Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.06.2011, Az. 7 ABR 15/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 5344

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Gegenstand

(Status angestellter Wirtschaftsprüfer - leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs 3 BetrVG)


Leitsatz

§ 45 Satz 2 WPO (juris: WiPrO) ist iVm. § 45 Satz 1 WPO verfassungskonform einschränkend so zu verstehen, dass die Bereichsausnahme von der Betriebsverfassung nur für angestellte Wirtschaftsprüfer mit Prokura gilt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 18. Dezember 2009 - 17 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der zu 5. beteiligte Wirtschaftsprüfer [X.] leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 [X.] ist.

2

Die Arbeitgeberin ist ein in der Rechtsform einer GmbH betriebenes Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Sie beschäftigt etwa 6.000 Arbeitnehmer in 22 Niederlassungen. Sie setzt 775 Wirtschaftsprüfer ein. 289 Wirtschaftsprüfer sind als Partner tätig. Die übrigen Wirtschaftsprüfer werden - in der Hierarchie absteigend - als Director, [X.] Manager, Manager und [X.] bezeichnet. Der zu 5. beteiligte Wirtschaftsprüfer [X.] ist auf der Hierarchieebene „[X.] Manager“ im [X.] Betrieb der Arbeitgeberin tätig. Ihm ist Prokura erteilt. Beteiligter zu 1. ist der im Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat. Er ist von den Betriebsräten der [X.] und [X.] Betriebe der Arbeitgeberin beauftragt, das zunächst von ihm eingeleitete Statusverfahren zu führen.

3

Mit Wirkung vom 6. September 2007 wurde § 45 des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer ([X.]) um einen Satz 2 ergänzt. Die Regelung lautet nun:

        

„Wirtschaftsprüfer sollen als Angestellte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Rechtsstellung von Prokuristen haben. Angestellte Wirtschaftsprüfer gelten als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des [X.]es.“

4

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, angestellte Wirtschaftsprüfer seien wegen der Fiktion des § 45 Satz 2 [X.] unabhängig von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] leitende Angestellte. Die Tätigkeit des Beteiligten [X.] erfülle zudem die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 [X.].

5

Die Arbeitgeberin hat - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - durch [X.] verlangt

        

festzustellen, dass der Beteiligte zu 5. leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 [X.] ist.

6

Der Gesamtbetriebsrat hat gemeint, der Beteiligte [X.] sei kein leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.]. § 45 Satz 2 [X.] sei verfassungswidrig.

7

Das Arbeitsgericht hat, soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse, dem [X.] der Arbeitgeberin stattgegeben. Das [X.] hat die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gesamtbetriebsrat weiter das Ziel der Abweisung des [X.]s.

8

B. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass der Beteiligte [X.] nach § 45 Satz 2 [X.] leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 [X.] ist. Sie haben dem [X.] der Arbeitgeberin deshalb zu Recht stattgegeben.

9

I. Neben der widerantragstellenden Arbeitgeberin, dem Gesamtbetriebsrat und dem Beteiligten [X.] sind keine weiteren Stellen am Verfahren beteiligt.

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem [X.] im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des [X.]es ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (für die [X.]Rspr. [X.] 4. Mai 2011 - 7 [X.] - Rn. 10).

2. Nach diesen Grundsätzen ist neben der widerantragstellenden Arbeitgeberin, dem unmittelbar in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffenen Beteiligten [X.] und dem Gesamtbetriebsrat nicht auch der [X.] [X.] beteiligt. Er und der Betriebsrat des [X.] Betriebs der Arbeitgeberin haben den Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 2 [X.] beauftragt, dieses Beschlussverfahren zu führen. Überträgt der [X.] dem Gesamtbetriebsrat die Verfahrensführungsbefugnis, kann der Betriebsrat die Rechte des [X.]s in gewillkürter Prozessstandschaft in eigenem Namen geltend machen. Das entspricht dem mit § 50 Abs. 2 [X.] verfolgten Zweck. Der Gesamtbetriebsrat soll beauftragt werden können, wenn es zwar nicht um Aufgaben geht, die nach § 50 Abs. 1 [X.] originär in seine Zuständigkeit fallen, es den Einzelbetriebsräten aber zweckmäßig erscheint, die Angelegenheit vom Gesamtbetriebsrat wahrnehmen zu lassen (vgl. [X.] 27. Juni 2000 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe mwN, [X.]E 95, 156).

