Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 14.09.2020, Az. 2 BvR 2047/16

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2020, 2987

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsbeschwerde zur Geltendmachung von Abgeordnetenrechten im Streit mit einem Verfassungsorgan unzulässig - Organstreit als spezieller Rechtsbehelf vorrangig - Beeinträchtigung der demokratischen Selbstbestimmung (Art 38 Abs 1 S 2 GG iVm Art 20, 79 GG) durch Stellungnahme des Bundestags zum Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) nicht hinreichend substantiiert dargelegt


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Beschwerdeführer wenden sich - wie auch die Fraktion [X.] im [X.] in dem gesonderten [X.]verfahren 2 [X.] - gegen die Stellungnahme des [X.]es vom 22. September 2016 (vgl. Plenarprotokoll 18/190 vom 22. September 2016, [X.] ff.; BTDrucks 18/9663) und das Unterlassen weiterer Maßnahmen im Zusammenhang mit der vorläufigen Anwendung und Ratifikation des Freihandelsabkommens zwischen der [X.] und [X.] ([X.] - [X.]).

2

1. Am 10. Mai 2016 beantragten die Fraktion [X.] und zehn ihrer [X.], der [X.] wolle eine Stellungnahme zu [X.] beschließen und die Bundesregierung auffordern, im Rat der [X.] den Beschluss über die vorläufige Anwendung von [X.] abzulehnen (vgl. BTDrucks 18/8391).

3

Am 5. Juli 2016 beantragten die Fraktion [X.] und acht ihrer [X.] darüber hinaus, der [X.] wolle beschließen, festzustellen, dass [X.] mitgliedstaatliche Kompetenzen berühre und in die Angelegenheiten der Länder eingreife. Der [X.] solle daher die Bundesregierung auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass [X.] als gemischtes Abkommen neben dem [X.] auch dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werde (vgl. BTDrucks 18/9030).

4

Der Ausschuss für Energie und Wirtschaft hörte in seiner 87. Sitzung am 5. September 2016 Sachverständige zu verfassungs- und europarechtlichen Fragen und zu inhaltlichen Aspekten des [X.] an und beschloss in seiner 88. Sitzung am 21. September 2016, die Ablehnung der oben genannten Anträge zu empfehlen (vgl. BTDrucks 18/9697 und 18/9703).

5

Die Fraktion [X.] und elf ihrer [X.] beantragten sodann am 20. September 2016 unter dem Titel "Gemeinwohl vor Konzerninteressen - [X.] stoppen" (vgl. BTDrucks 18/9665), der [X.] wolle beschließen, nach Art. 23 Abs. 3 GG Stellung zu nehmen und festzustellen, dass die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von [X.] in seiner bestehenden Form gegen das [X.]srecht und auch das Grundgesetz verstoße. Weiter solle der [X.] die Bundesregierung auffordern, den [X.] Vertreter im Ministerrat anzuweisen, den Vorschlag der [X.] für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von [X.] und den Vorschlag der [X.] für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung von [X.] abzulehnen, und für den Fall, dass die Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit getroffen würden und der [X.] Vertreter im Rat überstimmt werde, juristisch gegen diese Beschlüsse vorzugehen. Zur Begründung verwies der Antrag unter anderem darauf, dass die von der [X.] vorgeschlagenen [X.] ergingen und die Verfassungsidentität verletzten (vgl. BTDrucks 18/9665, [X.]). Insbesondere sei die vorläufige Anwendung von [X.] nur zulässig, soweit die ausschließlichen Zuständigkeiten der [X.] reichten. Es reiche daher nicht, das Kapitel zum Investitionsschutz von der vorläufigen Anwendung auszunehmen. Auch für Verkehrsdienstleistungen, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen, den Arbeitnehmerschutz und die im [X.] vorgesehenen [X.] mit ihren weitreichenden Zuständigkeiten sowie die [X.] besitze die [X.] keine ausschließliche Zuständigkeit. Der Wissenschaftliche Dienst des [X.]es habe dies zumindest für die Bestimmungen über Verkehrsdienstleistungen bestätigt. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum das im Frühjahr 2017 erwartete Ergebnis des Gutachtens des Gerichtshofs der [X.] zum [X.]-Singapur-Abkommen ([X.]) - dieses liegt inzwischen vor (vgl. [X.], Gutachten 2/15 vom 16. Mai 2017, Freihandelsabkommen zwischen der [X.] und der [X.], [X.]:[X.]) - nicht abgewartet werde, das eine erste Klärung zur Reichweite der handelspolitischen Zuständigkeiten der [X.] bringen könne (vgl. BTDrucks 18/9665, S. 4).

