Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2017, Az. 1 StR 173/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6241

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Gegenstand

Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung bei widerrechtlicher Benutzung von Kraftfahrzeugen


Leitsatz

Zur Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung bei widerrechtlicher Benutzung von Kraftfahrzeugen.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]     wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2016 aufgehoben,

a) soweit dieser Angeklagte wegen Diebstahls und Urkundenfälschung im Fall II. 2 und 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

b) soweit er wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Steuerhinterziehung in fünf Fällen verurteilt worden ist (Fall II. 6 bis 8, 12 und 13 der Urteilsgründe),

c) im Gesamtstrafausspruch und

d) soweit die Einziehung der sichergestellten Werkzeuge dieses Angeklagten angeordnet worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls in vier Fällen, des versuchten Diebstahls sowie der Urkundenfälschung in sieben Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Steuerhinterziehung für schuldig erkannt und unter Einbeziehung einer weiteren rechtskräftigen Strafe auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten erkannt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Daneben hat es die Einziehung des Pkw [X.] des Angeklagten, des sichergestellten „[X.]“ und der sichergestellten Werkzeuge angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, die in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg hat und sich im Übrigen als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO erweist.

I.

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Fall 2 der Urteilsgründe: Zwischen dem 10. und dem 11. März 2016 schraubte der Angeklagte von dem abgestellten Fahrzeug der [X.]  die amtlichen Kennzeichen ab, um sie für sein Fahrzeug zu verwenden.

4

Fall 3 der Urteilsgründe: Dementsprechend brachte er sie sodann am 14. März 2016 an seinem [X.] an, um den Anschein amtlicher Zulassung zu erwecken.

5

Fall 4 der Urteilsgründe: Nachdem der Angeklagte Kfz-Kennzeichen erhalten hatte, die für das Fahrzeug der Zeugin [X.].   ausgegeben worden waren, brachte er nunmehr diese an seinem Fahrzeug an, um den Anschein amtlicher Zulassung vorzutäuschen.

6

Fall 5 der Urteilsgründe: In der Nacht vom 16. auf den 17. März 2016 schlug der Angeklagte mit einem Werkzeug die Seitenscheibe eines geparkten [X.] ein und gelangte so in das Fahrzeug. Wie es von Anfang an seinem Plan entsprochen hatte, entwendete er das fest eingebaute Navigationsgerät des Fahrzeugs.

7

[X.] der Urteilsgründe: Am 23. April 2016 ließ der Angeklagte Kennzeichen herstellen, die für das Fahrzeug des [X.]    ausgegeben wurden. Die „[X.]“ brachte er sodann an seinem Fahrzeug an, um den Anschein amtlicher Zulassung zu erwecken. Anschließend fuhr er mit dem Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr, obwohl er keine Fahrerlaubnis hatte und das Fahrzeug auch weder zugelassen, versichert oder „versteuert“ war.

8

Fall 7 der Urteilsgründe: Noch am selben Tag fuhr er erneut mit dem Fahrzeug.

9

Fall 8 der Urteilsgründe: Auch am nächsten Tag fuhr der Angeklagte mit dem Fahrzeug und zwar in [X.]gleitung des Mitangeklagten [X.]     zu einer Tankstelle in [X.] und sodann nach [X.]stein.

Fälle 9 bis 11 der Urteilsgründe: Am Abend des 24. April 2016 fuhren der Angeklagte und [X.]       mit dem [X.] auf direktem Weg nach [X.]stein, um dort Navigationsgeräte aus Fahrzeugen zu entwenden. Hierzu führten sie diverse Werkzeuge mit sich. Sie wollten sich durch solche, auch zukünftig geplante Taten eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen. In Umsetzung dieses Plans kam es in der Nacht vom 24. auf den 25. April 2016 zu folgenden Taten:

Während der Angeklagte die Umgebung absicherte, schlug [X.]      dem gemeinsamen Plan entsprechend die Scheibe eines geparkten [X.] ein und baute mit dem mitgeführten Werkzeug das fest installierte Navigationsgerät aus. Da sie dann durch Passanten gestört wurden, ließen sie das schon ausgebaute Navigationsgerät zurück und flüchteten (Fall 9). Anschließend wendeten sie sich einem anderen [X.] zu. Erneut sicherte der Angeklagte die Umgebung, während [X.]     die unverschlossene Kfz-Tür öffnete und das fest eingebaute Navigationsgerät abmontierte. Sie verstauten das Gerät in einer mitgeführten Tragetasche und verließen den Tatort (Fall 10). Mit gleicher Arbeitsteilung gingen sie bei dem folgenden [X.] vor. Hierzu musste [X.]      dessen Seitenscheibe mit einem Akkuschrauber einschlagen, um an das fest eingebaute Navigationsgerät zu kommen, das sie nach dem Ausbau in ihre Tragetasche steckten und nach Hause fuhren (Fall 11).

