Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2015, Az. IV ZR 526/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3216

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Gegenstand

Einleitung eines Güteverfahrens zur Verjährungshemmung: Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit


Leitsatz

1. Die Anrufung einer Gütestelle zum Zwecke der Verjährungshemmung ist rechtsmissbräuchlich, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat.

2. In diesem Fall ist es dem Gläubiger gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung durch Bekanntgabe des Güteantrags zu berufen.

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Parteien wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 24. November 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten erkannt und die Klage bezüglich der geltend gemachten Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 82.829,28 € vom 7. Januar 2010 bis 16. Juli 2012 und aus einem Betrag von 157.829,28 € seit dem 17. Juli 2012 abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der [X.], einem [X.] Lebensversicherer, Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines [X.]. Diese Versicherung war Bestandteil eines als "[X.]" bezeichneten [X.] und Kapitalanlagemodells.

2

Geworben durch einen Untervermittler schloss der Kläger bei der [X.] einen Lebensversicherungsvertrag "W.            " mit Versicherungsbeginn zum 20. Dezember 2001 ab. Zur Finanzierung des von ihm gezahlten Einmalbetrages in Höhe von 383.468,90 € schlossen der Kläger und seine Ehefrau unter Abtretung aller gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung einen Darlehensvertrag mit einer Bank über 309.842,87 € ab. Zudem brachte der Kläger Eigenkapital in Höhe von 76.693,78 € ein. Die Darlehenszinsen sollten durch regelmäßige Auszahlungen aus der Lebensversicherung gedeckt werden.

3

Der Vertrag wurde zum 20. Dezember 2011 zur Auszahlung fällig. Der [X.] in Höhe von 402.937,25 € wurde auf ein Konto des [X.] bei der finanzierenden Bank eingezahlt. Bis zum 22. Dezember 2011 machte diese eine Darlehensforderung von etwa 586.000 € geltend. Mit Blick auf die Ablaufleistung der streitgegenständlichen Lebensversicherung reduzierte sich dieser Betrag auf etwas mehr als 200.000 € inklusive Zinsen. In der Folge schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit der finanzierenden Bank einen Vergleich, nach dem noch 75.000 € gezahlt werden sollten und die Bank im Gegenzug auf 132.000 € verzichtete.

4

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts reichte der Kläger über seinen Anwalt mit Eingang vom 31. Dezember 2009 bei der staatlich anerkannten Gütestelle des Rechtsanwalts und Mediators [X.]in F.               einen Güteantrag ein, von dem die Beklagte mit Schreiben der Gütestelle vom 17. März 2010 unterrichtet wurde. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2010, eingegangen bei der Gütestelle am 26. März 2010, mitgeteilt hatte, dass sie an dem Güteverfahren nicht teilnehmen werde, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 20. April 2010, eingegangen bei den Prozessbevollmächtigten des [X.] am 21. April 2010, das Scheitern des Verfahrens fest. In § 7 Buchst. b der maßgeblichen Verfahrensordnung der Gütestelle heißt es: "Das Verfahren endet, (…) wenn eine Partei erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnehmen wird."

5

Am 17. Oktober 2012 hat der Kläger beim [X.] Klage eingereicht, die der [X.] am 30. Oktober 2012 zugestellt worden ist. Mit seiner Klage hat der Kläger ursprünglich die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 192.143,83 € zuzüglich Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten, sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch verpflichtet sei, ihm zukünftig entstehende Schäden im Zusammenhang mit dem Abschluss des streitgegenständlichen [X.] zu ersetzen, verlangt.

6

Das [X.] hat die Klage wegen Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage größtenteils - mit Ausnahme von entgangenem Gewinn und einem Teil der Zinsen und Rechtsanwaltskosten - stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Revision. Mit seiner Anschlussrevision begehrt der Kläger weiteren Schadensersatz, soweit das Berufungsgericht ihm seinen Zinsanspruch abgesprochen hat.

Entscheidungsgründe

7

Revision und [X.] sind erfolgreich. Sie führen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des [X.] auf Ersatz des geltend gemachten [X.] bejaht. Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht verletzt, da sie dem Kläger bei Vertragsschluss weder durch ihr Prospekt- und Informationsmaterial noch im Rahmen eines persönlichen Gespräches das Glättungsverfahren und die damit zusammenhängende [X.] im Rahmen der nach dem With-Profit Funds organisierten Police sowie deren Folgen klar vor Augen geführt habe. Diese Pflichtverletzung sei für die Anlageentscheidung des [X.] kausal gewesen. Er sei daher so zu stellen, als hätte er den streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrag nicht abgeschlossen. Sein noch bestehendes negatives Interesse belaufe sich auf 157.829,28 €. Weiteren entgangenen Gewinn wegen entgangener Anlagezinsen könne der Kläger nicht verlangen. Der Feststellungsantrag sei hingegen begründet, da der endgültige Schaden noch nicht feststehe.

