Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.11.2022, Az. 5 StR 283/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2022, 9719

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) STRAFTATEN URKUNDENFÄLSCHUNG CORONAVIRUS

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Fälschen von Gesundheitszeugnissen: Konkurrenzverhältnis zur Urkundenfälschung


Leitsatz

Das Fälschen von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB aF steht zur Urkundenfälschung nach § 267 StGB nicht im Verhältnis privilegierender Spezialität.

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 1. März 2022 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen und von einer Einziehungsanordnung abgesehen worden ist; ausgenommen hiervon sind die in der Spardose in der Wohnung im T.        38 in [X.]      aufgefundenen und sichergestellten 733,60 Euro.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von [X.] in Höhe von 20.000 [X.] angeordnet. Vom Vorwurf der Urkundenfälschung in neun Fällen (2. bis 9. und 11. der Anklage) hat es ihn freigesprochen.

2

Gegen den Freispruch sowie die [X.] der Einziehung – mit Ausnahme der im Tenor bezeichneten 733,60 [X.] – wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat umfassenden Erfolg.

A.

3

Die Strafkammer hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Sie hat folgende Feststellungen und Wertungen zugrunde gelegt:

I.

4

Der Angeklagte entschloss sich, im August 2021 in [X.]      eigenhändig Impfausweise mit Eintragungen zu angeblichen Impfungen gegen das [X.] anzufertigen oder bereits bestehende Impfausweise mit solchen Eintragungen zu ergänzen, um die Impfausweise gegen Bezahlung anderen Personen zu überlassen. Hiermit sollte den Abnehmern ermöglicht werden, mittels der Impfausweise Schutzimpfungen nachzuweisen, um in Apotheken digitale Impfzertifikate zu erlangen oder aufgrund der COVID-19-[X.] bestehende Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte, etwa in der Gastronomie, zu umgehen. Der Angeklagte beabsichtigte, sich durch diese Geschäfte eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.

5

In Umsetzung seines Plans fertigte er zwischen dem 25. August und dem 9. September 2021 Impfausweise dadurch an, dass er entweder unausgefüllte Impfausweisvordrucke auf der Vorderseite mit den Personalien der angeblich geimpften Personen beschriftete oder bereits mit Personalien beschriftete Impfausweise verwendete, um dann jeweils auf den inneren Seiten des Impfausweises angebliche Impfungen einzutragen. Hierzu vermerkte er die vermeintlichen Daten für Erst- und Zweitimpfungen gegen das [X.] handschriftlich und versah die Eintragungen jeweils in derselben Zeile mit selbst gedruckten Aufklebern des angeblich verwendeten Impfstoffs „[X.]" einschließlich fiktiver Chargennummern sowie mit dem Stempel „Landkreis [X.]     , [X.]     , [X.] 27,       B.        ". Auf dem Stempel unterschrieb er jeweils mit einem nachgeahmten oder erfundenen Namenszug, um hierdurch den Eindruck zu erwecken, die betreffende Unterschrift sei von einem Arzt des [X.] geleistet worden.

6

Der Angeklagte führte insgesamt neun Bestellungen zur Herstellung gefälschter Impfbescheinigungen aus, wobei er teils mehrere Dokumente erstellte, etwa wenn ein Abnehmer nicht nur für sich, sondern auch für Angehörige gefälschte Impfdokumente bestellt hatte.

7

Während in den [X.] 2 bis 9 die vom Angeklagten gefertigten Impfbescheinigungen an die Abnehmer übergeben wurden, konnten im Anklagefall 11 die bereits fertiggestellten Dokumente beim Angeklagten sichergestellt werden. Außerdem wurden bei ihm 188 Impfausweisvordrucke, weitere 203 mit Chargennummernaufklebern versehene Impfpassvordrucke, ein Etikettendruckgerät sowie der vorbenannte Stempel mit den Daten „[X.]      “ gefunden. Zudem wurden 33.100 [X.] sichergestellt, die nach den Wertungen des [X.]s nicht aus [X.] stammen und deren Herkunft aus Impfausweisgeschäften „naheliegt“.

II.

8

Das [X.] hat den Angeklagten freigesprochen, weil er durch das Erstellen unzutreffender Impfbescheinigungen keinen Straftatbestand erfüllt habe.

9

Eine Strafbarkeit wegen Fälschung von [X.] gemäß § 277 [X.] in der zur Tatzeit geltenden Fassung vom 13. November 1998 ([X.] I [X.]22) scheitere daran, dass die Vorschrift eine Verwendung der Falsifikate bei einer Behörde oder einer Versicherung vorausgesetzt habe. Hierunter fielen weder Gastronomiebetriebe noch Apotheken.

Wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 [X.] habe der Angeklagte nicht verurteilt werden können, weil der Gesetzgeber mit § 277 [X.] aF eine abschließende Sonderregelung geschaffen habe, die zu § 267 [X.] im Verhältnis privilegierender Spezialität gestanden habe. In Übereinstimmung mit einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung ist das [X.] von einer Sperrwirkung des Tatbestands des § 277 [X.] aF ausgegangen, die den Rückgriff auf den Tatbestand der Urkundenfälschung verboten habe. Dies gelte selbst dann, wenn – wie hier – der Tatbestand nicht vollständig erfüllt sei. Denn die Wertentscheidung, die Fälschung von [X.] nur unter einer weiteren Voraussetzung, nämlich deren Vorlage bei Behörden oder Versicherungsgesellschaften zu bestrafen, dürfe nicht unterlaufen werden.

An der Einziehung des Wertes von [X.] in Höhe von 2.950 [X.] und an der erweiterten Einziehung von [X.] hat es sich aus Rechtsgründen gehindert gesehen. Denn es fehle an einer rechtswidrigen (Erwerbs-)Tat im Sinne von §§ 73, 73a [X.].

B.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Freispruch in den [X.] 2 bis 9 und 11 hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Denn das [X.] hat zu Unrecht eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 [X.]) verneint.

I.

Zutreffend ist allerdings, dass der Angeklagte sich nicht wegen der Fälschung von [X.] gemäß § 277 [X.] aF strafbar gemacht hat.

Der zweiaktig aufgebaute Tatbestand setzt voraus, dass jemand unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte [X.] oder unberechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt oder ein derartiges echtes Zeugnis verfälscht (erster Teilakt) und davon zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht (zweiter Teilakt).

1. Den ersten Teilakt hat der Angeklagte auf der Grundlage der Feststellungen verwirklicht. Er hat durch die Eintragungen in den Impfausweisen ein Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausgestellt.

a) [X.] im Sinne von § 277 [X.] aF sind schriftliche Erklärungen, in denen der Gesundheitszustand eines Menschen beschrieben wird. Gegenstand kann auch eine frühere Erkrankung oder eine Prognose über die künftige gesundheitliche Entwicklung sein, ebenso die Bescheinigung therapeutischer Maßnahmen (MüKo-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 277 Rn. 2; [X.]/Schuhr, Medizinrecht, 4. Aufl., § 278 Rn. 5). Danach stellt eine Impfbescheinigung ein solches Gesundheitszeugnis dar. Denn dieses Merkmal umfasst bereits nach seinem Wortsinn nicht nur Feststellungen zum gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen, sondern auch über die Aussichten, von bestimmten Krankheiten bef[X.] oder von ihnen verschont zu werden ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 30. Aufl., § 277 Rn. 2; [X.], [X.], 12. Aufl., § 277 Rn. 2; MüKo-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 277 Rn. 2; [X.]/Schuhr, Medizinrecht, 4. Aufl., § 278 Rn. 5). Eine Aussage über die Veränderung des Gesundheitszustandes wird auch durch die implizit in einem Impfnachweis enthaltene Feststellung getroffen, dass der Impfpassinhaber mit einem bestimmten Wirkstoff geimpft sei und dieser Wirkstoff bei Kontakt mit einem [X.] zu bestimmten körperlichen Reaktionen führe (vgl. auch [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 Rn. 16; für die Besonderheiten aufweisende Pockenschutzimpfung: [X.], Urteil vom 24. April 1963 – 2 [X.]; RG, Urteil vom 21. September 1893 – 2404/93, [X.], 284, 286).

