Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2007, Az. VI ZB 76/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3490

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[X.] vom 12. Juni 2007 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 12. Juni 2007 durch die Vize-präsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] so-wie [X.] und Zoll beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 21. Zivilkammer des [X.] vom 9. Oktober 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwie-sen. [X.]: bis 1.301,45 • Gründe: [X.] Die Klägerin hat gegen ein Urteil des Amtsgerichts durch ihre Prozess-bevollmächtigten Berufung einlegen lassen. Die Frist zur Begründung der Beru-fung lief am 14. August 2006 ab. Am 16. August 2006 ist eine Berufungsbe-gründungsschrift beim Berufungsgericht eingegangen. Den Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Berufungsge-richt zurückgewiesen, die Berufung hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. 1 - 3 - I[X.] 2 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen hat (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). 3 Die Rechtsbeschwerde ist auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaats-prinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zu-gang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren ([X.] 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; [X.] NJW 1999, 3701, 3702; NJW 2001, 2161, 2162; [X.], 221, 227). 2. Der angefochtene Beschluss begegnet schon deshalb Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts sowie der Anträge der Parteien enthält. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). [X.], die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den [X.] und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; [X.] sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbe-schluss vom 20. Juni 2006 - [X.] ZB 75/05 - [X.], 1423, 1424; [X.], [X.] vom 20. Juni 2002 - [X.]/01 - [X.], 926; vom 12. Juli 2004 - [X.]/03 - NJW-RR 2005, 78; vom 7. April 2005 - [X.]/03 - [X.]-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur 4 - 4 - deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es hier alleine ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit aus den [X.] und den dort in Bezug genommenen Aktenteilen ergibt. 5 3. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit rechtsfehlerhafter Begründung zurückgewiesen und die Berufung der Kläge-rin demnach zu Unrecht als unzulässig verworfen. Nach den bisherigen [X.] kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die Beru-fungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt hat, weil der verspätete Eingang der Berufungsbegründung auf einem Verschulden ihrer Prozessbe-vollmächtigten beruht, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen muss. a) Nach dem Vortrag der Klägerin kam die zuverlässige Mitarbeiterin ih-rer Prozessbevollmächtigten aus nicht mehr aufklärbaren Gründen der ihr aus-drücklich erteilten Anweisung nicht nach, die Berufungsbegründung am [X.] per Telefax an das Berufungsgericht zu senden, bestätigte der Pro-zessbevollmächtigten aber gleichwohl mündlich, dies getan zu haben. Das Be-rufungsgericht hält diesen Vortrag, der durch eidesstattliche Versicherungen der Mitarbeiterin bestätigt wird, nicht für glaubhaft, weil sich auf der am 16. August 2006 eingegangenen Berufungsbegründung nicht der Vermerk "vorab per Tele-fax –" befinde. Den weiteren Vortrag, dieser Vermerk, der sich auf dem zum Faxversand vorgesehenen Exemplar der Berufungsbegründung befunden ha-be, sei in der später zum Versand ausgedruckten Version gelöscht worden, hält es deshalb für unglaubhaft, weil der Vermerk auf anderen in der Akte befindli-chen Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten, die vorab per Fax übersandt wurden, nicht gelöscht ist. Mit dieser Begründung kann die Wiedereinsetzung indes nicht verweigert werden. 6 - 5 - b) Trifft der vorgetragene Sachverhalt zu, so kann die beantragte [X.] zu gewähren sein, weil der seit neun Jahren tätigen zuverlässi-gen Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten bei der Ausführung der ihr erteil-ten [X.], die Berufungsbegründung vorab per Fax zu übersenden, ein einmaliges Versehen unterlaufen ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dies kein Verschulden des Prozessbevollmächtigten begründet. [X.] kann der Anwalt die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermitt-lung seinem Personal überlassen (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Februar 2003 - [X.] ZB 38/02 - [X.], 1462 f.; [X.], Urteil vom 6. Dezember 1995 - [X.]II ZR 12/95 - [X.], 910, 911; Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - [X.]I ZB 7/94 - [X.], 238, 239; vom 12. April 1995 - X[X.]8/95 - FamRZ 1995, 1135 f.; vom 18. Februar 1998 - [X.]II ZB 1/98 - NJW-RR 1998, 932; vom 27. Februar 2002 - [X.] - NJW-RR 2002, 1070, 1071; vom 1. Juli 2002 - [X.]