Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.03.2016, Az. IX ZR 211/14

9. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14315

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NICHTZULASSUNGSBESCHWERDE SACHVERSTÄNDIGENBEWEIS BERUFUNG BESCHLUSSZURÜCKWEISUNG BERUFUNGSBEGRÜNDUNG ANSPRUCH AUF RECHTLICHES GEHÖR FRAGERECHT

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Gegenstand

Rechtliches Gehör: Nichtzulassungsbeschwerde bei unterlassener Rüge einer im Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts enthaltenen Gehörsverletzung


Leitsatz

Eine Revision ist nicht wegen eines Gehörsverstoßes zuzulassen, wenn es der Beschwerdeführer versäumt hat, den Verstoß im Rahmen der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf einen Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts zu rügen.

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 23. Juli 2014 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 344.050,43 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 3, § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2

1. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf eine Verletzung seines Verfahrensgrundrechts aus § 103 Abs. 1 GG.

3

a) Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht, so dass nicht zweifelhaft ist, dass sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin der Aufhebung durch das [X.] unterliegen würde. Für die Zulassung wegen eines Rechtsfehlers sind deshalb die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des [X.]s zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde führen würden ([X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 296 f; Beschluss vom 6. Mai 2010 - [X.], [X.], 1156 Rn. 6).

4

b) Soweit der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe in seinem Hinweisbeschluss sein Vorbringen übergangen, wonach es sich bei den Äußerungen der Steuerberater [X.]und M.      zu der Wertentwicklung und der gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit des [X.] nicht um eine unverbindliche Prognose oder bloß werbende Anpreisung ohne verbindlichen Gehalt, sondern um eine verbindliche Zusicherung mit einem für die Anlageentscheidung verbindlichen Inhalt gehandelt habe, steht der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorwurfs, das Berufungsgericht habe eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, indem es darauf verzichtet habe, die vom Kläger als Zeugin benannte Ehefrau zur Abgabe einer verbindlichen Zusicherung durch die Steuerberater zu hören. Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern ([X.], Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO Rn. 7; [X.] 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; stRspr; vgl. [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rn. 8a). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine [X.] eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat ([X.], Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO; [X.] 1993, 34; 1993, 422, 423; BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 4 [X.]/07, [X.] Rn. 23 mwN; [X.]/[X.], § 295 Rn. 5; [X.]/Prütting, 4. Aufl., § 295 Rn. 37; Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, ZPO, 7. Aufl. § 295 Rn. 6; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl. § 522 Rn. 87).

5

Die Möglichkeit, auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Stellung zu nehmen, dient nach allgemeiner Auffassung dem Zweck, dem Berufungsführer das rechtliche Gehör zu gewähren (Hk-ZPO/[X.], 6. Aufl., § 522 Rn. 14 f; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 522 Rn. 28; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 522 Rn. 60; [X.]/Schütze/[X.], aaO; [X.]/[X.], aaO § 522 Rn. 34). Diesem soll Gelegenheit gegeben werden, sich zu der vom Berufungsgericht beabsichtigten Zurückweisung seines Rechtsmittels zu äußern. Dieser Zweck der Vorschrift würde verfehlt, wenn man dem Berufungskläger die Wahl ließe, ob er eine Gehörsverletzung im Hinweisbeschluss innerhalb der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme oder erst in einem sich anschließenden [X.] rügt. Dies würde der mit der Einführung des § 522 ZPO bezweckten Beschleunigung des Verfahrens zuwiderlaufen und die rechtskräftige Erledigung der Streitigkeit zulasten der in erster Instanz obsiegenden [X.] verzögern (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 96 f).

6

c) Im Streitfall hatte der Kläger nach Zustellung des [X.] vom 25. Juni 2014 am 4. Juli 2014 bis zum Erlass des Zurückweisungsbeschlusses am 23. Juli 2014 mehr als zwei Wochen Zeit, um die vermeintlichen Gehörsverletzungen zu rügen. Von der ihm eingeräumten Stellungnahmefrist von zwei Wochen hat er keinen Gebrauch gemacht. Die Geltendmachung von Gehörsverstößen, auf denen die Zurückweisung der Berufung beruhen soll, im [X.] scheidet damit aus.

7

2. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

[X.]                               Lohmann

                Pape                 [X.]

Meta

IX ZR 211/14

17.03.2016

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 23. Juli 2014, Az: 3 U 75/14

Art 103 Abs 1 GG, § 295 ZPO, § 522 Abs 2 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.03.2016, Az. IX ZR 211/14 (REWIS RS 2016, 14315)

Papier­fundstellen: WM 2016, 2146 REWIS RS 2016, 14315

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