Dieser Aussagegehalt lässt sich aber nicht bereits der Zeile auf den Innenseiten des Impfausweises entnehmen, in der das Datum der Impfung, der Impfstoff und die Chargennummer eingetragen werden. Es bedarf vielmehr der Zuordnung der Verabreichung einer Impfdosis zu einer bestimmten Person (vgl. hierzu im Gegenschluss den durch Gesetz vom 22. November 2021 [[X.] I [X.]] eingeführten Absatz 1a des § 275 [X.], der erstmals Formen des Umgangs mit „noch nicht personalisierten“ [X.] als Vorbereitungshandlung des [X.] falscher Impfausweise unter Strafe stellt, „um die Strafbarkeit sämtlichen strafwürdigen Verhaltens im Bereich der Fälschung von Impfausweisen zweifelsfrei sicherzustellen“ [BT-Drucks. 20/15, S. 32 f.]). Diese wird erst durch die Personalien auf dem Deckblatt des Impfausweises gewährleistet, auf die sich die Angaben zur Impfung beziehen. Die ärztliche Unterschrift bezeugt mithin, den Inhaber des Ausweises mit dem näher bezeichneten [X.] geimpft zu haben.

b) Der Angeklagte hat gemäß § 277 [X.]. 2 [X.] aF unter dem Namen einer [X.] ein falsches Gesundheitszeugnis ausgestellt.

Der erste Teilakt von § 277 [X.] aF erfasst drei unterschiedliche [X.]n, denen aber [X.] gemeinsam ist, dass der Täter über den Aussteller der Urkunde täuscht, und zwar entweder über dessen mit einer Qualifikation verbundene Identität oder aber allein über dessen Qualifikation.

aa) In der ersten [X.]iante stellt der Täter das Gesundheitszeugnis zwar unter seinem echten Namen aus; zugleich bezeichnet er sich darin aber unwahr „als Arzt oder als eine andere approbierte [X.]“. Das Gesundheitszeugnis enthält damit eine schriftliche Lüge über die [X.] ([X.]/[X.], 9. Aufl., § 277 Rn. 11; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 30. Aufl., § 277 Rn. 6), mithin über die Qualifikation des Ausstellers. Diese [X.]iante – die auch den Tatbestand der Urkundenfälschung nicht erfüllen würde (vgl. BT-Drucks. 20/15, [X.]; [X.], [X.], 68. Aufl., § 277 Rn. 1; NK-[X.]/Puppe/[X.], 6. Aufl., § 267 Rn. 72) – liegt nach den Feststellungen nicht vor.

bb) Zur Erfüllung der zweiten und dritten [X.]iante muss der Täter über die Identität des Ausstellers täuschen. Anders als bei der Urkundenfälschung reicht aber allein eine Identitätstäuschung nicht aus, vielmehr ist es zudem erforderlich, dass die vorgetäuschte Identität mit der Qualifikation als approbierte [X.] verbunden ist. Aufgrund der Identitätstäuschung unterf[X.] diese beiden [X.]n auch dem Tatbestand der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 30. Aufl., § 277 Rn. 7 f.; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 277 Rn. 4: die unter Nichtberücksichtigung der strukturellen Unterschiede von „Spezialfällen“ der Urkundenfälschung ausgehen). Anders als für die Erfüllung dieses Tatbestands ist jedoch zusätzlich erforderlich, dass der aus der Urkunde ersichtliche Aussteller eine besondere Eigenschaft aufweist.

(1) Die zweite [X.]iante ist erfüllt, wenn der Täter unter dem Namen einer approbierten [X.] ein – inhaltlich richtiges oder falsches – Gesundheitszeugnis ausstellt, er mithin über die Identität eines Ausstellers täuscht, der er die erforderliche Qualifikation zuweist. Dies ist sowohl gegeben, wenn er unter dem Namen einer anderen tatsächlich existierenden approbierten Person handelt, er also eine fremde Identität vortäuscht, als auch dann, wenn die Person, als die er auftritt, in Wahrheit nicht existiert ([X.], [X.], 68. Aufl., § 277 Rn. 7; [X.], [X.], 2. Aufl., § 277 Rn. 8; missverständlich insoweit [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 30. Aufl., § 277 Rn. 7), solange er den Anschein erweckt, dass diese erfundene Person eine approbierte [X.] sei.

(2) Die dritte [X.]iante des [X.] liegt vor, wenn der Täter den Inhalt einer Gesundheitsbescheinigung verändert (MüKo-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 277 Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 30. Aufl., § 277 Rn. 8; [X.], [X.], 68. Aufl., § 277 Rn. 8) und damit über die mit einer bestimmten Qualifikation verbundene Identität des Ausstellers täuscht.

cc) Hier liegen die Voraussetzungen der zweiten [X.]iante vor. Indem der Angeklagte die [X.] mit einem nachgeahmten oder erfundenen Namenszug in Kombination mit dem Stempel „[X.]      “ versah, suggerierte er dem Leser die Ausstellung der Dokumente durch einen Arzt des [X.] und täuschte mithin über die qualifizierte Identität des Ausstellers.

2. Der Tatbestand des § 277 [X.] aF ist gleichwohl nicht erfüllt, da es an der Verwirklichung des zweiten Teilakts der Tathandlung fehlt. Denn anders als für den Tatbestand der Urkundenfälschung genügt es nicht, dass die Urkunde in der Absicht hergestellt wird, sie später zur Täuschung im Rechtsverkehr zu gebrauchen. Vielmehr verlangt der Tatbestand des § 277 [X.] aF den Gebrauch der Urkunde. Hinzu tritt, dass nicht der Gebrauch im allgemeinen Rechtsverkehr von der Vorschrift erfasst wird, sondern nur der Gebrauch zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften. An diesen – den Tatbestand des § 277 [X.] aF entscheidend von denjenigen des § 267 [X.] abhebenden Voraussetzungen – fehlt es.

Ein gefälschtes Gesundheitszeugnis gebraucht nur derjenige, der es dem zu [X.] so zugänglich macht, dass dieser es wahrnehmen kann (vgl. zum Gebrauch [X.], Urteil vom 21. Dezember 1988 – 2 [X.], [X.]St 36, 64, 65). Erforderlich ist, dass der [X.] in die Lage versetzt wird, vom Inhalt des [X.] durch eigene Einsichtnahme Kenntnis zu nehmen.

a) Der Angeklagte hat die Impfausweise lediglich hergestellt und sie nicht selbst gebraucht.

b) Es kann dahinstehen, ob es für den Gebrauch ausreichen könnte, dass der Fälscher das Zeugnis lediglich einem Dritten für dessen Gebrauch überlässt (bejahend: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 30. Aufl., § 277 Rn. 10; verneinend: [X.], [X.], 2. Aufl., § 277 Rn. 10; MüKo-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 277 Rn. 4, 7; [X.], [X.], 68. Aufl., § 277 Rn. 9) oder ob dem Angeklagten der Gebrauch durch andere gemäß § 25 Abs. 2 [X.] zugerechnet werden könnte. Denn es war lediglich vorgesehen, dass die Impfausweise „etwa in Apotheken zur Erstellung eines digitalen Impfzertifikats oder in der Gastronomie“ genutzt werden sollten. Nur diese Verwendungsweise war auch vom Vorsatz des Angeklagten umfasst. In jeder dieser Konstellationen fehlt es an den Voraussetzungen des besonderen Adressatenkreises für die Täuschung.

aa) Beim Einsatz in der Gastronomie versteht sich dies von selbst.

bb) Aber auch bei Vorlage in Apotheken sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

(1) Apotheken kommen als Vorlageadressaten im Sinne des § 277 [X.] aF nicht in Betracht; Apotheken sind keine Behörden.

Behörden im Sinne der §§ 277, 278 [X.] aF sind nur solche Stellen, welche die vorgelegten Zeugnisse zur Beurteilung des Gesundheitszustands einer Person verwenden ([X.], Urteil vom 3. Dezember 1997 – 2 [X.], [X.]St 43, 346, 352 f.; vgl. zum Behördenbegriff auch [X.], [X.], 12. Aufl., § 277 Rn. 6; [X.], NJW 1996, 1193, 1194). Schon das ist hier nicht der Fall. Nach § 1 [X.] obliegt den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Unter diese Aufgabe fällt nicht die Beurteilung des Gesundheitszustands von Personen auf der Grundlage eines von einer (anderen) [X.] erstellten Zeugnisses.

