Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 05.07.2013, Az. 2 BvR 2957/12

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2013, 4388

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: unzureichend begründete Entscheidung über Fortdauer der Unterbringung im Maßregelvollzug verletzt Grundrechte des Untergebrachten aus Art 2 Abs 2 S 2 GG iVm Art 20 Abs 3 GG - hier: erhebliche Abweichung von Einschätzung des Sachverständigen - unzureichende Konkretisierung der Gefahrenprognose - unzureichende Prüfung der Auswirkungen kraft Gesetzes eintretender Führungsaufsicht


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 12. September 2012 - 181 [X.] - und der Beschluss des [X.] vom 19. November 2012 - III 2 Ws 465/12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des [X.] vom 19. November 2012 - III 2 Ws 465/12 - wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbes[X.]hwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Bes[X.]hwerdeführers in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus (§ 63, § 67d Abs. 2 StGB).

2

1. a) Der Bes[X.]hwerdeführer wurde mit Urteil des Amtsgeri[X.]hts - Jugends[X.]höffengeri[X.]ht - [X.] vom 4. April 2000 unter Einbeziehung eines Urteils des [X.] vom 3. Dezember 1998 wegen versu[X.]hter Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährli[X.]her Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die Unterbringung des Bes[X.]hwerdeführers in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Das Geri[X.]ht ging dabei aufgrund einer narzisstis[X.]hen Selbstwertproblematik sowie eines massiven Ma[X.]ht- und Gewaltbedürfnisses sowohl vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB aufgrund des verwirkli[X.]hten Eingangsmerkmals einer "s[X.]hweren anderen seelis[X.]hen Abartigkeit" als au[X.]h von einer negativen Gefährli[X.]hkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB aus. Der Verurteilung lag folgender Sa[X.]hverhalt zugrunde:

3

Der Bes[X.]hwerdeführer, dessen dur[X.]h das [X.] angeordnete Unterbringung in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt war und der am Tattag Has[X.]his[X.]h konsumiert hatte, erbli[X.]kte am 10. Oktober 1999 in einem Zug zufällig eine Frau, die er attraktiv fand. Er folgte ihr, na[X.]hdem sie den Zug verlassen hatte, und s[X.]hlug ihr mit einem Kalksandstein gegen den Kopf, um sie zu vergewaltigen. Er forderte sein Opfer zum Oralverkehr auf und versu[X.]hte, es zu fesseln. Sein Opfer konnte si[X.]h jedo[X.]h befreien und fliehen.

4

b) Seit dem 13. Juli 2000 wird die Unterbringung des Bes[X.]hwerdeführers in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus vollzogen.

5

2. Na[X.]h vorheriger Einholung eines psy[X.]hiatris[X.]hen Sa[X.]hverständigenguta[X.]htens und einer Stellungnahme der Unterbringungseinri[X.]htung ordnete das [X.] mit angegriffenem Bes[X.]hluss vom 12. September 2012 die Fortdauer der Unterbringung des Bes[X.]hwerdeführers in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus an und führte zur Begründung aus:

6

a) Die weitere Vollstre[X.]kung der Unterbringung sei gemäß § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB nur dann zur Bewährung auszusetzen, wenn zu erwarten sei, dass der Untergebra[X.]hte außerhalb des [X.] keine re[X.]htswidrigen Taten mehr begehen werde. Dies könne im Hinbli[X.]k auf den Bes[X.]hwerdeführer ni[X.]ht mit der erforderli[X.]hen Si[X.]herheit festgestellt werden. Es bestehe na[X.]h wie vor die konkrete Gefahr, dass der Bes[X.]hwerdeführer bei Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Unterbringung infolge seines Zustandes erhebli[X.]he re[X.]htswidrige Taten begehen werde.