9

Der Betrag von 157.829,28 € sei erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, weil die Zahlungsaufforderung im anwaltlichen Schreiben vom 26. Dezember 2009 keine wirksame Mahnung dargestellt habe.

Der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch sei auch nicht kenntnisunabhängig verjährt. Die hierfür zunächst geltende regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB a.F. sei gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB von dem 1. Januar 2002 an durch die neue zehnjährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB n.F. abgelöst worden und hätte damit ohne Hemmung am 31. Dezember 2011 geendet. Das vom Kläger eingeleitete Güteverfahren habe jedoch eine Hemmung der Verjährung herbeigeführt. Der [X.] sei ab dem 31. Dezember 2009 zu berechnen, als der - nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehende und inhaltlich durch das Begleitschreiben hinreichend bestimmte - Güteantrag des [X.] bei der Gütestelle eingereicht worden sei, da die Bekanntgabe am 17. März 2010 trotz der durch die Gütestelle zu vertretenden Verzögerung noch "demnächst" erfolgt sei. Das Verfahren vor der Gütestelle habe seinen Abschluss mit der Erteilung der Erfolglosigkeitsbescheinigung im Schreiben vom 20. April 2010 und dem damit verbundenen Zugang der Mitteilung der [X.] vom 23. März 2010 gefunden. Die sechsmonatige Nachfrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB habe am 21. April 2010 begonnen, als dem Prozessbevollmächtigten des [X.] die Erfolglosigkeitsbescheinigung und das [X.] der [X.] zuging. Danach ergebe sich ein [X.] von 294 Tagen, was gemäß § 209 BGB zu einem Hinausschieben der Verjährung bis zum 20. Oktober 2012 geführt habe. Die am 17. Oktober 2012 per Telefax eingereichte und am 30. Oktober 2012 zugestellte Klage sei daher unter Heranziehung von § 167 ZPO noch vor Eintritt der Verjährung erhoben worden.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Die Revision ist insgesamt statthaft, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen die Zulassung "auf die Frage des Endes der Hemmung der Verjährung bei Beendigung eines Verfahrens zur außergerichtlichen Streitschlichtung" beschränkt hat, ist diese Beschränkung unwirksam. Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist nur im Hinblick auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des [X.] zulässig, nicht aber auf einzelne Rechtsfragen wie zum Beispiel die Frage der Verjährung oder gar einzelne Aspekte der Verjährung ([X.], Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.], NJW 2011, 1228 Rn. 11 m.w.N.).

Die unwirksame Beschränkung führt dazu, dass das Urteil in vollem Umfang revisionsrechtlich zu überprüfen ist ([X.], Urteil vom 20. Mai 2003 - [X.], [X.], 1396).

2. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

a) Dessen Feststellungen zu Grund und Höhe des zuerkannten Anspruchs lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Insoweit erhebt die Revision auch keine Angriffe.

b) Zu Recht beanstandet die Revision dagegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verjährung.

Dabei geht dieses noch zutreffend davon aus, dass die zehnjährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und deshalb zum Jahresende 2011 ablief (hier am 2. Januar 2012, weil der 31. Dezember 2011 ein Samstag war), sofern nicht vorher eine Hemmung der Verjährung eintrat. Dies folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB. Nicht ausreichend sind jedoch die Feststellungen dazu, dass der Güteantrag des [X.] eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB bewirkt habe.

aa) Keinen Bedenken begegnet es allerdings, dass das Berufungsgericht eine hinreichend genaue Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs in dem gestellten Güteantrag angenommen hat.

(1) Damit die Verjährung eines Anspruchs durch einen Güteantrag gehemmt werden kann, muss dieser Anspruch in dem Antrag ausreichend individualisiert sein. Ohne diese Individualisierung tritt eine Hemmung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden ([X.], Urteil vom 18. Juni 2015 - [X.], NJW 2015, 2407 Rn. 17 m.w.N.).

Dazu muss der Güteantrag zum einen die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden und zum anderen für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte ([X.] aaO Rn. 21 f.). Der Güteantrag muss dementsprechend einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen. Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen. Allerdings sind insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Denn das Güteverfahren zielt - anders als die Klageerhebung oder das Mahnverfahren - auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Streits ab und führt erst im Falle einer Einigung der Parteien zur Schaffung eines dieser Einigung entsprechenden vollstreckbaren Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); auch besteht keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss ([X.] aaO Rn. 23 f. m.w.N.).