6

Die Anträge der Fraktion [X.] beziehungsweise von [X.] dieser Fraktion wurden abgelehnt (vgl. [X.] 18/190 vom 22. September 2016, [X.]8794, 18800 ff.).

7

Der [X.] nahm sodann den Antrag der Fraktionen der [X.] und [X.] an, die streitgegenständliche Stellungnahme abzugeben (vgl. [X.] 18/190 vom 22. September 2016, [X.]8803 ff.).

8

Mit dieser stellte der [X.] "in Wahrnehmung seiner Integrationsverantwortung" unter anderem fest (BTDrucks 18/9663, S. 3):

(…)

Auf Grundlage des [X.] entscheiden die Mitgliedstaaten im [X.]-Rat auch über die vorläufige Anwendung von [X.]. Die in der [X.]-Zuständigkeit liegenden Teile von [X.] dürfen jedoch erst nach Zustimmung des [X.] vorläufig angewendet werden. Dies ist wichtig, um dem Abkommen eine [X.] Legitimation auf [X.]-[X.] zu verschaffen. [X.] darf die vorläufige Anwendung in den Bereichen erfolgen, die nationalstaatliche Kompetenzen umfassen.

Der Deutsche [X.] begrüßt die Bereitschaft der [X.] Regierung, der [X.] und der Bundesregierung im Rahmen des weiteren Verfahrens rechtsverbindliche Klärungen der noch offenen Fragen herbeizuführen und setzt sich gleichfalls hierfür ein.

Der Deutsche [X.] wird im Lichte des weiteren Prozesses im Ratifizierungsverfahren abschließend über seine Zustimmung zu [X.] entscheiden.

II. Der Deutsche [X.] fordert die Bundesregierung deshalb auf,

1. den [X.] zu Angelegenheiten im Zusammenhang mit [X.] weiterhin umfassend und frühzeitig zu informieren. Der [X.] wird die kommenden Beratungen zu [X.] auf [X.] und eine ggf. vorläufige Anwendung von den in der [X.]-Zuständigkeit liegenden Teilen des Abkommens aktiv und intensiv begleiten. Dazu wird die Bundesregierung den [X.] über alle Beratungsgegenstände, Vorschläge und Initiativen, die im Zusammenhang mit [X.] behandelt werden, unterrichten. Bei Bedarf wird der Deutsche [X.] von seinem Recht Gebrauch machen, zu Positionen der [X.] Stellung zu nehmen. Durch ein größtmögliches Maß an Transparenz wird der Deutsche [X.] seinen Beitrag zu einer informierten öffentlichen Debatte leisten;

2. in der [X.] darauf hinzuwirken, dass zwischen der [X.] und [X.] gemeinsam getroffene Vereinbarungen zu [X.] im Zuge des weiteren Prozesses in rechtsverbindlichen Erklärungen festgehalten werden;

3. im Rat durch eine Unterzeichnung von [X.] als gemischtem Abkommen unter den oben genannten Maßgaben den Weg zu einem Ratifizierungsverfahren zu eröffnen und

4. durchzusetzen, dass in Abstimmung zwischen [X.]-Ministerrat, [X.] und [X.] Ausnahmen von der vorläufigen Anwendung vereinbart werden, wo dies aufgrund von Zuständigkeiten der [X.]-Mitgliedstaaten rechtlich geboten ist sowie in jedem Fall im Bereich des [X.] (Kapitel 8). Die ausgenommenen Bereiche können zur Sicherung [X.]r und [X.] Interessen über die in früheren Abkommen ausgenommenen Teile hinausgehen.

9

2. Mit Schriftsatz vom 27. September 2016 hat die Fraktion [X.] Organklage erhoben und auch die vorliegende Verfassungsbeschwerde eingelegt.

