Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.03.2010, Az. 5 C 15/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 7977

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Gegenstand

Vermögensrecht: Antrag auf Entschädigung; Versäumung der Antragsfrist; Nachsichtgewährung


Leitsatz

1. Ein Antrag auf Entschädigung eines im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG Berechtigten, der erst mehr als vier Jahre nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG durch das Bundesverfassungsgericht gestellt worden ist, ist verfristet.

2. Die Entschädigungsbehörden mussten die im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG Berechtigten nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 EntschG nicht gesondert auf die Möglichkeit der Beantragung einer Entschädigung und die Fristgebundenheit eines entsprechenden Antrages hinweisen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt als Erbin ihrer im Jahre 2000 verstorbenen Mutter Entschädigung für einen in der früheren [X.] durch [X.] aufgegebenen Miteigentumsanteil an einem Miethausgrundstück in Berlin-Mitte.

2

Im September 1986 verzichtete die Mutter der Klägerin aufgrund nicht kostendeckender Mieten und infolgedessen eingetretener Überschuldung auf ihr hälftiges Miteigentum an dem 2 240 qm großen Grundstück, welches daraufhin mit Wirkung zum 1. Januar 1987 in [X.] überführt wurde.

3

Der Antrag der Mutter der Klägerin auf Rückübertragung des Grundstücks wurde im Jahre 1994 bestandskräftig abgelehnt. Zwar sei die Mutter der Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 [X.] dem Grunde nach anspruchsberechtigt. Eine Rückübertragung scheitere aber an § 3 Abs. 2 [X.], da es einen (vorrangig) Berechtigten im Sinne von § 1 Abs. 6 [X.] gebe.

4

Unter dem 12. Februar 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Entschädigung. Mit Bescheid vom 31. Juli 2006 lehnte das [X.] zur Regelung offener Vermögensfragen den Entschädigungsantrag ab, weil dieser nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 7a Abs. 3c [X.], § 12 [X.] gestellt worden sei.

5

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss des [X.]es zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 6. September 2007 zurück. Der Umstand, dass das [X.] § 1 Abs. 3 [X.] erst im Jahre 2001 für nichtig erklärt und damit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Entschädigung geschaffen habe, entbinde die Klägerin nicht von der Einhaltung der gesetzlichen Ausschlussfrist. Eine Nachsichtgewährung wegen der versäumten Frist scheide aus. Ein derartiges Begehren sei dem Antrag vom Februar 2006 nicht zu entnehmen.

6

Mit Urteil vom 17. Oktober 2008 hat das Verwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin habe die Entschädigung entgegen der sich aus § 7a Abs. 3c, § 7a Abs. 3b Satz 5 [X.], § 12 Abs. 1 Satz 4 [X.] ergebenden Verpflichtung nicht bis zum 31. Dezember 1995 bzw. innerhalb von sechs Monaten nach [X.] ablehnender Restitutionsentscheidung beantragt. Die von der Klägerin begehrte Nachsicht wegen Versäumung der Antragsfrist könne nicht gewährt werden, da bereits kein staatliches Fehlverhalten feststellbar sei. Die zitierte gesetzliche Fristenregelung sei auch nicht verfassungswidrig. Die Beantragung einer Entschädigung bis zum Ablauf des Jahres 1995 habe als sinnlos erscheinen müssen, weil § 1 Abs. 3 [X.] die Entschädigung für Fälle des [X.]s kraft Gesetzes ausgeschlossen habe. Doch abgesehen davon, dass die Klägerseite nicht gehindert gewesen sei, ungeachtet des § 1 Abs. 3 [X.] einen Entschädigungsantrag zu stellen, sei der Gesetzgeber von [X.] wegen nicht verpflichtet gewesen, eine neue Antragsfrist zu eröffnen. Eine verfassungskonforme Auslegung der zitierten gesetzlichen Fristenregelung dahingehend, dass die Frist jedenfalls für die Klägerin nicht gelte, sei unvertretbar. Bei Außerachtlassung der sonstigen Bedenken könnte eine im Wege der Auslegung zu ermittelnde, für die Klägerin geltende Fristenregelung nur dahin lauten, dass der Entschädigungsantrag spätestens innerhalb von sechs Monaten nach der am 13. Dezember 2001 erfolgten Veröffentlichung der Entscheidung des [X.]s vom 10. Oktober 2001 im [X.] zu stellen gewesen sei. Auch diese Frist habe die Klägerin aber nicht gewahrt.

