Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2008, Az. III ZR 243/07

III. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 4667

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 3. April 2008 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 2a, GG Art. 20 Abs. 3 Der durch Art. 2 des [X.] vom 10. Juni 2005 ([X.] I 1598) in das Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen eingefügte § 2a begründet auch dann ei-ne Zahlungsverpflichtung des durch eine "fehlgeschlagene Anrechnung" be-günstigten Entschädigungsberechtigten, wenn das Restitutions- und Entschä-digungsverfahren bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift abge-schlossen war. Darin liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwir-kung (Art. 20 Abs. 3 GG). [X.], Urteil vom 3. April 2008 - [X.]/07 - [X.] - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2008 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 31. August 2007 wird [X.]. Die Kosten des [X.] hat der Beklagte zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen ([X.]) vom 27. September 1994 ( [X.] [X.] 2624, neugefasst durch die Bekanntmachung vom 13. Juli 2004, [X.] I 2004, 1658, zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 14 des Gesetzes vom 12. Juli 2006, [X.] [X.] 1466). 1 [X.] des Beklagten war Inhaberin eines landwirtschaftlichen Be-triebes in [X.] und Eigentümerin der dazu gehörenden Grundstücke. Diese waren mit Grundpfandrechten belastet, die diverse [X.] 2 - 3 - besicherten. Der Betrieb wurde mit Wirkung vom 30. Mai 1953 einschließlich der Grundstücke enteignet und in Volkseigentum überführt. Am 20. August 1990 beantragte die Mutter des Beklagten die Rücküber-tragung des Betriebes. Später trat sie ihre Ansprüche an den Beklagten ab. Mit Bescheiden vom 1. Februar und 11. März 1996 übertrug das [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen dem Beklagten das Eigentum an zwei [X.] zurück, lehnte jedoch die Rückgabe der [X.]gesamtheit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] ab, da der Betrieb einge-stellt war und die Voraussetzungen für dessen Wiederaufnahme nach [X.] kaufmännischer Beurteilung fehlten. 3 2002 machte die klagende [X.] die durch die Grundpfandrechte besicherten [X.] geltend. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung, woraufhin die Klägerin diese [X.] nicht weiterverfolgte. 4 Mit Bescheid vom 3. Februar 2005 stellte das [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen fest, dass dem Beklagten für den Verlust des ehemaligen [X.] dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung zusteht. Die Entschädigung setzte es jedoch auf 0,00 • fest. Zur Begründung führte es aus, der Wert der 1996 zurückübertragenen [X.], der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] von der Entschädigung abzu-ziehen sei, übersteige den zu entschädigenden Wert des landwirtschaftlichen Betriebes. Die Bewertung der übrigen Flächen und die von der Klägerin [X.] Berücksichtigung der [X.] bei der Bemessung des [X.] könnten aus demselben Grund dahingestellt bleiben. Der Bescheid wurde nicht angefochten. 5 - 4 - Die Klägerin fordert nunmehr auf der Grundlage des durch Art. 2 des [X.] vom 10. Juni 2005 ([X.] [X.] 1589) mit Wirkung vom 17. Juni 2005 eingefügten § 2a Abs. 1 Satz 1 [X.] einen Betrag in [X.] der noch nicht getilgten [X.], die durch die auf den Grundstücken vormals lastenden Grundpfandrechte besichert waren. 6 Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsan-trag weiter. Er ist der Auffassung, § 2a [X.] entfalte eine verfassungswidri-ge Rückwirkung. 