/01 - NJW-RR 2002, 1289 f.; vom 23. Oktober 2003 - [X.] - NJW 2004, 367, 368). Eine Kontrolle der Durchführung der [X.] war nicht erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 4. November 2003 - [X.] ZB 50/03 - [X.], 94, 95 m.w.N.; [X.], Beschluss vom 18. Februar 1998 - [X.]II ZB 1/98 - aaO), ist hier indes nach dem Vortrag der Klägerin durch [X.] Rückfrage erfolgt (zu diesem Fall vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juli 2002 - [X.]/01 - aaO). Den Sendebericht musste sich die Prozessbevollmächtigte nicht zur Kontrolle vorlegen lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 17. November 1999 - [X.] - [X.], 338 f.). 7 c) Allerdings weist die Beschwerdeerwiderung zutreffend darauf hin, dass [X.]en nicht immer geeignete organisatorische Anweisungen entbehrlich machen. In einer Anwaltskanzlei müssen organisatorische Vorkeh-rungen dagegen getroffen sein, dass eine mündliche [X.] an eine Fachangestellte in Vergessenheit gerät (vgl. Senatsbeschluss vom [X.] 2003 - [X.] ZB 50/03 - aaO). Jedoch ist nicht erkennbar, durch welche orga-8 - 6 - nisatorischen Maßnahmen ein Fehler, wie er hier vorgetragen ist, verhindert werden sollte. Aus den eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiterin ergibt sich, dass nach Erledigung des [X.]s der Sendebericht zu kontrollieren und abzuheften und die Frist erst dann zu streichen ist. Damit ist dem Gebot einer wirksamen Kontrolle des Schriftverkehrs per Telefax Genüge getan (vgl. dazu etwa [X.], Beschlüsse vom 10. Oktober 1991 - [X.]I ZB 3/91 - [X.], 638; vom 27. Januar 1993 - [X.] - [X.] 1993, 237 f.; vom 19. November 1997 - [X.][X.]3/97 - NJW 1998, 907; vom 3. April 2001 - [X.]/01 - [X.]R ZPO § 233 [X.]). Wirksame und zumutbare organisatorische Maßnahmen dagegen, dass ein Mitarbeiter in der falschen Überzeugung, den [X.] durchgeführt und den Sendebericht geprüft zu haben, die Frist streicht und dem Anwalt sodann mitteilt, die Anweisung sei ausgeführt, sind nicht ersichtlich. d) Entgegen der Ansicht des [X.] ist der von der Klägerin vorge-tragene Sachverhalt ausreichend glaubhaft gemacht (§§ 236 Abs. 2 Satz 1, 294 Abs. 1 ZPO). Der Beweiswert der eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbei-terin wird nicht durch die vom [X.] angeführten Gründe in Frage gestellt. Auch was das [X.] für unglaubhaft hält, ist durch die eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht. Dass der Vermerk "vorab per Telefax –" in dem später übersandten Schriftstück gelöscht wurde, ist nicht deshalb [X.], weil dieser Vermerk in anderen Schriftsätzen vor der Übersendung nicht gelöscht wurde. Die Änderung kann hier anlassbezogen stattgefunden haben, weil das Dokument auch ansonsten überarbeitet wurde. In der am 16. August 2006 eingegangenen [X.] findet sich in der [X.] das Wort "Rechtsanwalt", während der als Faxdokument zu den Akten gereichte Ausdruck das Wort "Rechtsanwältin" ausweist. Ansonsten stimmen die Ausdrucke einschließlich der in der Fußzeile ausgewiesenen Do-kumentennummer überein (vgl. allerdings noch nachfolgend Ziffer 4). Auch das 9 - 7 - Datum "11.08.06" stimmt überein. Für die Glaubhaftigkeit des vorgetragenen Ablaufs spricht, dass bei einer Fertigung der Berufungsbegründung am [X.] (Freitag) ausreichend Zeit bestand, die am 14. August 2006 (Montag) ablaufende Frist zu wahren, insbesondere für einen Eingang des Schriftstücks bei Gericht noch an diesem Tag zu sorgen. 10 4. Der Senat kann die beantragte Wiedereinsetzung nicht gewähren, weil die Sache nicht entscheidungsreif ist. Der von der Klägerin glaubhaft gemachte Sachverhalt rechtfertigt eine Wiedereinsetzung ungeachtet der vorstehenden Ausführungen möglicherweise nicht. Das Exemplar der Berufungsbegründung, das nach dem Vortrag der Klägerin hätte gefaxt werden sollen und das im [X.]sverfahren zu den Akten gereicht wurde, trägt über dem Wort "Rechtsanwältin" ohne Vertretungszusatz eine Unterschrift, die nicht mit der der sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin übereinstimmt, was auch deren Vorbringen entspricht, ein anderer Rechtsanwalt habe [X.]. Ausweislich der Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ge-hört aber zu der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten nur eine Rechtsanwäl-tin. Da die Unterschrift auch nicht mit der auf der am 16. August 2006 [X.] Berufungsbegründung übereinstimmt und dort auch das Wort "Rechtsanwältin" durch das Wort "Rechtsanwalt" ersetzt ist, ist nicht [X.], dass die durch Fax übermittelte Berufungsbegründung durch eine - 8 - nicht postulationsfähige Person unterzeichnet worden ist, demnach die Beru-fungsfrist auch dann versäumt worden wäre, wenn das Fax der Anweisung ent-sprechend versandt worden wäre. Dem wird das Berufungsgericht nachzuge-hen haben. [X.] [X.] [X.] Pauge Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.06.2006 - 87 C 6775/05 - [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

VI ZB 76/06

12.06.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2007, Az. VI ZB 76/06 (REWIS RS 2007, 3490)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3490

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