7

Die Revision macht Rechts- und Verfahrensfehler geltend. In erster Linie vertritt sie den Standpunkt, dass diejenigen Zweitgeschädigten, die erst durch die Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] Entschädigungsbegehren geltend machen konnten, im Hinblick auf laufende bzw. abgelaufene gesetzliche Ausschlussfristen anders behandelt werden müssten als andere Zweitgeschädigte, denen eine rechtzeitige Antragstellung möglich gewesen wäre. Zumindest müssten die Regeln über eine Nachsichtgewährung zu ihren Gunsten herangezogen werden.

8

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin mangels fristgerechter Geltendmachung kein durchsetzbarer Entschädigungsanspruch zusteht (1) und ihr wegen Versäumung der Antragsfrist keine Nachsicht zu gewähren ist (2). Die von der Klägerin vorgebrachten Verfahrensrügen haben keinen Erfolg (3).

1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 des zum 1. Dezember 1994 in [X.] getretenen [X.] (vgl. Art. 1 des [X.]es vom 27. September 1994 ) hat ein Berechtigter im Sinne des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen, dessen Anspruch auf Restitution gemäß § 3 Abs. 2 [X.] wegen eines (vorrangigen) Anspruchs nach § 1 Abs. 6 [X.] ausgeschlossen ist, einen Anspruch auf Entschädigung, wenn er den Vermögenswert in redlicher Weise erworben hat. Nach der zeitgleich in [X.] getretenen, vom [X.] zwischenzeitlich mit Beschluss vom 10. Oktober 2001 - 1 BvL 17/00 - ([X.] 104, 74) für nichtig erklärten Vorschrift des § 1 Abs. 3 [X.] sollte für Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 [X.], die durch Eigentumsverzicht in Volkseigentum überführt wurden, keine Entschädigung gewährt werden. Der Entschädigungsanspruch ist nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Dabei kann offenbleiben, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Berechtigte im Sinne des § 1 Abs. 2 [X.], deren Eigentum an einem bebauten Grundstück und Gebäude aufgrund nicht kostendeckender Mieten und infolgedessen eingetretener Überschuldung durch Eigentumsverzicht in Volkseigentum übernommen wurde, trotz der Regelung des § 1 Abs. 3 [X.] bereits mit dem Inkrafttreten des [X.] dem Grunde nach einen Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] erworben hat, den sie infolge des § 1 Abs. 3 [X.] zunächst nicht (erfolgversprechend) durchsetzen konnte (1.1) oder ob ihr Entschädigungsanspruch erstmals durch die Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] zur Entstehung gelangt ist (1.2).

1.1 Die mit Inkrafttreten des [X.] am 1. Dezember 1994 entstandenen Entschädigungsansprüche unterlagen unmittelbar der zeitgleich in [X.] getretenen Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.] (wortgleich mit § 12 Abs. 1 Satz 4 und 5 [X.] in der seit dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung). Diese enthielt eine klare und bestimmte Fristenregelung, die mangels einer Differenzierung nach [X.] für die Geltendmachung aller Entschädigungsansprüche galt. Ein Antrag auf Entschädigung konnte danach nur bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Bestandskraft oder Rechtskraft der Entscheidung nach dem [X.] gestellt werden (Ausschlussfrist). Die Antragsfrist endete frühestens mit Ablauf des sechsten Monats nach Inkrafttreten des Gesetzes, d.h. mit dem Ablauf des 31. Mai 1995.

Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob die Frist des § 12 Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.] nach dem Grundsatz der Spezialität von der durch das Gesetz zur Anpassung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften vom 4. Juli 1995 ([X.]) mit Wirkung zum 9. Juli 1995 eingefügten Ausschlussfrist des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 und 5 [X.] (vgl. hierzu Beschluss vom 1. Februar 2006 - BVerwG 3 [X.] - [X.] 428 § 7a [X.] Nr. 8) verdrängt worden ist, weil Letztere ausdrücklich den Personenkreis erfasst, der nach § 3 Abs. 2 [X.] wegen eines Anspruchs nach § 1 Abs. 6 [X.] von der Rückübertragung ausgeschlossen ist. Denn beide Vorschriften normieren im [X.] übereinstimmende Antragsfristen. Auch nach § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 [X.] ist der Antrag auf Entschädigung vorbehaltlich des § 7a Abs. 3b Satz 5 [X.] nur bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung, mit der die Rückübertragung nach § 3 Abs. 2 [X.] abgelehnt wird, zulässig. Nach § 7a Abs. 3b Satz 5 [X.] endete die Antragsfrist - mit Rücksicht auf das im Vergleich zum [X.] vom 27. September 1994 spätere Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften vom 4. Juli 1995 - frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 1995.

Die Fristbestimmungen des § 12 Abs. 1 Satz 3 [X.] bzw. des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 [X.] sind indessen bezüglich der Berechtigten im Sinne des § 1 Abs. 2 [X.], die bis zur Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] keinen Antrag auf Entschädigung gestellt haben, wegen des gesetzlich angeordneten Ausschlusses einer Entschädigung während der gesamten Zeit des Fristenlaufs mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform einzuschränken. Im Hinblick auf die erst später festgestellte Verfassungswidrigkeit des [X.] ist deswegen für den Beginn der Ausschlussfrist die Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] durch das [X.] maßgebend. Der Bürger muss sich grundsätzlich auf die Geltung der erlassenen Gesetze verlassen dürfen und sein Verhalten nicht an deren (später festgestellten) Verfassungswidrigkeit ausrichten (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Januar 1980 - 1 BvR 127, 679/78 - [X.] 53, 115 <130>). Angesichts des Ausgleichszwecks der Entschädigungsleistung ist es nicht gerechtfertigt, die Folgen der festgestellten Verfassungswidrigkeit des [X.] nur jenen Betroffenen zu Gute kommen zu lassen, die bereits fristgerecht einen Antrag gestellt haben. Gleiches muss vielmehr auch für die hier zu beurteilende Fallkonstellation gelten. Es darf sich nicht zu Lasten der Adressaten des § 1 Abs. 3 [X.] auswirken, wenn diese bis zur Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] durch das [X.] von der Beantragung einer Entschädigung abgesehen haben, die wegen des gesetzlich angeordneten [X.] als aussichtslos erscheinen musste. Sie sind vielmehr durch das Hinausschieben des für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkts den Personen gleichzustellen, die ihren Anspruch auf Entschädigung infolge eines zum Zeitpunkt der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossenen vermögensrechtlichen Verfahrens noch verfolgen konnten bzw. können. Die Herstellung der Gleichheit wird dadurch gewährleistet, dass die Antragsfrist für die betreffenden Personen frühestens mit Ablauf des sechsten Monats nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] endet. Dabei bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Klärung, ob insoweit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses des [X.]s (10. Oktober 2001) oder den Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im [X.] (13. Dezember 2001 ) abzustellen ist. Denn der Entschädigungsantrag der Klägerin ist erst über vier Jahre später am 12. Februar 2006 und damit in keinem Fall fristgerecht gestellt worden.

1.2 Im Ergebnis gilt nichts Anderes, wenn der Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] erst mit der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] entstanden ist. Zwar sind Ausschlussfristen - wie § 12 Abs. 1 Satz 3 [X.] bzw. des § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 [X.] -, deren Nichteinhaltung zum Verlust einer materiellrechtlichen Rechtsposition führt, regelmäßig einer analogen Anwendung nicht zugänglich. Vielmehr muss eine solche Frist grundsätzlich vom Gesetzgeber bestimmt werden (vgl. z.B. Urteil vom 22. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 10.92 - [X.] 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 111). Dies gilt jedoch nach den vom [X.] in seinem Beschluss vom 16. Januar 1980 - 1 BvR 127 und 679/78 - (a.a.[X.]) aufgestellten Maßstäben nicht für die hier zu beurteilende Fallkonstellation.

