Abtreibung gezeigt, auch bei der Gefahr von nur leichteren Erkrankungen willens zu sein, das Kind nicht auszutragen. Der Einwand der [X.], die Aussage der Klägerin, bei einer nur einprozentigen Wahrscheinlichkeit einer Behinderung hätte sie die Schwangerschaft abgebrochen, sei unglaubwürdig, weil sie angesichts der allgemeinen statistischen Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen dann gar nicht hätte schwanger werden dürfen, gehe fehl. Der Klägerin sei es allein darauf angekommen, zu reagieren, wenn es konkret Auffälligkeiten während der Schwangerschaft gebe. Im Übrigen habe sie nicht mehr ausgedrückt, als dass sie bei Auffälligkeiten, die Ausdruck einer möglicherweise zu erwartenden Behinderung hätten sein können, in jedem Falle einen Abbruch gewünscht hätte. Eine weitergehende statistische Planung vor der Empfängnis sei fernliegend.

8

Dem Zurechnungszusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem ausgebliebenen Wunsch zur Abtreibung stehe nicht entgegen, dass der konkrete Befund des erst später erkannten [X.] im Zeitpunkt, als der Beklagte zu 2 den Klägern den [X.] erläutert habe, nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen nicht diagnostizierbar gewesen sei. Denn aufzuklären gewesen sei nicht über eine bestimmte Form der Behinderung, sondern über die generelle Möglichkeit schwerer Einschränkungen. Eine - wenn auch nur sehr seltene - Ausprägung einer solchen schweren Behinderung habe das [X.] sein können. Hierzu habe der Sachverständige erläutert, dass es sich dabei um ein übergeordnetes Syndrom handele, bei dem in seiner klassischen Form zu der [X.] noch eine Säuglingsepilepsie und Netzhautveränderungen hinzuträten.

9

Die Voraussetzungen für die Umsetzung des Willens, die Schwangerschaft abzubrechen, hätten vorgelegen. Der Sachverständige komme zu dem Schluss, dass im Zeitpunkt, als die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch angestanden habe, eine schwerwiegende Beeinträchtigung des seelischen Zustands in Form einer depressiven Anpassungsstörung hätte prognostiziert werden können, basierend darauf, dass es für die Klägerin unvorstellbar gewesen wäre, die Verantwortung und Sorge für ein behindertes Kind zu übernehmen, verbunden mit dem Verlust ihres bisherigen Lebensgefühls und einer nicht als positiv antizipierten Zukunft. Zwar sei zu sehen, dass die Beweisfrage einer mathematisch exakten Untersuchung nicht zugänglich sei. Vielmehr beruhe die Beurteilung psychologischer Vorgänge, wie sie hier im Raum ständen, maßgeblich auf dem nach außen getretenen Erscheinungsbild des Betroffenen, das der Sachverständige maßgeblich aufgrund seiner eigenen Berufserfahrung einzuordnen und auf seine Authentizität zu überprüfen habe. Dies stehe der Überzeugungskraft indes nicht entgegen. Die Klägerin habe aus der maßgeblichen [X.] in Kenntnis der Möglichkeit, ein behindertes Kind zu bekommen, tatsächlich befürchtet, ein behindertes Kind könne ihr Lebensglück beschränken und vernichten. Insofern sei zwar zu sehen, dass das Gutachten maßgeblich auf den Schilderungen der Klägerin in der Situation beruhe, in der sie gewusst habe, dass sich die Gefahr sogar einer schwersten Behinderung verwirklicht habe und wie belastend sich dieser Umstand auf ihr Leben auswirke. Die Problematik, dass ihre Schilderungen durch die [X.] verfälscht sein könnten, habe der Sachverständige aber klar gesehen und in seine Bewertung einbezogen. Bei den vom Sachverständigen prognostizierten Beeinträchtigungen wäre die Austragung des Kindes auch unter Berücksichtigung von dessen Anspruch auf Leben für die Klägerin unzumutbar gewesen. Insofern habe der Sachverständige klar herausgestellt, dass die zu prognostizierenden Schädigungen über häufiger zu beobachtende depressive Episoden oder die natürliche mütterliche Fürsorge und Empathie deutlich hinausgegangen wären, indem das Leben der Klägerin durch ihre subjektive Erfassung und Verarbeitung der Situation regelrecht zerstört worden wäre. Wenn ihr - wie vom Sachverständigen aufgrund seiner persönlichen Untersuchung und den sich aus den Akten sonst ergebenden Umständen nachvollziehbar festgestellt - prognostisch gesehen das Lebensgefühl verloren gegangen und sie ohne positive Zukunftsaussichten, ohne selbstbestimmte Gestaltung ihres Lebens und ohne Empfinden von Freude weitergelebt hätte, wäre ihr von ihrem Leben, das es ebenfalls zu schützen gelte, nichts mehr geblieben, was das menschliche Dasein mit seinen individuellen positiven wie negativen Einzigartigkeiten ausmache. Vielmehr sei im maßgeblichen Zeitpunkt zu befürchten gewesen, dass sie lediglich noch ohne positive Gedanken existiert hätte, um den Anforderungen des Kindes zu genügen. Eine solche existenzielle Selbstaufgabe wäre ihr auch unter Berücksichtigung des Lebensanspruchs des werdenden Kindes nicht zuzumuten gewesen.

