Bundessozialgericht, Urteil vom 23.10.2018, Az. B 11 AL 21/17 R

11. Senat | REWIS RS 2018, 2575

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 7. November 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist [X.] vom 17.9.2014 bis 16.12.2015.

2

Der 1964 geborene Kläger war vom 12.11.2007 bis 11.11.2009 als Aushilfe beschäftigt und bezog anschließend vom 12.11.2009 bis [X.]. Vom [X.] bis Januar 2012 war er als Redakteur einer Internet-Zeitung selbstständig tätig und bis zum 31.12.2010 freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichert.

3

Am 15.7.2012 nahm der Kläger im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes ([X.]) nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz ([X.]G) eine Tätigkeit in einer Werkstatt für körperbehinderte Menschen auf. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden war ein Taschengeld in Höhe von monatlich 195 Euro, ein Verpflegungskostenzuschuss in Höhe von monatlich 125 Euro und eine weitere Geldersatzleistung in Höhe von monatlich 125 Euro für Unterkunftskosten und Arbeitskleidung vereinbart. Die Einsatzstelle verpflichtete sich zur Entrichtung gesetzlicher Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von monatlich 180 Euro. Das Ende des [X.] war für den [X.] vorgesehen. Ab dem [X.] war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er bezog vom 30.4.2013 bis 25.5.2014 Krankengeld, vom [X.] bis 16.6.2014 Übergangsgeld wegen der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme und vom 17.6.2014 bis 16.9.2014 wiederum Krankengeld bis zur Aussteuerung.

4

Zum 17.9.2014 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte [X.], das die Beklagte wegen der noch fehlenden Arbeitsbescheinigung zunächst vorläufig ab dem 17.9.2014 für 450 Kalendertage in Höhe von täglich 6,26 Euro bewilligte (Bescheid vom 19.9.2014). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, sein letztes Gehalt sei das steuerfreie Taschengeld gewesen. Bei der Ermittlung des [X.] blieben Zeiten einer Beschäftigung als Freiwilliger im Sinne des [X.]G außer Betracht, wenn sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 344 Abs 2 [X.]B III bestimme. Deshalb komme eine fiktive Einstufung infrage.

5

Nach Eingang der Arbeitsbescheinigung bewilligte die Beklagte auf der Grundlage der bescheinigten Verdienste während des [X.] abschließend [X.] ab dem 17.9.2014 für 450 Kalendertage in Höhe von täglich 7,36 Euro (Änderungsbescheid vom 2.10.2014) und wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.10.2014). Zuvor hatte sie die Leistungsbewilligung mit Wirkung ab dem 30.10.2014 wegen eines zu Unrecht angenommenen Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall aufgehoben (Bescheid vom 27.10.2014), auf den Widerspruch des [X.] diesen Aufhebungsbescheid jedoch wieder zurückgenommen (Bescheid vom 4.12.2014) und [X.] ab dem 29.10.2014 in bisheriger Höhe bewilligt (Änderungsbescheid vom 4.12.2014).

6

Die auf [X.] gerichtete Klage hat das [X.] abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23.11.2015). Die Berufung des [X.] blieb erfolglos (Urteil des L[X.] vom 7.11.2017). Eine fiktive Bemessung komme nicht in Betracht. Die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit im Rahmen des [X.] sei als versicherungspflichtige Beschäftigung einzustufen und das gezahlte Taschengeld zuzüglich der weiteren Leistungen als Arbeitsentgelt anzusehen. Diese habe der Kläger im Bemessungsrahmen für insgesamt 225 Tage bezogen, sodass es der Bemessung zugrunde zu legen sei. Eine Sonderbemessung des [X.] auf der Grundlage des § 344 Abs 2 [X.]B III komme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht unmittelbar vor der Aufnahme des [X.] am 15.7.2012 versicherungspflichtig gewesen sei. Für die Ermittlung des [X.] sei es unerheblich, ob Teile des im Bemessungszeitraum bezogenen Entgelts steuerfrei gewesen seien.

7

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 344 Abs 2 [X.]B III iVm § 152 [X.]B III. Im Rahmen der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Unmittelbarkeit" iS von § 344 Abs 2 [X.]B III müsse sein gesamtes Erwerbsleben Berücksichtigung finden, sodass noch ein Bezug zu der vorhergehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung hergestellt werden könne. Außerdem habe im Rahmen der konkreten Berechnung des [X.] kein Abzug für Lohnsteuer erfolgen dürfen. Dies verletzte ihn in eigentumsgleichen Rechten.