Der hier vorliegende Fall ist in Bezug auf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in eine unbefristete Antragstellung mit der vom [X.] in seinem Beschluss vom 16. Januar 1980 (a.a.[X.]) entschiedenen Sachlage vergleichbar. Die Beschwerdeführer jenes Verfahrens hatten die Ausschlussfrist des § 190a Abs. 1 Satz 1 [X.]esentschädigungsgesetz - [X.] - zur Substantiierung (vgl. § 190a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 189 Abs. 3 [X.]) von Entschädigungsansprüchen der Opfer [X.] Verfolgung nicht gewahrt, weil ihnen ihr Anspruch auf Entschädigung nach dessen Anmeldung durch die Neufassung des § 150 [X.] rückwirkend entzogen wurde und sie im Vertrauen auf die Gültigkeit dieser Vorschrift eine Substantiierung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist unterließen. Als § 150 [X.] für nichtig erklärt wurde, war die Substantiierungsfrist des § 190a Abs. 1 Satz 1 [X.] bereits abgelaufen. Das [X.] legte die Vorschrift des § 190a [X.] dahingehend aus, dass sie die vorstehende Fallgestaltung nicht erfasse, sondern insoweit von einer durch die Fachgerichte zu schließenden Gesetzeslücke auszugehen sei. Es führte aus, es würde den Zielen des Wiedergutmachungsrechts widerstreiten, durch die Fristenregelung eine beschleunigte Abwicklung der geltend gemachten Ansprüche und einen endgültigen Abschluss der Wiedergutmachung innerhalb eines vertretbaren Zeitraums zu ermöglichen, wenn für die Substantiierung der in Rede stehenden Ansprüche mangels unmittelbarer Anwendbarkeit des § 190a Abs. 1 Satz 1 [X.] keinerlei Frist gelte. Es sei daher verfassungsrechtlich unbedenklich, eine Substantiierung binnen angemessener Frist nach der Nichtigerklärung des § 150 [X.] zu verlangen. Die Frage, welche Frist angemessen sei, sei von den Fachgerichten zu beantworten, wobei es naheliege, sich an die Fristenregelungen des [X.]esentschädigungsgesetzes anzulehnen.

Diese Überlegungen sind hier übertragbar. Die Möglichkeit einer unbefristeten Antragstellung in Fällen der vorliegenden Art widerspräche den Zielen des [X.]. Die Ausschlussfristen für die Anmeldung von Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüchen dienen in vergleichbarer Weise wie die Fristen des [X.]esentschädigungsgesetzes dem Interesse, die vermögens- und entschädigungsrechtlichen Verfahren innerhalb eines vertretbaren Zeitraums abzuschließen. Hinsichtlich der Entschädigungsansprüche soll damit auch dem fiskalischen Interesse Rechnung getragen werden, angesichts der angespannten Haushaltslage zum Zweck der Finanzplanung einen möglichst genauen Überblick über bestehende Entschädigungsansprüche zu erhalten und den Umfang der zu leistenden Entschädigungen für den [X.] absehbar zu machen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Januar 2000 - 1 BvR 1398/99 - NJW 2000, 1480 = [X.] 2000, 87). Dieser (unveränderte) Gesetzeszweck darf nicht dadurch in sein Gegenteil verkehrt werden, dass diejenigen, die bis zur Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] durch das [X.] von der Beantragung einer Entschädigung abgesehen haben, ihr Entschädigungsbegehren im [X.] an die verfassungsgerichtliche Entscheidung ohne jegliche Fristbindung geltend machen können. Der mit der [X.] bezweckten Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gebührt vielmehr mit Blick auf die Besonderheiten des Vermögens- und [X.] der Vorrang vor dem Prinzip der materiellen (Einzelfall-) Gerechtigkeit in Form der Teilhabe an den staatlichen Entschädigungsleistungen für sogenannte "kalte" Enteignungen eines Miethausgrundstücks nach § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.].