7 Entscheidungsgründe Die zulässige Revision ist unbegründet. 8 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, § 2a [X.] betreffe keinen Fall echter Rückwirkung. Eine solche wäre nur dann anzunehmen, wenn die Vor-schrift nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingriffe. Dies sei aber nicht der Fall, weil § 2a [X.] nur die Realisierung der Gegenansprüche sicherstelle, deren Ausgleich im Entschädi-gungsrecht von [X.] angelegt gewesen sei. Diese Ansprüche hätten indes vorliegend aufgrund besonderer Umstände nicht angerechnet werden können. Darüber hinaus habe der Beklagte die Problematik der Altverbindlichkeiten zum 9 - 5 - Zeitpunkt des Erlasses der genannten Vorschrift noch nicht als abgeschlossen ansehen können. Dies zeige sich schon daran, dass im Bescheid des [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen vom 3. Februar 2005 ausdrücklich auf die Altverbindlichkeiten hingewiesen worden sei. Selbst wenn eine echte Rückwirkung vorläge, wäre diese nicht verfassungswidrig, da die Beteiligten im Hinblick auf eine offenkundig unvollkommene Gesetzeslage mit einer Änderung der Rechtslage hätten rechnen müssen. I[X.] Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. 10 1. Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Zahlungsanspruch der Kläge-rin gegen den Beklagten gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen vor. Dies ist, ebenso wie die Höhe des Anspruchs, zwischen den Parteien auch nicht um-stritten. 11 2. § 2a [X.] ist weder allgemein noch in seiner Anwendung auf den konkreten Einzelfall mit dem Grundgesetz unvereinbar. Die Vorschrift wirkt ent-gegen der Ansicht des Beklagten nicht in verfassungswidriger Weise zurück (Art. 20 Abs. 3 GG). Eine Vorlage der Sache an das [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 GG scheidet damit ebenso aus wie die Notwendigkeit einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift. 12 - 6 - Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit, die verhindern soll, dass der rechtsunterworfene Bürger durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht wird. Rechtsbeständigkeit bedeutet daher für ihn in erster Linie Vertrauensschutz, welcher Verfassungsrang genießt (st. Rspr. z.B.: [X.] 105, 48, 57 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des [X.] liegt eine - zum Nachteil des [X.] nur aus-nahmsweise und unter engen Voraussetzungen zulässige - echte Rückwirkung vor, wenn ein Gesetz vor seiner Verkündung bereits abgeschlossene [X.] nachträglich veränderten Bedingungen unterwirft (z.B.: [X.] 30, 367, 386 f; 94, 241, 258 f; 97, 67, 78 f; [X.] DVBl 2007, 1435, 1439 Rn. 65). Eine unechte Rückwirkung besteht demgegenüber, wenn das Gesetz für noch andauernde Tatbestände mit Wirkung für die Zukunft erstmalig oder veränderte Rechtsfolgen vorsieht (z.B.: [X.] 95, 64, 86; 103, 392, 403). Eine solche Rückwirkung ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der [X.] grundsätzlich zulässig (z.B.: [X.] 95 und 103 aaO jew. m.w.N.), wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen und ihr Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage die Veränderungsgründe des Gesetzgebers nicht überwiegen (z.B.: [X.] 76, 256, 356; 95 aaO; 101, 239, 263; [X.], Senat für Notarsachen, Beschluss vom 26. November 2007 - [X.] 6/07 - juris Rn. 48 m.w.N.). 13 a) Entgegen der Auffassung der Revision entfaltet § 2a [X.] hinsicht-lich der bereits verjährten [X.] weder eine echte noch eine unechte Rückwirkung. 