8

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 7. November 2017 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 23. November 2015 sowie den Bescheid vom 2. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitslosengeld auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung gemäß § 152 [X.]B III zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat ohne Verletzung von Bundesrecht (vgl § 162 [X.]G) die Berufung des [X.] gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des [X.] zurückgewiesen. Es besteht kein Anspruch des [X.] auf höheres [X.].

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen allein der Bescheid der Beklagten vom 2.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2014, durch [X.] abschließend bewilligt wurde. Der Bescheid über die vorläufige Leistungsbewilligung vom 19.9.2014 ist im Widerspruchsverfahren durch diesen Bescheid ersetzt worden und hat sich dadurch erledigt (§ 39 Abs 2 [X.]B X; vgl nur B[X.] vom 10.5.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]3; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, [X.] § 328 Rd[X.]02, 200, Stand August 2018). Der Bewilligungsbescheid vom 2.10.2014 ist nach § 86 [X.]G Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 4.12.2014 (Wiederbewilligung von [X.] für die Restanspruchsdauer), weil dieser trotz seiner Bezeichnung als Änderungsbescheid in Anbetracht des [X.] vom 2.10.2014 nur eine wiederholende Verfügung ohne eigenen Regelungsgehalt darstellt. Wegen der Rücknahme des Aufhebungsbescheids vom 27.10.2014 verbleibt es bei der ursprünglichen Leistungsbewilligung, über die der Bescheid vom 4.12.2014 nicht hinausgeht.

Gegen den Bescheid vom 2.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2014 wendet sich der [X.]läger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 [X.]G). Er begehrt höhere Geldleistungen, was auch im Höhenstreit dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G), also ohne exakte Bezifferung, zulässig ist (vgl zuletzt B[X.] vom 21.6.2018 - [X.] [X.] 8/17 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen, Rd[X.]0).

In der Sache hat das [X.] zutreffend entschieden, dass der [X.]läger keinen Anspruch auf höheres [X.] hat. Zwar liegen die - auch in einem Höhenstreit stets zu prüfenden (stRspr; vgl nur B[X.] vom 21.6.2018 - [X.] [X.] 8/17 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen, Rd[X.]2) - Voraussetzungen eines Anspruchs auf [X.] dem Grunde nach vor. Der Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 137 [X.]B III (anwendbar ist hier das [X.]B III in der seit dem 1.4.2012 geltenden Fassung des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 - [X.]) voraus, dass Arbeitnehmer (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der [X.]läger hat sich zum 17.9.2014 arbeitslos gemeldet (§ 141 [X.]B III) und ist nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des [X.] - trotz gesundheitlicher Einschränkungen - arbeitslos iS von § 138 [X.]B III gewesen.

Der [X.]läger erfüllt auch die Anwartschaftszeit, denn er hat innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren beginnend mit dem [X.] aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf [X.] - dh im [X.]raum 17.9.2012 bis 16.9.2014 - mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden (§ 142 Abs 1 [X.]B III iVm § 143 Abs 1 [X.]B III). Vom 17.9.2012 bis [X.] stand er in einem Dienstverhältnis nach dem [X.] und erhielt Geldleistungen. Ein solches Dienstverhältnis ist vom Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung umfasst und einer versicherungspflichtigen Beschäftigung iS von § 25 Abs 1 Satz 1 [X.]B III gleichgestellt. Dies hat der [X.] für eine Tätigkeit in einem freiwilligen [X.] Jahr (FSJ), das zunächst im Gesetz zur Förderung eines freiwilligen [X.] Jahres ([X.]) geregelt war und ab 1.6.2008 (zusammen mit dem freiwilligen ökologischen Jahr) im [X.] ([X.]) geregelt ist, bereits entschieden und sich dabei auf Wortlaut und Systematik der Regelungen zur Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie auf den Gesetzeszweck des [X.] bzw [X.] gestützt (B[X.] vom 23.2.2017 - [X.] [X.] 1/16 R - B[X.]E 122, 271 = [X.] 4-4300 § 131 [X.], Rd[X.]7 ff). Für den [X.], der ergänzend zu den Diensten nach dem [X.] nach dem Wegfall des Zivildienstes zum 1.7.2011 eingeführt wurde und im Wesentlichen die gleichen Ziele verfolgt, gilt nichts anderes (so bereits B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] [X.] 26/16 R - [X.] 4-4300 § 44 [X.] Rd[X.] 22 f). Der Gesetzgeber nennt die Dienste nach dem [X.] und dem [X.] in den anwendbaren Bestimmungen des [X.]B III stets nebeneinander. Im Übrigen finden auf den [X.] die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen entsprechende Anwendung, die für die Jugendfreiwilligendienste nach dem [X.] gelten, soweit keine ausdrückliche sozialversicherungsrechtliche Regelung vorhanden ist (§ 13 Abs 2 Satz 1 [X.]).

