Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.10.2016, Az. IX ZB 11/16

9. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 3630

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Gegenstand

Verfahren auf Vollstreckbarerklärung nach Gemeinschaftsrecht: Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch das Beschwerdegericht; Bindungswirkung der Ausführungen eines ausländischen Gerichts zur Tragweite eines inländischen Urteils


Leitsatz

1. Die Rechtsbeschwerde gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch das Beschwerdegericht ist nicht statthaft.

2. An Ausführungen des ausländischen Gerichts zur Tragweite eines inländischen Urteils ist das Gericht des Vollstreckungsstaats nicht gebunden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 23. Dezember 2015 wird mit der Maßgabe als unzulässig verworfen, dass die Anträge der Antragstellerinnen zu 1 und 3 auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des [X.] vom 3. Oktober 2014 im [X.]inblick auf die Verurteilung zur Zahlung eines Vorschusses an sie in [X.]öhe von jeweils 166.666,66 € wegen betrügerischen unlauteren [X.] - unter Aufhebung von Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses - als derzeit unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den genannten Beschluss ist wirkungslos.

Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der Anschlussrechtsbeschwerde tragen die Antragstellerinnen zu 1 und 3 zu je 37 v.[X.]., die Antragstellerin zu 2 zu 8 v.[X.]. und der Antragsgegner zu 18 v.[X.].. Die Antragstellerinnen zu 1 und 3 tragen die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu je 37 v.[X.]. und die Antragstellerin zu 2 zu 8 v.[X.].. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 3 zu 33 v.[X.].. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der Anschlussrechtsbeschwerde wird auf 370.666,65 € festgesetzt (Wert allein der Anschlussrechtsbeschwerde: 83.333,34 €).

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner wurde durch Strafurteil des [X.] vom 3. Oktober 2014 neben weiteren Angeklagten dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz an die Antragstellerinnen für die ihnen - infolge der festgestellten Straftaten - entstandenen Schäden verurteilt. Weiter wurde er nach Art. 539 Abs. 2 der [X.] Strafprozessordnung als Gesamtschuldner zur Leistung eines sofort vollstreckbaren Vorschusses ("[X.]") auf den zu erwartenden Schadensersatz in Höhe von 500.000 € wegen des betrügerisch unlauteren [X.] und in Höhe von 20.000 € wegen des Betruges durch die Berechnung fiktiver Vermittlungsprovisionen, jeweils zu Lasten der Antragstellerinnen, verurteilt. Der Antragsgegner legte gegen das Urteil Berufung ein, über die noch nicht entschieden ist.

2

Die Antragstellerinnen begehren die Vollstreckbarerklärung des Urteils hinsichtlich der sofort vollstreckbaren Vorschüsse. Der Antragsgegner meint, die Verurteilung zum Schadensersatz sei mit verschiedenen Entscheidungen des [X.] im Sinne der Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan "[X.] aF") u[X.]ereinbar, unter anderem mit dem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 30. Dezember 2013 in dem Rechtsstreit zwischen den Antragstellerinnen zu 1 und 3 und dem Antragsgegner (34 O 58/10 KfH).

3

Mit Beschluss vom 25. März 2015 hat das [X.] die Entscheidung über die Schadensersatzzahlung in Höhe von 520.000 € für vollstreckbar erklärt. Auf die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht die Erteilung einer Vollstreckungsklausel hinsichtlich des Ausspruchs in Höhe von 20.000 € zugunsten aller drei Antragstellerinnen als Teilgläubigerinnen zu je 1/3 sowie hinsichtlich des Ausspruchs in Höhe von 500.000 € anteilig in Höhe von 166.666,66 € zugunsten der Antragstellerin zu 2 angeordnet und die Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Im Übrigen hat es den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen, hinsichtlich der Antragstellerinnen zu 1 und 3 wegen der Vollstreckbarerklärung der Verurteilung des Antragsgegners zur Zahlung von zweimal 166.666,66 € unter dem Vorbehalt, dass diese nicht mit ihrer Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 30. Dezember 2013 obsiegen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehren die Antragstellerinnen die Vollstreckbar-erklärung sämtlicher Ansprüche unter Aufhebung der Sicherheitsleistung. Der Antragsgegner hat Anschlussrechtsbeschwerde erhoben, mit der er - unter Aufhebung des Vorbehalts - die Abweisung des Antrags der Antragstellerin zu 1 auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel hinsichtlich des Betrages von 166.666,66 € als derzeit unbegründet und die Abweisung des entsprechenden Antrags der Antragstellerin zu 3 als unbegründet begehrt.