7

Die Einweisungsdiagnose bestehe fort. Na[X.]h Feststellung der Klinik liege bei dem Bes[X.]hwerdeführer eine Störung der Sexualpräferenz in Form eines Sadomaso[X.]hismus ([X.]: [X.]) sowie eine Störung dur[X.]h multiplen Substanzmittelmissbrau[X.]h ([X.]: [X.]) vor, wobei der Bes[X.]hwerdeführer gegenwärtig in [X.] Umgebung allerdings abstinent sei. Hinsi[X.]htli[X.]h der daraus resultierenden negativen Kriminalprognose habe die bisherige [X.]behandlung no[X.]h ni[X.]ht zu einer ausrei[X.]henden Besserung geführt. Zwar seien na[X.]h einem Therapeutenwe[X.]hsel im Jahr 2004 erste Ansätze bei der Tataufarbeitung festzustellen gewesen. Au[X.]h habe der Bes[X.]hwerdeführer si[X.]h in den Jahren 2009 bis 2011 weiter positiv entwi[X.]kelt, ihm seien Lo[X.]kerungen in Form von begleiteten Ausgängen gewährt worden, er habe ein Fernstudium abges[X.]hlossen, weiterhin Therapieangebote der Klinik wahrgenommen und eine dur[X.]h die Klinik als positiv bewertete Beziehung zu einer Mitpatientin entwi[X.]kelt. Seit Mitte des Jahres 2011 sei die Entwi[X.]klung des Bes[X.]hwerdeführers allerdings problematis[X.]h verlaufen. Er habe für die Ausübung sexueller Kontakte zu seiner Freundin ohne Erlaubnis einen leerstehenden Raum in der Klinik genutzt. Obwohl er auf den Verstoß hingewiesen worden sei, habe er den Raum weiterhin ohne Erlaubnis genutzt. Sämtli[X.]he Lo[X.]kerungen seien daraufhin gestri[X.]hen worden. Der Bes[X.]hwerdeführer habe si[X.]h sodann aus Frustration in eine Vielzahl von Regelverstößen verwi[X.]keln lassen. Unter anderem habe er si[X.]h an dem Eins[X.]hmuggeln von Drogen, Alkohol und [X.] auf die Station beteiligt und zuletzt, im Januar 2012, au[X.]h selbst Cannabis konsumiert. Na[X.]h Aufde[X.]kung dieser Vorkommnisse habe si[X.]h die Situation des Bes[X.]hwerdeführers no[X.]hmals vers[X.]hle[X.]htert. Eine selbstkritis[X.]he Einordnung seines Fehlverhaltens sei dem Bes[X.]hwerdeführer ni[X.]ht gelungen.

8

In Übereinstimmung mit der behandelnden Klinik müsse daher von einer rü[X.]ks[X.]hrittli[X.]hen Entwi[X.]klung des Bes[X.]hwerdeführers gespro[X.]hen werden. Im Rahmen einer selbständigen Lebensführung müsse damit gere[X.]hnet werden, dass er Beziehungen unter [X.]ni[X.]ht längerfristig aufre[X.]hterhalten könne, ohne dabei in alte destruktive Verhaltensmuster zurü[X.]kzufallen, die ihn gegebenenfalls wieder in deliktsträ[X.]htige oder deliktis[X.]he Situationen führen könnten. Der Bes[X.]hwerdeführer habe gezeigt, dass er ni[X.]ht [X.]sexuelles Verhalten ni[X.]ht anders kompensieren könne als dur[X.]h Betäubungsmittelmissbrau[X.]h, Regelverstöße und uneinsi[X.]htiges Verhalten. Aufgrund der Rü[X.]kfälle des Bes[X.]hwerdeführers könne ni[X.]ht ausges[X.]hlossen werden, dass es im Zusammenwirken mit dem Drogenkonsum in Freiheit wieder zu Übergriffen komme.

9

b) Dieser Eins[X.]hätzung stehe au[X.]h das eingeholte externe Guta[X.]hten des Sa[X.]hverständigen vom 25. August 2012 ni[X.]ht entgegen. Dieser gehe zwar von einer deutli[X.]hen und na[X.]hhaltigen Abs[X.]hwä[X.]hung des S[X.]hweregrades der bei dem Bes[X.]hwerdeführer vorliegenden Störung und einer günstigen Gefährli[X.]hkeitsprognose aus, allerdings befürworte au[X.]h er zunä[X.]hst ledigli[X.]h die umgehende Wiedergewährung von Lo[X.]kerungen. Daher komme erst na[X.]h einer Bewährung des Bes[X.]hwerdeführers in den Lo[X.]kerungen und einer Erprobung in der Dauerbeurlaubung über einen längeren Zeitraum eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung in Betra[X.]ht.

[X.]) Der Vollzug der Maßregel sei s[X.]hließli[X.]h weiterhin verhältnismäßig. Angesi[X.]hts der S[X.]hwere der begangenen und drohenden Gewalt- und Sexualstraftaten sowie des Bewährungsversagens des Bes[X.]hwerdeführers wiege das Risiko s[X.]hwerer als die Freiheitsentziehung des Bes[X.]hwerdeführers.