Im weiteren Verlauf der Rahmenfrist vom 30.4.2013 bis 16.9.2014 war der [X.]läger gemäß § 26 Abs 2 [X.] [X.]B III ebenfalls versicherungspflichtig, weil er im unmittelbaren [X.] an die Versicherungspflicht durch den [X.] [X.]rankengeld bzw Übergangsgeld während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bezogen hat.

Doch steht dem [X.]läger kein höheres [X.] zu als täglich 7,36 Euro. Diesen Betrag hat die Beklagte, ausgehend von einem täglichen [X.] von 15,70 Euro und einem Leistungsentgelt von 10,98 Euro, zutreffend ermittelt. Die Bemessung des [X.] richtet sich nach § 149 [X.] [X.]B III, wonach das [X.] für Arbeitslose, die - wie der [X.]läger - mindestens ein [X.]ind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 EStG haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten [X.]s (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat ([X.]). Gemäß § 150 Abs 1 Satz 1 [X.]B III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten [X.] vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs 1 Satz 2 [X.]B III, § 137 Abs 2 [X.]B III). Der Bemessungsrahmen wird ua dann auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 150 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.]B III).

Nach Maßgabe dieser Bestimmungen ist der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern, denn der [X.]läger hat in dem einjährigen Bemessungsrahmen vom [X.] bis 16.9.2014 kein Arbeitsentgelt, sondern ausschließlich Lohnersatzleistungen wegen seiner Erkrankung bezogen. Im zweijährigen Bemessungsrahmen vom 17.9.2012 bis 16.9.2014 hat er dagegen in der [X.] vom 17.9.2012 bis [X.], also für mehr als 150 Tage, im Rahmen des [X.] Geldleistungen des Trägers erhalten, die - ebenso wie Leistungen, die Rahmen eines FSJ erbracht werden (ausführlich dazu B[X.] vom 23.2.2017 - [X.] [X.] 1/16 R - B[X.]E 122, 271 = [X.] 4-4300 § 131 [X.], Rd[X.] 27 ff) - als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sind.

Entgegen der Auffassung des [X.] können die [X.]en des [X.] nicht außer Betracht bleiben, was - mangels eines [X.] von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt - eine fiktive Bemessung nach § 152 Abs 1 Satz 1 [X.]B III zur Folge hätte. Nach § 150 Abs 2 Satz 1 [X.] 2 [X.]B III bleiben [X.]en einer Beschäftigung als Freiwillige oder Freiwilliger im Sinne des [X.] oder des [X.] nur außer Betracht, wenn sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 344 Abs 2 [X.]B III bestimmt. § 344 Abs 2 Satz 1 [X.]B III sieht vor, dass für Personen, die unmittelbar nach einem Versicherungspflichtverhältnis einen Freiwilligendienst im Sinne des [X.] oder des [X.] leisten, als beitragspflichtige Einnahme ein Arbeitsentgelt in Höhe der monatlichen Bezugsgröße gilt. Dies gilt auch, wenn der [X.] oder der [X.] nach einer Unterbrechung, die sechs Monate nicht überschreitet, fortgesetzt wird (§ 344 Abs 2 Satz 2 [X.]B III).

Hier liegt kein Fall des § 344 Abs 2 [X.]B III vor, denn der [X.]läger hat den [X.] nicht unmittelbar nach einem Versicherungspflichtverhältnis geleistet. Der [X.] hat den Begriff "unmittelbar" in § 26 Abs 2 [X.]B III - der Regelung zur Versicherungspflicht bei Bezug bestimmter Lohnersatzleistungen - schutzzweckorientiert, also nicht schematisch im Sinne einer bestimmten [X.]spanne ausgelegt (B[X.] vom 23.2.2017 - [X.] [X.] 3/16 R - B[X.]E 122, 279 = [X.] 4-4300 § 26 [X.], Rd[X.]8 ff; B[X.] vom 23.2.2017 - [X.] [X.] 4/16 R - Rd[X.]9 ff). Auch unter Anwendung dieser Grundsätze auf § 344 Abs 2 [X.]B III ist es ausgeschlossen, hier noch von einem unmittelbaren [X.] auszugehen. Denn es besteht eine Lücke von mehr als 18 Monaten zwischen dem letzten Versicherungspflichtverhältnis im Dezember 2010 nach § 28a [X.]B III und der Aufnahme des [X.] am 15.7.2012.