14 - 7 - Diese Ansprüche werden durch die Einführung des § 2a [X.] nicht wieder durchsetzbar. Die Bestimmung lässt die [X.] auch nicht in Form eines gleichartigen Anspruchs der Sache nach "wieder aufleben". Es handelt sich bei der sich aus § 2a Abs. 1 Satz 1 [X.] folgenden Forderung vielmehr um einen seiner Rechtsnatur nach andersartigen Anspruch. Er dient nicht der Befriedigung der Darlehensforderung, sondern der Umsetzung des allgemeinen restitutionsrechtlichen Grundsatzes, dass der Rückübertragungsberechtigte durch die Restitution nicht mehr zurückerhalten soll, als ihm entzogen wurde (vgl. z.B.: Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes - EALG -, [X.]. 244/93, [X.]; BVerwG [X.] 1998, 445). Wäre der jeweilige Betrieb nicht enteignet worden, hätte dessen Inhaber die langfristigen Verbindlichkei-ten, die im Zeitpunkt der Schädigung mit dem Vermögensgegenstand in wirt-schaftlichem Zusammenhang standen oder an diesem dinglich gesichert waren (§ 3 Abs. 4 Satz 1 [X.]), erfüllen müssen. Zweck des § 2a [X.] - [X.] wie der des § 18 [X.] - ist der Ausgleich des durch die Enteignung ent-standenen Vorteils, mit diesen Verbindlichkeiten nicht mehr belastet zu sein. Ein solcher ausgleichungsbedürftiger Vorteil besteht im Übrigen selbst dann, wenn [X.] bereits zum Zeitpunkt der Schädigung verjährt [X.], sofern sie - wie hier - mit Grundpfandrechten an den [X.] besichert waren (siehe § 902 Abs. 1, § 216 Abs. 1 und 2 BGB n.F., § 223 Abs. 1 und 2 [X.]). 15 Die unterschiedliche Rechtsnatur des Darlehensrückzahlungsanspruchs und der Forderung aus § 2a Abs. 1 Satz 1 [X.] ergibt sich weiter daraus, dass der [X.] nicht mit dem [X.] identisch sein muss, gegen den sich der entschädigungsrechtliche Anspruch aus § 2a Abs. 1 Satz 1 [X.] richtet. 16 - 8 - b) Aber auch jenseits des vorstehenden, von der Revision in den Mittel-punkt ihrer Erwägungen gestellten Gesichtspunkts wirkt § 2a [X.] nicht [X.] zurück. 17 aa) Allerdings entfaltet § 2a [X.] in Fallgestaltungen wie der [X.] eine echte Rückwirkung, da er in Bezug auf einen zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 17. Juni 2005 bereits abgeschlossenen Sachverhalt neue, den [X.] belastende Rechtsfolgen begründet. 18 (1) Das Restitutionsverfahren betreffend den 1953 enteigneten landwirt-schaftlichen Betrieb der Mutter des Beklagten war mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 3. Februar 2005 abgeschlossen. 19 Nach den Bescheiden vom 1. Februar und 11. März 1996, durch die zwei Grundstücke gemäß § 6 Abs. 6a i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] zurücküber-tragen wurden, war noch der Entschädigungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 4 Abs. 1 [X.] offen geblieben. Über diesen entschied das [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen mit dem Bescheid vom 3. Februar 2005. Danach wurde der dem Grunde nach festgestellte Entschädi-gungsanspruch auf 0,00 • festgesetzt, da bereits der Grundstückswert, der ge-mäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] von der Entschädigung abzuziehen war, deren Betrag überstieg. Die von der Klägerin erbetene Berücksichtigung der [X.] bei der Ermittlung der Entschädigungshöhe konnte [X.] nicht mehr erfolgen. Mit diesem Bescheid war das Restitutionsverfahren insgesamt vollständig mit dem Resultat beendet worden, dass der Beklagte Grundstücke zurückerhalten hatte, eine weitergehende Entschädigung nicht zuerkannt wurde, er aber - in Ermangelung einer seinerzeit bestehenden [X.] - 9 - spruchsgrundlage - auch keine Leistungen im Zusammenhang mit den Verbind-lichkeiten und Sicherheiten im Sinne des § 3 Abs. 4 [X.] zu erbringen [X.]