[X.]

4

Auf das Verfahren ist nach Art. 66 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen die [X.] aF anzuwenden, weil die Entscheidung des [X.] in einem vor dem 10. Januar 2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen ist.

I[X.]

5

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerinnen ist teilweise nicht statthaft (nachfolgend 1.), im Übrigen fehlt es an einem [X.] im Sinne des § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 2 ZPO (nachfolgend 2.).

6

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, soweit sich die Antragstellerinnen dagegen wenden, das Beschwerdegericht habe die Zwangsvollstreckung ohne ausdrücklichen Antrag des Antragsgegners von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Die auf Art. 46 Abs. 3 [X.] aF gestützte Anordnung des [X.] ist keine nach Art. 44 [X.] aF, § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO anfechtbare Entscheidung, weil sie nicht über einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbar-erklärung im Sinne von Art. 43 [X.] aF ergangen ist.

7

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] (fortan "Gerichtshof") zur [X.]. 37 Abs. 2 [X.] waren mit dem autonom auszulegenden Begriff der "Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist", nur Entscheidungen gemeint, die über die Begründetheit des Rechtsbehelfs gegen die Zulassung der Vollstreckung im Sinne von Art. 36 [X.] befanden. Nicht erfasst waren hingegen Entscheidungen des [X.]s nach Art. 38 [X.] über die Aussetzung des Verfahrens oder die Anordnung einer Sicherheitsleistung, waren sie auch formell gesehen Teil des gleichen [X.] ([X.], Urteil vom 4. Oktober 1991, [X.]/90, [X.] / van Loon, [X.]. 1991, [X.], 4765 Rn. 21 bis 24; vom 11. August 1995, [X.]/93, [X.], [X.]. 1995, [X.], 2288 Rn. 28 ff; zur isolierten Anfechtung der Weigerung, solche Maßnahmen anzuordnen: [X.], Beschluss vom 21. April 1994 - [X.], NJW 1994, 2156, 2157 unter [X.] 1. und 3.). [X.] das [X.] zugleich mit der Entscheidung über den Rechtsbehelf betreffend die Zulassung der Vollstreckung eine Aussetzung des Verfahrens ab oder ordnete es die Leistung einer Sicherheit an, enthielt der Gerichtsentscheid zwei voneinander zu unterscheidende Teile: Die gemäß Art. 37 Abs. 2 [X.] anfechtbare Entscheidung nach Art. 36 Abs. 1 [X.] und die gemäß Art. 37 Abs. 2 [X.] nicht anfechtbare Entscheidung nach Art. 38 [X.] ([X.], Urteil vom 4. Oktober 1991, aaO, Rn. 23 f; vgl. auch Generalanwalt van Gerven in der Rechtssache [X.] / van Loon, [X.]. 1991, [X.], 4755 Nr. 11 ff).

8

b) Diese enge Auslegung ist auch für die im Streitfall einschlägigen Nachfolgeregelungen der [X.]. 44, 46 [X.] aF zu beachten.

9

aa) Die Auslegungsgrundsätze zum [X.] sind auf die [X.] aF zu übertragen, soweit deren Vorschriften als gleichbedeutend angesehen werden können (etwa [X.], Urteil vom 14. Mai 2009, [X.]/06, [X.], [X.]. 2009, [X.] Rn. 41; vom 14. März 2013, [X.]/11, [X.] / [X.], [X.] 2013, 292 Rn. 27 mwN; vom 28. Januar 2015, [X.]/13, [X.] / [X.], NJW 2015, 1581 Rn. 21; vgl. für Art. 13 Abs. 1 [X.] und Art. 15 Abs. 1 [X.] aF [X.], Urteil vom 30. März 2006 - [X.], [X.]Z 167, 83 Rn. 19; [X.]/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., [X.] Rn. 68; zur Übertragung der Auslegung zu [X.] und [X.] aF auf die Lugano-Übereinkommen [X.], Urteil vom 24. Juni 2014 - [X.], [X.], 1614 Rn. 20). Diese Voraussetzung ist gegeben.