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Sie leide infolge der Geburt an einer depressiv-ängstlichen Entwicklung bzw. Anpassungsstörung, was sich in [X.] und Freudlosigkeit, Ängsten und Sorgen wegen der Krankheitssymptome des behinderten Kindes, einhergehend mit Schlafstörungen wegen vermehrter Angst um das Kind äußere. Folge sei ein verminderter Antrieb. Die erkennbare existentielle Angst um das Überleben des Kindes und die damit verbundene Verantwortung, der sich die Klägerin uneingeschränkt und unter schonungsloser Aufgabe ihre eigener Bedürfnisse stelle, ließen die massiven psychischen Einschränkungen plausibel erscheinen.

Der Antrag des [X.] auf [X.] sei überwiegend begründet. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt und Pflegemehraufwendungen zu.

II.

Die Revision der [X.] zu 1 ist begründet.

1. Allerdings ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1 ihre vertragliche Verpflichtung zur pränatalen Beratung der Klägerin verletzte.

a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte sich die Klägerin mit dem erkennbaren Ziel in die Behandlung der [X.] zu 1 begeben, möglichst frühzeitig über eine mögliche Schädigung des ungeborenen Kindes informiert zu werden, um eigenverantwortlich reagieren zu können. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, ist der Behandelnde in einer solchen Situation verpflichtet, die Schwangere nach dem bei ihm vorauszusetzenden medizinischen Erfahrungs- und Wissensstand umfassend zu beraten und ihr diejenigen medizinischen Fakten zu vermitteln, die für eine von der Rechtsordnung gebilligte eigenständige Entscheidung über eine Fortsetzung der Schwangerschaft erforderlich sind (vgl. Senat, Urteile vom 7. Juli 1987 - [X.], NJW 1987, 2923, juris Rn. 9; vom 22. November 1983 - [X.], [X.], 95, juris Rn. 10, 14). Dies umfasst insbesondere die Wahrscheinlichkeit eines pathologischen Befundes sowie dessen Gewicht und seine Konsequenzen für die Gesundheit des Kindes und die der Schwangeren (vgl. Senat, Urteile vom 7. Juli 1987 - [X.], NJW 1987, 2923, juris Rn. 9; vom 28. März 1989 - [X.], NJW 1989, 2320, juris Rn. 14). Der Schwangeren sind die ihr zu vermittelnden Informationen dabei in verständlicher Weise und mit der nötigen Deutlichkeit zu Bewusstsein zu bringen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Juni 1995 - [X.], NJW 1995, 2407, juris Rn. 13). Ebenso muss klargestellt werden, ob bzw. inwieweit eine gesicherte Einschätzung nicht möglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 16. November 1993 - [X.], [X.], 128, juris Rn. 16). Auch angesichts der Bedeutung der auf dieser Grundlage fallenden Entscheidung für die Rechtsgüter sowohl der Schwangeren als auch des Kindes darf die Beratung weder unvollständig noch teilweise unzutreffend oder geeignet sein, die Schwangere in die Irre zu führen (vgl. Senat, Urteil vom 22. November 1983 - [X.], [X.], 95, juris Rn. 10). Das Risiko einer schweren Behinderung darf zwar nicht dramatisiert werden (vgl. Senat, Urteil vom 7. Juli 1987 - [X.], NJW 1987, 2923, juris Rn. 9). Dem Behandelnden steht es aber nicht zu, Inhalt und Deutlichkeit seiner Beratung ungefragt nach seiner persönlichen Haltung zu bestimmen oder gar einer eigenen Gewichtung der medizinischen Fakten durch die Schwangere vorzugreifen (vgl. Senat, Urteil vom 22. November 1983 - [X.], [X.], 95, juris Rn. 14). Dem medizinischen Standard zuwiderlaufende Versäumnisse bei der pränatalen Beratung sind Behandlungsfehler (vgl. Senat, Urteile vom 8. Juli 2008 - [X.], [X.], 2846 Rn. 29; vom 27. Juni 1995 - [X.], NJW 1995, 2407, juris Rn. 14).