(2) Die Vorlage der Falsifikate in Apotheken zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikats führt auch nicht dazu, dass dem Robert-[X.]-Institut die Impfbescheinigungen als der für die Erstellung digitaler Impfzertifikate zuständigen Behörde zugänglich gemacht werden. Denn ein Gebrauchen setzt jedenfalls ein Verbringen des [X.] in den Machtbereich der Behörde mit der Möglichkeit sinnlicher Wahrnehmung voraus (vgl. nur [X.], Urteil vom 21. Dezember 1988 – 2 [X.], [X.]St 36, 64, 65). Daran fehlt es, weil gemäß § 22 Abs. 5 [X.] aF dem Robert-[X.]-Institut durch die Apotheke lediglich personenbezogene Daten aus dem Impfpass elektronisch übermittelt werden, nicht jedoch der Impfpass als solcher (so auch [X.], Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22 Rn. 20, NJW 2022, 2054, 2055; [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 Rn. 49 ff.).

II.

Zu Unrecht hat sich das [X.] jedoch an einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung (§ 267 [X.]) gehindert gesehen. Wie vom [X.] rechtsfehlerfrei angenommen, liegen die Voraussetzungen des Tatbestands vor (1.). Seine Ansicht, der Tatbestand des § 277 [X.] aF sperre den Rückgriff auf den Tatbestand der Urkundenfälschung, trifft nicht zu (3. und 4.).

1. Die Fälschung ärztlicher Bescheinigungen über angebliche Schutzimpfungen erfüllt den Tatbestand der Urkundenfälschung in der Tatvariante des [X.] einer unechten Urkunde (§ 267 Abs. 1 [X.]. 1 [X.]).

a) Der Impfpass ist eine Urkunde im Sinne des § 267 [X.]. Die Eintragung einer Impfdokumentation in einen auf eine bestimmte Person ausgestellten Impfausweis stellt eine verkörperte Gedankenerklärung dar, die zum Beweis geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt (st. Rspr. zum Urkundenbegriff, vgl. nur [X.], Urteil vom 18. Juni 1953 – 3 [X.], [X.]St 4, 284, 285; Beschluss vom 23. März 2010 – 5 StR 7/10, [X.], 91 [X.]). Die in der ausgefüllten Zeile des Impfausweises enthaltenen Angaben über Datum der Impfung, Impfstoff und Charge ergeben – wie bei § 277 [X.] aF (vgl. [X.]) – im Zusammenhang mit den Personalien auf dem Deckblatt des Impfausweises die Erklärung des Impfarztes, der genannten Person die bezeichnete Impfung an einem bestimmten Tag unter Verwendung eines [X.]s einer bestimmten Charge verabreicht zu haben.

b) Die vom Angeklagten hergestellten Impfbescheinigungen sind auch unecht, da sie nicht von demjenigen stammen, der in ihnen als Aussteller bezeichnet wird. Dies gilt sowohl in den Fällen, in denen der Angeklagte bisher unausgefüllte Impfausweise verwendete, als auch bei Eintragung der Angaben zur Impfung in bereits mit Personalien versehene Impfausweise. Denn die Impfbescheinigungen waren jeweils mit einem Stempel mit dem Aufdruck „[X.]      “ und einer erfundenen oder nachgeahmten Unterschrift versehen, womit der Angeklagte den Eindruck erweckte, die Bescheinigungen seien von einem Arzt des [X.] ausgestellt worden, obwohl sie tatsächlich von ihm selbst herrührten.

2. Danach erfüllt das Handeln des Angeklagten den Tatbestand der Urkundenfälschung. Auf der Grundlage der Feststellungen handelte er auch rechtswidrig und schuldhaft.

3. Für eine Nichtanwendung des § 267 Abs. 1 [X.] gibt es keine Legitimation. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass es sich bei den Urkunden um [X.] handelte und diese als Tatobjekte auch in einem anderen Straftatbestand, nämlich § 277 [X.] aF, erfasst waren. Die Tatbestände des § 277 [X.] aF und des § 267 [X.] stehen nicht im Verhältnis privilegierender Spezialität.

Zum Verhältnis zwischen § 277 [X.] aF und § 267 [X.] werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten.

a) Eine Ansicht nimmt eine umfassende Sperrwirkung des § 277 [X.] aF gegenüber § 267 [X.] an, sobald Tatobjekt ein Gesundheitszeugnis ist. Ein Rückgriff auf § 267 [X.] wird abgelehnt, auch wenn der objektive Tatbestand des § 277 [X.] aF nicht erfüllt ist ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732 - 733/21, NJW 2022, 556, 557; BayObLG, Beschluss vom 3. Juni 2022 – 207 [X.] 155/22; MüKo-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 277 Rn. 11; [X.], [X.], 138).

b) Andere nehmen nicht in [X.] Fällen eine Sperrwirkung des § 277 [X.] aF gegenüber § 267 [X.] an. Eine privilegierende Spezialität soll nicht nur dann gegeben sein, wenn [X.] zur Täuschung von Behörden und Versicherungen gebraucht werden, sondern auch dann, wenn sie – ohne tatsächlichen Gebrauch – diese Zweckbestimmung haben ([X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21; [X.], Beschluss vom 31. März 2022 – 1 Ws 19/22; [X.], Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22, NJW 2022, 2054; [X.], Beschluss vom 26. Juli 2022 – 2 Rv 21 Ss 262/22; [X.], Beschluss vom 8. März 2022 – 1 Ws 33/22, [X.], 397). Dies wird damit begründet, dass sonst der bloße Hersteller eines falschen [X.] härter bestraft wird als derjenige, der dieses nach Erstellung tatsächlich bei einer Behörde oder einer Versicherung vorlegt. In [X.] anderen Fällen, etwa wie hier bei beabsichtigter Vorlage in Gastronomiebetrieben und Apotheken, bleibt § 267 [X.] anwendbar, wenn der Tatbestand des § 277 [X.] aF nicht vollständig erfüllt ist.

c) Eine dritte Ansicht wendet eine „Rechtsfolgenlösung“ an. Die Strafbarkeit nach § 267 [X.] werde nicht gesperrt, solle in der Rechtsfolge aber durch die Anwendung des geringeren Strafrahmens aus § 277 [X.] aF modifiziert werden ([X.], [X.], 178, 179; [X.], [X.], 68. Aufl., § 277 Rn. 11 aE).

d) Das [X.] hatte eine Sperrwirkung angenommen, wenn der Tatbestand der §§ 277, 279 [X.] aF vollständig erfüllt war (RG, Urteile vom 1. Dezember 1881 – 2112/81, [X.], 1 f.; vom 1. November 1898 – 2520/98, [X.], 296, 298). Soweit es dafür darauf abgestellt hat, dass es sich bei den §§ 277, 279 [X.] aF um „besondere Vorschriften“ (RG, Urteil vom 1. Dezember 1881 – 2112/81, [X.], 1 f.) oder es sich bei § 277 [X.] aF um eine gegenüber §§ 267 ff. [X.] aF „spezielle Bestimmung“ gehandelt haben soll (RG, Urteil vom 1. November 1898 – 2520/98, [X.], 296, 298), ist es eine nähere Begründung schuldig geblieben.

e) Der [X.] hat zu dieser Rechtsfrage bislang noch nicht ausdrücklich Stellung genommen.

