Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2015, Az. IV ZR 405/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3162

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 405/14
Verkündet am:

28. Oktober 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2
Satz 1
a) Zur ausreichenden Individualisierung der geltend gemachten Ansprüche in einem Güteantrag durch ein beigefügtes Anspruchsschreiben.
b) Endet ein Güteverfahren im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB dadurch, dass der Schuldner mitteilt, am Verfahren nicht teilzunehmen, so endet die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach dem Zeitpunkt, in dem die Gütestelle die Bekanntgabe dieser Mitteilung an den Gläubiger veranlasst.
[X.], Urteil vom 28. Oktober 2015 -
IV ZR 405/14 -
[X.]

[X.]

-
2
-

Der
IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterinnen
Dr.
[X.] und Dr.
Bußmann
auf die mündliche Verhandlung vom 28.
Oktober 2015

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.]

1. Zivilsenat

vom 9. Oktober 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt als Alleinerbin ihres im August 2011
verstor-benen Vaters
(im Folgenden: Erblasser)
von der
[X.], einem engli-schen Lebensversicherer, die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten gegenüber dem [X.] im Zusammenhang mit dem Abschluss eines
Lebensversicherungs-vertrages.
Diese Versicherung war Bestandteil eines als "Geared In-vestment
Pack"
bezeichneten Altersvorsorge-
und Kapitalanlagemodells.

1
-
3
-

Geworben durch einen Untervermittler schloss der Erblasser bei der [X.] einen Lebensversicherungsvertrag "W.

"
mit Versicherungsbeginn zum 3.
August 2001 ab. Zur Finanzierung des von ihm gezahlten Einmalbetrages in Höhe von
217.280
DM schloss der Erblasser einen Darlehensvertrag mit einer Bank über 224.000
DM ab. Zudem zahlte er einen Betrag in Höhe von 56.000 DM in Form von Wert-papieren an die kreditgebende Bank. Die Darlehenszinsen sollten durch regelmäßige Auszahlungen aus der Lebensversicherung gedeckt wer-den. Daneben investierte der Erblasser
im Rahmen des "Geared Invest-ment
Pack"
in ein Wertpapierdepot, das
bei Endfälligkeit zur Tilgung des
Darlehens
verwendet werden sollte.
Im Februar 2005 wurden die vertrag-lichen Ansprüche aus der Lebensversicherung im Zuge einer [X.] an eine andere Bank abgetreten.

Am
31.
Dezember 2009
reichte
der Erblasser über seinen Anwalt bei der staatlich anerkannten Gütestelle des Rechtsanwalts und Media-tors Franz X. R

in F.

Güteantrag ein,
von dem die Beklagte mit Schreiben der Gütestelle vom 17.
März 2010
unter-richtet wurde. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23. März
2010, eingegangen bei der Gütestelle am 25. oder 26.
März 2010,
mitgeteilt hatte, dass sie an dem Güteverfahren nicht
teilnehmen werde, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 20. April 2010, eingegangen bei den Pro-zessbevollmächtigten des Erblassers
am 21. April 2010,
das Scheitern des Verfahrens fest. In § 7 Buchst. b
der maßgeblichen Verfahrensord-nung der Gütestelle
heißt
es: "[X.] erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnehmen wird."

Am 16. Oktober 2012
hat die Klägerin
beim
[X.] Klage ein-gereicht, die der [X.]
am 4. Januar
2013 zugestellt worden ist.
Mit 2
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-
4
-

ihrer Klage verlangt die Klägerin zuletzt die Feststellung, dass ihr die Beklagte den ihr und dem Erblasser entstandenen und den ihr noch ent-stehenden Schaden im Zusammenhang mit dem vom Erblasser abge-schlossenen Altersvorsorge-
und Kapitalanlagemodell zu ersetzen habe; hilfsweise sei der Schadensersatz an die kreditgebende Bank zu leisten.