b) [X.] hat festgestellt, dass es bereits bei einer isolierten [X.] zu schweren Behinderungen, die über Entwicklungsverzögerungen und Lernbehinderungen hinausgehen, kommen kann. Der Beklagte zu 2 wies die Kläger bei der Besprechung des [X.]s auf die bekannte Möglichkeit einer schweren Behinderung jedenfalls nicht in realistischer Weise hin, obwohl diese mit einer nicht nur völlig untergeordneten Wahrscheinlichkeit bestand. Für die Kläger war nicht erkennbar, dass die diagnostizierten Auffälligkeiten auf eine schwere Behinderung des Kindes hindeuten können. [X.] hat weiter festgestellt, dass auch [X.] im vorangegangenen Gespräch kein realistisches Bild von den möglichen Beeinträchtigungen zeichnete. Die gegen diese Feststellungen gerichteten [X.] von [X.] erachtet der Senat nicht für durchgreifend und sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 564 Satz 1 ZPO).

2. Demgegenüber hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft davon überzeugt, dass sich die Klägerin bei einer ordnungsgemäßen Beratung entschieden hätte, die Schwangerschaft abzubrechen.

a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juni 2020 - [X.], NJW 2020, 3176 Rn. 15 mwN).

b) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist - wie die Revision zu Recht rügt - nicht widerspruchsfrei.

[X.] ist zunächst davon ausgegangen, es erscheine wenig naheliegend, dass eine Schwangere sich angesichts der deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit, ein gesundes Kind zu bekommen, für die Tötung eines bereits überlebensfähigen Fötus entschieden hätte. Dieser Ausgangspunkt der tatrichterlichen Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zum Zeitpunkt der Erläuterung des [X.]s am 22. November 2011 befand sich die Klägerin in der 32. SSW und damit im letzten Viertel der Schwangerschaft. Dies bedeutete nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, dass das Kind lebensfähig war und im Falle der Abtreibung im Mutterleib hätte getötet werden müssen; dabei betrug das Risiko einer schweren Behinderung ca. 12 %.

