Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2023, Az. 5 StR 458/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2936

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Gegenstand

Strafverfahren u.a. wegen Urkundenfälschung im besonders schweren Fall: Unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Gebrauchmachen von einer unechten Urkunde und einem hohen Vermögensverlust; Voraussetzungen der Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung gegenüber Nichttatverdächtigen


Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Mai 2022 im Strafausspruch aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Diebstahl zu einer Freiheitstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.].

I.

2

Die Verfahrensrüge, mit der die Revision eine Verletzung des § 100a [X.] beanstandet, dringt nicht durch.

3

1. Der Rüge liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

4

Kurz nach der verfahrensgegenständlichen Tat geriet eine gesondert verfolgte Freundin der Beschwerdeführerin in den Verdacht, maßgeblich an dem Diebstahl zum Nachteil ihres Arbeitgebers, einem mit der Auslieferung großer Bargeldmengen befassten Unternehmen, beteiligt gewesen zu sein. Ihr lag zur Last, am 21. Mai 2021 während ihrer Arbeitszeit fast acht Millionen Euro in einem Rollcontainer versteckt, das Geld damit durch die Sicherheitsschleuse aus dem Firmengebäude gebracht, den Container auf dem Firmenhof gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten [X.]in einen Kleintransporter mit kurz zuvor gestohlenen Kfz-Kennzeichen verladen zu haben und anschließend gemeinsam mit [X.]mit dem Fahrzeug und der [X.] geflüchtet zu sein.

5

Auf dieser Grundlage ordnete das zuständige Amtsgericht am 4. Juni 2021 unter anderem die Überwachung der Telekommunikation der gesondert Verfolgten als Beschuldigte und der Beschwerdeführerin als „Nachrichtenmittler“ an. Nachdem die weiteren Ermittlungen den Verdacht einer Tatbeteiligung der Beschwerdeführerin ergeben hatten, wurde am 8. Juni 2021 die Überwachung ihre Telekommunikation als Beschuldigte angeordnet. Das Amtsgericht wertete die Tat in den Beschlüssen als Diebstahl in Tateinheit mit Urkundenfälschung in jeweils besonders schweren Fällen nach § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1, § 267 Abs. 1 und 3 Satz 2 Nr. 2, § 52 StGB und stützte die Anordnung nach § 100a Abs. 1 [X.] auf eine Katalogtat nach § 100 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. [X.].

6

Das [X.] hat seine Überzeugung von der Tatbeteiligung der Beschwerdeführerin unter anderem auf Telefonate gestützt, die bei den gegen sie gerichteten Überwachungsmaßnahmen aufgezeichnet worden waren.

7

2. Die Revision ist der Auffassung, dass die Verwertung der Erkenntnisse aus den in Rede stehenden Überwachungsmaßnahmen gegen § 261 [X.] verstoße, weil sowohl die Anordnung nach § 100a Abs. 1 [X.] vom 4. Juni als auch die vom 8. Juni 2021 rechtswidrig ergangen seien. Es habe kein Verdacht für die den Anordnungen zugrunde gelegte Katalogtat nach § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. [X.] vorgelegen, weil der für einen besonders schweren Fall der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 2 StGB erforderliche Zusammenhang zwischen der Urkundenfälschung durch Verwendung gestohlener Kfz-Kennzeichen am Tatfahrzeug und dem durch die ([X.] herbeigeführten Schaden nicht bestanden habe. Die erste Anordnung betreffend komme hinzu, dass die Beschwerdeführerin kein „Nachrichtenmittler“ im Sinne des § 100a Abs. 3 [X.], sondern lediglich Kommunikationspartnerin ihrer gesondert verfolgten Freundin gewesen sei.

8

3. [X.] hat keinen Erfolg.