3. Die gegen diesen Bes[X.]hluss erhobene sofortige Bes[X.]hwerde des Bes[X.]hwerdeführers vom 2. Oktober 2012 verwarf das [X.] mit ebenfalls angegriffenem Bes[X.]hluss vom 19. November 2012 als unbegründet.

a) Das [X.] habe zutreffend aufgrund des eingeholten Guta[X.]htens und der Stellungnahmen angenommen, dass gegenwärtig die weitere, allerdings dur[X.]h zunehmende Lo[X.]kerungen geprägte Unterbringung des Bes[X.]hwerdeführers aufgrund der erst kurzzeitig zurü[X.]kliegenden Regelverstöße no[X.]h erforderli[X.]h sei. Die aktuelle Gefährli[X.]hkeitsprognose beruhe maßgebli[X.]h darauf, dass eine na[X.]hhaltige selbstkritis[X.]he Einordnung der Fehlverhaltensweisen dem Bes[X.]hwerdeführer bisher ni[X.]ht gelungen sei. Im Falle einer selbständigen Lebensführung außerhalb der Klinik müsse daher damit gere[X.]hnet werden, dass der Bes[X.]hwerdeführer eingegangene Beziehungen unter [X.] ni[X.]ht aufre[X.]hterhalten könne, ohne in alte destruktive Verhaltensmuster zurü[X.]kzufallen.

b) Angesi[X.]hts des bisherigen Behandlungsverlaufs und der no[X.]h ni[X.]ht hinrei[X.]hend erzielten Belastbarkeit des Bes[X.]hwerdeführers sowie der demzufolge no[X.]h bestehenden Gefahr fremdaggressiven Verhaltens sei gegenwärtig die weitere dur[X.]h [X.]geprägte Unterbringung au[X.]h ni[X.]ht unverhältnismäßig.

Der Bes[X.]hwerdeführer sieht si[X.]h dur[X.]h die angegriffenen Bes[X.]hlüsse in seinem Grundre[X.]ht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt.

1. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Bes[X.]hwerdeführers in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus lägen ni[X.]ht mehr vor. Der Sa[X.]hverständige sei eindeutig zu einer positiven Gefahrenprognose gekommen. Die Geri[X.]hte seien jedo[X.]h - ohne si[X.]h in ausrei[X.]hender Art und Weise mit der Argumentation des Sa[X.]hverständigen auseinanderzusetzen - vollkommen unkritis[X.]h der Eins[X.]hätzung der behandelnden Klinik gefolgt.

2. Aufgrund der positiven Gefährli[X.]hkeitsprognose und vor dem Hintergrund des grundre[X.]htsintensiven Freiheitseingriffs könne der weitere Vollzug der Maßregel au[X.]h angesi[X.]hts der S[X.]hwere der begangenen und drohenden Delikte jedenfalls ni[X.]ht mehr als verhältnismäßig angesehen werden.

1. Das [X.] hat keine Stellungnahme abgegeben.

Der [X.] beim [X.] hält die Verfassungsbes[X.]hwerde für begründet. Die angegriffenen Bes[X.]hlüsse verletzten das Freiheitsgrundre[X.]ht des Bes[X.]hwerdeführers. Zwar sei das eingeholte externe Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten dur[X.]h die Geri[X.]hte in ihre Würdigung einbezogen worden. Die angegriffenen Bes[X.]hlüsse setzten si[X.]h allerdings ni[X.]ht ausrei[X.]hend mit den Aussagen des Sa[X.]hverständigen auseinander und trügen vor allem dem Umstand ni[X.]ht ausrei[X.]hend Re[X.]hnung, dass der Guta[X.]hter dem Bes[X.]hwerdeführer eine günstige Gefahrenprognose zugebilligt habe. Zwar habe der Sa[X.]hverständige - insofern im Widerspru[X.]h zu der angestellten günstigen Gefahrenprognose - wegen der erforderli[X.]hen weiteren Entlassungsvorbereitung keine unmittelbare, sondern nur eine mögli[X.]hst baldige Entlassung vorges[X.]hlagen. Soweit die Fa[X.]hgeri[X.]hte insofern allerdings unterstellt hätten, dass na[X.]h Ansi[X.]ht des Sa[X.]hverständigen eine Gefährli[X.]hkeit fortbestehe, finde dies im Guta[X.]hten keine tragfähige Grundlage. Die Begründung der Fortdauer der Unterbringung habe daher unter Bea[X.]htung der si[X.]h aus dem Freiheitsgrundre[X.]ht des Bes[X.]hwerdeführers abzuleitenden verfassungsre[X.]htli[X.]hen Anforderungen einer eingehenderen Auseinandersetzung mit dem Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten und seinen Anknüpfungstatsa[X.]hen bedurft.