[X.] hat seine Auffassung, dass die Klägerin sich trotz dieses nicht besonders hohen Risikos zur Tötung des lebensfähigen Fötus entschieden hätte, dann entscheidend damit begründet, dass die Klägerin glaubhaft gemacht habe, sie hätte bereits bei einer auch nur einprozentigen Gefahr einer Behinderung eine Abtreibung vorgenommen. Insoweit habe sie durch den Abbruch im Jahr 2010 gezeigt, auch bei der Gefahr von nur leichteren Erkrankungen willens zur Abtreibung zu sein. Sie habe in ihrer Anhörung zum Ausdruck gebracht, sie hätte bei Auffälligkeiten, die Ausdruck einer möglicherweise zu erwartenden Behinderung hätten sein können, in jedem Fall einen Abbruch gewünscht. Dieser Argumentation des Berufungsgerichts liegt letztlich ein "Erst-Recht-Schluss" zugrunde: Wenn die Klägerin grundsätzlich bereits bei dem Risiko leichterer Beeinträchtigungen zur Abtreibung bereit gewesen ist, hätte sie hier trotz der weit fortgeschrittenen Schwangerschaft bei einer realistischen Aufklärung über das Risiko einer schwereren Behinderung den lebensfähigen Fötus abgetrieben. Dies steht aber in Widerspruch dazu, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Pflichtverletzung lediglich davon ausgegangen ist, dass durch den [X.] zu 2 und den Zeugen [X.] eine realistische Aufklärung über das Risiko einer schweren Behinderung unterblieben ist, nicht dagegen, dass eine Aufklärung auch im Übrigen nicht erfolgt ist. [X.] hat insoweit die Angaben des [X.] zu 2 und des Zeugen [X.] im Rahmen ihrer Anhörungen bzw. Vernehmungen in 1. und 2. Instanz zu den dort angesprochenen Risiken und Gefahren nicht als unglaubhaft, sondern im Rahmen einer Gesamtbewertung lediglich als nicht ausreichend für die geschuldete realistische Darstellung der gesamten Bandbreite möglicher Schädigungen einschließlich einer schweren Behinderung gewertet. Warum sich die Klägerin aber nicht bereits auf der ihr unterhalb dieser "Schwelle" vermittelten Informationsgrundlage, wenn sie denn - so das Berufungsgericht - schon bei der Gefahr leichterer Beeinträchtigungen zur Abtreibung bereit war, damals zum Abbruch entschieden hat, führt das Berufungsgericht nicht aus und erschließt sich auch nicht. Insoweit entfällt aber die Grundlage für den o.a. "Erst-Recht-Schluss", wobei bezüglich des vom Berufungsgericht angesprochenen Abbruchs im Jahr 2010 auch anzumerken ist, dass es dort um eine andere Konstellation, nämlich um eine Abtreibung in der 16. SSW nach positiver Feststellung einer Fehlbildung (Turner-Syndrom) ging. Insoweit wird das Berufungsgericht - unter Berücksichtigung des Umstands, dass jedenfalls das bei dem Kind der Kläger nach der Geburt festgestellte schwerwiegende sog. [X.], eine "Rarität" mit weltweit nur ca. 200 publizierten Fällen, für die [X.] bei der Befundung der [X.] nicht diagnostizierbar war, wie es das Berufungsgericht unter Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. [X.] an anderer Stelle selbst festgestellt hat - die Kausalität erneut zu prüfen haben.

3. Weiter tragen die vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen nicht dessen Beurteilung, dass ein Schwangerschaftsabbruch der Klägerin rechtmäßig gewesen wäre.

a) Die Verpflichtung zum Schadensersatz setzt voraus, dass der Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig gewesen wäre, da es anderenfalls nach dem Schutzzweck der vertraglichen Beratungspflicht am haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang fehlt (vgl. Senat, Urteile vom 31. Januar 2006 - [X.], [X.], 1660 Rn. 10; vom 18. Juni 2002 - [X.], [X.], 133, juris Rn. 12). Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Folgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen wurde (vgl. Senat, Urteile vom 27. September 2022 - [X.], juris Rn. 12; vom 2. April 2019 - [X.], [X.], 352 Rn. 30; vom 20. Mai 2014 - [X.], [X.], 263 Rn. 10 mwN).