Das [X.] hat
die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
Die Berufung hat keinen Erfolg gehabt.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage für zulässig, [X.] unbegründet erachtet.
In Bezug auf die Quersubventionierung und das Glättungsverfahren lägen zwar durch das [X.] zutreffend festgestellte Aufklärungspflichtverletzungen der [X.] vor, der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch sei aber
kenntnisunab-hängig verjährt. Die hierfür zunächst geltende regelmäßige [X.] von 30 Jahren nach § 195 BGB a.F. sei gemäß Art. 229 §
6 Abs.
4 EGBGB von dem 1. Januar 2002 an durch die neue zehnjährige [X.] des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB n.F. abgelöst worden und hätte damit ohne Hemmung am 31. Dezember 2011 geendet. Zwar habe das vom Erblasser eingeleitete Güteverfahren eine Hemmung der Verjährung herbeigeführt, diese habe aber am 25. September 2010
geendet, also 5
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sechs
Monate nach Eingang des Ablehnungsschreibens der [X.]
bei der Gütestelle. Nach der maßgeblichen Verfahrensordnung der Güte-stelle
ende das Güteverfahren
und damit auch die Hemmung der Verjäh-rung, wenn eine [X.] erkläre, dass sie an einem Mediationstermin nicht teilnehmen werde; in der Mitteilung,
am gesamten Verfahren nicht teilzu-nehmen,
sei diese Erklärung enthalten. Auf die Kenntnis des Antragstel-lers von der Erklärung der Gegenseite komme
es nicht an. Die Klageein-reichung sei
mithin in [X.] erfolgt.

I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Eine Verjährung des Anspruchs lässt sich mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht feststellen.

1.
Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings
davon aus, dass die zehnjährige Verjährungsfrist am 1. Januar
2002 zu [X.] hat und deshalb zum Jahresende 2011 ablief (hier am 2.
Januar 2012, weil der 31.
Dezember 2011 ein Samstag war), sofern nicht vorher eine Hemmung der Verjährung eintrat. Dies folgt aus Art. 229 §
6 Abs.
4 Satz 1 EGBGB.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass am 31.
Dezember 2009 zunächst eine Hemmung der Verjährung nach §
204 Abs.
1 Nr.
4 BGB eintrat, als der Erblasser seinen
Güteantrag bei der staatlich anerkannten Gütestelle einreichte, der der [X.] sodann "demnächst"
bekanntgegeben wurde.

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a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war der gel-tend gemachte Anspruch in dem Güteantrag bestimmt genug
bezeichnet, um eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen.

aa) Damit die Verjährung eines Anspruchs durch einen Güteantrag gehemmt werden kann, muss dieser Anspruch in dem Antrag ausrei-chend individualisiert sein. Ohne diese Individualisierung tritt eine Hem-mung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden ([X.], Urteil vom 18. Juni 2015 -
III ZR 198/14, NJW 2015, 2407 Rn. 17 m.w.N.).

Dazu muss der Güteantrag zum einen die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgebli-chen Verfahrensvorschriften gefordert werden und zum anderen für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend [X.] werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgver-sprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte ([X.] aaO Rn. 21 f.). Der Güteantrag muss dementsprechend einen bestimm-ten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Be-gehren erkennen lassen. Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen. Allerdings sind insoweit keine allzu strengen Anforderun-gen zu stellen. Denn das Güteverfahren zielt -
anders als die Klageerhe-bung oder das Mahnverfahren -
auf eine außergerichtliche gütliche Bei-legung des Streits ab und führt erst im Falle einer Einigung der [X.]en zur Schaffung eines dieser Einigung entsprechenden vollstreckbaren Ti-tels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); auch besteht keine strikte Antragsbindung wie im Mahn-
oder Klageverfahren. Außerdem ist zu berücksichtigen, 11
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dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Ver-mittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausrei-chend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss ([X.] aaO Rn. 23 f. m.w.N.).

[X.]) Den so beschriebenen Anforderungen genügte der im Streitfall gestellte Güteantrag des Erblassers.

(1) Dem steht zunächst nicht entgegen, dass sich einige wesentli-che Angaben zur Darstellung des Streitgegenstands ([X.], Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflicht-verletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs) hier nicht in dem Güteantrag selbst befanden, sondern lediglich in einem vorprozessualen Anspruchsschreiben, das dem Antrag beigefügt war.

Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich wie hier um ein einzelnes Schreiben handelt, mit dem die Erkennbarkeit des Begehrens des [X.] gewährleistet wird,
auf dessen Inhalt in dem Antrag aus-drücklich Bezug genommen ist
und das dem Antrag beigefügt wurde; es wäre demgegenüber bloßer Formalismus und würde lediglich unnötige Schreibarbeit erfordern, wenn man die Übernahme der entsprechenden Textpassagen aus dem beigefügten Schreiben in den Antrag selbst ver-langte (vgl. [X.]/[X.], [X.], 89, 95).