4. Eine Spezialität mit privilegierendem Charakter des § 277 [X.] aF gegenüber § 267 [X.] besteht nicht. Vielmehr handelt es sich um zwei Tatbestände, die verschieden geartete Begehungsweisen erfassen, aber gemeinsame Unrechtselemente aufweisen, so dass es zu einer im Strafgesetzbuch nicht ungewöhnlichen Überschneidung der Anwendungsbereiche kommt. Die Anwendbarkeit des einen Tatbestands schließt die Anwendbarkeit des anderen deswegen nicht aus.

a) Spezialität als besondere Form der Gesetzeskonkurrenz liegt vor, wenn ein Strafgesetz alle Merkmale einer anderen Strafvorschrift aufweist und sich nur dadurch von dieser unterscheidet, dass es wenigstens noch ein weiteres Merkmal enthält, das den in Frage kommenden Sachverhalt unter einem genaueren Gesichtspunkt erfasst, also spezieller ist. Soll der Täter durch das weitere, speziellere Merkmal bessergestellt werden als der Täter nur des allgemeinen Delikts, so handelt es sich um einen Fall der privilegierenden Spezialität. Dann ist ein Rückgriff auf das allgemeinere Delikt ausgeschlossen, da anderenfalls die Privilegierung beseitigt würde. Ob die speziellere Vorschrift den Täter begünstigen soll, ist anhand des Zwecks dieser Vorschrift, des inneren Zusammenhangs der miteinander konkurrierenden Bestimmungen und des Willens des Gesetzgebers zu prüfen ([X.], Urteil vom 11. Dezember 2003 – 3 [X.], [X.]St 49, 34, 37; Beschluss vom 18. November 1971 – 1 StR 302/71, [X.]St 24, 262, 264). Die Annahme einer Privilegierung bedarf mithin stets einer spezifischen Rechtfertigung (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Oktober 2018 – 2 [X.], [X.]St 63, 228 Rn. 50 ff.).

b) An einer solchen Rechtfertigung fehlt es. Die Voraussetzungen privilegierender Spezialität zwischen § 267 [X.] und § 277 [X.] aF liegen nicht vor.

Zwar könnte für ein derartiges Konkurrenzverhältnis der beiden Vorschriften sprechen, dass die Vorschrift des § 277 [X.] aF mit dem Tatobjekt Gesundheitszeugnis Urkunden unter einem spezielleren Aspekt erfasst und für deren Fälschung lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr androht, während die Urkundenfälschung demgegenüber Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht. Zudem ist bei Verwirklichung der zweiten und dritten Tatvariante des § 277 [X.] aF (vgl. [X.]) jeweils auch der Tatbestand der Urkundenfälschung noch dazu mit einem höheren Strafrahmen erfüllt.

Aber weder Wortlaut noch systematischer Zusammenhang oder Zweck der beiden Vorschriften belegen das [X.]. Die historische Auslegung bestätigt das Ergebnis, dass es sich um zwei Tatbestände handelt, die nebeneinanderstehen und trotz gemeinsamer Unrechtselemente verschiedene, jeweils als strafwürdig erachtete Handlungen erfassen. Im Einzelnen:

aa) Aus dem Wortlaut ergibt sich eine Privilegierungswirkung des § 277 [X.] aF nicht (insoweit zutreffend [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 Rn. 38; [X.], Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22 Rn. 24, NJW 2022, 2054, 2056; [X.], Beschluss vom 8. März 2022 – 1 Ws 33/22 Rn. 22, [X.], 397, 399; ferner NK-[X.]/Puppe/[X.], 5. Aufl., § 277 Rn. 13). Hätte der Gesetzgeber einen Anwendungsvorrang gewollt, hätte er ihn im Wortlaut verankert. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Annahme einer Privilegierung um einen rechtfertigungsbedürftigen Ausnahmefall handelt (vgl. [X.], Urteil vom 10. Mai 1983 – 1 [X.], [X.]St 31, 380, 381).

bb) Dagegen sprechen systematische Argumente, insbesondere die strukturelle Verschiedenheit beider Delikte, die einen fehlenden inneren Zusammenhang offenbart.

(1) Dies zeigt sich vor allem darin, dass § 277 [X.] aF als zweiaktiges Delikt ausgestaltet ist, das Gesundheitszeugnis also stets tatsächlich eingesetzt werden muss (vgl. [X.]), während bei der Urkundenfälschung schon das Herstellen oder Verfälschen zum Zweck der Täuschung Vollendung eintreten lässt.

Dieser Befund – zweiaktiges Tatgeschehen bei § 277 [X.] aF im Gegensatz zum einaktigen mit überschießender Innentendenz bei der Urkundenfälschung – lässt sich aber mit der Annahme, dass der zweiaktige Tatbestand das Geschehen nur noch unter spezielleren Gesichtspunkten als der andere erfassen und deswegen den Täter privilegieren soll, schwerlich vereinbaren. Dies gilt zumal, da der zum Fälschen oder Verfälschen hinzutretende Gebrauch der Urkunde den dem Tatgeschehen innewohnenden Unrechtsgehalt sogar zu steigern geeignet ist (vgl. zur Berücksichtigung von Art und Ausmaß der Rechtsgutsverletzung, [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. Rn. 588), keineswegs aber senkt. Dies wird gestützt durch die gesetzgeberische Wertung, den Gebrauch einer unechten oder verfälschten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 [X.]. 3 [X.] für sich genommen für ebenso strafwürdig zu erachten wie das Fälschen oder Verfälschen gemäß § 267 Abs. 1 [X.]. 1 und 2 [X.]. Der Blick auf diese [X.]n der Urkundenfälschung erhellt aber auch, dass der Täter des § 277 [X.]. 2 und 3 [X.] aF stets zwei [X.]n des § 267 Abs. 1 [X.] erfüllt, weil er fälschen oder verfälschen und sein Produkt sodann einsetzen muss. Für eine grundsätzlich mildere Bestrafung dieses Täters gegenüber demjenigen, der nur eine [X.]iante der Urkundenfälschung begeht, spricht danach nichts.

(2) Die Ausgestaltung des zweiten Teilakts des § 277 [X.] aF in Form des gegenüber der Urkundenfälschung viel enger gefassten und enumerativ genannten Adressatenkreises der ins Werk gesetzten Täuschung (vgl. [X.]) lässt ebenfalls keinen Grund für eine Privilegierung erkennen. Dem Gesetz sind Anhaltspunkte dafür, dass der Gebrauch gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft weniger strafwürdig sein soll als gegenüber anderen Teilnehmern des Rechtsverkehrs, nicht zu entnehmen. Solche sind auch sonst nicht zu Tage getreten. Soweit einzelne Oberlandesgerichte, die eine privilegierende Spezialität annehmen, damit argumentieren, speziell die Vorlage gegenüber diesen Adressaten sei privilegiert und damit als verringertes Unrecht zu begreifen (vgl. [X.], Beschluss vom 8. März 2022 – 1 Ws 33/22, [X.], 397, 398; [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 Rn. 34), weil sich Behörden und Versicherungen besser gegen Täuschungen schützen könnten, entbehrt diese Begründung einer Privilegierung eines Belegs und vor allem jeder Stütze in der [X.]. Zudem könnte diese Lesart die selbständige Strafbarkeit des Gebrauchs einer schriftlichen Lüge in Form eines unrichtigen [X.] nur bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft gemäß §§ 278, 279 [X.] in den zur Tatzeit geltenden Fassungen nicht erklären. Diese Einwände gelten auch für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit § 277 [X.] aF dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass bei Versicherungen und Behörden oftmals ein „faktischer Zwang“ zur Vorlage von [X.] bestünde (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 Rn. 34), um bestimmte Leistungen zu erhalten.

(3) Die strukturellen Unterschiede erschöpfen sich aber nicht in der divergierenden Anzahl der zur Tatvollendung erforderlichen Begehungsakte. Zusätzlich enthält § 277 [X.] aF eine Begehungsform, die den Tatbestand der Urkundenfälschung gar nicht erfüllt, nämlich die nur nach § 277 [X.] aF strafbare schriftliche Lüge (vgl. hierzu [X.]). Dieser Befund spricht gegen einen privilegierenden Gehalt der beiden anderen [X.]n. Denn wenn eine Fälschung oder eine Verfälschung von Urkunden dann als weniger strafwürdig behandelt werden müsste, wenn ein Gesundheitszeugnis als spezielle Urkunde betroffen ist, so erklärt sich nicht, warum eine schriftliche Lüge allein auf einem Gesundheitszeugnis strafbar ist, nicht aber, wenn es sich um eine sonstige Urkunde handelt. Eine Privilegierung stünde zudem in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zur Vorschrift des § 278 [X.] in der zur Tatzeit geltenden Fassung, wonach das Ausstellen unrichtiger [X.] als schriftliche Lüge auch ohne Täuschung über den Aussteller oder dessen Qualifikation strafbar ist. Vielmehr belegen § 277 [X.]. 1, §§ 278, 279 [X.] aF, dass der Gesetzgeber den Umgang mit nicht vertrauenswürdigen [X.] umfassender strafrechtlich schützen wollte, als dies bei allgemeinen Urkunden der Fall ist. Mit einer geringeren Vertrauenswürdigkeit der [X.] als Grund für die Privilegierung ist dieser umfassende Schutz nicht vereinbar.