Nach § 218a Abs. 2 StGB ist der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Nach geltendem Verfassungsrecht müssen Belastungen zu befürchten sein, die ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangen, dass dies von der Frau nicht erwartet werden kann ([X.] 88, 203 juris Rn. 172). Bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden ist zu prüfen, ob sich für die Mutter aus der Geburt des schwerbehinderten Kindes und der hieraus resultierenden besonderen Lebenssituation Belastungen ergeben, die sie in ihrer Konstitution überfordern und die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres insbesondere seelischen Gesundheitszustandes als so drohend erscheinen lassen, dass bei der gebotenen Güterabwägung das Lebensrecht des Ungeborenen dahinter zurückzutreten hat (vgl. [X.] 88, 203 juris Rn. 161, 168 f.; Senat, Urteile vom 31. Januar 2006 - [X.], [X.], 1660 Rn. 10 f.; vom 15. Juli 2003 - [X.], NJW 2003, 3411, juris Rn. 6; vom 18. Juni 2002 - [X.], [X.], 133, juris Rn. 15, 19).

Die Mutter muss im [X.] nach allgemeinen Grundsätzen darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch wegen medizinischer Indikation bei fehlerfreier Beratung vorgelegen hätten. Hierzu bedarf es einer auf den Zeitpunkt des denkbaren Abbruchs der Schwangerschaft bezogenen Prognose, bei der darauf abzustellen ist, ob von einer Gefahr für das Leben oder der Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Mutter auszugehen war, aber auch darauf, ob aus damaliger Sicht diese Gefahr nicht auf andere, für die Mutter zumutbare Weise hätte abgewendet werden können (vgl. Senat, Urteile vom 31. Januar 2006 - [X.], [X.], 1660 Rn. 12; vom 15. Juli 2003 - [X.], NJW 2003, 3411, juris Rn. 7). Auf der Grundlage einer solchen Prognose ist dann zu entscheiden, ob das Lebensrecht des Ungeborenen ausnahmsweise zurückzutreten hat und deshalb ein Abbruch angezeigt ist.

b) Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang und damit die Rechtmäßigkeit eines zum maßgeblichen Zeitpunkt der [X.] vorgenommenen Abbruchs nicht bejahen.

Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. E. ist davon ausgegangen, dass bei der Klägerin für den Fall, dass ein behindertes Kind zur Welt kommt, die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustands in Form einer depressiven Anpassungsstörung zu bejahen gewesen wäre. Dem hat sich das Berufungsgericht angeschlossen. Es ist auf dieser Grundlage davon ausgegangen, dass ein Abbruch der Schwangerschaft angezeigt gewesen wäre. Insoweit erweist sich die Begründung des Berufungsgerichts allerdings in zweierlei Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

Die Grundlage für die Prüfung, ob die Gefahr so drohend ist, dass das Lebensrecht des Ungeborenen ausnahmsweise zurückzutreten hat, wird verkürzt, wenn nur darauf abgestellt wird, ob eine Gefahr für den Fall besteht, dass ein Kind behindert zur Welt kommt. Vielmehr ist in einem Fall, in dem zum maßgeblichen Zeitpunkt die Behinderung nicht feststeht, bei der Gefahrbewertung die Höhe des Risikos einer Behinderung mit einzustellen. Ob eine Gefahr im Sinn des § 218a Abs. 2 StGB besteht, hängt mithin auch davon ab, wie wahrscheinlich die Geburt eines behinderten Kindes ist. Es geht insoweit um eine Indikationsfeststellung unter zweifacher Unsicherheit: Die unklare Diagnose der kindlichen Schädigung verdoppelt gewissermaßen die Unsicherheit der Gefahrprognose für die Mutter nach einer Geburt eines möglicherweise geschädigten Kindes. Ab welcher Wahrscheinlichkeit ein Abbruch indiziert ist, d.h. eine ausreichende Gefahr vorliegt, ist sicherlich nicht statistisch exakt bestimmbar. Im strafrechtlichen Schrifttum wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass eine konkrete Gefahr notwendig ist und dass der Grad der zu verlangenden Wahrscheinlichkeit von der Schwere der zu befürchtenden Schäden abhängt. Je schwerwiegender der zu befürchtende Schaden ist, desto niedriger kann die Wahrscheinlichkeit sein; bei Lebensgefahr genügt ein relativ geringes Risiko (vgl. nur [X.]/[X.], 12. Aufl., § 218a Rn. 33; [X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 218a Rn. 46; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 218a Rn. 43, 83; [X.]/[X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 218a Rn. 31 f; [X.], 9. Aufl., § 218a Rn. 43).