(2) Inhaltlich waren die Angaben in dem Güteantrag und dem [X.] und in Bezug genommenen Anspruchsschreiben ausreichend.

Zwar ist in [X.] regelmäßig nicht nur die [X.] Kapitalanlage zu bezeichnen und die Zeichnungssumme mitzuteilen, 14
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sondern auch der (ungefähre) Beratungszeitraum anzugeben und der Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen ([X.], Urteil vom 18. Juni 2015 -
III ZR 198/14, NJW 2015, 2407 Rn. 25), und im Streitfall fehlen Angaben zum [X.], das dem [X.] zugrunde liegt. Das ist aber unschädlich, weil es hier nicht um einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung, sondern um einen solchen wegen Aufklärungsmängeln infolge [X.] Aufklärung über Besonderheiten des von der [X.] angebo-tenen Versicherungsprodukts geht, der nicht unmittelbar vom Verlauf des [X.]s abhängig ist und allein hierauf gestützt wird. Eine Anlageberatung war von der [X.] unstreitig nicht geschuldet.

Im Übrigen ist den skizzierten Anforderungen durch die Beifügung des an die Beklagte gerichteten [X.] vom 28. Dezember 2009, in welchem [X.], Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend [X.]en Schadensersatzanspruchs bezeichnet werden, Genüge getan. Hierdurch wurde es der [X.] problemlos möglich, den Streitfall zu-zuordnen und zu erkennen, welcher Anspruch gegen sie geltend [X.] wird. Ebenso war dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rück-schluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich. Eine ge-naue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten ([X.] aaO).

Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich insoweit
auch von demjenigen, der dem Urteil des [X.]
vom 20.
August 2015 ([X.], [X.], 1807) zugrunde lag. Anders als dort (vgl. dazu [X.] aaO Rn.
22) war hier bereits dem Güteantrag selbst zu ent-nehmen, dass der Abschluss der Lebensversicherung als Teil eines Ka-19
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pitalanlagemodells erfolgte, in dem zur Einzahlung in den Lebensversi-cherungsvertrag ein Darlehen aufgenommen wurde, mithin eine Fremdfi-nanzierung vorlag (Seite 2 Absatz 3 des Antrags), und dass der [X.] unter anderem die Freistellung von den [X.] und den Ersatz des daraus resultierenden Aufwands in Form von [X.] und Tilgungsaufwand
begehrte
(Seite 3 Absatz 4). Jedenfalls die Größenordnung der insoweit verfolgten Ansprüche ergab sich zudem aus den Angaben zum Schaden auf Seite 7 des beigefügten und in [X.] genommenen [X.].

Auch soweit Umfang und Inhalt der Aufklärungspflichten der [X.] unter Umständen vom -
im Güteantrag nicht mitgeteilten -
Zeit-punkt des Vertragsschlusses abhängig sein können, ist dessen fehlende Angabe im Güteantrag hier nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Beklagte konnte den Zeitpunkt der an sie gerichteten Antragstellung oh-ne weiteres aufgrund der ihr mitgeteilten [X.] ermitteln. Die Gütestelle wiederum war für einen möglichen Einigungsvorschlag ohne-hin auf die Stellungnahme der [X.] zum Güteantrag angewiesen, der sie entnehmen konnte, welchen der geltend gemachten Pflichtverlet-zungen die Beklagte mit welchen tatsächlichen Behauptungen entgegen-treten wollte.

b) Das Berufungsgericht hat für den Beginn des Hemmungszeit-raums auch zu Recht und mit zutreffender Begründung auf den 31. [X.] abgestellt, obwohl die Veranlassung der Bekanntgabe des [X.] erst am 17. März 2010
erfolgte. Da die Bekanntgabe hier noch "demnächst"
im Sinne von § 167 ZPO erfolgte, wirkte sie auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück, §
204 Abs.
1 Nr.
4 Halbsatz
2 BGB. 21
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Auch im Revisionsverfahren
werden
insoweit keine Einwendungen erho-ben.