Fall 12 der Urteilsgründe: Am 25. April 2016 fuhr der Angeklagte mit seinem [X.] zum [X.]. , an dem sich noch immer die „[X.]“ befanden.

Fall 13 der Urteilsgründe: Gegen Abend dieses Tages fuhr der Angeklagte erneut mit seinem Fahrzeug.

2. Das [X.] hat die Fälle 5, 9 bis 11 jeweils als Diebstahl gewertet, wobei es im Fall 9 beim Versuch geblieben ist. Dabei hat es besonders schwere Fälle angenommen und [X.] von jeweils einem Jahr und sechs Monaten (Fall 5, 10 und 11) sowie von acht Monaten (Fall 9) verhängt.

Im Fall 2 ist es ebenfalls von einem Diebstahl ausgegangen und in den Fällen 3 und 4 von je einer Urkundenfälschung, wofür es jeweils 90 Tagessätze verhängt hat. Den [X.] hat es als Urkundenfälschung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Steuerhinterziehung gewertet und hierfür sechs Monate Freiheitsstrafe verhängt. Die den [X.], 8, 12 und 13 zugrundeliegenden weiteren Fahrten mit dem manipulierten Fahrzeug hat es jeweils als selbständige Urkundenfälschungen in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Steuerhinterziehung ausgeurteilt und in jedem dieser vier Fälle eine Einzelfreiheitsstrafe von fünf Monaten für angemessen erachtet.

II.

1. Das [X.] hat sich in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise von dem festgestellten Sachverhalt überzeugt.

2. Die rechtliche Würdigung erweist sich aber allein in den Fällen 4, 5 und 9 bis 11 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte wegen Diebstahls in drei Fällen, versuchten Diebstahls und Urkundenfälschung verurteilt worden ist, als rechtsfehlerfrei.

Die Strafzumessung insoweit begegnet keinen durchgreifenden [X.]denken. Zwar hat das [X.] für den [X.] nicht ersichtlich in den Blick genommen, dass der [X.] des § 23 Abs. 2 StGB auch zum Entfallen der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB führen kann. Aufgrund der vom [X.] in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gesichtspunkte und des Umstands, dass die festgesetzte Einzelstrafe nicht dem oberen [X.]reich des nach § 49 Abs. 1, § 23 Abs. 2 StGB gemilderten Strafrahmens des § 243 Abs. 1 StGB entnommen ist, kann der Senat ein [X.]ruhen der Einzelstrafe auf diesem Rechtsfehler ausschließen.

Auch hat das [X.] die Einziehung des Fahrzeuges nicht in der Strafzumessung berücksichtigt. Die auf § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. gestützte Maßnahme hat indes den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine [X.] dar ([X.], [X.]schlüsse vom 12. März 2013 – 2 StR 43/13, [X.], 565 und vom 17. Oktober 1995 – 4 [X.], [X.], 56; [X.], StGB, 64, Aufl., § 74 Rn. 2 mwN). Von der ausdrücklichen Erörterung des Gewichts der Vermögenseinbuße im Rahmen der Strafzumessung konnte aber hier angesichts der Feststellung, dass der dem Angeklagten gehörende ältere [X.] nur „von geringem Wert“ war, ausnahmsweise abgesehen werden.