Bei der oben angeführten Prüfung kann auch der fortgeschrittene Zustand der Schwangerschaft nicht ausgeblendet werden. Auch wenn das Lebensrecht des Kindes dem Grunde nach eine zeitliche Differenzierung der Schutzpflicht nicht zulässt (vgl. [X.] 88, 203 juris Rn. 166, 196), sind bei der Abwägung zur Bestimmung der Voraussetzungen der medizinischen Indikation auch die Dauer der Schwangerschaft und die daraus resultierende besondere Situation für Mutter und Kind in den Blick zu nehmen (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juni 2002 - [X.], [X.], 133, juris Rn. 18 f.; siehe auch Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], Frauen und Jugend vom 11. Mai 2009 zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes u.a., BT-Drucks. 16/12970 [X.], wonach bei der medizinischen Indikation "zu berücksichtigen ist, dass entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Voraussetzungen für das Vorliegen einer medizinischen Indikation bei Fortschreiten der Schwangerschaft immer enger zu ziehen sind, insbesondere dann, wenn die Lebensfähigkeit des Kindes außerhalb des [X.] nicht auszuschließen ist"). Dies gilt im verfassungsrechtlichen Rahmen (s.o.) insbesondere, wenn es sich - wie hier - um ein lebensfähiges Kind einige Wochen vor der Geburt handelt (siehe zur Berücksichtigung des fortgeschrittenen Zustands der Schwangerschaft bei der Frage, ob ein Abbruch indiziert ist, auch [X.], aaO vor §§ 218-219b Rn. 39 und § 218a Rn. 42; [X.], aaO Rn. 46; [X.], aaO Rn. 107; [X.], aaO Rn. 42). Die Revision verweist insoweit auch zu Recht auf das Gutachten des neonatologischen Sachverständigen Prof. Dr. [X.] Dieser - u.a. Vorsitzender der am [X.] eingerichteten "[X.]" - hat in seinem Gutachten vom 10. August 2015 ([X.] ff.) unter Hinweis auf die (soweit damals erkennbar) "vergleichsweise günstige" Gefahrenprognose einer etwaigen Behinderung ausgeführt, dass die [X.] einem solchen Spätabbruch "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zugestimmt hätte". Auf Vorhalt bei seiner Anhörung vor dem Berufungsgericht hat der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. E. erklärt, er habe die Frage zu beantworten gehabt, ob ex ante eine psychische Beeinträchtigung zu erwarten gewesen sei; das Gutachten [X.] beträfe eine andere Fragestellung. [X.] hat in seinem Urteil dazu lediglich ausgeführt, dass die "ethischen Erwägungen" der [X.] und des Sachverständigen [X.] der Annahme eines rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs nicht entgegenstünden, zumal [X.] selbst erwähne, dass es zur Frage der Abtreibung auch "liberalere" Auffassungen gebe und im Übrigen eine "weitere ethische Rechtfertigung von Gesetzes wegen nicht vorgesehen sei". Damit verfehlt aber das Berufungsgericht den Prüfungsmaßstab. Es geht nicht darum, ob die Klägerin möglicherweise einen "liberaleren" Arzt hätte finden können, der zu einer Abtreibung bereit gewesen wäre, sondern darum, ob damals die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres insbesondere auch seelischen Gesundheitszustandes bestanden hätte und diese als so drohend erschienen wäre, dass das Lebensrecht des Ungeborenen ausnahmsweise hätte zurücktreten müssen. Das bedeutet auch keine "weitere", über das Gesetz hinausgehende Rechtfertigung, sondern eine Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der für seine Auslegung maßgeblichen Kriterien.