Art. 44 [X.] aF bestimmt mit nahezu identischem Wortlaut zu Art. 37 Abs. 2 [X.] den möglichen Gegenstand des weiteren Rechtsbehelfs; Unterschiede ergeben sich nur aus der Verweisung auf die im [X.] vorgesehenen mitgliedstaatlichen Rechtsbehelfe. Die vom Gerichtshof im Rahmen der systematischen Auslegung herangezogenen Bestimmungen zum Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung befassten Gerichts (Art. 36 Abs. 1 [X.]) und zu den [X.]n des [X.]s bei einer im [X.] noch nicht rechtskräftigen Entscheidung (Art. 38 [X.]) entsprechen in ihrem wesentlichen Regelungsgehalt den Art. 43 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 1 und 3 [X.] aF, die den genannten Bestimmungen aus dem [X.] Übereinkommen nachgebildet sind (zu Art. 38 [X.], Art. 46 [X.] aF [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2012, Art. 46 Rn. 1 mwN). Art. 43 Abs. 1 [X.] aF fasst lediglich die im [X.] Übereinkommen in Abhängigkeit vom Ausgang des Verfahrens vor dem mit dem Antrag befassten Gericht getrennt geregelten Vorschriften zu den Rechtsbehelfen von Antragsteller und Schuldner (Art. 40 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 [X.] und Art. 37 Abs. 2, Art. 41 [X.]) zusammen, so dass die gerichtlichen [X.] nach Art. 46 Abs. 1[X.] aF unabhängig davon bestehen, wer Rechtsbehelfsführer im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist. Die Neuregelung erstreckt die [X.] zudem auf das Gericht des weiteren Rechtsbehelfs. Indessen gibt es weiterhin keine ausdrückliche Regelung zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen über den Aussetzungsantrag oder die Anordnung einer Sicherheitsleistung.

bb) Angesichts der gegenüber dem [X.] Übereinkommen u[X.]eränderten Zielsetzung, den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch Vereinfachung der Formalitäten im Hinblick auf ihre rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgründe 2, 6 und 17 der [X.] aF), und der vom Verordnungsgeber angestrebten Kontinuität zum [X.] Übereinkommen (Erwägungsgründe 5 [X.] und 19) bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der [X.] aF eine Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten im Hinblick auf Nebenentscheidungen des [X.] über die Aussetzung oder Anordnung von Sicherheitsleistungen gewollt gewesen wäre. Vielmehr spricht Erwägungsgrund 18 Satz 2 davon, dass dem Antragsteller (nur) für den Fall der Ablehnung seines Antrags auf Vollstreckbarerklärung ein Rechtsbehelf möglich sein muss. Zudem waren die Änderungen im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von der Erwägung getragen, dieses Verfahren weiter zu straffen (vgl. Erwägungsgründe 17 und 18 [X.] aF; [X.], Beschluss vom 25. März 2004 - 3 Ob 20/04v, unter 1., Rechtsinformationssystem des [X.] (fortan [X.]); vom 27. April 2005 - 3 Ob 23/05m, [X.]). Die [X.] Kommentarliteratur hat die enge Auslegung des Gerichtshofs zum [X.] Übereinkommen ebenfalls für das [X.] aF übernommen ([X.]/[X.], ZPO, 4. Aufl., Art. 46 [X.] aF Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.], Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., Art. 44 [X.] I-VO Rn. 3 und Art. 46 [X.] I-VO Rn. 15; [X.]/Mankowski, [X.]/[X.], 2011, Art. 44 [X.] I-VO Rn. 2 und Art. 46 [X.] I-VO Rn. 22; [X.]/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 44 [X.] Rn. 5 und Art. 46 [X.] Rn. 10; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2012, Art. 46 Rn. 15).