Zur Bestimmung einer angemessenen Frist in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung liegt es nahe, in Anlehnung an § 12 Abs. 1 Satz 3 [X.] bzw. § 7a Abs. 3c Satz 2 i.V.m. § 7a Abs. 3b Satz 4 [X.] zu verlangen, dass der Entschädigungsanspruch innerhalb von sechs Monaten nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] geltend zu machen ist. Letztlich bedarf diese Frage aber keiner abschließenden Entscheidung, da jedenfalls ein Zeitraum - wie hier - von über vier Jahren nach der Nichtigerklärung des gesetzlichen [X.] durch das [X.] (unabhängig davon, ob man auf den Erlasszeitpunkt des Beschlusses oder auf den Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im [X.] abstellt) nicht mehr als angemessene Frist angesehen werden kann.

Ob hier außerdem die Voraussetzungen für eine Verwirkung des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs vorliegen, bedarf bei dieser Sachlage keiner weiteren Erörterung und Entscheidung.

2. Das Verwaltungsgericht hat auch das Vorliegen der Voraussetzungen einer sogenannten [X.] wegen Versäumung der materiellen Ausschlussfrist im Ergebnis zu Recht verneint. Eine solche [X.] setzt nach der Rechtsprechung des [X.]esverwaltungsgerichts unter anderem ein für die Versäumung der Frist [X.] staatliches Fehlverhalten voraus (vgl. Urteile vom 29. Juli 2009 - BVerwG 8 C 8.08 - LKV 2009, 564; vom 28. März 1996 - BVerwG 7 [X.] - BVerwGE 101, 39 sowie Beschluss vom 17. März 2000 - BVerwG 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.

Es bedarf keiner abschließenden Klärung, ob die zur [X.] entwickelten Grundsätze bei Fristversäumung aufgrund staatlichen Fehlverhaltens auch für den Gesetzgeber gelten und in dem Erlass der mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Vorschrift des § 1 Abs. 3 [X.] ein die [X.] rechtfertigendes staatliches Fehlverhalten zu sehen ist. Denn es fehlt insoweit in jedem Fall an der erforderlichen Kausalität. Das objektiv verfassungswidrige Verhalten des Gesetzgebers wird bereits durch die vorstehend dargelegte Verschiebung des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] korrigiert. Mit der Nichtigerklärung wurde gerade das nach Ansicht der Klägerin für eine fristgerechte Antragstellung bestehende Hindernis der Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 3 [X.] beseitigt. Für eine zusätzliche [X.] neben der Verschiebung des Fristbeginns bestünde weder Anlass noch Raum.

Ein etwaiges behördliches Fehlverhalten ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Vermögens- bzw. die Entschädigungsbehörde waren nicht verpflichtet, die Klägerin nach der Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] darauf hinzuweisen, dass sie für die erlittene vermögensrechtliche Schädigung nunmehr eine Entschädigung beantragen konnte und der entsprechende Antrag von ihr innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen war. In Anbetracht der großen Beachtung, die die Regelungen des [X.]es und des [X.] in den Medien und in der öffentlichen Diskussion gefunden haben, müssen sich die Antragsberechtigten entgegenhalten lassen, dass ihnen nicht nur die Antragsabhängigkeit des Restitutions- bzw. Entschädigungsanspruchs, sondern auch die [X.] dieser Anträge bekannt sein konnte (vgl. zum Vermögensrecht Beschluss vom 5. Mai 2000 - BVerwG 7 B 220.99 - [X.] 428 § 30a [X.] Nr. 18 unter Bezugnahme auf [X.], Beschluss vom 10. Januar 2000 a.a.[X.]). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der hier in Rede stehende Entschädigungsanspruch erstmals deshalb mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden konnte, weil und nachdem das [X.] den gesetzlichen Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 [X.] für nichtig erklärt hat. Denn spätestens durch die Veröffentlichung dieser Entscheidung im [X.] (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.]G) erhielten die von § 1 Abs. 3 [X.] Betroffenen die Möglichkeit, vom geltenden Recht verlässlich und zumutbar Kenntnis zu nehmen. Insoweit gilt nichts anderes als bei der jedem Bürger zuzurechnenden Möglichkeit der Kenntnisnahme des Inkrafttretens von Rechtsvorschriften, die ebenfalls nur im jeweiligen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet werden. Die Veröffentlichung der durch das [X.] ausgesprochenen Nichtigerklärung des § 1 Abs. 3 [X.] in Verbindung mit dem früher zugegangenen unangreifbaren Bescheid über die Ablehnung der Rückübertragung wegen einer vorrangigen Erstschädigung bot der Klägerin rechtsstaatlich hinreichenden Anlass und Gelegenheit, sich um die Verfolgung des Entschädigungsanspruchs zu kümmern und das hierfür Erforderliche zu unternehmen.