. (2) Dieses Ergebnis des abgeschlossenen Restitutionsverfahrens wurde durch das Inkrafttreten des § 2a [X.] am 17. Juni 2005 nachträglich geän-dert. 21 Nunmehr wurden neue Ansprüche gegen den [X.] begründet. Im Gegensatz zur vormaligen Rechtslage wird er in den Fällen, in denen - wie hier - eine Anrechnung von Forderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 [X.] nicht erfolgen konnte, weil die Entschädigungs-summe durch Abzüge nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 [X.] vollständig aufgezehrt wurde, verpflichtet, an den Gläubiger der noch valutierenden [X.] Zahlungen in der Höhe zu leisten, in der die Anrechnung [X.] ist. Der Anwendungsbereich des § 2a [X.] ist nicht auf [X.] beschränkt, in denen das Restitutionsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Vielmehr soll die Bestimmung, wie sich insbesondere aus ihrem Absatz 1 Satz 5 ergibt, auch in den Fällen gelten, in denen bereits eine bestandskräftige Entscheidung über die Höhe der Entschädigung vorliegt. 22 § 2a [X.] greift damit rückwirkend in das Ergebnis des verwaltungs-rechtlichen Rückübertragungsverfahrens ein, auch wenn der Anspruch zivil-rechtlich ausgestaltet ist (vgl. § 2a Abs. 3 [X.]). Die Forderung ist inhaltlich unmittelbar mit dem öffentlich-rechtlichen Rückübertragungs- und Entschädi-gungsanspruch verbunden, wie sich aus der Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und § 3 Abs. 4 [X.] in § 2a Abs. 1 Satz 1 [X.] und aus den Fälligkeitsbestimmungen in Absatz 1 Satz 4 und 5, die an die Bestandskraft des 23 - 10 - [X.] anknüpfen, ergibt. Überdies ist die Klägerin in das Verwaltungsverfahren der Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen in den Fällen einer Rückübertragung von Grundstücken nach § 6 Abs. 6a [X.] im Hinblick auf ihre Forderungen gemäß § 2a [X.] eingebunden. Sie ist ge-mäß § 2a Abs. 4 [X.] entsprechend § 27 Abs. 4 Satz 1 [X.] von dem Entschädigungsbescheid beziehungsweise von dem Verzicht auf einen solchen zu unterrichten, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Ansprüche gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 [X.] geltend zu machen. [X.]) Jedoch ist diese Rückwirkung mit dem Grundgesetz vereinbar. 24 (1) Zwar ist eine echte Rückwirkung grundsätzlich unzulässig (z.B.: [X.] 30, 392, 401). Das Rückwirkungsverbot, das im Vertrauensschutz gründet, tritt jedoch zurück, wenn sich ausnahmsweise kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des bisherigen Rechts bilden konnte (z.B.: [X.] 88, 384, 404; 95, 64, 86 f; 98, 17, 39), weil die betroffenen Kreise nach der [X.] in dem Zeitpunkt, auf den die Regelungen zurückbezogen werden, bei objektiver Betrachtung mit dieser Regelung rechnen mussten (z.B.: [X.] 88 und 95 aaO; [X.] 100, 1, 6 m.w.N.; Senatsurteil vom 19. März 1998 - [X.]/97 - [X.], 1348, 1351). Dies ist namentlich der Fall, wenn die [X.] so unklar und verworren ist, dass eine Klärung durch den Gesetzgeber erwartet werden musste ([X.] 88 und 98 aaO), eine noch nicht gefestigte Änderung der Rechtsprechung durch den Gesetzgeber korrigiert wird ([X.] 72, 302, 325 ff) oder mit der rückwirkenden Regelung nur eine bereits in der Vergangenheit herrschende Rechtsüberzeugung kodifiziert wird ([X.], 411, 413). Diesen - nicht abschließenden (vgl. [X.] 72, 200, 258) - Fall-gruppen entspricht wertungsmäßig die Situation, dass sich während des [X.] eines Gesetzes und durch präzisierende Gerichtsentscheidungen heraus-25 - 11 - stellt, dass es in bestimmten Konstellationen infolge einer Regelungslücke sei-nen Zweck nicht erfüllen kann und deshalb eine verfassungskonforme Rechts-anwendung nicht mehr gewährleistet ist. In diesen Fällen ist, wenn die Proble-matik in den maßgebenden Verkehrskreisen bekannt ist, das Vertrauen des [X.] in das Fortbestehen einer ihm günstigen Rechtslage ebenfalls nicht schutzwürdig. (2) Eine derartige Lage besteht in der vorliegenden Fallgestaltung. 