2. Soweit das Beschwerdegericht die Vollstreckbarerklärung versagt hat, ist die Rechtsbeschwerde zwar statthaft. Die Antragstellerinnen haben indes einen [X.] im Sinne des § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 2 ZPO nicht dargetan. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des [X.] zur Auslegung des Merkmals der "U[X.]ereinbarkeit" im Sinne des Art. 34 Nr. 3 [X.] aF und zu den Entscheidungsbefugnissen des Gerichts des Vollstreckungsstaats bei der Prüfung dieses [X.] gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF.

a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Vollstreckbarerklärung sei teilweise nach Art. 45 Abs. 1, Art. 34 Nr. 3 [X.] aF zu versagen. Die Entscheidung des [X.] sei mit dem Urteil des [X.] vom 30. Dezember 2013 insoweit u[X.]ereinbar, als sie einen im Erwerb von Anteilen an dem Konkurrenzunternehmen, der [X.]A., liegenden Verstoß gegen die Pflichten des Antragsgegners als Geschäftsführer der Antragstellerin zu 3 angenommen und diesen deshalb zum Schadensersatz verurteilt hat. Beide Entscheidungen hätten Rechtsfolgen, die sich gegenseitig widersprächen. Wäre der Klage vor dem [X.] Stuttgart stattgegeben worden, wäre der Schaden, zu dessen Ersatz der Antragsgegner durch das [X.] verurteilt wurde, damit ausgeglichen und die Pflicht des Antragsgegners zum Ausgleich festgestellt gewesen. Eine U[X.]ereinbarkeit sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich das [X.] in seiner Entscheidung mit dem Urteil des [X.] ausdrücklich auseinandergesetzt habe.

b) Die Rechtsgrundsätze, nach denen das Beschwerdegericht die teilweise U[X.]ereinbarkeit der beiden Entscheidungen bejaht hat, sind in der Rechtsprechung geklärt und vom Beschwerdegericht ohne Abweichung im Grundsätzlichen angewendet worden. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen, ob der Begriff der "U[X.]ereinbarkeit" im Sinne des Art. 34 Nr. 3 [X.] aF autonom oder unter Rückgriff auf das Verständnis nach dem nationalen Recht auszulegen ist, welche Bedeutung Widersprüche allein in den Entscheidungsgründen oder hinsichtlich präjudizieller Rechtsverhältnisse haben, welcher Grad von Streitstoffidentität ausreicht und ob das Gericht des Vollstreckungsstaates an eine Einschätzung des ausländischen erkennenden Gerichts zur Tragweite einer vorhandenen inländischen Entscheidung gebunden ist, sind weder klärungsbedürftig noch für die Entscheidung des Streitfalls erheblich.

aa) Der Begriff der "U[X.]ereinbarkeit" im Sinne des Art. 34 Nr. 3 [X.] aF ist autonom auszulegen (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 1988, [X.], [X.] / Krieg, [X.]. 1988, 645, 662 Rn. 19 bis 25; [X.]/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 34 [X.] Rn. 49; [X.]/Leible, [X.]/[X.], 2011, Art. 34 [X.] I-VO Rn. 45; [X.] in [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 34 [X.] Rn. 167). Danach sind Entscheidungen u[X.]ereinbar, wenn sie Rechtsfolgen haben, die sich gegenseitig ausschließen ([X.], Urteil vom 4. Februar 1988, aaO Rn. 22; vom 6. Juni 2002, [X.]/00, [X.], [X.]. 2002, [X.], 5011 Rn. 40). Maßgeblich sind die Wirkungen der Entscheidungen ([X.], Urteil vom 6. Juni 2002, aaO, Rn. 44). Ihr Zusammentreffen darf nicht zu einem mit der Kohärenz der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats u[X.]ereinbaren Widerspruch führen (Schlussanträge des Generalanwalts [X.] vom 9. Juli 1987 in Sachen [X.] / Krieg, Rechtssache [X.], [X.]. 1988, 645, 654 Nr. 11; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts [X.] vom 21. Februar 2002 in Sachen [X.], Rechtssache [X.]/00, [X.]. 2002, [X.], 4997 Nr. 31 und 53).