3. Die Annahme von Tatmehrheit zwischen dem Diebstahl der Kfz-Kennzeichenschilder (Fall 2 der Urteilsgründe) und der durch das Anbringen derselben am Fahrzeug des Angeklagten begangenen Urkundenfälschung (Fall 3) begegnet durchgreifenden [X.]denken. Denn nach den Feststellungen verfolgte der Angeklagte schon bei dem Diebstahl der Kennzeichen den Plan, diese an seinem Fahrzeug anzubringen, was er sodann auch umsetzte. Dass diese Verbindung durch das gemeinsame subjektive Element zur Annahme einer natürlichen Handlungseinheit führen kann (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 28. Januar 2014 – 4 [X.], NJW 2014, 871 und vom 15. Februar 2017 – 4 StR 629/16, [X.], 124), hat das [X.] nicht ersichtlich in den Blick genommen. Es hätte würdigen müssen, ob neben dem gemeinsamen subjektiven Element zwischen beiden [X.]tätigungsakten ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des [X.] objektiv auch für einen [X.] als [X.] erscheint (vgl. [X.], [X.]schluss vom 11. Juli 2017 – 5 [X.]/17).

4. [X.], 12 und 13 der Urteilsgründe erweist sich gleich in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

a) Die Feststellungen belegen die Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung nicht. Denn danach hat der Angeklagte „[X.]“ an seinem Fahrzeug angebracht, also allein für ein anderes Fahrzeug ausgegebene Kennzeichenmerkmale nach § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] verwendet. Damit sind die Voraussetzungen einer Urkunde im Sinne des § 267 StGB nicht dargetan. Denn es ist – anders als in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe, in denen für ein anderes Fahrzeug ausgegebene Kennzeichen angebracht worden sind – nicht festgestellt, dass die Kennzeichen amtliche Erklärungen verkörpert haben.

Zwar handelt es sich bei einem mit einer Stempelplakette der Zulassungsbehörde versehenen, an dem Kraftfahrzeug, für das es zugeteilt ist, angebrachten Kraftfahrzeugkennzeichen (§ 8 Abs. 1, § 10 Abs. 3 Satz 1 [X.]) um eine (zusammengesetzte) Urkunde im Sinne des § 267 StGB (vgl. [X.], [X.]schluss vom 21. September 1999 – 4 [X.], [X.]St 45, 197, 200 mwN noch zu amtlichen Kennzeichen nach §§ 18, 23 StVZO; [X.], StGB, 64. Aufl., § 267 Rn. 23). Nur das mit der Stempelplakette versehene Kennzeichen verkörpert die Erklärung der Zulassungsbehörde als Ausstellerin, dass das Fahrzeug unter diesem Kennzeichen für einen bestimmten, im [X.] eingetragenen Halter zum öffentlichen Verkehr zugelassen worden ist ([X.], Urteile vom 7. September 1962 – 4 StR 266/62, [X.]St 18, 66, 70 und vom 14. Mai 1987 – 4 StR 49/87, [X.]St 34, 375, 376 mwN). Fehlt eine solche Stempelplakette, lässt sich dem bloßen Kennzeichen keine beweisbestimmte und beweisgeeignete Erklärung der Zulassungsstelle entnehmen. Dann liegt keine Urkunde im Sinne des § 267 StGB vor, sondern nur ein Kennzeichen im Sinne der Strafvorschrift des § 22 StVG ([X.], Urteil vom 7. September 1962 – 4 StR 266/62, [X.]St 18, 66, 70). Dass auf den „[X.]“ eine Stempelplakette angebracht war, ist nicht festgestellt.

b) Die Annahme mehrerer selbständiger, real konkurrierender Taten in den Fällen 6 bis 8, 12 und 13 hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Zwar ist das [X.] rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass durch das Zusammenfallen der tatbestandlichen Ausführungshandlungen Tateinheit zwischen dem Gebrauchen einer unechten Urkunde und dem vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG sowie dem vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz nach § 6 Abs. 1 PflVG besteht ([X.], [X.]schluss vom 2. Februar 1987 – 3 [X.], [X.]R StGB § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 1). Es hat aber übersehen, dass dann, wenn der Täter schon beim Anbringen der Kennzeichen den Vorsatz hat, das Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, der – gegebenenfalls mehrfache – Gebrauch der unechten zusammengesetzten Urkunde sowie ihre Herstellung eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit nur eine Urkundenfälschung darstellen (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 7. Mai 2014 – 4 [X.], [X.], 349; vom 21. Mai 2015 – 4 [X.], [X.], 702; vom 26. Oktober 2016 – 4 [X.], [X.], 26, 27 und vom 15. Februar 2017 – 4 StR 629/16, [X.], 124). Das jeweils tateinheitliche Zusammentreffen weiterer, auf der Fahrt begangener Delikte mit der einheitlichen Urkundenfälschung hat zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden ([X.], [X.]schlüsse vom 7. Mai 2014 – 4 [X.]; vom 21. Mai 2015 – 4 [X.], jeweils aaO und vom 28. Januar 2014 – 4 [X.], NJW 2014, 871).

