Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.05.2012, Az. 1 ABR 7/11

1. Senat | REWIS RS 2012, 6266

VERBÄNDE ARBEITSRECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT BERUFSFREIHEIT GRUNDRECHTE GESUNDHEIT

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Gegenstand

Tendenzeigenschaft des DRK-Blutspendedienstes


Leitsatz

Der DRK-Blutspendedienst ist kein Tendenzunternehmen iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, das unmittelbar und überwiegend karitativen Bestimmungen dient.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats wird der Beschluss des [X.] vom 18. November 2010 - 15 [X.] - aufgehoben.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des [X.] vom 16. März 2010 - 5 [X.] - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die [X.] wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass bei der Arbeitgeberin ein Wirtschaftsausschuss im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu bilden ist.

Die Rechtsbeschwerden der Betriebsräte werden als unzulässig verworfen.

Gründe

1

A. Die [X.]eteiligten streiten über die [X.]ildung eines Wirtschaftsausschusses.

2

Die Arbeitgeberin betreibt einen [X.]lutspendedienst in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter [X.]aftung (gGmb[X.]). Der [X.], die Förderung des [X.] und der Transfusionsmedizin, wird nach dem Gesellschaftsvertrag insbesondere verwirklicht durch die Entnahme, Sammlung und Aufbereitung von menschlichem [X.]lut und [X.]lutbestandteilen, die Versorgung mit menschlichem [X.]lut und [X.]lutbestandteilen zum Zwecke der [X.]eilung durch [X.]luttransfusionen, die [X.]itwirkung an [X.]aßnahmen der [X.]ämotherapie, die Erbringung von transfusionsmedizinischen Labor- und Serviceleistungen sowie die wissenschaftliche [X.]etätigung und Fortentwicklung des [X.]. Die Arbeitgeberin ist steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt. Gesellschafter sind die Landesverbände [X.], [X.], [X.] und [X.] des [X.] ([X.]). Als nationale Gesellschaft der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung sind das [X.] und alle seine [X.]itglieder den internationalen Grundsätzen der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung verpflichtet.

3

In ihren [X.]etrieben in [X.], [X.] und [X.], in denen jeweils [X.]etriebsräte gebildet sind, beschäftigt die Arbeitgeberin insgesamt mehr als 900 Arbeitnehmer. Antragsteller ist der im Unternehmen errichtete Gesamtbetriebsrat.

4

Die Arbeitgeberin führt die [X.]lutspende in Zusammenarbeit mit den örtlichen Untergliederungen des [X.] durch. Sämtliche medizinischen Aufgaben werden dabei von [X.]itarbeitern der Arbeitgeberin wahrgenommen. Die ehrenamtlichen [X.]elfer der [X.]-Ortsvereine organisieren die [X.]lutspende vor Ort, verpflegen und betreuen die Spender. Diese erhalten hierfür eine kostenlose Verpflegung. Für ihre Dienstleistungen entrichtet die Arbeitgeberin den [X.]-Ortsvereinen eine geringe Aufwandspauschale je [X.]lutspende. Die gesammelten Vollblutspenden werden in den Zentren für Transfusionsmedizin medizinisch aufbereitet, getestet und in einzelne [X.]lutbestandteile aufgeteilt. Die aufbereiteten [X.]lutkonserven werden anschließend außerhalb des [X.]-Verbundes an Ärzte und Krankenhäuser zur weiteren Verwendung entgeltlich abgegeben. Darüber hinaus führt die Arbeitgeberin verschiedene Laboruntersuchungen durch, die der Vorbereitung von [X.]luttransfusionen dienen. Zudem betreibt sie aktive Forschung zur Weiterentwicklung des [X.] und unterhält einen serologischen Dienst zur Klärung spezieller Fragen von Ärzten und Krankenhäusern.

5

[X.]ei der Arbeitgeberin war ein Wirtschaftsausschuss gebildet. Nachdem im [X.]ärz 2008 zunächst dieser und im [X.] daran der Gesamtbetriebsrat erfolglos um die [X.]eantwortung mehrerer Fragen gebeten haben, wurde eine Einigungsstelle errichtet. In dem Einigungsstellenverfahren rügte die Arbeitgeberin die fehlende Zuständigkeit der Einigungsstelle, weil bei ihr als Tendenzunternehmen iSd. § 118 [X.]etrVG kein Wirtschaftsausschuss zu bilden sei. Die Einigungsstelle beschloss daraufhin, das Verfahren bis zur arbeitsgerichtlichen Klärung dieser Rechtsfrage auszusetzen.