Hiervon ausgehend hat der [X.] im Einklang mit der Literatur Entscheidungen jedenfalls dann als u[X.]ereinbar angesehen, wenn sie mit gegenläufigem Ergebnis über denselben Anspruch zwischen denselben Parteien im Sinne des Art. 27 Abs. 1 [X.] aF ergangen sind (vgl. etwa [X.], Vorlagebeschluss vom 18. September 2013 - [X.], [X.], 2160 Rn. 7 und 22; Beschluss vom 13. August 2014 - [X.], [X.], 1813 Rn. 8; vom 28. Januar 2016 - I ZR 236/14, [X.], Rn. 10), ohne dass der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 3 [X.] aF auf diese Fälle beschränkt ist ([X.], in [X.]/[X.], Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., Art. 34 [X.] I-VO Rn. 38; [X.] in [X.]/Schütze, aaO Rn. 168; [X.]/Leible, aaO; zum [X.] Koch, U[X.]ereinbare Entscheidungen im Sinne des Art. 27 Nr. 3 und 5 [X.] und ihre Vermeidung, 1993, S. 27 ff).

bb) Anhand dieses - geklärten - Maßstabes ergibt sich im Streitfall die teilweise U[X.]ereinbarkeit beider Entscheidungen. Das Beschwerdegericht stellt zutreffend auf den insoweit identischen Entscheidungsgegenstand des Urteils des [X.] vom 30. Dezember 2013 ab, der auch vom Urteil des [X.] behandelt wurde. Beide Urteile befassen sich mit der nämlichen Frage, ob der Antragsgegner mit dem Erwerb von Anteilen an dem Konkurrenzunternehmen seine Pflichten als damaliger Geschäftsführer und Gesellschafter der Antragstellerin zu 3 verletzt hat und deshalb der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet ist. Beide Gerichte haben diese Frage mit gegenläufigen Ergebnissen entschieden, die Rechtsfolgen beider Entscheidungen schließen sich damit insoweit aus.

Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist der Ausspruch des [X.] auch hinsichtlich des Ausspruchs zum Schadensersatz eine anerkennungsfähige Entscheidung im Sinne des Art. 32 [X.] aF, welche mit ihrem Erlass erhebliche Rechtswirkungen im Sinne des Art. 34 Nr. 3 [X.] aF erzeugt. Auf Entscheidungen eines Strafgerichts über zivilrechtliche Ansprüche ist die Verordnung gemäß Art. 1 Satz 1 [X.] aF sachlich anwendbar (vgl. auch Art. 5 Nr. 4, Art. 61 Satz 2 Hs. 2 [X.] aF; [X.], Urteil vom 28. März 2000, [X.]/98, [X.], [X.]. 2000, [X.], 1956 Rn. 30). Das [X.] hat nicht nur eine Art Sicherheitsleistung angeordnet, sondern nach den im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen zum Inhalt der [X.] Entscheidung und den einschlägigen Regeln der [X.] Strafprozessordnung bereits dem Grunde nach über die Schadensersatzverpflichtung des Antragsgegners und damit inhaltlich über den zivilrechtlichen Anspruch entschieden. Es hat den Antragstellerinnen hierauf einen Vorschuss in Höhe des nach Ansicht des Gerichts bestehenden Mindestschadens zugesprochen. Die noch ausstehende Rechtskraft steht der Vollstreckbarerklärung nicht entgegen (vgl. Art. 46 [X.] aF).

cc) Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob und inwieweit sich das Gericht des Vollstreckungsstaats über eine - abweichende - Bewertung durch das ausländische Gericht des [X.] hinwegsetzen darf, ist nicht klärungsbedürftig. Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Meinungsstreit in Rechtsprechung oder Literatur zu dieser Frage auf. Ihre Beantwortung ergibt sich aus der Verordnung selbst in Verbindung mit ihrer Auslegung durch den Gerichtshof.