3. Die erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

Die Rüge des Verstoßes gegen § 88 VwGO steht mit ihren dazu gemachten Ausführungen in offenkundigem Widerspruch zum Sitzungsprotokoll (vgl. § 105 VwGO in Verbindung mit §§ 159 bis 165, §§ 415, 418 ZPO). Danach hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 17. Oktober 2008 ausdrücklich erklärt, die Klage zu erweitern und sie auch gegen die [X.]esrepublik Deutschland zu richten. Er hat in Bezug auf den Beklagten einen isolierten Anfechtungsantrag auf Aufhebung der Bescheide vom 31. Juli 2006 und vom 6. September 2007 sowie - ausschließlich - in Bezug auf die [X.]esrepublik Deutschland einen [X.] gestellt. Ein zulässiger Gegenbeweis gegen die inhaltliche Richtigkeit dieser protokollierten Erklärungen ist nicht geführt worden. Nach Abtrennung der die [X.]esrepublik Deutschland betreffenden Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren gegen das beklagte [X.] somit zu Recht und im Einklang mit § 88 VwGO nur über den von der Klägerin gestellten (isolierten) Anfechtungsantrag entschieden.

Die Rüge, die Voraussetzungen des § 93 VwGO für eine Abtrennung der gegen die [X.]esrepublik Deutschland gerichteten Verpflichtungsklage hätten nicht vorgelegen, muss bereits daran scheitern, dass die Entscheidung über die Trennung von Verfahren nach § 146 Abs. 2 VwGO mit der Folge unanfechtbar ist, dass sie nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO).

Das Vorbringen der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen der [X.] einen wichtigen Aspekt völlig übersehen, weil es nicht geprüft habe, ob ein staatliches Fehlverhalten auch in dem Erlass einer verfassungswidrigen Vorschrift wie hier des § 1 Abs. 3 [X.] liegen könne, genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO an die insoweit geltend gemachte Rüge der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sowie der [X.]. Der Sache nach zielen die Ausführungen der Klägerin in der äußeren Form einer Verfahrensrüge vielmehr auf eine inhaltliche Kritik der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht und setzen dieser eine eigene Würdigung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßende Tatsachenwürdigung zu benennen.

Eine den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechende Darlegung fehlt auch hinsichtlich der im Zusammenhang mit den Ausführungen zur (fehlenden) sachlichen Zuständigkeit der Beklagten erhobenen Rüge der Verletzung der richterlichen Hinweispflicht und eines daraus resultierenden Verstoßes gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör. Abgesehen davon kann das angefochtene Urteil auf den gerügten Verfahrensfehlern nicht beruhen, da die Frage der sachlichen Zuständigkeit für das Verwaltungsgericht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 37 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht entscheidungserheblich war.

Meta

5 C 15/09

25.03.2010

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Berlin, 17. Oktober 2008, Az: 4 A 390.07, Urteil

§ 1 Abs 3aF EntschG, § 1 Abs 2 EntschG, § 12 Abs 1 EntschG, § 1 Abs 2 VermG, § 1 Abs 6 VermG, § 3 Abs 2 VermG, § 7a Abs 3b S 5 VermG, § 7a Abs 3c S 2 VermG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.03.2010, Az. 5 C 15/09 (REWIS RS 2010, 7977)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7977

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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