Würde das Anbringen der „[X.]“ den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllen – etwa weil sie auch mit einer Stempelplakette versehen waren –, so bestünde zwischen dieser Tat und den Fahrten am 23., 24. und 25. April 2016 Tateinheit, wenn der Angeklagte schon bei dem Herstellen der zusammengesetzten Urkunde den Vorsatz gehabt hätte, das Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen. Entsprechendes würde auch gelten, wenn sich das Anbringen der „[X.]“ nur als Kennzeichenmissbrauch gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVG darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 7. September 1962 – 4 StR 266/62; [X.]St 18, 66, 71; [X.] in [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. § 22 StVG Rn. 10).

c) Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ist zu Unrecht erfolgt. Das festgestellte Verhalten erfüllt nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], da der Angeklagte gegen keine steuerliche [X.] verstoßen hat.

aa) Das [X.] beschränkt sich auf die Darstellung des Fahrens mit einem unversteuerten Fahrzeug und der rechtlichen Würdigung, dies erfülle den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Damit geht es ersichtlich – wenn auch weder in den Urteilsgründen noch in der Liste der angewendeten Vorschriften angegeben – von der Hinterziehung von Kraftfahrzeugsteuer aus. Gegen welche gegenüber den Finanzbehörden bestehende Rechtspflicht zur [X.] steuerlich erheblicher Tatsachen der Angeklagte verstoßen haben soll, ist ebenfalls nicht dargelegt. Dies im Zusammenhang mit dem Abstellen allein auf die Nutzung des Fahrzeugs erweckt den Eindruck, das [X.] könnte die bloße Nichtzahlung geschuldeter Steuern als tatbestandlich angesehen haben. Eine Tathandlung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] begeht indes nur derjenige, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kann danach nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist ([X.], [X.]schluss vom 10. August 2017 – 1 [X.]; Urteil vom 9. April 2013 – 1 [X.], [X.]St 58, 218, 227, 231 mwN).

bb) Eine solche [X.] bestand für den Angeklagten im Tatzeitraum nicht. Auf die Frage, ob der Verstoß gegen eine solche Pflicht überhaupt von der Anklage als Teil der einheitlichen prozessualen Tat erfasst worden wäre, kam es daher nicht mehr an.

Da der Angeklagte mit seinem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen im Inland ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung gefahren ist, liegt zwar eine widerrechtliche und damit steuerbare [X.]nutzung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 KraftStG vor. Gemäß § 7 Nr. 3 KraftStG ist der Angeklagte als derjenige, der mit dem Fahrzeug gefahren ist, auch der Steuerschuldner der mit [X.]ginn der Steuerpflicht entstehenden Kraftfahrzeugsteuer, § 6 KraftStG.

Während die Kraftfahrzeugsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KraftStG für inländische Fahrzeuge eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Gegenstand hat und die [X.] an diese Erlaubnis anknüpft (§ 3 Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung [KraftStDV] in der bis zum 19. Juli 2017 gültigen Fassung), gilt das für den Ersatztatbestand der widerrechtlichen [X.]nutzung nicht (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 1973 – [X.]/71, [X.]E 110, 213). Eine an den [X.] der [X.]nutzung als die Steuerpflicht auslösendes Moment anknüpfende [X.] lässt sich weder dem Gesetz noch der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung der KraftStDV entnehmen. Die an der Einfuhr orientierte Steuererklärungspflicht nach § 11 KraftStDV a.F. betrifft nur ausländische Fahrzeuge, mithin den Steuergegenstand nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG, findet aber – auch über die sich nur auf die Festsetzung und Erhebung unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 beziehende Verweisung des § 16 Abs. 1 Satz 2 der KraftStDV – keine Anwendung für die widerrechtliche [X.]nutzung. Insoweit bestand zum Tatzeitpunkt eine Steuer-, aber keine [X.] (Bruschke, [X.] Reihe: Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere [X.], 7. Aufl., 3.5.5.1, [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., [X.]; [X.], [X.] Nr. 51 vom 15. Dezember 1986, Fach 8b, [X.]; [X.]/[X.], [X.] 2007, 162, 166; [X.], [X.], 209, 211; a.A. Hellmann in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 243. Lieferung, § 370 [X.] Rn. 310, freilich ohne [X.]gründung).