6

[X.]it seinem Antrag hat der Gesamtbetriebsrat die Auffassung vertreten, im Unternehmen der Arbeitgeberin sei ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Die Arbeitgeberin sei kein Tendenzunternehmen iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]etrVG. [X.]aßgeblich sei nicht die karitative [X.]estimmung der [X.]-Landesverbände oder des [X.]undesverbandes, sondern die der Arbeitgeberin. Diese sammle lediglich [X.]lutspenden und verkaufe anschließend [X.]lutpräparate an Krankenhäuser.

7

Der Gesamtbetriebsrat hat in der Rechtsbeschwerde beantragt

        

festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die Vorschriften der §§ 106 bis 110 [X.]etrVG auf ihr Unternehmen anzuwenden;

        

hilfsweise,

        

festzustellen, dass die Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, die [X.]eantwortung von Fragen des [X.] mit der [X.]egründung abzulehnen, das Unternehmen sei ein Tendenzunternehmen iSd. § 118 Abs. 1 [X.]etrVG.

8

Die Arbeitgeberin hat zur [X.]egründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, sie verfolge unmittelbar karitative Ziele. Sie handele ohne Gewinnerzielungsabsicht. Nach ihrem Gesellschaftszweck sei ihr unternehmerisches Tätigwerden auf die [X.]eilung von körperlich leidenden [X.]enschen gerichtet. Für die Anerkennung einer karitativen Tendenz iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]etrVG komme es nicht auf einen direkten Kontakt zwischen den hilfsbedürftigen Personen und dem Tendenzunternehmen an. Ausreichend sei, dass die karitative Tätigkeit den [X.]ilfsbedürftigen durch Dritte oder auf sonstige Weise zugute komme.

9

Das Arbeitsgericht hat nach [X.]eteiligung der drei örtlichen [X.]etriebsräte dem dort noch auf die Feststellung, dass die Arbeitgeberin kein Tendenzunternehmen iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]etrVG ist, gerichteten Antrag stattgegeben. Das [X.] hat ihn abgewiesen. [X.]it seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Gesamtbetriebsrat sein Feststellungsbegehren weiter.

[X.]. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist begründet. [X.] der in den Vorinstanzen beteiligten [X.]etriebsräte der [X.]etriebe [X.], [X.] und [X.] sind dagegen unzulässig.

I. Der in der Rechtsbeschwerde gestellte Antrag des [X.] bedarf der Auslegung. Sein Vorbringen sowie die Umstände, die zur Einleitung des [X.]eschlussverfahrens geführt haben, lassen erkennen, dass es ihm nicht um die Anwendung der §§ 106 bis 110 [X.]etrVG auf die Arbeitgeberin oder - wie in den Vorinstanzen noch beantragt - die Feststellung geht, dass diese kein Tendenzunternehmen iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]etrVG ist. Nachdem in der Vergangenheit bei der Arbeitgeberin ein Wirtschaftsausschuss bestand und diese erstmals im Frühjahr 2008 in einem Einigungsstellenverfahren die [X.]eantwortung von Fragen dieses Gremiums mit der [X.]egründung ablehnte, bei ihr als Tendenzunternehmen sei ein Wirtschaftsausschuss überhaupt nicht zu bilden, hatte der Gesamtbetriebsrat nur an der Klärung seiner darauf bezogenen betriebsverfassungsrechtlichen [X.]efugnis ein Interesse.

II. [X.]it diesem Verständnis ist der Antrag auch zulässig. Er ist auf die Feststellung eines zwischen den [X.]eteiligten streitigen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses gerichtet (vgl. [X.]AG 15. [X.]ärz 2006 - 7 A[X.]R 24/05 - Rn. 18, AP [X.]etrVG 1972 § 118 Nr. 79 = EzA [X.]etrVG 2001 § 118 Nr. 5). Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Angesichts des Verhaltens der Arbeitgeberin besteht für die begehrte Feststellung auch ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.

