Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2017, Az. GSSt 4/17

Großer Senat für Strafsachen | REWIS RS 2017, 8338

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Gegenstand

Natürliche Handlungseinheit bei Erwerb von Betäubungsmitteln


Leitsatz

1. Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne.

2. Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.

Tenor

Das sowohl dem Transport des [X.] für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden [X.] zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne.

Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer zuvor "auf [X.]" erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden [X.] zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.

Gründe

I.

1

Die Vorlage betrifft die konkurrenzrechtliche Bewertung unterschiedlicher Modalitäten der Abwicklung von aufeinanderfolgenden Betäubungsmittelumsätzen, insbesondere dann, wenn die Bezahlung einer zunächst "auf [X.]" erworbenen Betäubungsmittelmenge im Zeitpunkt der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge noch nicht (vollständig) erledigt ist.

2

1. In einem beim 3. [X.]trafsenat anhängigen Verfahren hat das [X.] den Angeklagten unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen.

3

a) Nach den Feststellungen des [X.]s erwarb der Angeklagte in sechs Fällen von derselben Person jeweils mindestens 100 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 30 %, um dieses gewinnbringend weiter zu veräußern und sich eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Er fuhr deswegen zwischen Mitte August 2011 und Mitte Mai 2012 insgesamt sechs Mal nach vorheriger telefonischer Absprache mit dem Lieferanten in seinem Auto nach [X.], erwarb dort das Rauschgift "auf [X.]" und bezahlte es jeweils nach gewinnbringendem Weiterverkauf bei Abholung der neuen, zuvor bestellten Betäubungsmittelmenge. Auf welche Weise das Entgelt für die sechste Betäubungsmittelmenge entrichtet wurde, hat die [X.] nicht festgestellt.

4

b) Das [X.] hat dieses Geschehen ohne weitere Erörterungen als sechs rechtlich selbstständige Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abgeurteilt. Nur insoweit ist die Verurteilung des Angeklagten, gegen die er sich insgesamt mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts wendet, Gegenstand des Vorlageverfahrens. Der [X.] hat beantragt, das angefochtene Urteil im [X.]trafausspruch wegen unterlassener Berücksichtigung eines eingezogenen Kraftfahrzeugs bei der [X.]trafzumessung aufzuheben (§ 349 Abs. 4 [X.]tPO) und die weiter gehende Revision des Angeklagten zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 [X.]tPO).

5

2. Der 3. [X.]trafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten in diesen sechs [X.] zu verwerfen, soweit sie sich gegen den [X.]chuldspruch richtet. Er ist ebenso wie das [X.] der Ansicht, dass sechs in Tatmehrheit zueinander stehende Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben seien. [X.]ie würden weder durch das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch durch die Bezahlung der zuvor "auf [X.]" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge tateinheitlich miteinander verknüpft.

6

3. Der 3. [X.]trafsenat sieht sich jedoch nach dem Ergebnis des gemäß § 132 Abs. 3 [X.] durchgeführten Anfrageverfahrens daran gehindert, in diesem [X.]inne zu entscheiden.

7

a) Der 2. und der 4. [X.]trafsenat haben mit Beschlüssen vom 31. Mai 2016 (2 [X.], [X.], 313) und 1. [X.]eptember 2016 (4 [X.], [X.], 373) mitgeteilt, dass sie an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung festhalten. Dabei hat der 2. [X.]trafsenat seine Rechtsprechung – in der [X.]ache dem 4. [X.]trafsenat folgend – dahin präzisiert, dass in dem Aufsuchen des Lieferanten, das der Bezahlung der bereits früher erworbenen und der Abholung der weiteren Rauschgiftmenge diene, ein den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllendes Handlungselement liege, welches die [X.] der Ausführungshandlungen begründe. Es sei deshalb in solchen Fällen von Tateinheit im [X.]inne von § 52 Abs. 1 [X.]tGB auszugehen. Der 2. und der 4. [X.]trafsenat sind der Auffassung, der eindeutige Wortlaut der Vorschrift lasse die Annahme von Tatmehrheit nicht zu. Dem Gewicht oder dem Unrechtsgehalt der jeweiligen Tathandlung komme bei der rechtlichen Beurteilung des [X.] keine Bedeutung zu.