(4) Schließlich geht § 277 [X.] aF noch in anderer Weise über die Anforderungen der Urkundenfälschung gemäß § 267 [X.] hinaus. Für die beiden [X.]n des § 277 [X.] aF, die wie § 267 Abs. 1 [X.] eine Identitätstäuschung über den Aussteller erfordern, reicht diese für sich genommen zur Tatbestandserfüllung nicht aus. Vielmehr muss die vorgetäuschte Identität besondere Anforderungen erfüllen, indem sie den angeblichen Aussteller als Arzt oder andere approbierte [X.] erscheinen lässt (vgl. [X.]). Dieses zusätzliche Merkmal im Zusammenhang mit der ersten [X.] der Vorschrift, in der eine Täuschung über die Qualifikation erforderlich ist, belegt, dass § 277 [X.] aF eine andere Schutzfunktion hat. Wäre auch hierdurch nur die allgemeine Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden geschützt, so bedürfte es der mit der Identitätstäuschung verbundenen Aussage über die Qualifikation des vermeintlichen Ausstellers nicht.

Diesem zusätzlichen Merkmal einen privilegierenden Gehalt zuzuweisen, würde bedeuten, eine Täuschung über die Identität des Ausstellers dann für weniger strafwürdig zu erachten, wenn der Täter zugleich zum Ausdruck bringt, der Aussteller sei eine approbierte [X.]. Dies wäre weder sinnvoll noch ließe es sich in die Rechtsordnung einpassen, in der diesem Berufszweig besonderes Vertrauen entgegengebracht wird (vgl. nur § 218a, § 218b Abs. 1 Satz 2 [X.]) und dessen Missbrauch in herausgehobener Weise als strafwürdig bewertet wird (vgl. § 218c Abs. 1, § 278 [X.] und § 278 [X.] aF).

(5) Wie aufgezeigt, unterscheiden sich die beiden Tatbestände in vielfacher Weise. Würde man – wie das [X.] – systematisch von einer privilegierenden Spezialität ausgehen wollen, müssten sämtliche zusätzlichen Anforderungen, die die Begehungsweisen des § 277 [X.]. 2 und 3 [X.] aF an die Tatbestandsverwirklichung stellen, Merkmale sein, die den zu beurteilenden Sachverhalt genauer erfassen, mithin spezieller sind. Das beträfe damit nicht nur den aus der Gesamtheit der Urkunden spezielleren Begriff der [X.], sondern ebenso die besonderen Anforderungen an die Identitätstäuschung und den nachfolgenden Einsatz der gefälschten oder verfälschten Urkunden gegenüber dem besonderen Adressatenkreis. In dieser Gesamtheit der besonderen, über § 267 Abs. 1 [X.] hinausgehenden Merkmale ist nicht im Ansatz ein Grund für eine Privilegierung auszumachen.

Aber selbst wenn es sich jeweils um privilegierende Merkmale handelte, wäre Voraussetzung der vermeintlich vom Gesetzgeber intendierten Privilegierung, dass die zu einer geringeren Strafwürdigkeit führenden Umstände auch tatsächlich vorliegen. Der typisierte Sachverhalt, der dem Gesetzgeber vermeintlich Anlass gegeben haben soll, einen Ausschnitt der Fälle aus dem allgemeineren Tatbestand als weniger strafwürdig zu behandeln, läge anderenfalls nämlich nicht vor. [X.] gewisser, hier nicht vorliegender Sonderkonstellationen (vgl. etwa [X.], Urteil vom 23. November 1983 – 3 StR 256/83, NJW 1984, 931, 933 [zu § 105 [X.] und § 240 [X.]]; LK/[X.], [X.], 13. Aufl., Vor § 52 ff. Rn. 140 ff. [X.]; NK-[X.]/Puppe, 5. Aufl., Vor § 52 Rn. 19; das in der Hauptverhandlung angesprochene Verhältnis von § 283c [X.] zu § 283 Abs. 1 [X.] stellt eine solche Sonderkonstellation nicht dar, weil bei fehlender Verwirklichung des § 283c [X.] auch der Tatbestand der allgemeineren Vorschrift des § 283 Abs. 1 [X.] nicht erfüllt ist, vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 1955 – 5 StR 128/55, [X.]St 8, 55, 56 f.) gilt deswegen uneingeschränkt: Sind die Voraussetzungen des Spezielleren (lex specialis) nicht erfüllt, findet das Allgemeine (lex generalis) Anwendung, da der Grund für die Sonderbehandlung in Form der Privilegierung nicht verwirklicht ist.

Hiervon und von der von ihnen vorausgesetzten gesetzgeberischen Wertung lösen sich die Vertreter einer privilegierenden Spezialität, wenn sie trotz [X.] der spezielleren Voraussetzungen der [X.]n des § 277 [X.]. 2 und 3 [X.] aF die privilegierende Wirkung allein von der Erfüllung eines der spezielleren Merkmale abhängig machen (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732 - 733/21, NJW 2022, 556; BayObLG, Beschluss vom 3. Juni 2022 – 207 [X.] 155/22; MüKo-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 277 Rn. 11; [X.], [X.], 138). Dies zeigt zudem deutlich, dass sie ebenfalls nicht [X.] [X.] oder deren Gesamtheit privilegierenden Gehalt zuerkennen können.

(6) Auch unter sonstigen systematischen Gesichtspunkten ist die Annahme einer Sperrwirkung des § 277 [X.] aF nicht geboten.

(a) Das Normengefüge spricht gegen eine Privilegierung. So gibt es in § 274 Abs. 1 [X.] (Urkundenunterdrückung) keine Sonderregelung für [X.]. Wenn der Gesetzgeber den Umgang mit [X.] umfassend hätte privilegieren wollen, hätte es nahegelegen, auch in § 274 Abs. 1 [X.] eine entsprechende Regelung zu schaffen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 Rn. 29; [X.], Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22 Rn. 29, NJW 2022, 2054, 2056). Wie dargestellt ([X.]) sprechen auch die Vorschriften der §§ 278, 279 [X.] aF gegen eine Privilegierung des Umgangs mit [X.].

(b) Die Annahme einer Sperrwirkung des § 277 [X.] aF stünde in einem unerklärlichen Gegensatz zur grundsätzlich weitreichenden Regelung des § 267 [X.], der auch eine Vielzahl von Lebenssachverhalten erfasst, deren Bedeutung für den Rechtsverkehr geringer ist als derjenige von [X.] ([X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 Rn. 27; [X.], Beschluss vom 8. März 2022 – 1 Ws 33/22 Rn. 23, [X.], 397, 399). Auch die Befürworter einer privilegierenden Spezialität räumen ein, dass bei Annahme einer solchen im Einzelfall erhebliche Wertungswidersprüche bestehen können (MüKo-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 277 Rn. 9; [X.], [X.], 138). Dies zeigt insbesondere der Vergleich der Fälschung von [X.] von Menschen und Tieren: Fälschungen von [X.] sind unstreitig nach § 267 [X.] strafbar, so dass der Strafrahmen deutlich höher wäre als bei der Fälschung von [X.] von Menschen ([X.]/[X.], 5. Aufl., § 277 Rn. 2; NK-[X.]/Puppe/[X.], 5. Aufl., § 277 Rn. 4; siehe zum Streitstand auch [X.], [X.] 2021, 456), was im Widerspruch zur Bedeutung im Rechtsverkehr steht. Gleiches gilt für die Fälschung eines Totenscheins. Da es sich nicht um ein Gesundheitszeugnis handelt, ist dessen Fälschung auch nach den Befürwortern einer privilegierenden Spezialität als Urkundenfälschung strafbar. [X.] erschließt sich nicht, warum sich der Fälscher eines Totenscheins gemäß § 267 Abs. 1 [X.]. 1 [X.] strafbar macht, der Fälscher eines [X.] bezüglich eines Lebenden hingegen nicht (so auch [X.], [X.] 2021, 456, 459).