II. Der [X.] der Arbeitgeberin ist begründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend erkannt, dass der Beteiligte [X.] nach § 45 Satz 2 [X.] unwiderleglich als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 [X.] gilt. Die Bereichsausnahme in § 45 Satz 2 [X.] ist iVm. § 45 Satz 1 [X.] verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur angestellte Wirtschaftsprüfer erfasst, denen Prokura erteilt ist. Diese Voraussetzung erfüllt der Beteiligte [X.].

1. Nach § 45 Satz 2 [X.] gelten angestellte Wirtschaftsprüfer als leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 des [X.]es. § 45 Satz 1 [X.] bestimmt, dass Wirtschaftsprüfer als Angestellte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Rechtsstellung von Prokuristen haben sollen.

2. Bei der Regelung in § 45 Satz 2 [X.] handelt es sich um eine unwiderleglich angeordnete Geltung der Bereichsausnahme des § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.], die von den engeren Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] gelöst ist. Die Bestimmung in § 45 Satz 2 [X.] ist iVm. § 45 Satz 1 [X.] verfassungskonform einschränkend so zu verstehen, dass sie nur angestellte Wirtschaftsprüfer erfasst, denen Prokura erteilt ist.

a) Der [X.] kann offenlassen, ob es sich bei der Regelung in § 45 Satz 2 [X.] um eine gesetzliche Fiktion oder eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung handelt. Die Formulierung „gilt“ oder „gelten“ wird meistens gebraucht, um eine Fiktion auszudrücken (vgl. zB § 119 Abs. 2, § 812 Abs. 2 BGB). Eine Vermutung wird regelmäßig ausdrücklich benannt (vgl. etwa § 1 Abs. 2 [X.], § 1 Abs. 5 Satz 1 [X.]SchG). Die Frage der Rechtsnatur des § 45 Satz 2 [X.] kann letztendlich auf sich beruhen. Angestellte Wirtschaftsprüfer sollen unwiderleglich als leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] behandelt werden. Das ergibt die Auslegung des § 45 Satz 2 [X.].

aa) Die von § 45 Satz 2 [X.] angeordnete Geltung der Bereichsausnahme des § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] lässt nach dem Wortlaut des § 45 Satz 2 [X.] isoliert betrachtet keine Ausnahme zu. Der Wortlaut der Vorschrift stellt angestellte Wirtschaftsprüfer umfassend leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 [X.] gleich. Er beschränkt die Gleichstellung insbesondere nicht - wie § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] - darauf, die Berufsgruppe vom persönlichen Geltungsbereich des [X.]es auszunehmen.

[X.]) Ein vom Wortlaut abweichendes Ergebnis ergibt sich weder aus dem systematischen Zusammenhang noch aus dem Sinn und Zweck der Norm unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte.

(1) Die Gesetzessystematik spricht für eine unwiderlegliche Geltungsanordnung in § 45 Satz 2 [X.]. Die bereits 1961 in [X.] getretene Regelung in § 45 [X.] (heute: § 45 Satz 1 [X.]), wonach angestellte Wirtschaftsprüfer die Rechtsstellung von Prokuristen haben sollen, macht die Vorstellung des Gesetzgebers deutlich, der Berufsgruppe komme jedenfalls im Außenverhältnis eine herausgehobene Stellung zu. Die 2007 in [X.] getretene ergänzende Vorschrift des § 45 Satz 2 [X.] betont die arbeitgebernahe Stellung angestellter Wirtschaftsprüfer, indem sie Angehörige dieser Berufsgruppe unabhängig von den engeren Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] als leitende Angestellte einordnet.