9

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Maßnahmen nach § 100a Abs. 1 [X.] seien schon deshalb rechtswidrig, weil auf der Grundlage der im Anordnungszeitpunkt vorliegenden Tatsachen die in den Anordnungen angenommene Katalogtat nach § 100 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. [X.] (besonders schwerer Fall der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 2 StGB) aus rechtlichen Gründen nicht vorgelegen habe, ist sie präkludiert. Denn in der Hauptverhandlung hat die Beschwerdeführerin ihren Widerspruch gegen die Verwertung der Erkenntnisse aus den gegen sie angeordneten Telekommunikationsüberwachungen insoweit lediglich damit begründet, dass es bei der Anordnung der Maßnahme vom 8. Juni 2021 an bestimmten Tatsachen gemangelt habe, die den Verdacht ihrer Beteiligung an der vom Amtsgericht angenommenen Katalogtat in tatsächlicher Hinsicht hätten begründen können. Sie hat den in der Hauptverhandlung erhobenen Verwertungswiderspruch mithin nicht (auch) darauf gestützt, dass die den Anordnungen zugrunde gelegte Urkundenfälschung in einem besonders schweren Fall nach § 267 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 2 StGB aus Rechtsgründen und somit von vornherein nicht als Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. [X.] in Betracht komme. Wird aber mit der Revision ein Verfahrensfehler gerügt, dem in der Hauptverhandlung nicht widersprochen worden ist, zieht dies insoweit eine Rügepräklusion nach sich (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Oktober 2014 – 5 [X.], [X.]St 60, 38, 43 f.; vom 11. September 2007 – 1 [X.], [X.]St 52, 38, 41 ff.; vom 27. September 2016 – 4 [X.]; siehe auch [X.], Urteil vom 9. Mai 2018 – 5 StR 17/18, NJW 2018, 2279 f.; ausführlich zur Rügepräklusion KK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 238 Rn. 28 ff. [X.] und zur Kritik im Schrifttum).

4. Die Verfahrensrüge wäre aber insoweit auch unbegründet (Buchst. a); das weitere Revisionsvorbringen deckt ebenfalls keinen Rechtsfehler auf (Buchst. b und c).

a) Bei Erlass der in Rede stehenden Anordnungen nach § 100a Abs. 1 [X.] war auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Beweislage der Verdacht für eine Urkundenfälschung in einem besonders schweren Fall nach § 267 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 2 StGB (Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. [X.]) begründet.

aa) Die Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter der Urkundenfälschung einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt. Danach ist zwar ein Zusammenhang zwischen Urkundenfälschung und Vermögensverlust erforderlich. Entgegen der Revision ist aber weder aus dem Gesetzeswortlaut noch sonst ersichtlich, dass der Vermögensverlust unmittelbar durch eine Tathandlung des § 267 Abs. 1 StGB herbeigeführt werden muss.

(1) Im Gesetzeswortlaut des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB findet die von der Beschwerdeführerin behauptete Tatbestandsvoraussetzung eines Unmittelbarkeitszusammenhangs keine Stütze. Die Vorschrift verlangt lediglich, dass der Täter (der Urkundenfälschung) den Vermögensverlust herbeiführt. Sie gibt aber nicht vor, dass er den Schaden unmittelbar durch eine Tathandlung im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB verursacht haben muss.

(2) Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich ebenfalls kein Anhalt für einen entsprechenden restriktiven Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 18 f., 22, 42; [X.]. 164/97, [X.], 146 f.; BT-Drucks. 13/8991, [X.]). Vielmehr spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber sich bei der Einführung des in Rede stehenden [X.] für einen besonders schweren Fall von der erhöhten Strafwürdigkeit der Verursachung eines großen Schadens im Zusammenhang mit der Verwendung ge- oder verfälschter Urkunden leiten lassen hat (vgl. auch [X.], 12. Aufl., § 267 Rn. 303).

(3) Ebenso wenig streiten systematische Erwägungen für die Meinung der Beschwerdeführerin. Ein Vergleich mit der Auslegung des [X.] der gewerbsmäßigen Begehung der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) durch die obergerichtliche Rechtsprechung legt das Gegenteil nahe. Denn danach ist es nicht erforderlich, dass der Täter seine Einnahmen unmittelbar aus der Urkundenfälschung selbst erzielen muss ([X.], Urteil vom 2. November 2010 – 1 [X.] Rn. 57).