3. Das [X.] hat mit Urteil vom 13. Oktober 2016 in den Verfahren 2 BvR 1368/16, 2 BvR 1444/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1823/16 und 2 [X.] den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Zustimmung des [X.] Vertreters im Rat zur vorläufigen Anwendbarkeit von [X.] nach Maßgabe der dort aufgeführten Gründe abgelehnt (vgl. [X.] 143, 65 <66>). Soweit der [X.] eine Vertragsschlusskompetenz für [X.], den Investitionsschutz, den internationalen Seeverkehr, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und den Arbeitsschutz fehlen könnte (vgl. [X.] 143, 65 <93 ff. Rn. 52 ff.>), könne dem Risiko eines Ultra-vires-Akts dadurch begegnet werden, dass diese Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgenommen würden. Zudem müsse sichergestellt werden, dass [X.] die vorläufige Anwendung von [X.] auch einseitig beenden könne (vgl. [X.] 143, 65 <98 ff. Rn. 67 ff.>). Soweit der im Abkommen vorgesehene Gemischte Ausschuss die Befugnis besitzen sollte, Änderungen des Abkommens zu beschließen (Art. 26.1 Abs. 5 Buchstabe c [X.]) und Protokolle und Anhänge zu ändern (Art. 30.2 Abs. 2 Satz 1 [X.]), stehe auch eine Berührung der Verfassungsidentität im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG im Raum, weil der Ausschuss möglicherweise ohne Zustimmung der Vertragsparteien beziehungsweise des [X.] Vertreters entscheiden und damit die Grundsätze des Demokratieprinzips als Teil der Verfassungsidentität des Grundgesetzes berühren könnte (vgl. [X.] 143, 65 <95 ff. Rn. 59 ff.>). Dem könne - jedenfalls im Rahmen der vorläufigen Anwendung - aber zum Beispiel durch eine interinstitutionelle Vereinbarung, nach der Beschlüsse gemäß Art. 30.2 Abs. 2 [X.] nur aufgrund eines einstimmig gefassten gemeinsamen Standpunktes nach Art. 218 Abs. 9 A[X.]V gefasst würden (vgl. [X.] 143, 65 <100 Rn. 71>), oder andere Vorkehrungen begegnet werden.

4. [X.] wurde schließlich als gemischtes Abkommen behandelt. In der Sitzung des [X.] am 18. Oktober 2016 einigten sich die Mitgliedstaaten auf Entwürfe von Erklärungen der [X.] Institutionen, die gemeinsam mit weiteren Erklärungen der Mitgliedstaaten bei der Annahme des Beschlusses über die Unterzeichnung von [X.] durch den Rat (vgl. Ratsdokument 10972/1/16 REV 1) in das [X.] aufgenommen wurden (vgl. Ratsdokument 13463/1/16 REV 1; vgl. hierzu auch [X.] 144, 1 <7 ff. Rn. 12>). Dazu gehört unter anderem die Erklärung Nr. 15 des Rates, in der festgehalten wird:

Der Rat der [X.] bestätigt, dass die vorläufige Anwendung nur für Angelegenheiten gilt, die in den Zuständigkeitsbereich der [X.] fallen.

Der Rat der [X.] beschloss darüber hinaus am 28. Oktober 2016, die vorläufige Anwendung auf folgende Teile von [X.] zu beschränken beziehungsweise sie von der vorläufigen Anwendung auszunehmen (vgl. Art. 1 Abs. 1 Ratsdokument 10974/16 ; Pressemitteilung des Rates der [X.] vom 28. Oktober 2016, 623/16):

a) Nur die folgenden Bestimmungen des Kapitels Acht des Abkommens (Investitionen) werden vorläufig angewendet, und nur soweit ausländische Direktinvestitionen betroffen sind:

- Artikel 8.1 bis 8.8;

- Artikel 8.13;

- Artikel 8.15 mit Ausnahme von dessen Absatz 3, und

- Artikel 8.16;

b) die folgenden Bestimmungen des Kapitels Dreizehn des Abkommens (Finanzdienstleistungen) werden nicht vorläufig angewendet soweit sie [X.], den Investitionsschutz oder die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und [X.] betreffen:

- Artikel 13.2 Absätze 3 und 4;

- Artikel 13.3 und Artikel 13.4;

- Artikel 13.9 und

- Artikel 13.21;

c) die folgenden Bestimmungen des Abkommens werden nicht vorläufig angewendet:

- Artikel 20.12;

- Artikel 27.3 und Artikel 27.4, soweit diese Artikel für

Verwaltungsverfahren, Überprüfung und Rechtsbehelf auf [X.] der Mitgliedstaaten gelten;

- Artikel 28.7 Absatz 7;

d) die vorläufige Anwendung der Kapitel 22, 23 und 24 des Abkommens beachtet die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der [X.] und den Mitgliedstaaten.

Am selben Tag beschloss der Rat der [X.] die Unterzeichnung (vgl. Beschluss <[X.]> 2017/37 des Rates vom 28. Oktober 2016 über die Unterzeichnung - im Namen der [X.] - des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens <[X.]> zwischen [X.] einerseits und der [X.] und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl [X.] Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, [X.] f.) und die vorläufige Anwendung von [X.] (vgl. Beschluss <[X.]> 2017/38 des Rates vom 28. Oktober 2016 über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens <[X.]> zwischen [X.] einerseits und der [X.] und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl [X.] Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, [X.]080 f.). Die Unterzeichnung erfolgte am 30. Oktober 2016.

5. Die Beschwerdeführer wenden sich "als natürliche Personen" gegen die Stellungnahme des [X.]es und die damit verbundene Unterlassung einer konstitutiven und verfassungsrechtlich zulässigen Zustimmung zur vorläufigen Anwendung des [X.], und beantragen die Feststellung, dass die Stellungnahme des [X.]es vom 22. September 2016 (BTDrucks 18/9663 vom 20. September 2016) und die damit verbundene Unterlassung einer konstitutiven und verfassungsrechtlich zulässigen Zustimmung zur vorläufigen Anwendung des [X.] das Grundgesetz und Rechte der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer verletze.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2016 für erledigt erklärt.

6. Die Beschwerdeführer tragen vor, ihre Verfassungsbeschwerde werde auf Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 23 und Art. 79 Abs. 2 GG gestützt. Sie seien als natürliche Personen beschwerdefähig. Das mit der Stellungnahme des [X.]es verbundene Unterlassen einer gesetzesförmigen Zustimmung sei als Akt der [X.] öffentlichen Gewalt mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar, habe der [X.] dem [X.] Vertreter im Rat der [X.] damit doch signalisiert, dass er der vorläufigen Anwendung des [X.] und dessen Unterzeichnung zustimmen könne. Auch das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung für die vorläufige Anwendung des [X.] beziehungsweise seiner Teile sei ein rechtserhebliches Verhalten, weil sich die Integrationsverantwortung des [X.]es hier zu einer konkreten Handlungspflicht verdichtet habe.

Die Nichtbeachtung der Integrationsverantwortung im Rahmen von Art. 23 Abs. 3 GG und die Verletzung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG verletzten die Beschwerdeführer in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20, Art. 23 und Art. 79 Abs. 2 und Abs. 3 GG. Die Integrationsverantwortung gebiete eine gesetzliche Festlegung der konkreten Vertragsteile, die in die Kompetenz der [X.] fielen, um das Stimmverhalten des [X.] Vertreters im Rat entsprechend zu binden. Soweit Teile von [X.] vorläufig angewendet werden sollen, ohne dass eine Kompetenz der [X.] bestünde, bedürfe es einer konkreten Übertragung der Hoheitsrechte. Der [X.] müsse zudem insgesamt sicherstellen, dass mit der vorläufigen Anwendung kein Ultra-vires-Handeln beziehungsweise keine Verletzung der Verfassungsidentität ermöglicht werde. Außerdem müsse er sicherstellen, dass die vorläufige Anwendung nach Art. 218 Abs. 5 A[X.]V auf Verlangen der Mitgliedstaaten beendet werden könne.