(1) Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF darf das [X.] die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in Art. 34 und Art. 35 [X.] aF geregelten Anerkennungsversagungsgründe versagen oder aufheben. Hieraus ergibt sich die originäre Befugnis des [X.]s und der rechtliche Rahmen (vgl. [X.]/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 45 [X.] Rn. 2) zur Prüfung der einzelnen Versagungstatbestände. Begrenzt wird diese Befugnis gemäß Art. 45 Abs. 2 [X.] aF allein dahingehend, dass die ausländische Entscheidung nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden darf. Aus der zitierten Rechtsprechung zur Anknüpfung des Merkmals U[X.]ereinbarkeit im Sinne des Art. 34 Nr. 3 [X.] aF an die Rechtsfolgen der Entscheidungen ergibt sich, dass der Gerichtshof die Prüfung der ausländischen Entscheidung im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen und Wirkungen und den dabei gebotenen Vergleich mit der inländischen Entscheidung nicht als eine solche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache selbst ansieht.

(2) Auch Systematik und Regelungsziel der Verordnung sprechen gegen die von der Rechtsbeschwerde vertretene Bindung an eine abweichende Bewertung des erkennenden Gerichts (gegen eine Bindung auch Schlosser/[X.]/[X.], [X.]-Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Art. 45 [X.] nF Rn. 31). Die Verordnung soll die internationalen Zuständigkeiten vereinheitlichen und die Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen sicherstellen (Erwägungsgründe 2 und 6). Hierzu sieht sie verschiedene Mechanismen vor. Sind mehrere Verfahren anhängig, soll Art. 27 [X.] aF schon vor Erlass der ersten Entscheidung einen späteren [X.] verhindern ([X.], Urteil vom 8. Dezember 1987, [X.]/86, [X.], [X.]. 1987, 4861, 4871 Rn. 8; vom 6. Dezember 1994, [X.], [X.], [X.]. 1994, [X.] Rn. 32). Liegt bereits eine - rechtskräftige - Entscheidung vor, sollen die Art. 33 Abs. 3, Art. 34 Nr. 3 [X.] aF den Erlass einer mit ihr u[X.]ereinbaren zweiten Entscheidung verhindern ([X.]/von [X.], aaO, vor Art. 33 Rn. 11 ff). Liegen zwei solche Entscheidungen vor, löst Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Nr. 3 [X.] aF den möglichen Konflikt bei der Vollstreckung. Die Wirkung jeder Entscheidung bleibt dann auf das nationale Hoheitsgebiet des jeweiligen erkennenden Staats beschränkt ([X.], Urteil vom 8. Dezember 1987, aaO Rn. 18). Jeder dieser auf Vermeidung eines Zusammentreffens u[X.]ereinbarer Entscheidungen abzielenden Regelungen kann nur dann ihre vom Gerichtshof betonte praktische Wirksamkeit entfalten, wenn das jeweils befasste Gericht die tatbestandlichen Voraussetzungen eigenständig prüfen kann. Bestünde hingegen eine Bindung an Einschätzungen des ersten Gerichts, liefen die in nachfolgenden Verfahrensstadien vorgesehenen Mechanismen leer.

dd) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegt eine Obersatzabweichung nicht vor.

(1) Die Rechtsbeschwerde meint, der [X.] habe in seinem Beschluss vom 17. Juni 2009 ([X.], [X.], 1402) den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass dem ausländischen Gericht eine vom Verbot der inhaltlichen Nachprüfung geschützte [X.] hinsichtlich einer U[X.]ereinbarkeit dann zukomme, wenn es die inländische Entscheidung seinerseits einbezogen habe. Diese Deutung der Entscheidung trifft nicht zu. Der zitierte Beschluss betraf keinen Sachverhalt, bei dem das ausländische Gericht den gleichen Sachverhalt abweichend von einer inländischen Entscheidung entschieden hat. Deshalb stellte sich auch nicht die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage einer Bindung an die Erwägungen des ausländischen Gerichts zur Tragweite der inländischen Entscheidung. Die [X.] Entscheidung über den Unterhalt, um deren Vollstreckbarerklärung es ging, bezog den rechtskräftigen [X.]n Titel über den niedrigeren [X.] ein und setzte diesen titulierten [X.] von dem nach [X.]m Recht geschuldeten Unterhalt ab (vgl. [X.], aaO Rn. 10). Sie erhöhte damit in ihren Wirkungen den in der inländischen Entscheidung titulierten Unterhalt für ihren Regelungszeitraum (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2012, Art. 34 Rn. 73; ähnlich [X.], [X.], 1403 f "bloße Nachtragsklage"). Nach Ansicht des [X.] schied deshalb ein Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 1 und 3 [X.] aF aus ([X.], aaO Rn. 10).