(2) Auch der Regelungszweck spricht für eine unwiderlegliche Bereichsausnahme. Würde § 45 Satz 2 [X.] als widerlegliche Geltungsanordnung verstanden, wäre die Vorschrift überflüssig. Der Status eines leitenden Angestellten ergibt sich schon aus § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.], wenn einer der Tatbestände dieser Norm erfüllt ist.

(3) Die Entstehungsgeschichte des § 45 Satz 2 [X.] stützt das Auslegungsergebnis einer unwiderleglichen Bereichsausnahme. Die knappe Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass die [X.] in § 45 Satz 1 [X.], wonach angestellte Wirtschaftsprüfer die Rechtsstellung von Prokuristen haben sollen, die eigenverantwortliche Tätigkeit dieser Berufsgruppe nicht hinreichend zum Ausdruck bringe. § 45 Satz 2 [X.] stelle nun klar, dass Wirtschaftsprüfer leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 [X.] seien (vgl. BT-Drucks. 16/5544 S. 6). Daran wird deutlich, dass es dem historischen Gesetzgeber nicht darauf ankam, ob im Einzelfall die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] erfüllt sind.

b) Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass § 45 Satz 2 [X.] mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Bei verfassungskonformer Auslegung verstößt die Regelung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (zweifelnd [X.] FS Hromadka S. 131, 132, 154; aA das unveröffentlichte Gutachten von [X.]/[X.] Die Verfassungsmäßigkeit des § 45 S. 2 [X.] von Februar 2008 S. 39 ff.). Mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist § 45 Satz 2 [X.] iVm. § 45 Satz 1 [X.] einschränkend dahin zu interpretieren, dass nur diejenigen angestellten Wirtschaftsprüfer als leitende Angestellte gelten, denen Prokura erteilt ist.

aa) Diese Auslegung hat der [X.] selbst vorzunehmen. Das Fachgericht hat vorrangig vor einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zu versuchen, die betroffene gesetzliche Vorschrift verfassungskonform auszulegen. Eine Vorlage an das [X.] kommt erst in Betracht, wenn eine verfassungskonforme Auslegung nach keiner Auslegungsmethode gelungen ist. [X.]ann das Fachgericht im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu dem Ergebnis gelangen, das Gesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar, hat es diese Interpretation seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. für die [X.]Rspr. [X.] 16. Dezember 2010 - 2 [X.] - Rn. 32 mwN, NVwZ-RR 2011, 387; siehe auch 6. April 2011 - 1 BvR 1765/09 - Rn. 39, [X.] 2011, 812). Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer [X.]onkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und interpretationsbedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften (vgl. [X.] 19. April 2005 - 1 BvR 1644/00, 1 [X.]/03 - zu [X.] 1 a der Gründe, [X.]E 112, 332). Einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz darf jedoch nicht im Weg der Auslegung ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. für die [X.]Rspr. [X.] 16. Dezember 2010 - 2 [X.] - Rn. 32 mwN, aaO).

[X.]) Nach diesen Grundsätzen ist § 45 Satz 2 [X.] iVm. § 45 Satz 1 [X.] einschränkend dahin auszulegen, dass angestellte Wirtschaftsprüfer nur dann unabhängig von den engeren Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] als leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] gelten, wenn ihnen Prokura erteilt ist. Diese Einschränkung verlangt die im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG getroffene objektive Wertentscheidung. Die Typisierung des Status der Berufsgruppe der angestellten Wirtschaftsprüfer mit Prokura gelöst von der nach § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] erforderlichen Einzelfallprüfung ist vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Es kommt nicht darauf an, ob der einzelne Wirtschaftsprüfer im Innenverhältnis unternehmerische (Teil-)Aufgaben iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] wahrnimmt.

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend zu behandeln. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe oder eine andere Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich oder ungleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss eine Auswahl allerdings sachgerecht treffen. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig einleuchtender Grund für die vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. nur [X.] 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - Rn. 27 mwN, [X.], 355). Der Gesetzgeber überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. schon [X.] 11. Februar 1992 - 1 BvL 29/87 - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 85, 238).