2. Dem [X.] haben die Akten 162 Js 1287/99 der Staatsanwalts[X.]haft [X.] vorgelegen.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbes[X.]hwerde zur Ents[X.]heidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerents[X.]heidung na[X.]h § 93[X.] Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 [X.] sind erfüllt. Das [X.] hat die für die Beurteilung der Verfassungsbes[X.]hwerde maßgebli[X.]hen verfassungsre[X.]htli[X.]hen Fragen - insbesondere die si[X.]h aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer langandauernder Unterbringungen in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus - bereits ents[X.]hieden (§ 93[X.] Abs. 1 Satz 1 [X.]; vgl. [X.] 70, 297), und die Annahme der Verfassungsbes[X.]hwerde ist zur Dur[X.]hsetzung des Grundre[X.]hts des Bes[X.]hwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Bu[X.]hstabe b [X.]). Die zulässige Verfassungsbes[X.]hwerde ist offensi[X.]htli[X.]h begründet (§ 93[X.] Abs. 1 Satz 1 [X.]).

Die angegriffenen Bes[X.]hlüsse verletzen den Bes[X.]hwerdeführer in seinem Grundre[X.]ht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

1. a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann "die Freiheit der Person" und nimmt einen hohen Rang unter den Grundre[X.]hten ein. Das kommt darin zum Ausdru[X.]k, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzli[X.]h" bezei[X.]hnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Bes[X.]hränkung nur aufgrund eines förmli[X.]hen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Bes[X.]hränkung statuiert (vgl. [X.] 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).

[X.] darf nur aus besonders gewi[X.]htigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen einges[X.]hränkt werden. Zu diesen wi[X.]htigen Gründen gehören in erster Linie sol[X.]he des Strafre[X.]hts und des Strafverfahrensre[X.]hts. Eingriffe in die persönli[X.]he Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem S[X.]hutz der Allgemeinheit (vgl. [X.] 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zuglei[X.]h haben die gesetzli[X.]hen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Eins[X.]hränkung der Freiheit der Person bestimmen. Das gilt au[X.]h für die Regelung der Unterbringung eines s[X.]huldunfähigen oder erhebli[X.]h vermindert s[X.]huldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebli[X.]he re[X.]htswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (vgl. [X.] 70, 297 <307>).

b) Die freiheitssi[X.]hernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG hat au[X.]h verfahrensre[X.]htli[X.]he Bedeutung. Unverzi[X.]htbare Voraussetzung eines re[X.]htsstaatli[X.]hen Verfahrens ist, dass Ents[X.]heidungen, die den Entzug der persönli[X.]hen Freiheit betreffen, auf zurei[X.]hender ri[X.]hterli[X.]her Sa[X.]haufklärung beruhen (vgl. [X.] 58, 208 <222>) und eine in tatsä[X.]hli[X.]her Hinsi[X.]ht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspri[X.]ht (vgl. [X.] 58, 208 <230>). Erst eine hinrei[X.]hende Tatsa[X.]hengrundlage setzt den [X.] in den Stand, darüber zu ents[X.]heiden, ob die Vollstre[X.]kung der Unterbringung in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus zur Bewährung auszusetzen ist (§ 67d Abs. 2 StGB). Nur auf dieser Grundlage kann er die von ihm geforderte Prognose künftiger Straffälligkeit stellen sowie die Verantwortbarkeit einer Erprobung des Untergebra[X.]hten in Freiheit und die Verhältnismäßigkeit einer weiteren Unterbringung prüfen.

Im Rahmen des "Gebotes bestmögli[X.]her Sa[X.]haufklärung" besteht bei [X.], bei denen geistige und seelis[X.]he Anomalien in Frage stehen, in der Regel die Pfli[X.]ht, einen erfahrenen Sa[X.]hverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt in Sonderheit dort, wo die Gefährli[X.]hkeit eines in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus Untergebra[X.]hten zu beurteilen ist (vgl. [X.] 70, 297 <309>). Dabei hat der [X.] die Aussagen oder Guta[X.]hten des Sa[X.]hverständigen selbstständig zu beurteilen ([X.] 70, 297 <310>).

[X.]) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrs[X.]ht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus. Das si[X.]h daraus ergebende Spannungsverhältnis zwis[X.]hen dem [X.] und dem [X.]der Allgemeinheit vor zu erwartenden erhebli[X.]hen Re[X.]htsgutverletzungen verlangt na[X.]h gere[X.]htem und vertretbarem Ausglei[X.]h. Dieser lässt si[X.]h für die Ents[X.]heidungen über die Aussetzung der Maßregelvollstre[X.]kung nur dadur[X.]h bewirken, dass [X.]und der [X.] als we[X.]hselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (vgl. [X.] 70, 297 <311>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist daher in die Prüfung der sogenannten [X.]der Maßregel na[X.]h § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen (integrative Betra[X.]htung). Die dem [X.] auferlegte Prognose erfordert eine wertende Ents[X.]heidung. Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur S[X.]hwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. [X.] 70, 297 <312 f.>).