Eine solche [X.] ist erst mit Wirkung zum 20. Juli 2017 – mithin nach den Taten – durch § 15 Abs. 1 KraftStDV statuiert worden, wonach bei widerrechtlicher [X.]nutzung unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben ist. Ob dies im Hinblick auf den [X.] eine Pflicht im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] begründen kann, war hier nicht zu entscheiden.

cc) Mangels [X.] hat der Angeklagte nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verwirklicht und sich nach dieser Vorschrift nicht strafbar gemacht.

An einer solchen Entscheidung der Rechtsfrage ist der Senat auch nicht durch die Entscheidungen des 4. Strafsenats vom 13. November 1959 – 4 StR 301/59; vom 1. August 1962 – 4 [X.], [X.]St 17, 399; des 5. Strafsenats vom 22. Dezember 1959 – 5 [X.]; des 1. Strafsenats vom 6. Dezember 1960 – 1 [X.] und vom 4. Februar 1968 – 1 [X.] gehindert. Diese ergingen sämtlich noch zu §§ 396, 402, 404 Reichsabgabenordnung, wonach allein das [X.]wirken einer Steuerverkürzung schon tatbestandsmäßig war. Zudem musste der 1. Strafsenat bei den anderen Senaten schon deshalb nicht anfragen, weil er innerhalb des [X.] für [X.] allein zuständig ist (vgl. § 132 Abs. 3 Satz 2 GVG).

dd) Ein Freispruch hatte nicht zu erfolgen. Die insoweit unverändert zugelassene Anklage und ihr folgend das Urteil sind jeweils von Tateinheit ausgegangen (vgl. [X.], [X.]schluss vom 24. Juli 2014 – 3 [X.]). Dabei wird allein der Lebenssachverhalt des Fahrens mit dem nicht zugelassenen und unversteuerten Fahrzeug geschildert. Dieser fällt aber tatsächlich mit den Ausführungshandlungen der übrigen angenommenen Straftatbestände zusammen. Da damit auch nur dieser Lebenssachverhalt der Kognitionspflicht des Gerichts unterworfen worden ist (vgl. [X.], [X.]schluss vom 9. Dezember 2015 – 1 StR 256/15, [X.], 296 mwN), war für die vom [X.] beantragte Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO schon deswegen kein Raum (vgl. [X.], [X.]schluss vom 22. August 1985 – 4 [X.]; NJW 1986, 1116: Verfahrensweise nach § 154a Abs. 2 StPO).

5. Der Wegfall der Einzelstrafen in den [X.], 3, 6 bis 8, 12 und 13 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

6. Auch die Einziehungsanordnung des [X.]s in [X.]zug auf die Werkzeuge des Angeklagten erweist sich als nicht frei von [X.]. Die einzuziehenden Gegenstände sind im [X.] konkret zu bezeichnen, um Klarheit über den Umfang der Einziehung für die [X.]teiligten und die Vollstreckungsbehörde zu schaffen und um eine ordnungsgemäße Vollstreckung zu ermöglichen ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1955 – 3 StR 279/55, [X.]St 8, 205, 211 f.; [X.]schlüsse vom 15. Juni 2016 – 1 [X.], [X.], 313, 314 und vom 21. Juni 2017 – 1 [X.]). Die Anordnung der Einziehung der „sichergestellten Werkzeuge“ ist zu unbestimmt und genügt den Anforderungen nicht.

Dem im Hinblick auf diese Mängel gestellten Antrag des [X.]s, nach § 430 Abs. 1 a.F. StPO zu verfahren, ist der Senat nicht gefolgt. Denn das Urteil wies – anders als vom [X.] angenommen – noch andere zur Zurückverweisung führende Mängel auf, so dass mit einer erneuten Entscheidung kein unangemessener Aufwand verbunden ist.

Raum     

      

Graf     

      

Jäger 

      

Cirener     

      

Hohoff     

      

Meta

1 StR 173/17

23.08.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wiesbaden, 15. Dezember 2016, Az: 1 KLs 2240 Js 14500/16

§ 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 1 Abs 1 Nr 3 KraftStG, § 2 Abs 5 KraftStG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2017, Az. 1 StR 173/17 (REWIS RS 2017, 6241)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6241

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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