(a) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an [X.] reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (vgl. [X.] 6. Juli 2010 - 2 [X.] - Rn. 35, [X.]E 126, 268). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft (vgl. etwa [X.] 6. April 2011 - 1 BvR 1765/09 - Rn. 41 mwN, [X.] 2011, 812). Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung insbesondere auch davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, die Verwirklichung der [X.]riterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. [X.] 12. Oktober 2010 - 1 [X.] - Rn. 45, [X.]E 127, 263). Genauere Maßstäbe und [X.]riterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (vgl. [X.] 6. Juli 2010 - 2 [X.] - Rn. 35, aaO).

(b) Eine Ungleichbehandlung kann unter anderem auf der Grundlage einer zulässigen Typisierung und Pauschalierung gerechtfertigt sein. Gesetze, die Massenvorgänge betreffen, dürfen, um praktikabel zu sein, typisieren und damit in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falls vernachlässigen (vgl. zB [X.] 6. April 2011 - 1 BvR 1765/09 - Rn. 42 mwN, [X.] 2011, 812). Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen von einer möglichst breiten Beobachtung ausgehen, die alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließt (vgl. [X.] 6. Juli 2010 - 2 [X.] - Rn. 38, [X.]E 126, 268). Die ungleiche Wirkung darf ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im richtigen Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit stehen. Außerdem darf die gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich [X.] am typischen Fall orientieren (vgl. [X.] 6. April 2011 - 1 BvR 1765/09 - Rn. 42 mwN, aaO).

(2) Eine einschränkende Auslegung des § 45 Satz 2 [X.] wird diesen Vorgaben gerecht. Angestellte Wirtschaftsprüfer gelten nur dann als leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 [X.], wenn ihnen Prokura erteilt ist. Eine solche verfassungskonforme Interpretation beachtet den Personenbezug der getroffenen Differenzierung und die damit verbundene größere [X.]ontrolldichte. Die mit der Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern anderer Beratungsberufe einhergehende Typisierung ist vom gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum gedeckt. Die Unterscheidung in angestellte Wirtschaftsprüfer mit und ohne Prokura gewährleistet auch die gebotene Differenzierung innerhalb der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer.

(a) Der Gesetzgeber verfolgt mit der Typisierung in § 45 Satz 2 [X.] das Ziel, für die gesamte Berufsgruppe der angestellten Wirtschaftsprüfer den Status leitender Angestellter zu begründen. Zugleich soll der angestellte Wirtschaftsprüfer nach § 45 Satz 1 [X.] die Rechtsstellung eines Prokuristen haben. Damit löst sich der Gesetzgeber von den engeren Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 [X.].

(aa) Das funktionsbezogene Merkmal der „auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutenden“ Prokura iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 [X.] ist dahin zu verstehen, dass das der Prokura zugrunde liegende Aufgabengebiet nicht unbedeutend sein darf. Ausschlaggebend für die Zuordnung eines Prokuristen zum Personenkreis der leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 [X.] sind daher nicht nur die mit der Prokura verbundenen formellen und umfassenden [X.] im Außenverhältnis, sondern auch die damit einhergehenden unternehmerischen Aufgaben, um derentwillen dem Arbeitnehmer die Prokura verliehen worden ist. Diese unternehmerischen Aufgaben dürfen nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 [X.] nicht von untergeordneter Bedeutung sein. Sonst fehlte der vom Gesetzgeber für den Personenkreis der leitenden Angestellten angenommene Interessengegensatz im Verhältnis zum Betriebsrat. Als leitender Angestellter muss ein Prokurist unternehmerische Leitungsaufgaben wahrnehmen. Ob das der Fall ist, bestimmt sich nach den Grundsätzen, die für die Zuordnung iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 [X.] entwickelt worden sind (vgl. [X.] 29. Juni 2011 - 7 [X.] - Rn. 19; 25. März 2009 - 7 [X.] - Rn. 16 mwN, [X.] [X.] 1972 § 5 Nr. 73 = EzA [X.] 2001 § 5 Nr. 4). Die formale Position der Prokura nach § 49 Abs. 1 HGB genügt nicht. Der Prokura als Vertretungsmacht gegenüber Dritten müssen unternehmerische Befugnisse von einigem Gewicht im ([X.] zum Arbeitgeber entsprechen. Sie müssen sich auf die Leitung des Unternehmens beziehen, eine unternehmerische Tätigkeit „anstelle“ des Unternehmers ermöglichen (vgl. [X.] 29. Juni 2011 - 7 [X.] - Rn. 23; zu der Entwicklung von Rspr. und Schrifttum zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 [X.] auch [X.] FS Hromadka S. 131, 140 ff.).