4. Die Verurteilung der [X.] zu 1 stellt sich nicht aus anderen Gründen (teilweise) als richtig dar (§ 561 ZPO).

Zwar müsste die Beklagte zu 1 nach § 831 BGB den Schaden ersetzen, den der Beklagte zu 2 und der Zeuge [X.] in Ausführung ihrer für die Beklagte zu 1 übernommenen Verrichtungen der Klägerin widerrechtlich zugefügt hätten. Eine deliktische Haftung kommt in Betracht, wenn die durchgeführte Beratung nicht dem medizinischen Standard entspricht und dies - über die Belastungen eines komplikationslosen Verlaufs hinausgehend - insbesondere durch seelische Beeinträchtigungen eine Körper- oder Gesundheitsverletzung verursacht (vgl. Senat, Urteile vom 18. Januar 1983 - [X.], [X.], 240, juris Rn. 32 f.; vom 27. November 1984 - [X.], NJW 1985, 671, juris Rn. 7, 20 f.; vom 25. Juni 1985 - [X.], NJW 1985, 2749, juris Rn. 30; vom 8. November 1988 - [X.], NJW 1989, 1536, juris Rn. 18 f., 21; vom 30. Mai 1995 - [X.], NJW 1995, 2412, juris Rn. 9 f.; siehe weiter Senat, Urteil vom 18. Juni 2002 - [X.], [X.], 2636, juris Rn. 8, 31). Allerdings wären von dieser deliktischen Haftung die geltend gemachten, auf die Existenz des Kindes gestützten Vermögenseinbußen nicht umfasst. Auch ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin lässt sich auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht darauf stützen. Denn eine solche Deliktshaftung setzt unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm ebenfalls voraus, dass ein bei fehlerfreier Beratung durchgeführter Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig gewesen wäre, da es anderenfalls auch insoweit am erforderlichen haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang fehlt (siehe oben II.3.).

Entsprechendes gilt für die dem Kläger zuerkannten Schadensersatzansprüche. Insoweit ist allein eine vertragliche Grundlage in Betracht zu ziehen, da der Kläger nicht in einem durch § 831 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgut betroffen ist, wohl aber in den Schutzbereich des zwischen der Klägerin und der [X.] zu 1 geschlossenen Vertrages einbezogen wurde (vgl. dazu Senat, Urteile vom 18. Juni 2002 - [X.], [X.], 133, juris Rn. 10; vom 22. November 1983 - [X.], [X.], 95, juris Rn. 9; vom 18. Januar 1983 - [X.], [X.], 240, juris Rn. 35).

5. [X.] wird daher, sollte es ggfs. die Kausalität der festgestellten Beratungspflichtverletzung (siehe oben II.3.) erneut bejahen, unter Berücksichtigung der vorerwähnten Gesichtspunkte auch erneut zu prüfen haben, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt eine ausreichende Gefahr für die Klägerin bestand, die es angezeigt hätte erscheinen lassen, einen Abbruch vorzunehmen. Soweit diese Gefahr aus den befürchteten Belastungen nach der Geburt eines behinderten Kindes resultiert, wird dabei zu beachten sein, dass die [X.] nur eine Aufklärung nach Maßgabe des damaligen fachärztlichen [X.] schuldeten. Soweit es bei der Prognose etwaiger zu erwartender gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Klägerin - sei es zur Bestätigung, sei es zur Kontrolle der hypothetischen Prognose - naheliegt, den tatsächlich nach der Geburt eingetretenen Zustand mit ins Auge zu nehmen (siehe auch Senat, Urteile vom 4. Dezember 2001 - [X.], [X.], 236, 242; vom 18. Juni 2002 - [X.], [X.], 133, 140; vom 15. Juli 2003 - [X.], NJW 2003, 3411, juris Rn. 7), wird zu berücksichtigen sein, dass das nach der Geburt festgestellte [X.], das wesentlich zur Behinderung des Kindes beigetragen hat, nach den getroffenen Feststellungen für die [X.] damals nicht diagnostizierbar war.

