Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.02.2016, Az. IV ZR 374/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16137

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Gegenstand

Einleitung eines Güteverfahrens zur Verjährungshemmung: Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit


Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des [X.]  27. Zivilsenat - vom 27. August 2014 zugelassen.

Gemäß § 544 Abs. 7 ZPO wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 320.000 €

Gründe

1

I. Der Kläger verlangt von der [X.], einem [X.] Lebensversicherer, Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines [X.]. Diese Versicherung war Bestandteil eines von der [X.] konzipierten und als "[X.] ([X.])" bezeichneten kreditfinanzierten [X.]s.

2

Im [X.] an ein Beratungsgespräch mit dem Vermittler [X.]    beantragte der Kläger den Abschluss eines [X.] vom Typ [X.]    N.         über 330.291 € mit der [X.] über eine Laufzeit von 14 Jahren. Die Ablaufleistung dieses Vertrages war im Rahmen des [X.]s als sogenanntes Tilgungsinstrument zur Tilgung von zwei endfälligen Darlehen vorgesehen, die der Kläger am 30. Oktober 2001 zur Finanzierung der Anlage aufnahm.

3

Weiterer Bestandteil des [X.]s war der Abschluss einer Rentenversicherung, aus der zunächst die Zinsen für das Bankdarlehen bedient werden und deren Leistungen nach Tilgung des Darlehens dem Kläger zufließen sollten.

4

Im Jahre 2012 kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag; der Rückgabewert von 342.266,02 € wurde seinem Konto bei der finanzierenden Bank gutgebracht.

5

Der Kläger wirft der [X.] unzutreffende Angaben über die zu erwartende Rendite aus der Lebensversicherung vor. Er verlangt, so gestellt zu werden, als hätte er sich an dem [X.] nicht beteiligt. Den ihm durch den Abschluss des [X.] entstandenen Schaden beziffert er insoweit auf 297.609,73 €.

6

Zur Verfolgung seines Schadensersatzanspruchs reichte er über seinen Anwalt bei der staatlich anerkannten Gütestelle eines Rechtsanwalts und Mediators in [X.]     einen auf den 22. Dezember 2009 datierten Güteantrag ein, von dem die Beklagte durch Schreiben der Gütestelle vom 17. März 2010 unterrichtet wurde. Mit Schreiben vom 23. März 2010, bei der Gütestelle eingegangen am 26. März 2010, teilte die Beklagte mit, dass sie am Güteverfahren nicht teilnehmen werde. Daraufhin stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 20. April 2010, eingegangen bei den Prozessbevollmächtigten des [X.] am 21. April 2010, das Scheitern des Verfahrens fest.

7

Am 18. Oktober 2012 hat der Kläger beim [X.] Klage eingereicht, die der [X.] am 21. November 2012 zugestellt worden ist.

8

Das [X.] hat die auf Zahlung von 297.603,73 € nebst Zinsen, Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weitergehenden Schadens gerichtete Klage wegen Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche abgewiesen. Das [X.] hat ihr größtenteils stattgegeben. Dagegen richtet sich die Beschwerde der [X.].

9

II. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde ist die Revision zuzulassen, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht Teile des [X.]vorbringens vollständig übergangen und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt hat.

1. Das Berufungsgericht hat die Kausalität der von ihm angenommenen [X.] für die Zeichnung der Anlage allein aufgrund der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bejaht, die nicht widerlegt sei. Hierbei hat es nicht beachtet, dass die Beklagte bereits in ihrer Klageerwiderung (dort Seite 33/34) zur Widerlegung dieser Vermutung unter Beweisantritt (u.a. Parteivernehmung des [X.]) behauptet hatte, dass der Kläger sich auch bei einer vollständigen Aufklärung für das von ihm gewählte [X.] entschieden hätte  so sei gerade das von der [X.] durchgeführte Smoothing ein Aspekt gewesen, der ihn zur Antragsunterzeichnung bewegt hätte. Hierüber hat sich das Berufungsgericht hinweggesetzt, ohne den angebotenen Beweis zu erheben oder sich mit diesem Vorbringen auch nur auseinanderzusetzen.

2. Des Weiteren hat sich das Berufungsgericht, soweit es eine Verjährung verneint hat, mit den Einwänden der [X.] gegen die Hemmungswirkung des eingereichten [X.] in keiner Weise befasst. Auf dieser Gehörsverletzung beruht das angefochtene Urteil jedenfalls insoweit, als das Berufungsgericht dem Vorbringen der [X.] zu einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des [X.] nicht nachgegangen ist. Zwar stellt es noch keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des [X.] dar, dass die Prozessbevollmächtigen des [X.] insgesamt 904 gegen die Beklagte gerichtete [X.] gleichzeitig bei der Gütestelle eingereicht haben und ist es auch grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1548 Rn. 32 f.). Hiervon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn schon vor der Einreichung des [X.] feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 aaO Rn. 34).

Dies hatte die Beklagte hier in ihrem Schriftsatz vom 14. November 2013 (dort Seite 43) unter Beweisantritt vorgetragen und diesen Vortrag unter [X.]. ihrer [X.] ausdrücklich wiederholt. Auch dem ist das Berufungsgericht nicht nachgegangen. Dies wird es nachzuholen haben, da nach den Grundsätzen des Senatsurteils [X.] vom 28. Oktober 2015 ([X.], 1545 Rn. 13 ff.) von einer zur Verjährungshemmung ausreichenden Individualisierung des Streitgegenstands durch den Güteantrag in Verbindung mit dem beigefügten [X.] auszugehen ist. Letzteres enthielt die Policennummer und die Versicherungssumme und ließ Art und Umfang des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erkennen. So sind der Umfang der begehrten Freistellung bezüglich der Darlehen und das investierte Eigenkapital unter der Überschrift "Schaden" aufgeführt. Auch die Einbettung des [X.] in ein [X.] und die erfolgte Fremdfinanzierung sind aufgezeigt.

III. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht, sofern es nach der ergänzenden Beweisaufnahme weiterhin von einem Anspruch des [X.] sowie einer durch den Güteantrag eingetretenen Hemmung der Verjährung ausgehen sollte, für die Dauer der Hemmung durch das Güteverfahren auch den Zeitpunkt festzustellen haben wird, in dem die Bekanntgabe des Schreibens der [X.] vom 23. März 2010 an die Prozessbevollmächtigten des [X.] durch die Gütestelle veranlasst worden ist (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1545 Rn. 30 und 37).

Mayen                                   Felsch                                 [X.]

                Dr. Brockmöller                       Dr. Bußmann

Meta

IV ZR 374/14

17.02.2016

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 27. August 2014, Az: 27 U 1430/14

Art 103 Abs 1 GG, § 204 Abs 1 Nr 4 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.02.2016, Az. IV ZR 374/14 (REWIS RS 2016, 16137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16137

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