26 (a) Der Gesetzgeber ging bei Schaffung des Restitutions- und Entschä-digungsrechts aus Anlass der [X.] von dem Grundsatz aus, dass maßgebend der Wert des betroffenen [X.] zur Zeit und am Ort des rechtsstaatswidrigen Zugriffs in die Befugnisse des Berechtigten ist (z.B.: [X.]. 244/93 S. 30 zu den allgemeinen Prinzi-pien und [X.] zu § 3 Abs. 4 [X.]-E; BVerwG [X.] 1998, 445 zu § 18 [X.]). Dementsprechend werden langfristige Verbindlichkeiten, die im Zeit-punkt der Schädigung im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem entzogenen Gegenstand standen, sowie dessen dingliche Belastungen zur Zeit des rechts-staatswidrigen Zugriffs bei der Rückübertragung und der Entschädigung zum Nachteil des Berechtigten berücksichtigt, weil sie den ökonomischen Wert des Gegenstandes und damit die rückübertragungs- und entschädigungsfähige Substanz minderten ([X.]. aaO [X.]). Bei der [X.] etwa erfolgt dies gemäß § 18 [X.] durch die Festsetzung von Ablösebeträgen für die durch Überführung in Volkseigentum untergegangenen dinglichen Belastungen. In den Fällen, in denen statt der Rückgabe des Vermö-genswertes eine Entschädigung zu gewähren ist (§ 1 Abs. 1 [X.]), sind die Verbindlichkeiten, die mit ihm im wirtschaftlichen Zusammenhang standen oder an ihm dinglich gesichert waren, von der Entschädigung in der Höhe, in der sie 27 - 12 - zum Zeitpunkt der Schädigung valutierten, in Abzug zu bringen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 [X.]). (b) Diese Anrechnung der Verbindlichkeiten im Sinne des § 3 Abs. 4 [X.] versagt jedoch, wie sich bei der Anwendung des Entschädigungsge-setzes in der Praxis - und auch in der vorliegenden Streitsache - zeigte, vielfach in den Fällen der Restitution eines landwirtschaftlichen Betriebs (§ 6 [X.]), in denen die Rückgabe der Unternehmensgesamtheit zwar ausgeschlossen war, weil der Geschäftsbetrieb eingestellt worden war und die tatsächlichen Voraus-setzungen für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung fehlten (§ 4 Abs. 1 Satz 2 [X.]), jedoch die Rückübertragung einzelner Vermögensgegenstände gemäß § 6 Abs. 6a [X.] erfolgte. Der Zeitwert dieser Gegenstände ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] von der Entschädigung in Abzug zu bringen. Handelt es sich um Grundstücke, liegt deren Zeitwert - wie hier - wegen der allgemeinen Wertstei-gerung von Immobilien oftmals über dem zu entschädigenden Wert des [X.] (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Dies führt dazu, dass bereits durch die Anrechnung des Zeitwerts des Grundstücks die Entschädigung vollständig aufgezehrt wird und die Anrechnung von Verbindlichkeiten nicht mehr stattfin-den kann (siehe hierzu Begründung der Bundesregierung zum Altforderungsre-gelungsgesetz, [X.]. 873/04 S. 8 f, 13). Auch die Festsetzung von [X.] gemäß § 18 Abs. 1 [X.] scheidet aus, weil die Vorschrift dies nur in den Fällen der Singularrestitution von Grundstücken ermöglicht. 