(2) Ebenso wenig kann eine Obersatzabweichung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO mit dem Strafurteil des [X.] vom 3. Oktober 2014 begründet werden. Dieses Gericht gehört nicht zu den divergenzfähigen Gerichten im Sinne dieser Vorschrift. Dazu zählen der [X.], das [X.], der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], der [X.], die anderen obersten [X.]gerichte, die Berufungsgerichte (einschließlich andere Spruchkörper desselben Gerichts; vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 543 Rn. 13) und die Finanzgerichte ([X.], Beschluss vom 18. Juli 2013 - [X.], [X.] 2014, 174). Ausländische, zumal erstinstanzliche Gerichte, deren Entscheidungen mit der Berufung angefochten werden können, gehören nicht dazu.

c) Der Senat ist nicht zu einer Vorlage an den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 A[X.]V verpflichtet, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt sind und die richtige Anwendung der [X.] aF derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982, [X.]/81, [X.], [X.]. 1982, 3415 Rn. 16 ff; vgl. [X.], [X.], 609 Rn. 27). Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass die gleiche Gewissheit auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den [X.] besteht.

IV.

Der Entscheidungssatz wurde nach § 319 ZPO von Amts wegen berichtigt, was auch im Rechtsmittelverfahren erfolgen kann ([X.], Urteil vom 3. Juli 1996 - [X.], [X.]Z 133, 184, 191; Beschluss vom 1. Juni 2011 - [X.], [X.]). Das Berufungsgericht wollte, wie sich aus den Gründen ergibt, keine Vorbehaltsentscheidung entsprechend §§ 302, 599 ZPO treffen. Vielmehr wollte es den Antragstellerinnen zu 1 und 3 für den Fall, dass das Urteil des [X.] vom 30. Dezember 2014 (34 O 58/10 KfH), das die U[X.]ereinbarkeit nach den Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Nr. 3 [X.] aF begründet und zur teilweisen Zurückweisung der Anträge geführt hat, aufgehoben oder in dem Sinne abgeändert wird, dass es dem Schadensersatzausspruch des [X.] Strafurteils nicht mehr entgegensteht, die Möglichkeit einräumen, ihre Vollstreckungsanträge in einem neuen Verfahren erneut zu stellen. Dies ergibt sich aus dem Verweis des [X.] auf die [X.] ([X.]/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 34 [X.] Rn. 53), die ihrerseits auf einen Beschluss des [X.] Hamm verweist. Dort ist ausgeführt, dass dann, wenn die entgegenstehende Entscheidung aufgehoben wird, der Antragsteller die Vollstreckbarerklärung erneut betreiben könne, weil das [X.] nur so lange eingreife, wie die die Anerkennung versagende Entscheidung Bestand habe. Der Antrag, die Vollstreckung zuzulassen, sei daher nur zurzeit nicht begründet ([X.] 1982, 504).

V.

Die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragsgegners, die nach den gestellten Anträgen nur das Prozessrechtsverhältnis zu den Antragstellerinnen zu 1 und 3 betrifft, verliert mit der Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig ihre Wirkung (§ 574 Abs. 4 Satz 3 ZPO; [X.], Beschluss vom 14. Juli 2011 - [X.], [X.] Rn. 8).

Kayser                       Gehrlein                       Pape

                Grupp                         [X.]

Meta

IX ZB 11/16

20.10.2016

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 23. Dezember 2015, Az: 5 W 28/15

Art 34 Nr 3 EGV 44/2001, Art 45 Abs 1 S 1 EGV 44/2001, Art 46 Abs 3 EGV 44/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.10.2016, Az. IX ZB 11/16 (REWIS RS 2016, 3630)

Papier­fundstellen: WM 2016, 2272 REWIS RS 2016, 3630

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 174/04 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 193/07 (Bundesgerichtshof)

Vollstreckung ausländischer Urteile: Vollstreckbarerklärung bzw. Verfahrensaussetzung bei möglicher Einlegung eines Rechtsbehelfs im Ursprungsland wegen Nichtzustellung …


IX ZB 193/07 (Bundesgerichtshof)


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