Die vorläufige Anwendung von [X.] sei in weiten Teilen eine unzulässige Ultra-vires-Maßnahme, da sie sich nicht auf die Bereiche beschränke, die in der Kompetenz der [X.] lägen beziehungsweise Regelungen beinhalte, die auch nach [X.]srecht verboten seien. Zudem verletze sie Grundsätze, die zur Verfassungsidentität gehörten. Art. 218 Abs. 5 A[X.]V ermögliche zudem eine unzulässige dynamische Fortentwicklung.

Vor einer Beschlussfassung über die vorläufige Anwendung von [X.] gemäß Art. 218 Abs. 5 A[X.]V sei ein Zustimmungsgesetz erforderlich gewesen. Die Stellungnahme des [X.]es verhindere nicht hinreichend, dass die [X.] mit der vorläufigen Anwendung von [X.] Kompetenzen überschreite, kompetenzwidrige [X.] errichte und gegen das Demokratieprinzip verstoße. Sie sei zudem zu vage, um der Integrationsverantwortung des [X.]es zu genügen. Unzureichend sei insbesondere, dass der [X.] nicht selbst entscheide, zu welchen Teilen von [X.] es verbindliche Erklärungen geben solle. Schließlich werde die Gestaltungsmacht des [X.]es durch die vorläufige Anwendung von [X.] untergraben.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 [X.]), weil sie unzulässig ist.

1. Soweit die Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde als Angehörige der Fraktion [X.] erhoben haben, sind sie nicht beschwerdefähig.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können Abgeordnete nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde um ihre [X.]rechte mit einem Verfassungsorgan streiten (vgl. [X.] 32, 157 <162>; 43, 142 <148 f.>; 64, 301 <312>; 99, 19 <29>; 134, 141 <169 f. Rn. 84>). Der [X.] ist gegenüber der Verfassungsbeschwerde auch dann der spezielle Rechtsbehelf, wenn die [X.] zusätzlich die Verletzung von Grundrechten rügen (vgl. [X.] 43, 142 <148 f.>; 64, 301 <312>; 99, 19 <29>; 118, 277 <320>). Die Beschwerdeführer sind daher nicht berechtigt, die Verletzung ihrer Rechte als Abgeordnete mit der Verfassungsbeschwerde zu rügen.

b) Die Beschwerdeführer tragen allein Tatsachen oder Gesichtspunkte vor, die sie auch schon im [X.]verfahren geltend gemacht haben. Insoweit zielt die Verfassungsbeschwerde der Sache nach auf die Durchsetzung organschaftlicher Rechte gegenüber dem [X.], insbesondere auf die aus Sicht der Beschwerdeführer richtige Wahrnehmung seiner Integrationsverantwortung.

2. Soweit die Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde als Bürgerinnen und Bürger erhoben haben, genügt sie offensichtlich nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 [X.]. Insbesondere ist der Vortrag zu einer möglichen Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG nicht hinreichend substantiiert.

a) In der Beschwerdeschrift muss die Möglichkeit einer Verletzung des beschwerdefähigen Rechts substantiiert und schlüssig gerügt werden (vgl. [X.] 123, 267 <329>; stRspr). Es ist darzulegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert und inwieweit sie die bezeichneten Grundrechte verletzen soll (vgl. [X.] 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 120, 274 <298>; 140, 229 <232 Rn. 9>; 142, 234 <251 Rn. 28>; [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 1961/09 -, Rn. 23). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen bereits Rechtsprechung des [X.]s vor, so ist der behauptete [X.] in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. [X.] 140, 229 <232 Rn. 9>; 142, 234 <251 Rn. 28>; [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 1961/09 -, Rn. 23).

b) Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht. Sie führt die vom Senat zum Anspruch auf [X.] Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG entwickelten Maßstäbe weder im Einzelnen auf noch setzt sie sich mit den sich daraus ergebenden Anforderungen im Hinblick auf die vorliegende Fallkonstellation substantiiert auseinander. Sie erschöpft sich vielmehr in einer allgemeinen Benennung der europaverfassungsrechtlichen Kontrollvorbehalte.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2047/16

14.09.2020

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

Art 20 Abs 1 GG, Art 38 Abs 1 S 2 GG, Art 79 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 63 BVerfGG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 14.09.2020, Az. 2 BvR 2047/16 (REWIS RS 2020, 2987)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2987

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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