28 Hinzu tritt, dass der X[X.] Zivilsenat des [X.] mit seinem Urteil vom 12. Juni 2001 ([X.] 148, 90) klarstellte, dass die Verjährung der Darlehensrückzahlungsforderungen, die den auf den rückübertragenen Grund-stück vormals lastenden Grundpfandrechten zugrunde lagen, entgegen der sei-29 - 13 - nerzeit vertretenen Ansicht der Klägerin nicht gemäß § 202 Abs. 1 BGB a.F. i.V.m. § 88 des [X.] von 1953 bis zum 31. Dezember 1992 gehemmt war (aaO [X.]). Dementsprechend sind diese Ansprüche in aller Regel verjährt. (c) Diese Sach- und Rechtslage, die sich erst im Laufe der Rechtspraxis herauskristallisierte, hatte zur Folge, dass die Berechtigten im Ergebnis lasten-freie Grundstücke zurückerhielten, ohne für die entfallenen Grundpfandrechte einen Ausgleich leisten und ohne die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Immobilien stehenden [X.] bedienen zu müssen. Damit floss ihnen in Widerspruch zu allgemeinen wiedergutmachungsrechtli-chen Grundsätzen mehr zurück als ihnen durch die schädigende rechtsstaats-widrige Handlung genommen worden war ([X.]. 873/04, [X.]). 30 Darüber hinaus führte dies zu einer mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Ungleichbehandlung mit anderen Gruppen von [X.]. Die Berechtigten einer Einzelrückübertragung von Grundstücken haben zum Aus-gleich untergegangener Grundstückbelastungen einen Ablösebetrag gemäß § 18 Abs. 1 [X.] zu hinterlegen. Ebenso kann bei Personen, die auf eine Entschädigung verwiesen sind, ohne einen Anspruch auf teilweise [X.] nach § 6 Abs. 6a [X.] zu haben, in aller Regel die Anrechnung der Verbindlichkeiten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 [X.] nicht fehlschlagen. Für die Bevorzugung derjenigen, die Grundstücke nach § 6 Abs. 6a [X.] zurückerhalten haben, gegenüber diesen Personenkreisen [X.] kein sachlich zu rechtfertigender Grund (vgl. auch [X.]. aaO [X.], 13 f). 31 - 14 - (d) Die beteiligten Verkehrskreise konnten mindestens seit Bekanntwer-den des Urteils des X[X.] Zivilsenats des [X.] vom 12. Juni 2001 nicht mehr darauf vertrauen, dass die Gesetzeslage Fortbestand haben werde. Durch diese Entscheidung trat zutage, dass die Rechtslage den allgemeinen wiedergutmachungsrechtlichen Grundsätzen und Art. 3 Abs. 1 GG widersprach. Deshalb musste ein korrigierender Eingriff des Gesetzgebers, der diesen Rechtszustand nicht dulden konnte, erwartet werden. Spätestens mit Über-mittlung des Entwurfs des [X.], durch das § 2a [X.] eingefügt wurde, an den Bundesrat am 5. November 2004 ([X.]. aaO S. 1; zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens siehe weiter Bro-schat in [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], [X.], Stand Januar 2007, § 2a [X.] Rn. 1) wurde auch offenbar, wie die Mängel des bestehen-den Rechts beseitigt werden sollten. Insbesondere war dem Gesetzentwurf zu entnehmen, dass die in § 2a [X.] bestimmte Ausgleichszahlung auch die-jenigen Berechtigten leisten sollten, die, wie der Beklagte, bereits Grundstücke zurückübertragen erhalten hatten. Im November 2004 war das Verwaltungsver-fahren des Beklagten aber noch nicht beendet, so dass sein etwaiges Vertrau-en auf den Fortbestand der ihn seinerzeit begünstigenden Rechtslage 32 - 15 - schon vor bestandskräftigem Abschluss des [X.] der Restitution und Entschädigung nicht schutzwürdig war. [X.] [X.] [X.]

Herrmann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 21.03.2007 - 1 C 785/06 - [X.], Entscheidung vom 31.08.2007 - 4 S 156/07 -

Meta

III ZR 243/07

03.04.2008

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2008, Az. III ZR 243/07 (REWIS RS 2008, 4667)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 4667

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