8

b) Der 5. [X.]trafsenat hat mit Beschluss vom 2. März 2016 (5 [X.]) entschieden, dass seine Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung des 3. [X.]trafsenats nicht entgegenstehe und er an eventuell früherer, abweichender Rechtsprechung aus den Gründen des [X.]es nicht festhalte. Der 1. [X.]trafsenat hat von einer [X.]tellungnahme zu dem [X.] abgesehen.

II.

9

1. Mit Beschluss vom 15. November 2016 (3 [X.]) hat der 3. [X.]trafsenat die [X.]ache gemäß § 132 Abs. 2 [X.] dem Großen [X.]enat für [X.]trafsachen zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:

Verbindet das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten oder die Bezahlung einer zuvor auf "[X.]" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden [X.] zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen [X.]inn?

2. Der [X.] hat beantragt zu beschließen:

Weder das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch die Bezahlung einer zuvor auf "[X.]" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge verbindet die beiden [X.] zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen [X.]inn.

III.

Die Voraussetzungen einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 [X.] sind gegeben, da der 3. [X.]trafsenat mit seiner beabsichtigten Entscheidung von Rechtsprechung des 2. und des 4. [X.]trafsenats abweichen würde.

IV.

Der Große [X.]enat für [X.]trafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Aus der Anwendung der Konkurrenzregel des § 52 Abs. 1 [X.]tGB auf den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ergibt sich danach Folgendes:

Aufeinanderfolgende, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehende [X.] eines Betäubungsmittelhändlers werden im [X.]inne des § 52 [X.]tGB zu einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verbunden, wenn sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine weitere, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, wenn also das Aufsuchen des Lieferanten zugleich beiden [X.]n dient. Kommt es hingegen ohne eine vergleichbare teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel lediglich aus Anlass der Bezahlung zuvor gelieferter Betäubungsmittel, handelt es sich um einen Fall der natürlichen Handlungseinheit.

Im Einzelnen:

1. Nach § 52 Abs. 1 [X.]tGB liegt materiell-rechtlich Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere [X.]trafgesetze oder dasselbe [X.]trafgesetz mehrfach verletzt:

a) Den Begriff "dieselbe Handlung" in § 52 Abs. 1 [X.]tGB definiert das Gesetz nicht ausdrücklich. Nach allgemeiner Auffassung wird der [X.] in den §§ 52 Abs. 1 ff. [X.]tGB vorausgesetzt (MüKo-[X.]tGB/von [X.], 3. Aufl., Vorbemerkung zu § 52 Rn. 8). Da die sachlich-rechtlichen Regelungen des § 52 [X.]tGB in erster Linie als Voraussetzung für ein funktionierendes Rechtsfolgensystem dienen, ist der [X.] im [X.]inne der Konkurrenzlehre unabhängig vom jeweils erfüllten Tatbestand allgemein zu bestimmen (vgl. [X.], Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 [X.]tR 520/96, [X.][X.]t 43, 252, 256; von [X.] aaO, Rn. 12). Er knüpft an den Vollzug eines Verhaltens im natürlichen [X.]inne und damit letztlich an eine Körperbewegung an ([X.][X.]W-[X.]tGB/[X.], 3. Aufl., § 52 Rn. 31, 57). Die für die Annahme von Tateinheit im [X.]inne von § 52 Abs. 1 [X.]tGB erforderliche Verknüpfung der Tatbestände hat der [X.] dabei allein in der Überlagerung der objektiven Ausführungshandlungen gesehen ([X.], Beschluss vom 11. November 1976 – 4 [X.]tR 266/76, [X.][X.]t 27, 66, 67; vgl. dazu auch [X.], Urteil vom 28. April 1899 – [X.]. 1158/99, [X.][X.]t 32, 137, 138 f.). Einen darüber hinausgehenden "inneren Zusammenhang" hat der [X.] dagegen nicht gefordert ([X.] aaO). Abzugrenzen ist eine derartige Überschneidung jedoch von einem Zusammenfallen zweier Tatbestände, bei dem der Täter den einen Tatbestand nur gelegentlich der anderen Tat verwirklicht (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 27. April 2004 – 1 [X.], [X.], 694; Urteil vom 5. August 2010 – 3 [X.], juris Rn. 16). An diesen bereits in der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hat der [X.] auch in der Folgezeit festgehalten (vgl. die Darstellung bei [X.], [X.]tGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 9 ff., § 52 Rn. 6 ff; jeweils [X.]). Eine Einschränkung der Annahme von Tateinheit ergibt sich auch nicht aus dem in der Rechtsprechung des [X.]s formulierten Erfordernis der Identität in einem für beide Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 1976 – 4 [X.]tR 266/76, [X.][X.]t 27, 66, 67 unter Bezugnahme auf Geerds, Zur Lehre von den Konkurrenzen im [X.]trafrecht, 1961, [X.]. 277). Das Kriterium der Notwendigkeit bezieht sich insoweit lediglich auf die Tatbestandsverwirklichung in ihrer konkreten Form, mithin auf den konkreten Tatplan des [X.] ([X.] aaO).