Es ist auf die Gefahr sol[X.]her re[X.]htswidriger Taten abzustellen, die ihrer Art und ihrem Gewi[X.]ht na[X.]h ausrei[X.]hen, au[X.]h die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin "erhebli[X.]h" im Sinne des § 63 StGB sein. Die Beurteilung hat si[X.]h demna[X.]h darauf zu erstre[X.]ken, ob und wel[X.]he re[X.]htswidrigen Taten von dem Untergebra[X.]hten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rü[X.]kfallfrequenz) und wel[X.]hes Gewi[X.]ht den bedrohten Re[X.]htsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebra[X.]hten ausgehende Gefahr hinrei[X.]hend zu konkretisieren; der Grad der Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit zukünftiger re[X.]htswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Mögli[X.]hkeit vermag die weitere Maßregelvollstre[X.]kung ni[X.]ht zu re[X.]htfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es auf die voraussi[X.]htli[X.]hen Wirkungen der im Falle der Aussetzung der Maßregelvollstre[X.]kung zur Bewährung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsi[X.]ht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahme der Aufsi[X.]ht und Hilfe ankommen (vgl. §§ 68a, 68b StGB), insbesondere also die Tätigkeit eines Bewährungshelfers und die Mögli[X.]hkeit bestimmter Weisungen (vgl. [X.] 70, 297 <313 f.>).

Da es si[X.]h bei der Gesamtwürdigung der für die Frage der Aussetzung (§ 67d Abs. 2 StGB) maßgebli[X.]hen Umstände um eine wertende Ents[X.]heidung unter [X.] handelt, kann das [X.] sie ni[X.]ht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin na[X.]hprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entspre[X.]hen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ni[X.]ht verkennen. Je länger aber die Unterbringung in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des [X.] sein. Das Freiheitsgrundre[X.]ht gewinnt wegen des si[X.]h vers[X.]härfenden Eingriffs immer stärkeres Gewi[X.]ht für die [X.] des [X.]s. Der im Einzelfall unter Umständen na[X.]hhaltige Einfluss des gewi[X.]htiger werdenden Freiheitsanspru[X.]hs wird jedo[X.]h dort an Grenzen stoßen, wo es im Bli[X.]k auf die Art der von dem Untergebra[X.]hten drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit vor dem staatli[X.]hen S[X.]hutzauftrag für die Re[X.]htsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar ers[X.]heint, den Untergebra[X.]hten in die Freiheit zu entlassen (vgl. [X.] 70, 297 <314 f.>).

Das zunehmende Gewi[X.]ht des Freiheitsanspru[X.]hs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt si[X.]h bei langdauernden Unterbringungen in einem Psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus (§ 63 StGB) au[X.]h auf die an die Begründung einer Ents[X.]heidung na[X.]h § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt si[X.]h der [X.] des [X.]s ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wä[X.]hst die verfassungsgeri[X.]htli[X.]he Kontrolldi[X.]hte. Dem lässt si[X.]h dadur[X.]h Re[X.]hnung tragen, dass der [X.] seine Würdigung eingehender abfasst, si[X.]h also ni[X.]ht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfa[X.]hre[X.]htli[X.]hen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadur[X.]h wird es mögli[X.]h, im Rahmen verfassungsgeri[X.]htli[X.]her Kontrolle na[X.]hzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspru[X.]h glei[X.]hsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit weiterer re[X.]htswidriger Taten, die von dem Untergebra[X.]hten drohen, und deren Deliktstypus (vgl. [X.] 70, 297 <315 f.>).

Genügen die Gründe einer Ents[X.]heidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnli[X.]h lange währenden Unterbringung in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus (§ 63, § 67d Abs. 2 StGB) diesen Maßstäben ni[X.]ht, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebra[X.]hten auf sol[X.]her Grundlage ni[X.]ht re[X.]htmäßig einges[X.]hränkt werden kann; sein Grundre[X.]ht aus [ref=[X.]77496[X.]d-eefa-40b5-93f[X.]-39ee2[X.]8adb[X.]a]Art. 2 Abs. 2 Satz 2 [X.]] ist verletzt, weil es an einer verfassungsre[X.]htli[X.]h tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. [X.] 70, 297 <316 f.>).

2. Diesen verfassungsre[X.]htli[X.]hen Anforderungen tragen die angegriffenen Bes[X.]hlüsse des [X.] vom 12. September 2012 und des [X.] vom 19. November 2012 ni[X.]ht hinrei[X.]hend Re[X.]hnung. Zum Zeitpunkt der Ents[X.]heidung über die Fortdauer der Unterbringung dauerte der Maßregelvollzug bereits über zwölf Jahre an und übers[X.]hritt damit die Dauer der ausgeurteilten Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten erhebli[X.]h. Die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung hätte daher angesi[X.]hts des zunehmenden Gewi[X.]hts des Freiheitsanspru[X.]hs des Bes[X.]hwerdeführers unter dem Gesi[X.]htspunkt der Verhältnismäßigkeit sorgfältiger Begründung bedurft. Daran fehlt es.