III. In dem Verfahren sind gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG nur die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat zu hören. Die [X.]etriebsräte der [X.]etriebe [X.], [X.] und [X.] sind von den Vorinstanzen zu Unrecht beteiligt worden. Es geht in dem anhängigen Verfahren allein um die Frage, ob bei der Arbeitgeberin ein Wirtschaftsausschuss zu bilden ist. Da dieser ein [X.]ilfsorgan des [X.] ist (vgl. [X.]AG 9. [X.]ai 1995 - 1 A[X.]R 61/94 - zu [X.] II 2 a der Gründe, [X.]AGE 80, 116), der gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 [X.]etrVG auch dessen [X.]itglieder zu bestimmen hat, berührt die streitgegenständliche Frage allein die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung des [X.]. Die örtlichen [X.]etriebsräte sind hiervon nicht betroffen und damit auch nicht an dem Verfahren beteiligt.

IV. [X.] der in den Vorinstanzen zu Unrecht beteiligten örtlichen [X.]etriebsräte sind danach unzulässig. [X.]eschwerdebefugt ist nur, wer zu Recht am Verfahren beteiligt oder zu Unrecht nicht am Verfahren beteiligt wurde. Eine fehlerhafte [X.]eteiligung kann eine [X.]eschwerdebefugnis nicht begründen ([X.]AG 8. November 2011 - 1 A[X.]R 42/10 - Rn. 11, D[X.] 2012, 1213). Danach waren die Rechtsbeschwerden der [X.]etriebsräte als unzulässig zu verwerfen.

V. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist begründet. [X.]ei der Arbeitgeberin ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden.

1. Die Arbeitgeberin beschäftigt ständig weit über 100 Arbeitnehmer. Der Schwellenwert des § 106 Abs. 1 [X.]etrVG ist damit überschritten.

2. Die Arbeitgeberin ist kein Tendenzunternehmen iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]etrVG, das unmittelbar und überwiegend karitativen [X.]estimmungen dient und in dem nach § 118 Abs. 1 Satz 2 [X.]etrVG die [X.]ildung eines Wirtschaftsausschusses ausgeschlossen ist.

a) Zur Ermittlung der [X.] der Arbeitgeberin kommt es nur auf deren Unternehmenszweck an, weil der Wirtschaftsausschuss bei ihr zu bilden ist. Es ist deshalb ohne [X.]edeutung, ob der [X.]-[X.]undesverband, die Landes- und Kreisverbände oder andere Einrichtungen des [X.] Tendenzunternehmen sind oder nicht.

b) [X.]it dem [X.] in § 118 Abs. 1 [X.]etrVG hat der Gesetzgeber das aus dem Demokratie- und Sozialstaatsprinzip folgende Recht der Arbeitnehmer auf Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten mit Rücksicht auf die grundrechtlichen Freiheitsrechte der von § 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]etrVG erfassten Arbeitgeber begrenzt (vgl. [X.] 26. Aufl. § 118 Rn. 2). In [X.]ezug auf diese Arbeitgeber erweist sich § 118 Abs. 1 [X.]etrVG als eine grundrechtsausgestaltende Regelung, bei deren Auslegung und Anwendung es nicht auf das Gewicht der durch die infrage stehenden [X.]itbestimmungsrechte geschützten [X.]elange der Arbeitnehmer ankommt ( [X.]AG 20. April 2010 - 1 A[X.]R 78/08  - Rn. 18, [X.]AGE 134, 62). Die in ihr bestimmte eingeschränkte Geltung der organisatorischen Vorschriften des [X.]etriebsverfassungsgesetzes und seiner [X.]eteiligungsrechte führt zu einer von Verfassungs wegen gebotenen Privilegierung der davon begünstigten Arbeitgeber. Die Verwirklichung ihrer unternehmerischen Ziele darf durch die betriebliche [X.]itbestimmung nicht ernsthaft beeinträchtigt werden, da ansonsten ihre durch § 118 Abs. 1 [X.]etrVG geschützten Freiheitsrechte verletzt würden ([X.]AG 14. September 2010 - 1 A[X.]R 29/09 - Rn. 24, [X.]AGE 135, 291).