Nach einer Unterbrechung von dieser Dauer ist jeder zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Anknüpfungspunkten, welcher allein eine Unmittelbarkeit zu begründen vermag, ausgeschlossen. Dies folgt bereits aus § 344 Abs 2 Satz 2 [X.]B III. Nach den Gesetzesmaterialien soll durch diese Regelung "sichergestellt werden, dass nach Unterbrechungen des [X.] von jeweils bis zu sechs Monaten Dauer die Sonderregelung weiter zur Anwendung kommt. Bei längeren Unterbrechungen … verliert dagegen das vor Beginn des [X.] stehende Versicherungspflichtverhältnis an Bedeutung und die Situation ist der eines Freiwilligen vergleichbar, der vor Beginn seines [X.] nicht versicherungspflichtig war" (BT-Drucks 16/6519 [X.]). Dem ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber solche Unterbrechungen von mehr als sechs Monaten nicht mehr als anschlusswahrend wertet.

In systematischer Hinsicht ist weiter zu berücksichtigen, dass bei einer Unterbrechung zwischen zwei Versicherungspflichttatbeständen von mehr als einem Jahr der frühere [X.]raum schon nicht mehr zur Begründung einer Anwartschaftszeit als Voraussetzung des [X.]-Anspruchs dem Grunde nach führen könnte. Wegen der Begrenzung der Rahmenfrist auf zwei Jahre, in der eine Anwartschaftszeit von einem Jahr erfüllt sein muss, führt eine Unterbrechung von mehr als einem Jahr nämlich stets zum Verlust der früheren Anwartschaftszeit (vgl Söhngen in [X.], [X.]B III nF, § 143 Rd[X.] 22, Stand April 2014). Es wäre nicht stimmig, wenn Unterbrechungen von mehr als einem Jahr dem Anspruch auf [X.] dem Grunde nach entgegenstehen, aber einen Zusammenhang mit Vorteilen bei der Ermittlung der Leistungshöhe vermitteln könnten. Aus der dargestellten Ausgestaltung der Anwartschaftszeit als sogenannte "fließende Anwartschaft" ergibt sich im Übrigen, entgegen der Auffassung des [X.], dass gerade nicht das gesamte Erwerbsleben bei der Begründung und Berechnung eines Anspruchs auf [X.] Berücksichtigung findet, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre (vgl zuletzt B[X.] vom 21.6.2018 - [X.] [X.] 8/17 R - vorgesehen für [X.] 4, Rd[X.] 26).

Für die Bemessung des vom [X.]läger zu beanspruchen[X.] waren somit die im Bemessungszeitraum erzielten und vollständig abgerechneten tatsächlichen Leistungen für den [X.] als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Auch insoweit gilt nichts anderes, als für Leistungen, die im Rahmen eines FSJ erbracht werden (vgl dazu B[X.] vom 23.2.2017 - [X.] [X.] 1/16 R - B[X.]E 122, 271 = [X.] 4-4300 § 131 [X.], Rd[X.] 27 ff). Wie die Beklagte zu Recht ausführt, sind nur die Entgeltabrechnungszeiträume zu berücksichtigen, die vollständig im Bemessungsrahmen liegen (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 14/08 R - [X.] 4-4300 § 130 [X.] Rd[X.] 21; [X.] in [X.], [X.]B III nF, § 150 Rd[X.] 52, Stand Januar 2014), hier also nur die [X.]räume vom 1.10.2012 bis [X.], nicht aber der September 2012. Ausweislich der vom [X.] in Bezug genommenen Arbeitsbescheinigung hat der [X.]läger für Oktober und November 2012 jeweils 445 Euro, für Dezember 2012 595 Euro, für Januar 2013 wiederum 445 Euro, für Februar und März 2013 jeweils 466 Euro und für April 2013 450,47 Euro erhalten. Es ergibt sich danach ein Entgelt im Bemessungsrahmen von 3312,47 Euro, das an 211 Tagen erzielt worden ist, mithin ein tägliches [X.] in Höhe von 15,70 Euro.