b) Eine mehrfache Gesetzesverletzung durch eine Tat ist zunächst bei einer Handlung im natürlichen [X.]inne gegeben, also dann, wenn sich ein Willensentschluss in einem Ausführungsakt erschöpft (sog. natürliche Handlung; vgl. [X.] aaO, Vor § 52 Rn. 9, § 52 Rn. 6; jeweils [X.]). Darüber hinaus kann von einer Tat im Rechtssinne auszugehen sein, wenn mehrere Handlungen im natürlichen [X.]inne zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das ist der Fall, wenn zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise (objektiv) auch für einen [X.] als [X.] darstellt und die einzelnen [X.] durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (sog. natürliche Handlungseinheit; vgl. nur [X.], Urteile vom 27. März 1953 – 2 [X.]tR 801/52, [X.][X.]t 4, 219, 220, vom 21. [X.]eptember 2000 – 4 [X.]tR 284/00, [X.][X.]t 46, 146, 153, und vom 29. März 2012 – 3 [X.], [X.], 525). Eine weitere Fallgruppe stellt die sog. tatbestandliche Handlungseinheit im engeren [X.]inne dar, die sich dadurch auszeichnet, dass mehrere natürliche Handlungen unter – unterschiedlichen – rechtlichen Aspekten zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden, wie dies etwa in Fällen der mehraktigen oder zusammengesetzten Delikte oder bei [X.] der Fall sein kann ([X.] aaO, Vor § 52 Rn. 20 ff.). Wiederum darüber hinausgehend können auch der [X.]inn und Zweck der jeweils verletzten gesetzlichen Tatbestände, die im Wege der Auslegung zu ermitteln sind, zur Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit führen, die – anders als die natürliche Handlungseinheit – vorwiegend normativ bestimmt wird. [X.]olche Handlungseinheiten werden etwa bei Delikten mit pauschalierenden Handlungsbeschreibungen wie z.B. den Organisationsdelikten der §§ 129 ff. [X.]tGB (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 – 3 [X.]tR 537/14, [X.][X.]t 60, 308, 311 ff.) sowie in Fällen wiederholter oder fortlaufender Tatbestandsverwirklichungen (sog. tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren [X.]inne; vgl. dazu [X.] aaO, Vor § 52 Rn. 23 ff., 36 [X.]) angenommen.

Der [X.]ache nach stellt auch die sog. Bewertungseinheit eine tatbestandliche Zusammenfassung einer Mehrzahl natürlicher Handlungen zu einer Tat im Rechtssinne dar (vgl. [X.] aaO, Vor § 52 Rn. 39 ff. [X.] [Unterfall der tatbestandlichen Handlungseinheit i.w.[X.]:]; anders MüKo-[X.]tGB/von [X.] aaO, § 52 Rn. 39 [X.] [Rechtsfigur sui generis]). Hauptanwendungsfall der Bewertungseinheit ist das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ([X.] aaO, Rn. 39).

2. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im [X.]inne des § 29 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2005 – G[X.][X.]t 1/05, [X.][X.]t 50, 252, 256 [X.]). Eine auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit ist auch darin zu sehen, dass sich der Täter zu einer Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor bestellte, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll ([X.], Urteil vom 20. August 1991 – 1 [X.]tR 273/91, [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

Dem – weit [X.] ([X.], Beschluss vom 26. Oktober 2005 – G[X.][X.]t 1/05, [X.][X.]t 50, 252, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. [X.] erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf [X.]eiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist ([X.], Beschluss vom 5. August 2014 – 3 [X.]tR 340/14, N[X.]tZ-RR 2015, 16; Urteile vom 7. Februar 2008 – 5 [X.]tR 242/07, N[X.]tZ 2008, 465; vom 17. Juli 1997 – 1 [X.]tR 791/96, [X.][X.]t 43, 158, 162; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 – 2 [X.]tR 294/02, juris; vom 23. Mai 2007 – 2 [X.]tR 569/06, N[X.]tZ 2008, 42, 43; vom 27. Juni 2008 – 3 [X.]tR 212/08, [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). [X.]o hat der [X.] in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass auch die bloße Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer an den Lieferanten den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl. [X.], Urteile vom 11. Juli 1995 – 1 [X.]tR 189/95, [X.]tV 1995, 641; vom 7. Februar 2008 – 5 [X.]tR 242/07, N[X.]tZ 2008, 465; Beschlüsse vom 5. November 1991 – 1 [X.]tR 361/91, [X.]tV 1992, 161; vom 17. Mai 1996 – 5 [X.]tR 119/96, [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50).

3. Gemessen daran gilt in Bezug auf die Vorlegungsfrage das Folgende:

a) ln der Fallkonstellation des Ausgangsverfahrens liegt Tateinheit im [X.]inne von § 52 Abs. 1 [X.]tGB vor.

aa) Bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden [X.]n liegt eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, also das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element gleichermaßen beiden [X.]n dient. Damit sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer teilidentischen Ausführungshandlung und damit für die Annahme von Tateinheit im [X.]inne von § 52 Abs. 1 [X.]tGB erfüllt.

bb) Entgegen der Auffassung des vorlegenden [X.]enats ergeben sich – unter Berücksichtigung des Zwecks der §§ 52 ff. [X.]tGB, das verwirklichte Unrecht und die [X.]chuld im Einzelfall sachgerecht zu erfassen – auch aus den Besonderheiten des weiten Tatbegriffs beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei dieser Fallgestaltung keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme von Tateinheit.

(1) Wie ausgeführt sind die Voraussetzungen von Tateinheit im [X.]inne von § 52 Abs. 1 [X.]tGB unabhängig von den im jeweiligen Einzelfall verwirklichten Tatbeständen zu bestimmen. Maßgebend ist insoweit allein, ob sich zwei oder mehrere [X.]traftatbestände in ihren Ausführungshandlungen notwendig jedenfalls teilweise überschneiden. Ein darüber hinausgehendes [X.] Kriterium für eine einschränkende Auslegung der Voraussetzungen von Tateinheit ist § 52 Abs. 1 [X.]tGB nicht zu entnehmen (vgl. MüKo-[X.]tGB/von [X.] aaO, Vor §§ 52 ff. Rn. 8).

(2) Die Auffassung, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung im [X.]inne von § 29 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 BtMG nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier an sich unabhängiger, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehender Handelsgeschäfte führt, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und [X.]chuldgehalt aufweist und dadurch deren Unwert und die jeweilige [X.]chuld des [X.] zumindest mitprägt, was bei dem untergeordneten Teilakt der Fahrt zum Zwecke der Bezahlung eines bereits abgewickelten [X.] nicht der Fall sei, findet im Gesetz keine [X.]tütze. [X.]ie beruht vielmehr allein auf einer einschränkenden, auf die jeweilige konkrete Fallgestaltung bezogenen Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Damit steht sie zugleich im Widerspruch zu der vom [X.] in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen weiten Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, die ihren Ausdruck schon im Beschluss des Großen [X.]enats vom 26. Oktober 2005 (G[X.][X.]t 1/05, [X.][X.]t 50, 252) gefunden hat und von der abzuweichen der Große [X.]enat auch weiterhin keinen Anlass sieht.