c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung vermögen die von der [X.] vorgetragenen Umstände auch keine
rechtsmiss-bräuchliche Einleitung des [X.]
zu begründen, die einer Beru-fung der Klägerin auf die Hemmung der Verjährung nach §
242 BGB ent-gegenstehen könnte.

aa) So stellt es keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme
des [X.] dar, dass die Prozessbevollmächtigen des Erblassers
insgesamt 904 gegen die Beklagte gerichtete [X.] gleichzeitig bei der Gütestelle eingereicht
haben. Dies ist im Rahmen sinnvoller [X.] nicht zu beanstanden, weil es einer sachgerechten Erledi-gung eher förderlich sein kann, wenn gleichgelagerte Parallelfälle an derselben Stelle erörtert und gegebenenfalls verhandelt werden. Die Prozessbevollmächtigen des Erblassers
waren daher nicht gehalten, die [X.] auf unterschiedliche Gütestellen zu verteilen, nur um deren Arbeitsbelastung gering zu halten. Vielmehr lag es im Aufgabenbereich der Gütestelle, ihre Arbeitsabläufe auch bei zahlreichen weitestgehend gleichlautenden Eingängen zu organisieren.

[X.]) Es ist ferner
grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle aus-schließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft ([X.], Urteil vom 6. Juli 1993 VI ZR 306/92, [X.]Z 123, 337, 345). Gesichtspunkte, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen würden
(vgl. da-zu das Senatsurteil vom heutigen Tage IV ZR 526/14, zur Veröffentli-chung bestimmt Rn.
34
f.), hat die Beklagte
im Streitfall
in den Tatsa-23
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cheninstanzen nicht mit ausreichender Substanz vorgebracht
und auch keinen Beweis angetreten.

3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber
angenommen, [X.] für den Beginn der [X.] des § 204 Abs. 2 Satz
1 BGB sei bereits der 25.
März 2010, als die
Mitteilung der [X.] bei der Gütestelle einging, dass sie nicht am Güteverfahren
teilnehme, so dass die Verjährungshemmung mit Ablauf des 25. September 2010 ge-endet habe. Die Hemmung
endete gemäß § 204 Abs.
2 Satz 1 BGB
vielmehr erst sechs
Monate nach dem Zeitpunkt, in dem die Gütestelle die Bekanntgabe dieser Mitteilung der [X.] an die Prozessbevoll-mächtigten des Erblassers veranlasste.

a) In § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB wird für alle Ziffern des ersten Ab-satzes der genannten Vorschrift bestimmt, dass die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Be-endigung des eingeleiteten Verfahrens endet. Grundsätzlich endet ein Güteverfahren i.S. des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB durch Abschluss eines Vergleiches, die Rücknahme des [X.] oder durch die Einstel-lung des Verfahrens wegen Scheitern des [X.] ([X.], Beschluss vom 21. Oktober 2014 [X.], [X.]Z 203, 1, 67; Urteile vom 22. September 2009 XI ZR 230/08,
[X.]Z 182, 284, 291; vom 6.
Juli 1993 VI ZR 306/92, [X.]Z 123, 337, 346). Die konkrete [X.] kann nur innerhalb der Verfahrensordnung der [X.] Gütestelle festgestellt werden ([X.], Beschluss vom 21. Okto-ber 2014 [X.], [X.]Z 203, 1, 67).

Umstritten ist jedoch, ob im Falle eines [X.] i.S. des §
204 Abs. 1 Nr. 4 BGB maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Beginn 26
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der [X.] des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB -
wie das Berufungsge-richt angenommen hat -
der Tag der Verfahrenseinstellung bzw. [X.] nach der Verfahrensordnung ist ([X.], Urteil vom 24. November 2014 21 U 5058/13, juris Rn. 28 ff.; [X.], Urteil vom 14. November 2014 1 [X.], nicht veröf-fentlicht) oder der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einstellungsverfügung an den Gläubiger maßgeblich ist ([X.], Urteil vom 8. Januar 2015 7 [X.], nicht veröffentlicht; [X.], Urteil vom 16. Januar 2007 16 U 160/06, juris Rn. 68).