Die Bes[X.]hlüsse tragen der Bedeutung des Freiheitsgrundre[X.]hts bereits deshalb ni[X.]ht Re[X.]hnung, weil die Geri[X.]hte hinsi[X.]htli[X.]h der vom Bes[X.]hwerdeführer ausgehenden Gefahr künftiger Straftaten von den Feststellungen des Sa[X.]hverständigenguta[X.]htens erhebli[X.]h abwei[X.]hen, ohne dies ausrei[X.]hend und na[X.]hvollziehbar zu begründen (a). Darüber hinaus fehlt es an einer hinrei[X.]henden Konkretisierung, wel[X.]he re[X.]htswidrigen Taten von dem Bes[X.]hwerdeführer mit wel[X.]hem Grad an Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit zu erwarten sind (b), sowie an einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Si[X.]herheitsinteressen der Allgemeinheit vorliegend ni[X.]ht au[X.]h dur[X.]h Maßnahmen der im Falle einer Bewährungsaussetzung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsi[X.]ht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) hinrei[X.]hend berü[X.]ksi[X.]htigt werden können ([X.]).

a) Die angegriffenen Bes[X.]hlüsse setzen si[X.]h ni[X.]ht in dem verfassungsre[X.]htli[X.]h gebotenen Umfang mit den Ausführungen des eingeholten externen Sa[X.]hverständigenguta[X.]htens auseinander.

aa) Na[X.]h Eins[X.]hätzung des Sa[X.]hverständigen ist ni[X.]ht zu erwarten, dass der Bes[X.]hwerdeführer zukünftig erneut in verglei[X.]hbarer Weise wie früher mit Sexual- und Gewaltstraftaten in Ers[X.]heinung treten wird. Der Bes[X.]hwerdeführer habe ein insgesamt adäquates und realitätsbezogenes Deliktsverständnis erworben. Er habe seine pubertäre und adoleszente Trotz- und Protesthaltung überwunden und sei deutli[X.]h na[X.]hgereift. Er habe es verstanden, mit einer si[X.]her ni[X.]ht sehr lei[X.]ht umgängli[X.]hen Mitpatientin mit [X.]unter s[X.]hwierigen Bedingungen eine Beziehung innerhalb des [X.] aufre[X.]htzuerhalten. Der Behandlungsverlauf sei insgesamt als positiv zu bewerten. Der Bes[X.]hwerdeführer könne mittlerweile seine sexuell devianten Präferenzen in sein Leben integrieren, ohne anderen damit zu s[X.]haden. Trotz der Krise im November 2011 und des Drogenrü[X.]kfalls im Januar 2012 sei der [X.]verlauf positiv zu bewerten und dem Bes[X.]hwerdeführer eine günstige Gefährli[X.]hkeitsprognose zu stellen.

bb) Mit diesen Ausführungen des Sa[X.]hverständigen setzen die Geri[X.]hte si[X.]h in den angegriffenen Bes[X.]hlüssen ni[X.]ht hinrei[X.]hend auseinander. Zwar ist ein Abwei[X.]hen von einem eingeholten Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten grundsätzli[X.]h mögli[X.]h, da die Prognoseents[X.]heidung ni[X.]ht der Sa[X.]hverständige, sondern das Geri[X.]ht zu treffen hat (vgl. [X.] 70, 297 <310>; 109, 133 <164>). Angesi[X.]hts der ausführli[X.]hen Herleitung und der Eindeutigkeit des Ergebnisses des Guta[X.]htens im Hinbli[X.]k auf die Gefährli[X.]hkeitsprognose hätte ein Abwei[X.]hen von dem Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten allerdings einer sorgfältigen Begründung bedurft. Eine sol[X.]he ist den angegriffenen Bes[X.]hlüssen jedo[X.]h ni[X.]ht zu entnehmen.