(3) Auch als generelles Abgrenzungskriterium zwischen Tateinheit und Tatmehrheit ist die Ansicht, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier Handelsgeschäfte führen kann, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und [X.]chuldgehalt aufweist, nicht tragfähig. Mag auch das eigentliche Umsatzgeschäft in Gestalt der Übergabe einer bestellten Betäubungsmittelmenge bereits abgewickelt sein, sind gleichwohl Fallgestaltungen denkbar, in denen die Fahrt des [X.] zum Zwecke der Bezahlung des gelieferten Rauschgifts beim Lieferanten nicht lediglich als untergeordneter Teilakt zu bewerten ist. Denkbar ist dies etwa beim Transport hoher Geldsummen oder in Fällen, in denen der Täter die mit sich geführten Geldbeträge auf dem Transport gegen Dritte etwa mit (Waffen-)Gewalt "verteidigt" und dadurch das Handeltreiben gegebenenfalls zu einem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im [X.]inne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 [X.]tGB wird.

b) Kommt es im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung ohne eine für beide [X.] teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel aus Anlass der Bezahlung zuvor bereits "auf [X.]" gelieferter Betäubungsmittel, verbindet dies beide Handelsgeschäfte zu einer Tat im [X.]inne einer natürlichen Handlungseinheit.

aa) Beide strafrechtlichen Betätigungen sind jeweils für sich genommen Bestandteile zweier unterschiedlicher [X.] im [X.]inne des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln; die Annahme einer (einzigen) Bewertungseinheit kommt danach regelmäßig nicht in Betracht. Jedoch stehen beide [X.] – ohne tatbestandliche Überschneidung in zumindest einem Teil der Ausführungshandlung, sondern aufeinander folgend – in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. In objektiver Hinsicht erscheinen sie daher vor dem Hintergrund der zwischen den Beteiligten bestehenden Lieferbeziehung als [X.]. In einer solchen Konstellation ist nicht lediglich von einem nur gelegentlichen Zusammentreffen zweier Tatbestände auszugehen.

bb) Auch das für die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit weiterhin erforderliche subjektive Element des einheitlichen Willens, von dem die einzelnen [X.] getragen sein müssen, ist in den Fällen der Bezahlung einer früheren und der Entgegennahme der Betäubungsmittel einer weiteren Lieferung regelmäßig gegeben. Zwar erfüllen beide Betätigungen als gesonderte Handlungen das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nur für die jeweilige Lieferung. Gemeinsame Grundlage ist aber auch hier regelmäßig der über die einzelnen [X.] hinausreichende Wille von Lieferant und Abnehmer, im Rahmen einer über ein Einzelgeschäft hinausreichenden Lieferbeziehung nicht nur ein Umsatzgeschäft zu tätigen und insgesamt aus mehreren Rauschgiftgeschäften größtmöglichen Gewinn zu erzielen.

[X.]

        

Raum

        

[X.]ost-[X.]cheible

        

Franke

Jäger 

        

[X.]chäfer

        

[X.]chneider

        

König

        

Krehl 

        

[X.]

        

Gericke

        

Meta

GSSt 4/17

10.07.2017

Bundesgerichtshof Großer Senat für Strafsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

nachgehend BGH, 24. Juli 2018, Az: 3 StR 236/15, Beschluss

§ 52 StGB, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 132 Abs 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2017, Az. GSSt 4/17 (REWIS RS 2017, 8338)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8338


Verfahrensgang

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Az. GSSt 4/17

Bundesgerichtshof, GSSt 4/17, 10.07.2017.


Az. 3 StR 236/15

Bundesgerichtshof, 3 StR 236/15, 24.07.2018.

Bundesgerichtshof, 3 StR 236/15, 15.11.2016.

Bundesgerichtshof, 3 StR 236/15, 03.09.2015.

Bundesgerichtshof, 3 StR 236/15, 03.09.2015.


Az. 2 ARs 403/15

Bundesgerichtshof, 2 ARs 403/15, 31.05.2016.


Az. 5 ARs 60/15

Bundesgerichtshof, 5 ARs 60/15, 02.03.2016.


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Referenzen
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Zitiert

2 ARs 403/15

4 ARs 21/15

5 ARs 60/15

3 StR 236/15

3 StR 422/11

3 StR 537/14

3 StR 340/14

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