Der [X.] hat diese Frage im Jahre 2009 ausdrück-lich offen gelassen ([X.], Urteil vom 22. September 2009 XI ZR 230/08, [X.]Z 182, 284 Rn. 21). Im Beschluss vom 21. Oktober 2014 hat er sich insbesondere mit der Frage befasst, ob ein Scheitern des Verfah-rens festgestellt werden kann, nicht aber mit dem Zeitpunkt, wann nach festgestelltem Scheitern die [X.] beginnt ([X.], [X.]Z 203, 1 Rn. 160). In einem Urteil vom 26. November 2013, das die Vor-schrift des § 35 ArbnErfG betraf, hat der [X.] allerdings bei Be-rechnung des [X.] ohne nähere Begründung -
und ohne dass es tragend hierauf ankam -
auf die Abgabe der Widerspruchserklä-rung der
[X.] gegen den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle [X.] ([X.], juris Rn. 31). Demgegenüber hat
der VI[X.] Zivilsenat
-
ebenso wenig tragend und ohne nähere Begründung -
im Fall einer Vereinbarung eines Stillhalteabkommens
durch Anrufung einer [X.] ein Ende der Hemmung erst mit dem Zugang einer ablehnenden Entscheidung des Vorsitzenden angenommen (Urteil vom 28. Februar 2002 -
VII ZR 455/00, NJW 2002, 1488 unter I 4 b).

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b) Der Senat entscheidet die Streitfrage dahingehend, dass im Anwendungsbereich des § 204 BGB im Regelfall auf den Zeitpunkt der Veranlassung der Bekanntgabe durch die Gütestelle an den Gläubiger abzustellen ist. Entscheidend hierfür sprechen der Zweck der Nachlauf-frist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB, der darin besteht, dass dem [X.] insbesondere dann, wenn im Verfahren keine Sachentscheidung ergeht, in jedem Falle eine
Frist bleibt, in der er weitere Rechtsverfol-gungsmaßnahmen einleiten kann (BT-Drucks.
14/6040, [X.]. [X.]), sowie die Regelung zum Beginn der Hemmung in § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB.

aa) Die Gewährleistung des vorstehend genannten Zwecks setzt die Kenntnis des Gläubigers von der [X.] voraus. Ähn-lich hat der [X.]
zur Vorschrift des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift argumentiert: Es [X.] im Falle der Beendigung der Unterbrechungswirkung durch Nichtbe-trieb des Prozesses darauf an, dass die [X.], die die Verjährung erneut unterbrechen wolle, die letzte Prozesshandlung des Gerichts und damit die Notwendigkeit kenne, den Prozess weiter zu
betreiben ([X.], Urteil vom 20.
Februar 1997 -
VII ZR 227/96, [X.]Z 134, 387, 390 f.).

Das gilt ebenso für die Beendigung des [X.]. Auch hier ist im Grundsatz eine Kenntnisnahme des Gläubigers vom Beendigungs-grund geboten, damit er die vom Gesetzgeber eingeräumte [X.] nutzen kann. Daher ist § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB nach seinem Sinn und Zweck so auszulegen, dass es in dem Ausnahmefall, in dem die [X.] vom Gläubiger nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, für den Lauf der sechsmonatigen [X.] darauf 30
31
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ankommt, dass dieser Umstand dem Gläubiger zur Kenntnis gebracht wird.

[X.]) Dieser Auslegung stehen die
vom Berufungsgericht
aufgezeig-ten Fälle, in denen die Beendigung der Hemmung ebenfalls nicht von ei-nem Ereignis in der Sphäre des Gläubigers abhänge, nicht entscheidend entgegen.

Im Fall der Klagerücknahme nach mündlicher Verhandlung, die mit Zustimmung des [X.] oder Ablauf einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Schriftsatzes an ihn wirksam wird, liegt der [X.] in einem Verhalten des
Klägers
selbst, von dem er zwangs-läufig Kenntnis hat, so dass er sich auf den bevorstehenden Beginn der [X.] vorbereiten kann. Die Beendigung der Hemmung bei Stillstand des Verfahrens nach § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nicht vergleichbar, da hier der Beginn der 6-Monatsfrist gerade nicht von einer Erklärung, son-dern von einem Untätigbleiben der [X.]en abhängt.

cc) Soweit sich die Revisionserwiderung unter Hinweis auf einen Beschluss des [X.]
([X.], Beschluss vom 14.
Juni 1954