([X.]) Die Regelung in § 45 Satz 2 [X.] „koppelt“ die Ausnahme ua. von der Betriebsverfassung demgegenüber von den Befugnissen im Innenverhältnis „ab“. Sie typisiert den Status anhand der Zugehörigkeit zu der Berufsgruppe der angestellten Wirtschaftsprüfer. Die Bestimmung knüpft damit an Persönlichkeitsmerkmale an. Sie unterscheidet die Personengruppe der angestellten Wirtschaftsprüfer von den Personengruppen anderer beratender Berufe, die in Arbeitsverhältnissen stehen, zB angestellten Steuerberatern und Rechtsanwälten (vgl. zu der Ungleichbehandlung von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern hinsichtlich der Sozietätsfähigkeit mit [X.] [X.] 8. April 1998 - 1 BvR 1773/96 - zu [X.]I 1 c der Gründe, [X.]E 98, 49). Zugleich behandelt die Vorschrift angestellte Wirtschaftsprüfer, die die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] erfüllen, und angestellte Wirtschaftsprüfer, auf die das nicht zutrifft, gleich, wenn nur auf die Regelung in § 45 Satz 2 [X.] abgestellt wird.

(b) Die Ungleichbehandlung von angestellten Wirtschaftsprüfern und Angehörigen anderer beratender Berufe, die in Arbeitsverhältnissen tätig sind, ist sachlich gerechtfertigt iSv. Art. 3 Abs. 1 GG, wenn § 45 Satz 2 [X.] iVm. § 45 Satz 1 [X.] einschränkend dahin ausgelegt wird, dass die Bereichsausnahme nur für angestellte Wirtschaftsprüfer mit Prokura gilt (vgl. zu der nicht ganz einheitlichen Begrifflichkeit einer teleologischen Beschränkung oder aber Reduktion des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] [X.] 16. April 2002 - 1 [X.] - zu [X.]II der Gründe, [X.]E 101, 53 [teleologische Beschränkung]; 29. Januar 1980 - 1 [X.] - zu [X.]I 3 b der Gründe, [X.]E 32, 381 [teleologische Reduktion oder einschränkende Interpretation]). Die einschränkende Auslegung von § 45 Satz 2 [X.] vermeidet zudem - typisierend betrachtet - eine nach dem Normzweck des § 5 Abs. 3 [X.] möglicherweise unzulässige Gleichbehandlung von angestellten Wirtschaftsprüfern, die die Voraussetzungen eines der Tatbestände des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] erfüllen, und denjenigen, für die das nicht gilt.

(aa) Die sachliche Rechtfertigung der Bereichsausnahme des § 45 Satz 2 [X.] ist nicht nach den berufsrechtlichen Erfordernissen der Unabhängigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Unparteilichkeit von Wirtschaftsprüfern nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.] zu beurteilen. Entscheidend ist vielmehr der allgemeine Zweck der Ausnahme leitender Angestellter von der Betriebsverfassung (und zugleich vom [X.]). Die Minderung des arbeitsrechtlichen Schutzes, der sonst auch verfassungsrechtlich aufgrund der Schutzpflichten aus der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geboten ist, ist nur wegen der Arbeitgebernähe des leitenden Angestellten und der damit verbundenen Gefahr einer Interessenkollision im Verhältnis zum Betriebsrat zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber darf sich dabei einer Typisierung bedienen.