(2) Den so beschriebenen Anforderungen genügte der im Streitfall gestellte Güteantrag des [X.].

(a) Dem steht zunächst nicht entgegen, dass sich einige wesentliche Angaben zur Darstellung des [X.] ([X.], Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs) hier nicht in dem Güteantrag selbst befanden, sondern lediglich in einem vorprozessualen Anspruchsschreiben, das dem Antrag beigefügt war.

Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich wie hier um ein einzelnes Schreiben handelt, mit dem die Erkennbarkeit des Begehrens des Antragstellers gewährleistet wird, auf dessen Inhalt in dem Antrag ausdrücklich Bezug genommen ist und das dem Antrag beigefügt wurde; es wäre demgegenüber bloßer Formalismus und würde lediglich unnötige Schreibarbeit erfordern, wenn man die Übernahme der entsprechenden Textpassagen aus dem beigefügten Schreiben in den Antrag selbst verlangte (vgl. [X.]/[X.], [X.], 89, 95).

(b) Inhaltlich waren die Angaben in dem Güteantrag und dem beigefügten und in Bezug genommenen Anspruchsschreiben ausreichend.

Zwar ist in [X.] regelmäßig nicht nur die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen und die Zeichnungssumme mitzuteilen, sondern auch der (ungefähre) Beratungszeitraum anzugeben und der Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen ([X.], Urteil vom 18. Juni 2015 - [X.], NJW 2015, 2407 Rn. 25), und im Streitfall fehlen Angaben zum [X.], das dem Vertragsabschluss zugrunde liegt. Das ist aber unschädlich, weil es hier nicht um einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung, sondern um einen solchen wegen Aufklärungsmängeln infolge ungenügender Aufklärung über Besonderheiten des von der [X.] angebotenen Versicherungsprodukts geht, der nicht unmittelbar vom Verlauf des [X.]s abhängig ist und allein hierauf gestützt wird. Eine Anlageberatung war von der [X.] unstreitig nicht geschuldet.

Im Übrigen ist den skizzierten Anforderungen durch die Beifügung des an die Beklagte gerichteten [X.] vom 26. Dezember 2009, in welchem [X.], Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs bezeichnet werden, Genüge getan. Hierdurch wurde es der [X.] problemlos möglich, den Streitfall zuzuordnen und zu erkennen, welcher Anspruch gegen sie geltend gemacht wird. Ebenso war dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten ([X.] aaO).

Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich insoweit auch von demjenigen, der dem Urteil des [X.] vom 20. August 2015 ([X.], [X.], 1807) zugrunde lag. Anders als dort (vgl. dazu [X.] aaO Rn. 22) war hier bereits dem Güteantrag selbst zu entnehmen, dass der Abschluss der Lebensversicherung als Teil eines Kapitalanlagemodells erfolgte, in dem zur Einzahlung in den Lebensversicherungsvertrag ein Darlehen aufgenommen wurde, mithin eine Fremdfinanzierung vorlag (Seite 2 Absatz 3 des Antrags), und dass der Erblasser unter anderem die Freistellung von den [X.] und den Ersatz des daraus resultierenden Aufwands in Form von Zinszahlungen und [X.] begehrte (Seite 3 Absatz 4). Jedenfalls die Größenordnung der insoweit verfolgten Ansprüche ergab sich zudem aus den Angaben zum Schaden auf Seite 7 des beigefügten und in Bezug genommenen [X.].

Auch soweit Umfang und Inhalt der Aufklärungspflichten der [X.] unter Umständen vom - im Güteantrag nicht mitgeteilten - Zeitpunkt des Vertragsschlusses abhängig sein können, ist dessen fehlende Angabe im Güteantrag hier nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Beklagte konnte den Zeitpunkt der an sie gerichteten Antragstellung ohne weiteres aufgrund der ihr mitgeteilten [X.] ermitteln. Die Gütestelle wiederum war für einen möglichen Einigungsvorschlag ohnehin auf die Stellungnahme der [X.] zum Güteantrag angewiesen, der sie entnehmen konnte, welchen der geltend gemachten Pflichtverletzungen die Beklagte mit welchen tatsächlichen Behauptungen entgegentreten wollte.

bb) Das Berufungsgericht hat für den Beginn des eventuellen [X.]s auch zu Recht und mit zutreffender Begründung auf den 31. Dezember 2009 abgestellt, obwohl die Veranlassung der Bekanntgabe des [X.] erst am 17. März 2010 erfolgte. Da die Bekanntgabe hier noch "demnächst"    im Sinne von § 167 ZPO erfolgte, wirkte sie auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück, § 204 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 BGB. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen.

cc) Zu Recht beanstandet sie aber, dass das Berufungsgericht nicht ausreichend geprüft hat, ob im Streitfall die Einreichung des [X.] einen Rechtsmissbrauch des [X.] darstellt, was einer Hemmung der Verjährung entgegenstünde.

