Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.11.2015, Az. 2 StR 399/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 2184

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Gegenstand

Betäubungsmittelhandel: Wertersatzverfall des Erlöses aus Drogenverkäufen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Juli 2015 im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Daneben hat es unter anderem die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen und den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrags von 84.000 € angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hat die Anordnung des Verfalls von Wertersatz keinen Bestand.

3

1. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte einen Betrag in Höhe von 84.000 € im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. Die aus eigenen Betäubungsmittelgeschäften resultierenden Erlöse in Höhe von 39.000 € hat der Angeklagte jeweils „aus der Tat“ erlangt. Daneben unterliegt auch der Betrag in Höhe von 45.000 €, den der Angeklagte aufgrund der Beteiligung an den Taten erhalten hat, als „für die Tat“ erlangter [X.] dem Verfall. Anders als das [X.] meint, handelt es sich allerdings nicht um einen Fall des erweiterten Verfalls (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73d StGB), da die Gelder nicht aus anderen, nicht angeklagten Taten herrührten (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 [X.]; vgl. auch [X.] in: Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 33 Rn. 187). Hat das Tatgericht konkrete Betäubungsmitteltaten festgestellt und sind – wie hier – die aufgrund der Begehung dieser Taten konkret erlangten Gelder nicht mehr vorhanden (zu dem mit erlangten [X.] bezahlten Pkw siehe unter 2.), ist vielmehr der Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) in Höhe eines entsprechenden Geldbetrags anzuordnen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. September 2002 - 1 [X.], [X.], 198, 199; Beschluss vom 20. April 2010 - 4 StR 119/10, [X.], 255).

4

2. Die Anordnung des [X.] käme hier lediglich in Höhe von 67.000 € in Betracht. Nach den Urteilsgründen hat sich der Angeklagte im April 2014 einen gebrauchten Pkw gekauft und den Kaufpreis in Höhe von 17.000 € aus den deliktisch erlangten [X.] bezahlt ([X.]). Auf das Eigentum an diesem Pkw hat der Angeklagte am 15. Mai 2015 schriftlich und unwiderruflich verzichtet ([X.] f.). Bei dem Pkw handelt es sich um einen Gegenstand, den der Angeklagte als Surrogat im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB erworben hat. Hierzu zählen auch solche Gegenstände, die der Täter unter Verwendung (deliktisch) erlangter Geldbeträge angeschafft hat (vgl. [X.] in: [X.] Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 73 Rn. 59; [X.], in: [X.] Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 46). Das [X.] hätte daher den Pkw gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB für verfallen erklären und im Übrigen in Höhe von 67.000 € den Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) anordnen können (vgl. [X.] aaO § 73 Rn. 61). Infolge des Verzichts des Angeklagten wurde eine Verfallsanordnung hinsichtlich des Pkws entbehrlich (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73 Rn. 41). Ungeachtet dessen hat der Verzicht zur Folge, dass sich die Höhe der Anordnung des [X.] entsprechend verringert (vgl. Senatsurteil vom 5. April 2000 - 2 StR 500/99, [X.], 480, 481; [X.], Urteil vom 10. Oktober 2002 - 4 [X.], [X.]St 48, 40), da andernfalls der Wert des [X.] [X.] abgeschöpft werden könnte (vgl. [X.], StGB, 29. Aufl., § 73 Rn. 46).

5

3. [X.] kann aber auch in Höhe von 67.000 € keinen Bestand haben, weil das [X.] die Voraussetzungen des § 73c StGB nur unzureichend geprüft hat.

6

Das [X.] hat ausgeführt, dass „weder eine unbillige Härte vorliegt noch Billigkeitserwägungen ein Absehen von dieser [Verfalls-]Anordnung nahe legen“ ([X.]). Das Urteil enthält indes keine Feststellungen dazu, ob der Wert des [X.] noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Entsprechende Feststellungen wären jedoch für die Prüfung des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB erforderlich gewesen. Nach dieser Vorschrift, die gegenüber § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB vorrangig ist (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73c Rn. 2), kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat erlangt hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüber zu stellen. Ist auch ein Gegenwert des [X.] im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2013 - 3 StR 52/13, [X.], 630; Beschluss vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13, [X.]R StGB § 73c Härte 16 mwN).

7

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte zumindest einen Teil der verbleibenden 67.000 € für seinen Lebensunterhalt verbraucht und zudem einen Großteil des Geldes in die [X.] transferiert (vgl. [X.]). Anlässlich der Festnahme des Angeklagten konnte lediglich ein Bargeldbetrag in Höhe von 1.125 € sichergestellt werden ([X.]. Dazu, ob der Angeklagte, der arbeitslos ist und bis Ende 2010 Sozialleistungen bezog, über weitere Vermögenswerte verfügt, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Es ist daher nicht auszuschließen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung im Vermögen des Angeklagten weder das Erlangte noch ein Gegenwert vollständig vorhanden waren. Daran anknüpfend hätte sich das [X.] mit den weiteren Voraussetzungen für eine Anwendung des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB auseinandersetzen und die gebotene Ermessensentscheidung treffen müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 29. September 2015 - 1 StR 187/15 mwN).

8

Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz. Die bislang getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Sie können durch ihnen nicht widersprechende neue Feststellungen ergänzt werden.

Appl                      Eschelbach                        Ott

               Zeng                             Bartel

Meta

2 StR 399/15

18.11.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wiesbaden, 14. Juli 2015, Az: 6 KLs 3351 Js 39349/14 H

§ 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 33 Abs 1 Nr 2 BtMG, § 73 Abs 2 S 2 StGB, § 73a StGB, § 73d StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.11.2015, Az. 2 StR 399/15 (REWIS RS 2015, 2184)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2184

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