[X.] wird weiter Gelegenheit haben, sich mit der Beanstandung der Revision zu befassen, es sei nicht festgestellt, dass die bei pflichtgemäßer Beratung zu prognostizierenden psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin ausreichendes Gewicht hätten. Eingangs seiner diesbezüglichen Ausführungen beschreibt das Berufungsgericht diese lediglich als "schwerwiegende Beeinträchtigung des seelischen Zustands in Form einer depressiven Anpassungsstörung". Soweit das Berufungsgericht ausführt, der Sachverständige habe klar herausgestellt, dass die zu prognostizierenden Schädigungen über häufiger zu beobachtende depressive Episoden oder die natürliche mütterliche Fürsorge und Empathie deutlich hinausgegangen wären, hat es ebenfalls keine weitergehende Einordnung und Gewichtung vorgenommen. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts ("Wenn ihr […] das Lebensgefühl verloren gegangen und sie ohne positive Zukunftsaussichten, ohne selbstbestimmte Gestaltung ihres Lebens und ohne Empfinden von Freude weitergelebt hätte, wäre ihr von ihrem Leben, das es ebenfalls zu schützen gilt, nichts mehr geblieben, was das menschliche Dasein mit seinen individuellen positiven wie negativen Einzigartigkeiten ausmacht. […] lediglich noch ohne positive Gedanken existiert hätte, um den Anforderungen des Kindes zu genügen") stellen im Wesentlichen eine Beschreibung von Wahrnehmungs- und Gefühlszuständen der Klägerin dar und bewerten diese pauschal ("das Leben der Klägerin durch ihre subjektive Erfassung und Verarbeitung der Situation regelrecht zerstört worden wäre", "existenzielle Selbstaufgabe wäre […] nicht zuzumuten"), ohne die Auswirkungen im Sinne einer medizinischen Symptomatik einzuordnen.

III.

Auch die Revision des [X.] zu 2 ist begründet.

Eine vertragliche Haftung des [X.] zu 2 scheidet schon deshalb aus, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Abschluss eines Vertrags der Klägerin auch mit dem [X.] zu 2, in dessen Schutzbereich der Kläger einbezogen sein könnte, getroffen hat. Auf welcher Grundlage das Berufungsgericht davon ausgeht, (auch) der Beklagte zu 2 sei aus dem Vertrag mit der [X.] zu 1 verpflichtet gewesen und hätte seine Pflichten hieraus verletzt, erschließt sich nicht. [X.] hat lediglich festgestellt, dass die Klägerin und die Beklagte zu 1 einen Vertrag abgeschlossen hatten, in dessen Rahmen der Beklagte zu 2 tätig wurde. Das schließt eine eigene Vertragsbindung des [X.] zu 2 neben seiner Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe der [X.] zu 1 zwar nicht aus, kann jedoch ohne konkrete Feststellungen zum Vertragsschluss und gegebenenfalls auch zum Versicherungsstatus der Klägerin nicht angenommen werden. Eine deliktische Haftung des [X.] zu 2 gegenüber der Klägerin besteht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht (siehe oben II.3. und II.4.).

IV.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Seiters     

  

von Pentz     

  

Klein

  

Allgayer     

  

Linder     

  

Meta

VI ZR 295/20

14.02.2023

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 19. Februar 2020, Az: 7 U 139/16, Urteil

§ 218a Abs 2 StGB, § 823 Abs 1 BGB, § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.02.2023, Az. VI ZR 295/20 (REWIS RS 2023, 1274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1274 NJW 2023, 1852 REWIS RS 2023, 1274

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 13/18

VI ZR 336/21

VI ZR 435/19

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