GSZ 3/54, [X.]Z 14, 39) darauf beruft, dass der [X.] vom [X.] keine Kenntnis haben müsse, so stellt der zitierte Beschluss lediglich klar, dass in einem Fall des Verstoßes gegen die zwingenden
Vorschriften über die Verkündung von Urteilen zwar ein schwerwiegender Verfahrensmangel, aber aus Gründen der Rechtssi-cherheit kein Scheinurteil vorliegt.

dd) Die aufgezeigte Auslegung des §
204 Abs.
1 Nr.
4 BGB steht zudem im Einklang mit der Rechtsprechung zu § 203 BGB. Im dort gere-33
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gelten Fall endet die Hemmung durch Verweigerung der Fortsetzung von Verhandlungen. Diese muss grundsätzlich durch ein klares und eindeuti-ges Verhalten einer [X.] zum Ausdruck kommen ([X.], Urteil vom 30.
Juni 1998 VI ZR 260/97, NJW 1998, 2819, 2820). Ein Beginn der [X.] des §
203 Satz 2 BGB ist demnach ohne Kenntnis oder Kennenmüssen des Gläubigers nicht möglich.

ee) Anzuknüpfen ist im Güteverfahren
allerdings nicht an den
-
wegen der nicht vorgeschriebenen förmlichen Zustellung (vgl. auch §
15a
EGZPO) oftmals nicht nachweisbaren -
Zugang der Erfolglosig-keitsbescheinigung
beim Gläubiger, sondern an die bei der Gütestelle aktenmäßig nachprüfbare Veranlassung ihrer Bekanntgabe.

Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Regelung in § 204 Abs. 1
Nr. 4 BGB
sachgerecht. Zwar gilt diese Bestimmung unmittelbar nur für die Frage, wann eine Hemmung der Verjährung durch Einreichung eines [X.] beginnt. Der Gesetzgeber hat aber für diese Frage gerade deshalb auf die Veranlassung der Bekanntgabe des
[X.] anstatt auf die Bekanntgabe selbst abgestellt, wie es noch im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen
war, weil auch dort mangels vorgeschriebe-ner Zustellung des Antrags anderenfalls zu besorgen sei, dass der Zu-gang im Falle des Bestreitens nicht nachgewiesen werden könne (BT-Drucks. 14/7052 S.
181). Dieser Gesichtspunkt trifft in gleicher Weise auf die Situation bei Beendigung des [X.] durch eine Mitteilung an den Gläubiger zu, für die der Gesetzgeber den maßgeblichen Zeit-punkt nicht
ausdrücklich geregelt hat. Es erscheint deshalb angemessen, auch hier auf den Zeitpunkt der Veranlassung der Bekanntgabe abzustel-len, zumal der tatsächliche Zugang in der weitaus überwiegenden Mehr-zahl der Fälle binnen kurzer Frist erfolgen wird. Da der Gläubiger den 37
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maßgeblichen Zeitpunkt sodann bei der Gütestelle in Erfahrung bringen kann, besteht für ihn auch keine unzumutbare Unklarheit über den Be-ginn der ihm zur Verfügung stehenden [X.].
Die Anknüpfung an die
aktenmäßig nachprüfbare Veranlassung der Bekanntgabe durch die
Gütestelle trägt damit zum einen dem Umstand Rechnung, dass der Gläubiger ausreichend Kenntnis von der [X.] erhalten muss, und vermeidet andererseits, dass Unklarheit über den Lauf der [X.] entsteht; zugleich wird eine Verlängerung der Verjährungsfrist über Gebühr vermieden.

c) Da das Berufungsgericht zum Zeitpunkt, in dem das auf den 20.
April 2010 datierte Schreiben der Gütestelle an den Erblasser veran-lasst worden ist, keine Feststellungen getroffen hat, ist es offen, ob die Einreichung der Klage am 16.
Oktober 2012 noch in nicht [X.]

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17
-

erfolgte. Die Sache ist daher zwecks Nachholung der erforderlichen Feststellung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.]

[X.]

[X.]

Dr. [X.]

Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.02.2014 -
1 O 470/12 -

[X.], Entscheidung vom 09.10.2014 -
1 [X.] -

Meta

IV ZR 405/14

28.10.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2015, Az. IV ZR 405/14 (REWIS RS 2015, 3162)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3162

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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