cc) Der Zweck der Vorschriften erlaubt ebenfalls keinen Schluss auf eine privilegierende Spezialität. Die Rechtsgüter der betroffenen Vorschriften sind nicht deckungsgleich. Die Regelung des § 267 [X.] dient der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden allgemein ([X.], Urteil vom 11. Dezember 1951 – 1 StR 567/51, NJW 1952, 231), indem er ihn vor dem Herstellen unechter, dem Verfälschen echter und dem Gebrauch unechter oder verfälschter Urkunden strafrechtlich schützt. Er dient damit nicht unmittelbar dem Schutz von Individualinteressen, insbesondere nicht solcher vermögensrechtlicher Art. Der Schutz, der Individualinteressen durch diese Norm zuteil wird, ist nur eine Reflexwirkung ([X.], Urteil vom 3. Februar 1987 – [X.], NJW 1987, 1818 f.; [X.], Beschluss vom 21. August 2019 – 3 StR 7/19 Rn. 12, [X.], 176; [X.], Urteil vom 11. November 2020 – 1 [X.] Rn. 68; [X.], [X.], 12. Aufl., § 267 Rn. 2).

Demgegenüber ergibt sich aus den Darlegungen zur unterschiedlichen Struktur der Tatbestände, dass die relevanten [X.]n des § 277 [X.] aF einen Sachverhalt unter anderen Aspekten als § 267 [X.] erfassen. Durch die besonderen Anforderungen an die falsche Urkunde, die vorgetäuschte Identität des vermeintlichen Ausstellers und durch den begrenzten Adressatenkreis der erforderlichen Verwendung wird die abweichende Schutzrichtung des § 277 [X.] aF deutlich. Sie liegt in der Sicherung der Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse für Behörden und Versicherungsgesellschaften (vgl. [X.], [X.], 422, 423) und schützt diese vor einem Missbrauch des Vertrauens in die Integrität medizinischer Dokumente (vgl. [X.], [X.], 12. Aufl., § 277 Rn. 1; AnwK-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 277 Rn. 1).

[X.]) Nachdem weder aus dem Wortlaut noch aus dem inneren Zusammenhang der Vorschriften zueinander, aus sonstigen systematischen Gesichtspunkten oder dem Zweck der Vorschriften Argumente für eine privilegierende Spezialität gewonnen werden können, sind solche auch der [X.] nicht zu entnehmen. Vielmehr bestätigt diese, dass es sich um zwei Tatbestände handelt, die sich ungeachtet gemeinsamer Unrechtselemente nicht gegenseitig ausschließen und nicht im Verhältnis privilegierender Spezialität zueinander stehen.

[X.] waren zur [X.] der Entstehung der Vorschrift (Strafgesetzbuch für die [X.] und [X.]) vom Urkundenbegriff nicht umfasst. Die Schaffung eines Tatbestands, der ihre Fälschung und anschließende Verwendung unter Strafe stellte, sollte eine damals wegen der deutlich engeren Fassung des Tatbestands der Urkundenfälschung bestehende [X.] schließen. Spätere Gesetzesreformen, die zu strukturellen Eingriffen und zum Tatbestand des § 267 [X.] in der heutigen Form führten, wurden lediglich bei der in der Rechtspraxis äußerst relevanten Urkundenfälschung umgesetzt; die bis zur Reform im November 2021 im Regelungsgehalt im Wesentlichen unangetastete Vorschrift der Fälschung von [X.] nach § 277 [X.] aF spielte bis zur COVID-19-[X.] hingegen in der Praxis keine nennenswerte Rolle: In der Strafverfolgungsstatistik wurden Verstöße gegen § 277 [X.] aF schon nicht gesondert, sondern nur zusammen mit solchen gegen die §§ 278 und 279 [X.] aF ausgewiesen; im Jahr 2018 kam es in dieser Gruppe zu lediglich 22 Verurteilungen, im Jahr 2019 zu 26, im [X.] zu 28 Verurteilungen. In der Polizeilichen Kriminalstatistik zeigt sich ein ähnliches Bild: Hier waren für die entsprechenden Jahre für die Vorschrift des § 277 [X.] aF im Jahr 2018 nur 26 Verfahren aufgeführt, 31 im Jahr 2019, 90 im [X.] und selbst im Jahr 2021 – nach Beginn der [X.] – lediglich 1.052. Zur historischen Entwicklung der Vorschriften ergibt sich das Folgende:

(1) Die Vorläuferregelungen der Urkundenfälschung und der Fälschung von [X.] entstammen dem Strafgesetzbuch für die [X.] vom 14. April 1851 (Preuß[X.]). Die Vorschrift des § 247 Abs. 1 Preuß[X.] definierte die Urkundenfälschung als zweiaktiges Delikt, bei dem in der Absicht, sich oder anderen Gewinn zu verschaffen oder anderen Schaden zuzufügen, eine Urkunde verfälscht oder fälschlich angefertigt und von derselben zum Zwecke der Täuschung Gebrauch gemacht wurde. Im Gegensatz zum heutigen Urkundenbegriff galten nach der gesetzlichen Bestimmung des § 247 Abs. 2 Preuß[X.] nur solche Schriftstücke als Urkunden, die zum Beweis von Verträgen, Verfügungen, Verpflichtungen, Befreiungen oder überhaupt von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit waren. Mit dieser Formulierung sollte der Tatbestand auf solche Fälle der Urkundenfälschung beschränkt werden, die Rechte Dritter verletzen können ([X.], Kommentar über das Strafgesetzbuch für die [X.] und das [X.], erschienen 1851, [X.]). Diese tatbestandliche Enge hatte die bereits von [X.]genossen beklagte Konsequenz, dass beispielsweise die Fälschung ärztlicher Rezepte mangels Urkundenqualität nicht strafbar war ([X.], aaO, [X.], 475).

[X.], welche dem Nachweis eines bestimmten Gesundheitszustandes dienen sollten, fielen ebenfalls nicht unter § 247 Abs. 2 Preuß[X.]. Ihre fälschende Ausstellung und der nachfolgende Gebrauch zur Täuschung von Behörden und Versicherungsgesellschaften wurde deswegen in § 256 Preuß[X.] gesondert erfasst. Die Vorschrift sollte einen weiteren von mehreren „nicht selten vorkommende[n] Fälle[n]“ der Fälschung erfassen, für die es bis dahin an Bestimmungen gefehlt hatte (vgl. Begründung in den Motiven zum Entwurf von 1851; vgl. dazu [X.], Das Strafgesetzbuch für die [X.] vom 14. April 1851, erschienen 2019, [X.], 237). Es entsprach der damaligen [X.], auch für andere Fälschungsobjekte besondere Tatbestände vorzusehen (vgl. [X.], aaO, [X.] ff.), wie etwa für die Fälschung von Reisepässen und ähnlichen Legitimationspapieren (§ 254 Preuß[X.]) oder von bestimmten, über eine Person ausgestellten amtlichen Zeugnissen (§ 255 Preuß[X.]).

Die Vorschrift des § 256 Preuß[X.] stellte deshalb keine Privilegierung dar, sondern begründete überhaupt erst die Strafbarkeit der Fälschung von [X.] (in diesem Sinne auch [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 Rn. 22). Dies findet Beleg in der damaligen Kommentarliteratur, wonach die Fälschung von [X.] sich auf Handlungen bezieht, „die mit der Urkundenfälschung verwandt sind, bei denen auch unter Umständen der volle [X.] dieses Verbrechens vorliegen kann, die aber das Strafgesetzbuch selbständig [X.] wissen will“ ([X.], aaO, S. 482).