(4) Vor allem sprechen aber teleologische Erwägungen maßgeblich gegen ein derartig enges Normverständnis. Legte man ein solches zugrunde, müsste allein das Herstellen einer unechten Urkunde, das Verfälschen einer echten Urkunde oder das Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde den Vermögensverlust unmittelbar verursachen. Eine solche Fallkonstellation stellt indes allenfalls eine denktheoretische Möglichkeit dar; die Norm des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB hätte mithin keinen praktischen Anwendungsbereich. Sie muss daher auch und vor allem Fallkonstellationen erfassen, in denen sich die Täuschungsabsicht durch weitere Handlungen des [X.] oder eines Mittäters, des Opfers oder eines Dritten vermögensschädigend realisiert, wie dies etwa bei einer einen hohen Vermögensschaden herbeiführenden Betrugstat der Fall ist, die mit dem Gebrauchen einer falschen Urkunde verbunden ist (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 267 Rn. 52; [X.]/[X.]/[X.]/Puschke, Handbuch des Strafrechts Band 5, § 42 Rn. 147; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 267 Rn. 107; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 267 Rn. 99; in diesem Sinn auch [X.]/[X.], StGB, 2. Aufl., § 267 Rn. 124, jedenfalls für die gewerbsmäßige Begehung; siehe auch NK-StGB/Puppe/[X.], 5. Aufl., § 267 Rn. 118; AnwK-StGB/[X.], 3. Aufl., § 267 Rn. 45; enger möglicherweise [X.]/[X.], 9. Aufl., § 267 Rn. 103). Es genügt daher, dass das Gebrauchen der falschen Urkunde der erstrebten Bereicherung dient, deren Kehrseite der herbeigeführte Vermögensverlust ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist mithin ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Urkundsdelikt und Schaden (für ein solches Verständnis schon RG, Urteil vom 5. Juli 1928 – [X.], [X.], 218, 220 f. für die Vorteilserstrebung im Sinne des § 268 StGB aF unter Einsatz einer gefälschten Urkunde; ebenso [X.], Beschluss vom 7. Februar 2023 – 3 StR 274/22 zur [X.] nach § 271 Abs. 3 StGB).

bb) Gemessen daran lagen die Voraussetzungen des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB im Anordnungszeitpunkt vor. Der Diebstahl war noch nicht mit der Verbringung des geldbefüllten [X.] vollendet. Angesichts der Sperrigkeit und des Gewichts des Diebesgutes bedurfte es – worauf der [X.] zutreffend hingewiesen hat – noch des [X.] mit dem Tatfahrzeug ([X.], Urteil vom 24. Juni 1981 – 3 [X.]; [X.] 1981, 435 f.; Beschluss vom 3. November 1994 – 1 [X.], [X.]R StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 10), an dem gestohlene, für ein anderes Kfz ausgegebene amtliche Kennzeichen angebracht waren. Der darin liegende Gebrauch einer unechten zusammengesetzten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 [X.]. 3 StGB diente dabei ersichtlich tatplangemäß dem Abtransport der [X.] und damit der Vollendung des Diebstahls sowie der Verhinderung der Tatendeckung, was zu einer Sicherung des Diebesgutes und somit zu einem endgültigen Vermögensverlust des geschädigten Unternehmens führen sollte. Damit ist der erforderliche Zusammenhang zwischen der Urkundenfälschung und der Herbeiführung eines großen Vermögensverlustes im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB gegeben (vgl. auch [X.], Beschluss vom 1. Juli 2020 – 4 [X.], [X.] 2021, 171 zur gewerbsmäßigen Urkundenfälschung).

b) Bei der Anordnung der Telekommunikationsmaßnahme vom 4. Juni 2021 hat das Amtsgericht auf der Grundlage der damals vorliegenden Erkenntnisse (vgl. hierzu Antragsschrift des [X.]s) rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beschwerdeführerin von ihrer beschuldigten Freundin herrührende Mitteilungen entgegengenommen hat. Damit waren die Voraussetzungen einer Anordnung nach § 100a Abs. 3 [X.] gegen die zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschuldigte Beschwerdeführerin als sogenannter Nachrichtenmittler erfüllt.

aa) Nach § 100a Abs. 3 [X.] kann die Anordnung nach § 100a Abs. 1 [X.] auch gegen andere Personen als den Beschuldigten gerichtet werden. Dies ist nach dem Gesetz unter anderem dann zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben. Es reicht mithin aus, wenn die Annahme begründet ist, es werde zwischen dem Nichtverdächtigen und dem Beschuldigten zu einem Austausch oder einer Entgegennahme bestimmter Informationen kommen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2023 – 2 BvR 626/20 Rn. 26; siehe auch [X.], Urteil vom 21. Juli 1994 – 1 StR 83/94, NJW 1994, 2904, 2907). Ohne Belang ist, ob der Nichtverdächtige gut- oder [X.] ist ([X.]/[X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 100a Rn. 19; HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 100a Rn. 27; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 100a Rn. 9). Er muss auch nicht „im Lager“ des Beschuldigten stehen (SK-[X.]/[X.]/[X.], 6. Aufl., § 100a Rn. 98; [X.]/Bär, [X.], 119. EL, § 100a Rn. 68; offen gelassen von [X.], Beschluss vom 30. April 2007 – 2 BvR 2151/06, NJW 2007, 2752, 2753, allerdings unter nicht nachvollziehbarem Hinweis auf den „Gesetzeswortlaut“).