Dieses tägliche [X.] ist nach § 153 Abs 1 Satz 1 [X.]B III um pauschalierte Abzüge zu vermindern. Abzüge sind gemäß § 153 Abs 1 Satz 2 [X.]B III eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 % des [X.] ([X.]), die Lohnsteuer, die sich nach dem vom [X.] aufgrund des § 51 Abs 4 [X.]a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplans bei Berücksichtigung der [X.] nach § 39b Abs 2 Satz 5 [X.] 3 Buchst a bis c EStG zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt ([X.] 2) und der [X.] ([X.] 3).

Nach Abzug der Sozialversicherungspauschale in Höhe von 3,30 Euro (21 % von 15,70 Euro) ergibt sich zunächst ein Betrag in Höhe von 12,40 Euro. Bei der Berechnung der Abzüge nach § 153 Abs 1 Satz 2 [X.] 2 und 3 [X.]B III für Lohnsteuer und [X.] sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen (§ 153 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.]B III). Das nach dieser Maßgabe zu ermittelnde Leistungsentgelt ist damit kein dem individuellen [X.] entsprechender Betrag, sondern ein mittels einer pauschalierenden Berechnung gefundener Wert (vgl nur [X.] in [X.], [X.]B III nF, § 153 Rd[X.] 40 ff, Stand Januar 2017). Weitere als die enumerativ aufgeführten Abzüge vom [X.] sind - entgegen der Auffassung des [X.] - unzulässig. Insbesondere ist es deshalb unerheblich, ob Teile des im Bemessungszeitraum bezogenen Entgelts steuerfrei sind (hier etwa nach § 3 [X.] 5 f EStG), denn diese Steuerfreiheit steht gerade nicht jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer zu. [X.] verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dieser aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vorgesehenen Pauschalierung bestehen nicht (vgl nur [X.] vom 23.10.2007 - 1 BvR 2089/07 - [X.] 4-4300 § 133 [X.] 5 Rd[X.], mwN).

Zutreffend hat die Beklagte danach - unter Anwendung ihres Berechnungsprogramms - einen weiteren Abzug für Lohnsteuer unter Berücksichtigung des als [X.] gebildeten Faktors nach §§ 39 f EStG in Höhe von 1,42 Euro vorgenommen. Dem lag die nach § 153 Abs 2 Satz 1 [X.]B III zu berücksichtigende zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, für den [X.]läger gebildete Lohnsteuerklasse V zugrunde. Ein weiterer Abzug für den [X.] gemäß § 153 Abs 1 Satz 2 [X.] 3 [X.]B III iVm § 4 [X.]gesetz 1995 (vorliegend 5,5 % von 1,42 Euro = 0,0781 Euro) erfolgte nicht, weil die Beklagte den sich ergebenden Betrag auf 0 abgerundet hat. Damit errechnet sich ein Leistungsentgelt von 10,98 Euro (12,40 Euro abzüglich 1,42 Euro).

Ob die Überprüfung des mathematischen Wegs zur Ermittlung des [X.] für Lohnsteuer tatsächlich in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordert (so B[X.] vom [X.] - B 7 [X.] 23/08 R - [X.] 4-4300 § 132 [X.] 3 Rd[X.]6; B[X.] vom 26.11.2015 - [X.] [X.] 2/15 R - Rd[X.]9) kann dahinstehen. Denn die Prüfungspflicht bei einem Grundurteil im Höhenstreit ist in [X.] begrenzt, weil für die sich aus der mathematischen Umsetzung möglicherweise ergebenden geringfügig unterschiedlichen Beträge das positive Grundurteil nicht vorgesehen ist (so B[X.] vom [X.] - B 7 [X.] 23/08 R - [X.] 4-4300 § 132 [X.] 3 Rd[X.]6).

Bei einem Leistungsentgelt von täglich 10,98 Euro errechnet sich unter Berücksichtigung des dem [X.]läger zustehenden erhöhten Leistungssatzes (67 %) ein täglicher Leistungssatz von 7,36 Euro, den die Beklagte auch gezahlt hat.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 21/17 R

23.10.2018

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 23. November 2015, Az: S 26 AL 766/14, Gerichtsbescheid

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.10.2018, Az. B 11 AL 21/17 R (REWIS RS 2018, 2575)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2575

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