(1) Anders als die Revision meint, stellt es allerdings keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des [X.] dar, dass die Prozessbevollmächtigen des [X.] insgesamt 904 gegen die Beklagte gerichtete [X.] gleichzeitig bei der Gütestelle eingereicht haben. Dies ist im Rahmen sinnvoller Prozessführung nicht zu beanstanden, weil es einer sachgerechten Erledigung eher förderlich sein kann, wenn gleichgelagerte Parallelfälle an derselben Stelle erörtert und gegebenenfalls verhandelt werden. Die Prozessbevollmächtigen des [X.] waren daher nicht gehalten, die [X.] auf unterschiedliche Gütestellen zu verteilen, nur um deren Arbeitsbelastung gering zu halten. Vielmehr lag es im Aufgabenbereich der Gütestelle, ihre Arbeitsabläufe auch bei zahlreichen weitestgehend gleichlautenden Eingängen zu organisieren.

(2) Es ist auch grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft ([X.], Urteil vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 337, 345).

(3) Hiervon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn schon vor der Einreichung des [X.] feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat. In einem solchen Fall ist von vornherein sicher, dass der Zweck des außergerichtlichen [X.] - die Entlastung der Justiz und ein dauerhafter Rechtsfrieden durch konsensuale Lösungen (BT-Drucks. 14/980, [X.] und 5) - nicht erreicht werden kann, weshalb sich eine gleichwohl erfolgte Inanspruchnahme der Gütestelle als rechtsmissbräuchlich erweist. Als Rechtsfolge einer derartigen missbräuchlichen Inanspruchnahme des Verfahrens ist es dem Gläubiger gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung durch Bekanntgabe des [X.] zu berufen (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 2015 - [X.], [X.], 1559 Rn. 23 m.w.N. [für Hemmung durch Mahnverfahren]).

Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands hat die Beklagte unter Beweisantritt schlüssig vorgetragen. Sie hat behauptet, den Prozessbevollmächtigten des [X.] sei schon vor Einleitung des [X.] bekannt gewesen, dass die Beklagte zu einer gütlichen Einigung nicht bereit ist. Sowohl im Rahmen eines Gesprächs zwischen der Anwaltskanzlei des [X.], der [X.] und einem Vertreter der [X.] im Oktober 2008 als auch bereits im Vorfeld dieser Besprechung habe die Beklagte deutlich gemacht, dass eine gütliche Einigung nicht in Betracht komme und angesichts der Vielzahl von Verfahren keine außergerichtlichen Lösungsmöglichkeiten bestünden. Dies sei den Prozessbevollmächtigten des [X.] somit bekannt gewesen.

Das Berufungsgericht ist diesem Vortrag bislang nicht nachgegangen und hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Aus diesem Grunde ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sofern das Berufungsgericht kein rechtsmissbräuchliches Verhalten feststellen sollte, wird es im Weiteren die Grundsätze des [X.] in der Sache IV ZR 405/14 vom heutigen Tage (zur Veröffentlichung bestimmt) zu beachten haben.

3. Die [X.] ist ebenfalls begründet. Die Abweisung des vom Kläger verfolgten weitergehenden [X.] kann nicht bereits unabhängig vom Hauptanspruch Bestand haben.

Die [X.] macht zu Recht geltend, dass die Beklagte mit Schreiben vom 7. Januar 2010 - mit dem sich das Berufungsgericht nicht befasst hat - die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat, so dass sie auch ohne Mahnung in Verzug geraten ist, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. In diesem Schreiben hat die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche bestimmt und ohne Einschränkung zurückgewiesen.

[X.]                                   Felsch                                 [X.]

                Dr. Brockmöller                       Dr. Bußmann

Meta

IV ZR 526/14

28.10.2015

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 24. November 2014, Az: 7 U 101/14

§ 204 Abs 1 Nr 4 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2015, Az. IV ZR 526/14 (REWIS RS 2015, 3216)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 233 REWIS RS 2015, 3216

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