Der Rü[X.]kgriff auf die abwei[X.]hende Stellungnahme der Unterbringungseinri[X.]htung genügt insoweit ni[X.]ht. Diese geht von einer rü[X.]ks[X.]hrittli[X.]hen Entwi[X.]klung des Bes[X.]hwerdeführers, dem Fehlen einer selbstkritis[X.]hen Einordnung seiner Fehlverhaltensweisen und der Gefahr des Zurü[X.]kfallens in destruktive Verhaltensmuster mit erneutem Su[X.]htmittelmissbrau[X.]h aus. Im Gegensatz dazu attestiert der Sa[X.]hverständige dem Bes[X.]hwerdeführer eine deutli[X.]he Reifung seiner Persönli[X.]hkeit, eine selbstkritis[X.]he Auseinandersetzung und die Übernahme der Verantwortung für seine früheren Straftaten sowie die Erwartung, dass ein künftiger Su[X.]htmittelabusus unterbleiben werde, und stützt darauf seine günstige Gefahrenprognose. Hierzu hätten die Geri[X.]hte si[X.]h verhalten und eine eigene Prognoseents[X.]heidung treffen müssen. Die Behauptung des Landgeri[X.]hts, au[X.]h der Sa[X.]hverständige komme im Ergebnis zu keinem anderen S[X.]hluss als die Unterbringungseinri[X.]htung, findet in dem Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten keine tragfähige Grundlage. Soweit der Sa[X.]hverständige vors[X.]hlägt, dem Bes[X.]hwerdeführer die entzogenen Lo[X.]kerungen wieder zu gewähren und seine Entlassung "mögli[X.]hst zügig" vorzubereiten, ändert dies an der von ihm gestellten positiven Gefahrenprognose ni[X.]hts. Besteht aber keine Gefahr künftiger re[X.]htswidriger Taten, kommt eine Fortdauer der Unterbringung ni[X.]ht in Betra[X.]ht. Die Geri[X.]hte hätten daher die positive Gefahrenprognose des Sa[X.]hverständigen und die zugrundeliegenden Anknüpfungstatsa[X.]hen ni[X.]ht außer A[X.]ht lassen dürfen, sondern in die zu treffende Prognoseents[X.]heidung na[X.]hvollziehbar einbeziehen müssen. Warum bei der Ents[X.]heidung über die Fortdauer der Unterbringung auss[X.]hließli[X.]h auf die Stellungnahme der Unterbringungseinri[X.]htung abzustellen ist und die abwei[X.]henden Feststellungen des Sa[X.]hverständigen außer Betra[X.]ht bleiben können, ers[X.]hließt si[X.]h aus den angegriffenen Bes[X.]hlüssen ni[X.]ht.

b) Darüber hinaus fehlt es in den angegriffenen Bes[X.]hlüssen an der verfassungsre[X.]htli[X.]h gebotenen Konkretisierung der vom Bes[X.]hwerdeführer ausgehenden Gefahr künftiger erhebli[X.]her re[X.]htswidriger Taten.

aa) Das [X.] übernimmt im Hinbli[X.]k auf die anzustellende Gefährli[X.]hkeitsprognose wortglei[X.]h die Stellungnahme der behandelnden Klinik, indem es ausführt, es müsse damit gere[X.]hnet werden, dass der Bes[X.]hwerdeführer Beziehungen unter [X.]ni[X.]ht längerfristig aufre[X.]hterhalten können werde, ohne dabei in alte destruktive Verhaltensmuster zurü[X.]kzufallen, die ihn gegebenenfalls wieder in deliktsträ[X.]htige oder deliktis[X.]he Situationen führen könnten. Der Bes[X.]hwerdeführer habe gezeigt, dass er ni[X.]ht dur[X.]hsetzbares sexuelles Verhalten ni[X.]ht anders kompensieren könne als dur[X.]h Betäubungsmittelmissbrau[X.]h, Regelverstöße und uneinsi[X.]htiges Verhalten. Aufgrund der Rü[X.]kfälle des Bes[X.]hwerdeführers könne ni[X.]ht ausges[X.]hlossen werden, dass es im Zusammenwirken mit dem Drogenkonsum in Freiheit wieder zu Übergriffen komme.

bb) Das Landgeri[X.]ht hätte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung allerdings die Art der drohenden erhebli[X.]hen re[X.]htswidrigen Taten (Deliktstypus) und das Maß der Gefährdung konkretisieren und auf dieser Grundlage einer Abwägung mit dem Freiheitsanspru[X.]h des Bes[X.]hwerdeführers vornehmen müssen (vgl. [X.], Bes[X.]hluss der [X.] des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 -, juris, Rn. 17). Beides ist jedo[X.]h unterblieben. Au[X.]h dur[X.]h das Oberlandesgeri[X.]ht Düsseldorf ist auf die sofortige Bes[X.]hwerde des Bes[X.]hwerdeführers hin keine weitere Konkretisierung erfolgt.

Erforderli[X.]h für die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in einem psy[X.]hiatris[X.]hen Krankenhaus ist die Gefahr der Begehung weiterer erhebli[X.]her re[X.]htswidriger Taten.