Der gebräuchliche Begriff „Nachrichtenmittler“ ist danach missverständlich ([X.], [X.], 27. Aufl., § 100a Rn. 177; [X.], [X.], 4. Aufl., § 100a Rn. 151). Denn maßgeblich ist allein, ob der Nichtverdächtige – wie hier zunächst die Beschwerdeführerin – mit dem Beschuldigten Informationen austauscht oder von diesem entgegennimmt (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2023 – 2 BvR 626/20 Rn. 26). Danach fällt auch der eigentliche Kommunikationspartner des Beschuldigten unter § 100a Abs. 3 [X.], selbst wenn er keine Nachrichten vermittelt und deswegen kein Nachrichtenmittler im Wortsinn ist (vgl. MüKo-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 100a Rn. 189 ff.; KK-[X.]/Henrichs/[X.], 9. Aufl., § 100a Rn. 33; [X.]/[X.]/[X.], aaO; aA SK-[X.]/[X.]/[X.], aaO, unter Hinweis auf [X.] 2008, 154, 155 f., der allerdings bei der [X.]iante der Entgegennahme von Mitteilungen, die vom Beschuldigten herrühren, zusätzlich deren vom Gesetz nicht vorgesehene Weitergabe zu verlangen scheint und den Austausch von Mitteilungen nicht unter § 100a Abs. 3 [X.] fassen will; das zum Beleg herangezogene Urteil des [X.] vom 11. Mai 1988 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 100a Verwertungsverbot 1, ist hierfür indes unergiebig).

bb) Gemessen daran ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht – worauf der [X.] zu Recht hinweist – unter den gegebenen Umständen die Beschwerdeführerin als Anordnungsadressat im Sinne von § 100 Abs. 3 Alt. 2 [X.] angesehen hat. Denn angesichts der zahlreichen Telekommunikationsverbindungen mit ihrer im Verdacht der Tatbegehung stehenden Freundin im Tatzeitraum lagen zureichende Tatsachen vor, dass die Beschwerdeführerin Mitteilungen entgegennahm, die von der flüchtigen Beschuldigten herrührten.

c) Dass das Amtsgericht die Anordnung vom 8. Juni 2021 gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte richtete, begegnet – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstabs (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Oktober 2020 – 5 StR 229/19, NJW 2021, 1252, 1254) – keinen rechtlichen Bedenken (vgl. auch Antragsschrift des [X.]s).

II.

Der Strafausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das [X.] hat die Strafe dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB entnommen. Bei der [X.] hat es jedoch nicht in aus den Urteilsgründen ersichtlicher Weise bedacht, dass die Regelwirkung der [X.] bei Vorliegen eines vertypten [X.] jedenfalls im Zusammenwirken mit allgemeinen Strafmilderungsgesichtspunkten entfallen kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. November 2015 – 2 StR 369/15, [X.], 565; vom 7. September 2016 – 1 [X.], [X.]-RR 2016, 367).

2. Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 [X.]). Da jedenfalls der obere Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB milder als der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB ist (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 17. März 2015 – 2 StR 379/14, [X.]St 60, 215, 216 f.; siehe aber auch Urteil vom 5. Juli 2017 – 2 StR 526/15 Rn. 7), kann der [X.] nicht vollends ausschließen, dass das [X.] bei zutreffender rechtlicher Prüfung zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre.

3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten werden, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt sind. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

Cirener     

  

Köhler     

  

Resch

  

von Häfen     

  

Werner     

  

Meta

5 StR 458/22

11.04.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bremen, 24. Mai 2022, Az: 6 KLs 19/21

§ 267 Abs 1 StGB, § 267 Abs 3 S 2 Nr 2 StGB, § 100a Abs 1 StPO, § 100a Abs 2 Nr 1 Buchst r StPO, § 100a Abs 3 Alt 2 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 337 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2023, Az. 5 StR 458/22 (REWIS RS 2023, 2936)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2936

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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