(2) Die gegenüber der Urkundenfälschung (Verbrechen nach § 250 Preuß[X.]) schon damals niedrigeren Strafrahmen der Fälschung von [X.] (Vergehen nach § 256 Preuß[X.]) oder weiterer besonders geregelter Fälschungsarten (§§ 254, 255 Preuß[X.]) erklären sich aus dem Fehlen einer [X.] oder Schädigungsabsicht bei diesen Delikten. So wurde bei der Gesetzesberatung die Ansicht vertreten, dass sich eine niedrigere Strafe für diese Tatbestände nur dann rechtfertige, wenn nicht die allgemeinen Voraussetzungen der Fälschung oder des Betrugs vorliegen ([X.], aaO, S. 483).

Angesichts dessen ist nicht nachvollziehbar, warum das [X.] in den oben unter [X.] zitierten Entscheidungen ([X.], 1, 2 sowie [X.], 296, 298) sich mit dieser Entstehungsgeschichte nicht auseinandergesetzt hat und ohne nähere Begründung davon ausgegangen ist, dass bei Vorliegen eines [X.] ein Rückgriff auf die Urkundenfälschung ausgeschlossen sei.

Ebenso wenig ergibt sich aus dieser Entstehungsgeschichte, dass der Gesetzgeber die Fälschung von [X.] deswegen als weniger strafwürdig erachtet hat, weil bei der Schaffung der Vorschrift die Medizin noch nicht so gute Erkenntnismöglichkeiten gehabt und er die [X.] deshalb als weniger schutzbedürftig angesehen hätte. Diese Ansicht entbehrt jeder Grundlage (so aber [X.], Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732 - 733/21 Rn. 19, NJW 2022, 556, 558; BayObLG, Beschluss vom 3. Juni 2022 – 207 [X.] 155/22 Rn. 18). Zudem fehlt es dieser These an einem empirischen Beleg, denn es versteht sich keineswegs von selbst, dass die Menschen früher weniger auf den ihnen bekannten und dem damaligen Stand der Forschung entsprechenden Kenntnisstand der Medizin vertraut haben.

(3) Während der Gesetzgeber in der Folgezeit den Anwendungsbereich der Urkundenfälschung weiter ausdehnte und mit Einführung des [X.] zum 1. Januar 1872 zunächst auf die [X.] oder Schädigungsabsicht verzichtete ([X.] 1871, 127, 178) und sodann mit der am 15. Juni 1943 in [X.] getretenen Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. Mai 1943 ([X.] 1943, 339, 341) unter Aufgabe des engen Urkundenbegriffs den Tatbestand von einem zweiaktigen zu einem einaktigen Delikt umgestaltete, behielt die Vorschrift über die Fälschung von [X.] ihre alte Struktur und ihren Strafrahmen. Sie wurde ohne wesentliche Änderung in § 277 [X.] aF übernommen.

Standen § 267 [X.] und § 277 [X.] aF und ihre Vorgängernormen bei ihrer Schaffung noch exklusiv nebeneinander, führten erst die allein den Tatbestand der Urkundenfälschung betreffenden strukturändernden Reformen zu einer Überschneidung der Tatbestände.

(4) Die Entwicklung des Tatbestands der Urkundenfälschung verdeutlicht indes das Ziel des Gesetzgebers, den Kreis strafbaren Verhaltens zu erweitern, wodurch der Tatbestand aus seinem ursprünglich fein abgestimmten Normgefüge gerissen wurde (in diesem Sinne Prechtel, [X.], 2005, [X.]). Der (zweiaktige) Tatbestand der Fälschung von [X.], der bei seiner Schaffung zunächst bestehende [X.]n schließen sollte, erfuhr hingegen keine grundlegenden Reformen und blieb im wesentlichen Regelungsgehalt unangetastet, woraus zum Teil der Schluss gezogen worden ist, er könne dem Gesetzgeber aus dem Blick geraten sein (so [X.], Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22 Rn. 26, NJW 2022, 2054, 2056). Diese Entwicklung führte dazu, dass die beiden Normen § 267 [X.] und § 277 [X.] aF im Verhältnis zueinander – anders als noch bei der Schaffung der Vorgängerregelung des § 256 Preuß[X.] – keine in sich konsistente Bewertung der Strafwürdigkeit mehr enthalten. Dies ist aber im System der Normen des Besonderen Teils des [X.] kein Einzelfall (Beispiele in BT-Drucks. 13/8587, [X.] ff.; vgl. auch [X.], Urteil vom 29. September 2021 – 2 [X.], [X.], 601, 604; [X.], NStZ 1999, 13 f.) und kann für sich genommen nicht als Anhalt für eine intendierte privilegierende Spezialität dienen.

(5) Hinweise auf eine intendierte Privilegierung des Fälschens von [X.] ergeben sich auch im Übrigen nicht.

Sie folgen insbesondere nicht aus dem Umstand, dass der „Entwurf eines Strafgesetzbuches ([X.]) E 1962“ vom 4. Oktober 1962 in § 309 [X.]-E eine Neuregelung über „unwahre [X.]“ vorsah (BT-Drucks. IV/650, [X.]) und in der Begründung hierzu ausführte, eine dem § 277 [X.] aF entsprechende, „dem Echtheitsschutz dienende Sondervorschrift für [X.]“ sei entbehrlich und auch sachlich nicht gerechtfertigt, soweit sie sich im Tatbestand auf den Schutz bestimmter Stellen beschränke und gegenüber der allgemeinen Urkundenfälschung eine mildere Strafe vorsehe (BT-Drucks. IV/650, [X.]). Damit benannten die Entwurfsverfasser zwar die Unstimmigkeiten und Wertungswidersprüche, die zwischen § 277 [X.] aF und § 267 [X.] bestanden. Die Annahme einer Sperrwirkung des § 277 [X.] aF ergibt sich daraus indes nicht; ebenso gut kann diese Passage auch lediglich einen Hinweis auf die Entbehrlichkeit der Vorschrift darstellen.

Doch selbst wenn man in den weiteren allgemein gehaltenen und auf Inkonsistenzen des [X.] hinweisenden Formulierungen, wie „es ist kein Grund dafür ersichtlich, diese Fälle einer milderen Strafdrohung zu unterstellen oder die Strafbarkeit wie beim zweiaktigen § 277 [X.] erst beim Gebrauchmachen eintreten zu lassen“ und „schließlich fehlt es an ausreichenden Gründen, den Strafschutz für [X.], wie es in den §§ 277 bis 279 [X.] geschieht, auf solche Zeugnisse zu beschränken, die zum Gebrauch bei einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft bestimmt sind“ (BT-Drucks. IV/650, aaO), einen Hinweis darauf erkennen wollte, dass die Entwurfsverfasser von einer privilegierenden Wirkung des § 277 [X.] aF ausgegangen sein sollten, konnte dem nicht entnommen werden, dass der [X.] als der [X.] Gesetzgeber eine solche Auffassung der Entwurfsverfasser geteilt hätte. Denn es handelte sich lediglich um einen Regierungsentwurf, in den die Arbeiten der von der Bundesregierung im Jahr 1954 berufenen [X.], der im Jahr 1959 gebildeten Länderkommission für die große Strafrechtsreform sowie zahlreiche Anregungen der Bundesministerien und der Fachkreise, die zu früheren Entwürfen Stellung genommen hatten, eingeflossen waren (vgl. BT-Drucks. IV/650, [X.] f.), dessen Vorschläge der Gesetzgeber insoweit aber gerade nicht übernommen hat. Die unterbliebene Umsetzung bietet mithin keinen Anhalt dafür, der Gesetzgeber sei „jedenfalls zum damaligen [X.]punkt“ davon ausgegangen, „dass die Verwendung unwahrer [X.] gegenüber anderen als den genannten Stellen nicht strafbar sei“ und habe deshalb „bewusst über mehrere Jahrzehnte“ insoweit [X.]n in Kauf genommen (so aber [X.], Beschluss vom 11. Mai 2022 – 3 [X.] Rn. 21, 24). Denn die behauptete „Untätigkeit“ des Gesetzgebers trotz Vorliegens eines konkreten Reformvorschlags lässt sich auch so verstehen, dass er gerade keine Reformnotwendigkeit sah, weil er im Hinblick auf die Verwendung von unrichtigen [X.] nicht von einer [X.] ausging (so auch [X.], Beschluss vom 26. Juli 2022 – 2 Rv 21 Ss 262/22 Rn. 41).