An einer solchen [X.]eeinträchtigung von grundrechtlichen Rechtspositionen fehlt es jedoch bei Unternehmen und [X.]etrieben, die lediglich karitativen oder erzieherischen [X.]estimmungen außerhalb des durch Art. 7 Abs. 4, Abs. 5 GG geschützten [X.]ereichs dienen. [X.]ei diesen beruht die eingeschränkte Geltung des [X.]etriebsverfassungsgesetzes allein auf ihrem besonderen Unternehmenszweck (vgl. [X.] 9. Aufl. § 118 Rn. 21). Die damit verbundene Privilegierung hält sich zwar im Rahmen des dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der betrieblichen [X.]itbestimmung zustehenden Entscheidungsspielraums und ist deshalb mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ([X.]AG 14. September 2010 - 1 A[X.]R 29/09 - Rn. 24, [X.]AGE 135, 291). Der unterschiedliche [X.]ezug zu den besonderen Freiheitsrechten des Grundgesetzes und die durch § 118 Abs. 1 [X.]etrVG vermittelte [X.]egünstigung bei der Geltung des [X.]etriebsverfassungsgesetzes verlangt jedoch partiell andere [X.]aßstäbe für die Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift, soweit dieser besondere Grundrechtsbezug fehlt ([X.] aaO). So wird der [X.] von Presse- und Rundfunkunternehmen nicht durch eine erwerbswirtschaftliche Zielsetzung infrage gestellt, diese werden vielmehr auch dann von § 118 Abs. 1 [X.]etrVG erfasst, wenn das Unternehmen mit dem Zweck der Gewinnerzielung betrieben wird (vgl. [X.]AG 27. Juli 1993 - 1 A[X.]R 8/93 - zu [X.] III 1 b der Gründe, AP [X.]etrVG 1972 § 118 Nr. 51 = EzA [X.]etrVG 1972 § 118 Nr. 61). Dagegen ist Voraussetzung karitativer Tätigkeit eines Unternehmens, dass diese [X.] und ohne Absicht der Gewinnerzielung erfolgt (vgl. [X.]AG 14. September 2010 - 1 A[X.]R 29/09 - Rn. 20 mwN, aaO; [X.] aaO Rn. 25). Fehlende Gewinnerzielungsabsicht bedeutet allerdings nicht, dass die [X.]ilfeleistung für leidende [X.]enschen unentgeltlich oder allenfalls zu einem nicht kostendeckenden Entgelt geschieht. Es genügt vielmehr, dass der Träger des Unternehmens seinerseits mit seiner [X.]ilfeleistung keine eigennützigen Zwecke im Sinne einer Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. Das ist auch dann der Fall, wenn er bis zur [X.]öhe der Kostendeckung Einnahmen aus der [X.]etätigung erzielt ([X.]AG 15. [X.]ärz 2006 - 7 A[X.]R 24/05 - Rn. 30, AP [X.]etrVG 1972 § 118 Nr. 79 = EzA [X.]etrVG 2001 § 118 Nr. 5).

c) [X.]iervon ausgehend dient ein Unternehmen nach der Senatsrechtsprechung karitativen Zwecken, wenn es den [X.] Dienst an körperlich oder seelisch leidenden [X.]enschen zum Ziel hat, auf [X.]eilung oder [X.]ilderung innerer oder äußerer Nöte des Einzelnen oder auf deren vorbeugende Abwehr gerichtet ist, die Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt und der Unternehmer nicht ohnehin von Gesetzes wegen zu derartigen [X.]ilfeleistungen verpflichtet ist ([X.]AG 14. September 2010 - 1 A[X.]R 29/09 - Rn. 20 mwN, [X.]AGE 135, 291). Ob karitatives [X.]andeln iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]etrVG vorliegt, bestimmt sich nicht nach dem [X.]aß der [X.]ilfsbedürftigkeit. Entscheidend ist allein, ob die [X.]enschen, denen die [X.]ilfe dienen soll, überhaupt in dem beschriebenen Sinne hilfsbedürftig sind.

d) Nach dem Wortlaut des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]etrVG muss das Unternehmen den karitativen [X.]estimmungen allerdings unmittelbar dienen. Entgegen einer im Schrifttum (Thüsing/[X.] 2011, 280, 287) und von der Arbeitgeberin vertretenen Auffassung ist das nur dann der Fall, wenn die [X.]ilfe von dem Unternehmen gegenüber körperlich, geistig oder seelisch leidenden [X.]enschen direkt erbracht ([X.]AG 29. Juni 1988 - 7 A[X.]R 15/87 - zu [X.] II 3 d der Gründe, [X.]AGE 59, 120), also der Tendenzzweck in dem Unternehmen oder [X.]etrieb selbst verwirklicht wird ([X.]AG 15. [X.]ärz 2006 - 7 A[X.]R 24/05 - Rn. 33, AP [X.]etrVG 1972 § 118 Nr. 79 = EzA [X.]etrVG 2001 § 118 Nr. 5). [X.]it dieser Einschränkung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Prinzip der Nächstenliebe [X.]aßstab jedes - unternehmerischen - [X.]andelns sein könnte, ohne dass es sich unmittelbar bei den [X.]ilfsbedürftigen selbst verwirklicht. Daher bedarf eine karitative Zielsetzung eines Unternehmens einer in konkreten [X.]andlungen erkennbaren Umsetzung des Prinzips der Nächstenliebe gegenüber den [X.]ilfsbedürftigen selbst.

e) Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit eines Unternehmens führt nicht notwendig dazu, dass dieses auch unmittelbar karitativen [X.]estimmungen iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]etrVG dient (vgl. [X.]AG 21. Juni 1989 - 7 A[X.]R 58/87 - zu [X.] II 2 der Gründe, [X.]AGE 62, 156). Dies ergibt sich bereits aus der Systematik der §§ 51 ff. [X.]. § 52 [X.] bezieht sich auf die Gemeinnützigkeit und unterscheidet sich von der [X.]ildtätigkeit (§ 53 [X.]), die zwar strukturell dem [X.]egriff des „karitativen“ nahekommt, ihn aber nicht für andere Regelungszusammenhänge vorgibt.

f) Nach diesen Grundsätzen ist die Arbeitgeberin kein Tendenzunternehmen. Ihre Tätigkeit ist nicht unmittelbar auf die [X.]eilung, [X.]ilderung oder die vorbeugende Abwehr der inneren oder äußeren Nöte [X.]ilfsbedürftiger gerichtet. Dass [X.]lutspenden für die Krankenversorgung notwendig sind, genügt entgegen der Auffassung des [X.]s nicht, denn dies gilt gleichermaßen für Arznei- und [X.]ilfsmittel, technische Geräte, Krankenhäuser oder die ärztliche Tätigkeit selbst. [X.]aßgeblich ist, dass die Arbeitgeberin die [X.]ilfe an körperlich, geistig oder seelisch leidenden [X.]enschen nicht unmittelbar erbringt. Ihre Tätigkeit bezieht sich nach ihrem Gesellschaftsvertrag überwiegend auf die Entnahme, Sammlung und Aufbereitung von menschlichem [X.]lut und [X.]lutbestandteilen, die Versorgung mit menschlichem [X.]lut und [X.]lutbestandteilen zum Zwecke der [X.]eilung durch [X.]luttransfusionen sowie darüber hinaus auf die [X.]itwirkung an [X.]aßnahmen der [X.]ämotherapie, die Erbringung von transfusionsmedizinischen Labor- und Serviceleistungen sowie die wissenschaftliche [X.]etätigung und Fortentwicklung des [X.]. Diese Tätigkeiten erfordern das [X.]inzutreten einer ärztlicher [X.]eilbehandlung, um beim Erkrankten oder Verletzten eine [X.]eilung zu bewirken. Die konkrete ärztliche Leistung ist dabei nicht von derart untergeordneter [X.]edeutung, dass sie nur noch als Ausführung der eigentlichen [X.] Leistung „Zurverfügungstellung des [X.]lutes“ anzusehen wäre, da die Ärzte über [X.]luttransfusionen in eigener Verantwortung im Rahmen der von ihnen für erforderlich gehaltenen Therapie entscheiden. Dies mag in Fällen der Leukämiebehandlung anders sein, in denen der [X.]lutspendedienst das [X.]lutprodukt auf den kranken [X.]enschen personalisiert. Das bedarf jedoch keiner näheren Aufklärung. Dieser Tätigkeitsbereich überwiegt nicht. Nach dem Vortrag der Arbeitgeberin betreffen zumindest 77 % der Tätigkeit die [X.]ereiche Spenderwerbung, Entnahmedienst, Labor, [X.]erstellung, Erforschung und Entwicklung und Vertrieb.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    N. Schuster    

                 

Meta

1 ABR 7/11

22.05.2012

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 16. März 2010, Az: 5 BV 215/08, Beschluss

§ 118 Abs 1 S 1 Nr 1 BetrVG, § 106 BetrVG, § 83 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.05.2012, Az. 1 ABR 7/11 (REWIS RS 2012, 6266)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6266


Verfahrensgang

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Az. 1 BvR 2274/12

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2274/12, 30.04.2015.


Az. 1 ABR 7/11

Bundesarbeitsgericht, 1 ABR 7/11, 22.05.2012.


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