([X.]) Diesen Anforderungen an eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung mit Arbeitnehmern anderer beratender Berufsgruppen ist genügt, wenn § 45 Satz 2 [X.] iVm. § 45 Satz 1 [X.] einschränkend dahin ausgelegt wird, dass nur der angestellte Wirtschaftsprüfer und Prokurist als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] von der Betriebsverfassung ausgenommen ist. Die im Zusammenhang zu lesenden Sätze 2 und 1 des § 45 [X.] sind verfassungskonform so zu verstehen, dass der Gesetzgeber typisierend davon ausgeht, es handle sich bei der aufgrund der [X.] des § 45 Satz 1 [X.] zu erteilenden Prokura um eine im Innenverhältnis mit unternehmerischer Leitungsmacht verknüpfte Vertretungsberechtigung. Der Gesetzgeber nimmt demnach generalisierend eine im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht nur unbedeutende Prokura iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 [X.] an, dh. keine bloße sog. Titularprokura.

(cc) Die Typisierung überschreitet den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nicht. Für sie kann auf die besonderen berufsrechtlichen Pflichten von Wirtschaftsprüfern zurückgegriffen werden. Im Rahmen der sog. [X.] iSv. § 2 Abs. 1 [X.] sind Wirtschaftsprüfern betriebswirtschaftliche Prüfungen und [X.] über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen vorbehalten. Dabei führen sie ein Siegel. Gerade in diesem Bereich unterliegen Wirtschaftsprüfer besonders strengen Anforderungen an ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Sie haben ihren Beruf schon allgemein unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben und sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder dem Ansehen des Berufs unvereinbar ist. Bei den [X.] gehen die Pflichten von Wirtschaftsprüfern über ihre allgemeinen Verpflichtungen hinaus. Sie haben sich nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] insbesondere bei der Erstattung von Prüfberichten und Gutachten unparteiisch zu verhalten. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 [X.] haben sie sich der besonderen Berufspflichten bewusst zu sein, die ihnen aus der Befugnis erwachsen, gesetzlich vorgeschriebene [X.] zu erteilen. Daran wird deutlich, dass Wirtschaftsprüfer im öffentlichen Interesse mit Verantwortung vor der Öffentlichkeit besondere Aufgaben wahrnehmen (vgl. [X.] 8. April 1998 - 1 BvR 1773/96 - zu [X.]I 1 c (1) der Gründe, [X.]E 98, 49). Daraus kann typisierend auf unternehmerische Leitungsmacht im Innenverhältnis geschlossen werden, wenn angestellten Wirtschaftsprüfern Prokura erteilt ist.

([X.]) Diese einschränkende und typisierende Auslegung von § 45 Satz 2 [X.] iVm. § 45 Satz 1 [X.] rechtfertigt wegen der besonderen Aufgabenstellung von Wirtschaftsprüfern die Ungleichbehandlung gegenüber angestellten Steuerberatern und Rechtsanwälten. Sie wird auch dem ggf. anzuwendenden [X.] innerhalb der Berufsgruppe der angestellten Wirtschaftsprüfer gerecht. Die auf angestellte Wirtschaftsprüfer mit Prokura beschränkte Ausnahme von der Betriebsverfassung (und vom [X.]) stellt sicher, dass der arbeitsrechtliche Schutz nur solcher Wirtschaftsprüfer verringert wird, denen - typisierend betrachtet - Prokura iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 [X.] erteilt ist, die im Innenverhältnis mit der Wahrnehmung unternehmerischer (Teil-)Aufgaben einhergeht.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    [X.]    

        

    Glock    

                 

Meta

7 ABR 15/10

29.06.2011

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Stuttgart, 16. Oktober 2008, Az: 17 BV 33/08, Beschluss

§ 45 S 2 WiPrO, § 45 S 1 WiPrO, § 5 Abs 3 S 1 BetrVG, § 5 Abs 3 S 2 Nr 2 BetrVG, § 5 Abs 3 S 2 Nr 3 BetrVG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.06.2011, Az. 7 ABR 15/10 (REWIS RS 2011, 5344)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5344

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