Dass anlässlich der generellen Ersetzung des Begriffs der Gefängnisstrafe durch denjenigen der Freiheitsstrafe mit dem ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 ([X.] I S. 645, 657) der niedrigere Strafrahmen des § 277 [X.] aF beibehalten wurde, besagt für eine Privilegierung nichts.

(6) Diese Sichtweise wird durch die Materialien des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. November 2021 ([X.] I, [X.]) bestätigt. Mit diesem Gesetz ist § 277 [X.] aF überarbeitet worden, wobei die zweite und dritte [X.] gestrichen worden sind, da das darin beschriebene Verhalten schon von § 267 [X.] oder § 269 [X.] erfasst werde und die §§ 277 bis 279 [X.] aF keine Sperrwirkung für die §§ 267 ff. [X.] entfalteten, sondern lediglich eine darüberhinausgehende Strafbarkeit für spezielle Konstellationen vorsähen (BT-Drucks. 20/15, [X.]). Die nunmehr nur noch die vormals erste [X.] umfassende und als einaktiges Delikt mit überschießender Innentendenz ausgestaltete Vorschrift, die ein Handeln „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ genügen lässt, wurde zudem um die Formulierung ergänzt, dass sie nur anzuwenden ist, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften des Abschnitts der [X.] mit schwererer Strafe bedroht ist (formelle Subsidiarität). Bei Durchführung der Gesetzesänderung ist der Gesetzgeber damit ganz ausdrücklich nicht etwa von einer Sperrwirkung des § 277 [X.] aF ausgegangen. Ziel war es lediglich, einzelne strafwürdige Verhaltensweisen im Zusammenhang mit [X.] „hinreichend klar“ strafrechtlich zu erfassen. Angesichts der erst mit der COVID-19-[X.] zu Tage getretenen erheblichen praktischen Bedeutung von [X.] gerade in [X.]situationen sollte „ein von dogmatischen Unsicherheiten freier strafrechtlicher Schutz des Rechtsverkehrs vor unrichtigen [X.]“ gewährleistet werden (BT-Drucks. 20/15, [X.]). Dies zeigt, dass der Gesetzgeber mitnichten von einer Straflosigkeit der Impfpassfälschung nach dem hier anzuwendenden alten Recht ausgegangen ist, sondern für die Zukunft lediglich eine Klarstellung getroffen werden sollte (vgl. [X.], Beschluss vom 31. März 2022 – 1 Ws 19/22 Rn. 16).

c) Der Senat hat auch die weiteren gegen die Ablehnung einer privilegierenden Spezialität gerichteten Argumente in den Blick genommen. Diese führen indes nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

aa) Zwar weist § 277 [X.] aF gegenüber § 267 [X.] einen niedrigeren Strafrahmen auf, hieraus allein lässt sich aber nicht die Annahme privilegierender Spezialität herleiten. Zum einen stellt das tatbestandliche Zusammentreffen von Normen mit unterschiedlichen Strafrahmen den rechtssystematischen Normalfall dar, wie sich aus der Wertung des § 52 [X.] ergibt (vgl. insoweit auch Puppe, [X.] 1984, 229). Zum anderen erlaubt allein die nicht aufeinander abgestimmt erscheinende Bewertung der Strafwürdigkeit in verschiedenen Tatbeständen nicht den Schluss auf eine intendierte Privilegierung.

bb) Auch das weitere Argument der Befürworter einer vollumfänglichen Sperrwirkung des § 277 [X.] aF, dass der bloße Hersteller eines unrichtigen [X.] nicht nach § 267 [X.] bestraft werden dürfe, weil ansonsten eine für die Tatvorbereitung des § 277 [X.] aF erforderliche Handlung härter bestraft würde als die vollständige Verwirklichung des aus Herstellung und Vorlage bestehenden Tatbestandes § 277 [X.] aF selbst ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732 - 733/21 Rn. 20, NJW 2022, 556, 558), verfängt nicht. Der behauptete Wertungswiderspruch besteht nur, wenn man bei nicht vollständiger Erfüllung des § 277 [X.] aF eine privilegierende Spezialität ablehnt, diese jedoch für den Fall des vollständigen Vorliegens des § 277 [X.] aF bejaht. Da eine privilegierende Spezialität im Verhältnis von § 267 [X.] zu § 277 [X.] aF nicht in Betracht kommt, ist ein wertungsmäßiger Gleichlauf sichergestellt, da sowohl für den isolierten Hersteller als auch denjenigen, der den hergestellten Impfausweis später verwendet, immer der (höhere) Strafrahmen des § 267 [X.] maßgeblich ist.

cc) Der Senat verkennt nicht, dass durch diese Auslegung § 277 [X.] aF, von der [X.] der schriftlichen Lüge abgesehen, keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr hat. Dieses Ergebnis ist jedoch durch den Gesetzgeber vorgezeichnet worden, indem er den Anwendungsbereich des § 267 [X.] stetig ausgeweitet und die Vorschrift zu einem einaktigen Delikt mit überschießender Innentendenz umgestaltet hat.

d) Ohne dass es nach dem gefundenen Ergebnis hierauf noch entscheidend ankäme, bleibt festzuhalten, dass im Fall einer Spezialität zwischen zwei Normen eine Privilegierung regelmäßig nur dann eingreifen kann, wenn ihre tatbestandlichen Voraussetzungen vollständig erfüllt sind.

5. Nach alldem hat sich der Angeklagte auf der Grundlage der Feststellungen gemäß § 267 Abs. 1 [X.] strafbar gemacht.

III.

Die Aufhebung des freisprechenden Teils des Urteils führt zur Aufhebung der Feststellungen insoweit, da der freigesprochene Angeklagte die ihn belastenden Feststellungen nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte. Die Sache bedarf insoweit umfassend neuer Verhandlung und Entscheidung.

Dies zieht die Aufhebung der Einziehungsentscheidung nach sich, soweit das [X.] von der Anordnung der Einziehung und der erweiterten Einziehung abgesehen hat. Seine Würdigung, dass die erlangten [X.] sowie die sichergestellten, naheliegend aus nicht verfahrensgegenständlichen [X.] stammenden Bargeldbeträge nicht inkriminiert und deshalb nicht gemäß §§ 73, 73c oder § 73a [X.] einzuziehen seien, ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Denn sie beruht auf dem unzutreffenden Verständnis, der Tatbestand des § 267 [X.] sei nicht anwendbar.

Die Aufhebung umfasst jedoch nicht den in der Spardose im T.        38 in [X.]       aufgefundenen und sichergestellten Geldbetrag von 733,60 [X.], da die Staatsanwaltschaft bezüglich dieses von den übrigen Vermögenswerten abgrenzbaren Betrages die Revision zurückgenommen und damit ihr Rechtsmittel auf die übrigen Beträge beschränkt hat.

[X.]     

      

[X.]     

      

Köhler

      

Resch     

      

von Häfen     

      

Meta

5 StR 283/22

10.11.2022

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 1. März 2022, Az: 634 KLs 8/21

§ 267 Abs 1 StGB, § 277 StGB vom 13.11.1998

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.11.2022, Az. 5 StR 283/22 (REWIS RS 2022, 9719)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9719 NJW 2023, 1973 REWIS RS 2022, 9719

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

207 StRR 155/22 (BayObLG München)

Coronavirus, SARS-CoV-2, Revision, Freispruch, Sperrwirkung, Strafbarkeit, Generalstaatsanwaltschaft, Strafe, Hauptverhandlung, Angeklagten, Tatzeit, Geldstrafe, Strafbefehlsverfahren, Tatrichter, Auflage, …


6 Qs-263 Js 682/21-10/22 (Landgericht Arnsberg)


2 Qs 40/22 (LG Ingolstadt)

Coronavirus, SARS-CoV-2, Beschwerde, Freiheitsstrafe, Arzt, Staatsanwaltschaft, Sperrwirkung, Arbeitgeber, Auflage, Ablehnung, Aufhebung, Offenbarung, Hauptverhandlung, Privilegierung, Strafbarkeit, …


1 StR 260/22 (Bundesgerichtshof)


1 Ws 732/21, 1 Ws 733/21 (OLG Bamberg)

Voraussetzungen für Einordnung eines Impfausweises als Gesundheitszeugnis


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.