(1) Eine Straftat ist im vorliegenden Zusammenhang von erhebli[X.]her Bedeutung, wenn sie mindestens dem Berei[X.]h der mittleren Kriminalität zuzure[X.]hnen ist, den Re[X.]htsfrieden empfindli[X.]h stört und geeignet ist, das Gefühl der Re[X.]htssi[X.]herheit der Bevölkerung erhebli[X.]h zu beeinträ[X.]htigen [X.], StGB, 60. Aufl. 2013, § 63 Rn. 17). Zwar dürften sowohl die dur[X.]h den Bes[X.]hwerdeführer begangene versu[X.]hte Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 22, 23 StGB) als au[X.]h die gefährli[X.]he Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) bereits aufgrund ihrer erhöhten Strafandrohung dem Berei[X.]h der mittleren Kriminalität zuzure[X.]hnen sein. Dass allerdings gerade sol[X.]he Straftaten von dem Bes[X.]hwerdeführer zu erwarten sind, legen weder das [X.] no[X.]h das Oberlandesgeri[X.]ht Düsseldorf dar.

(2) Straftaten von erhebli[X.]her Bedeutung müssen zudem zu erwarten sein. Dies setzt die Feststellung voraus, dass sie ni[X.]ht nur mögli[X.]herweise, sondern wahrs[X.]heinli[X.]h begangen werden, wenn ni[X.]ht vorgebeugt wird. Erforderli[X.]h ist insofern eine Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit höheren Grades [X.], StGB, 60. Aufl. 2013, § 63 Rn. 15). Weder den Ausführungen des [X.] no[X.]h denen des [X.] lässt si[X.]h der erforderli[X.]he Wahrs[X.]heinli[X.]hkeitsgrad oder gar eine weitere Konkretisierung unter mehreren ausrei[X.]henden Wahrs[X.]heinli[X.]hkeitsgraden entnehmen. Soweit die Geri[X.]hte ausführen, dass im Rahmen einer selbständigen Lebensführung des Bes[X.]hwerdeführers "damit gere[X.]hnet werden müsse", dass er Beziehungen unter [X.] ni[X.]ht längerfristig aufre[X.]hterhalten können werde, ohne dabei in alte destruktive Verhaltensmuster zurü[X.]kzufallen, die ihn "gegebenenfalls" wieder in deliktsträ[X.]htige oder deliktis[X.]he Situationen führen könnten, beziehungsweise aufgrund der Rü[X.]kfälle des Bes[X.]hwerdeführers "ni[X.]ht ausges[X.]hlossen werden könne", dass es im Zusammenwirken mit dem Drogenkonsum in Freiheit wieder zu Übergriffen komme, so wird dur[X.]h diese Formulierungen die erforderli[X.]he Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit höheren Grades ni[X.]ht ausrei[X.]hend von der insofern unzurei[X.]henden bloßen Mögli[X.]hkeit der Begehung weiterer erhebli[X.]her re[X.]htswidriger Taten abgegrenzt.

[X.]) S[X.]hließli[X.]h fehlt es in den angegriffenen Bes[X.]hlüssen an einer Auseinandersetzung damit, ob dem Si[X.]herheitsinteresse der Allgemeinheit ni[X.]ht dur[X.]h geeignete Auflagen im Rahmen der im Falle einer Bewährungsaussetzung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsi[X.]ht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) Re[X.]hnung getragen werden könnte. Eine entspre[X.]hende Auseinandersetzung wäre jedenfalls im Hinbli[X.]k auf die zumindest seit dem [X.] bestehende Reduzierung des Gefährli[X.]hkeitsgrades des Bes[X.]hwerdeführers, dessen positive Entwi[X.]klung im Maßregelvollzug bis November 2011 sowie die Ausführungen des Bes[X.]hwerdeführers zu einem bestehenden [X.] Empfangsraum, einer mögli[X.]hen Arbeitsstelle sowie der Bereits[X.]haft zur Dur[X.]hführung einer ambulanten Therapie erforderli[X.]h gewesen. Der Hinweis in den angegriffenen Bes[X.]hlüssen, es fehle no[X.]h an einer Erprobung des Bes[X.]hwerdeführers in einer Dauerbeurlaubung über einen längeren Zeitraum, vermag keine andere Eins[X.]hätzung zu re[X.]htfertigen.

1. Der Bes[X.]hluss des [X.] vom 19. November 2012 ist daher aufzuheben. Die Sa[X.]he ist an das [X.] zurü[X.]kzuverweisen (§ 95 Abs. 2 [X.]).

2. Die Ents[X.]heidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

2 BvR 2957/12

05.07.2013

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Düsseldorf, 19. November 2012, Az: III 2 Ws 465/12, Beschluss

Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 63 StGB, § 67d Abs 2 S 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 05.07.2013, Az. 2 BvR 2957/12 (REWIS RS 2013, 4388)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4388

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