Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.08.2022, Az. B 9 SB 17/22 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 5461

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Ablehnung der Verlängerung einer Stellungnahmefrist durch das Gericht - Obliegenheit zur Gehörsverschaffung - Einreichung der beabsichtigten Stellungnahme bei Gericht trotz Ablehnung der Fristverlängerung - Möglichkeit zur Abgabe von Schriftsätzen bis zur Entscheidung des Gerichts - Amtsermittlungsgrundsatz - Übergehen von Beweisanträgen - Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG - Erforderlichkeit der Stellung neuer oder Aufrechterhaltung früherer Beweisanträge - Darlegungsanforderungen)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 25. April 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das [X.] mit Beschluss vom 25.4.2022 einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines Grads der Behinderung von mindestens 50 verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim [X.] eingelegt und mit [X.] begründet.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] gebotenen Form. Die Klägerin hat die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der danach vorgeschriebenen Weise bezeichnet.

4

1. Die Klägerin macht ausschließlich geltend, die angegriffene Entscheidung des [X.] beruhe auf [X.] (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]), weil das [X.] ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und die Amtsermittlungspflicht verletzt habe.

5

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des [X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB [X.] Beschluss vom 10.6.2021 - B 9 V 56/20 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]0 Rd[X.] 16, jeweils mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

6

a) Eine Verletzung des [X.]s wird schon deshalb nicht formgerecht bezeichnet, weil die Klägerin keinen Beweisantrag benennt, den sie im Berufungsverfahren gestellt hätte.

7

Die Geltendmachung eines [X.] wegen Verletzung des § 103 [X.] ([X.]) kann - wie bereits ausgeführt - gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] nur darauf gestützt werden, dass das [X.] einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; zB [X.] Beschluss vom 25.9.2017 - B 9 SB 51/17 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom [X.] - B 9a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 11). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - das [X.] von der ihm durch § 153 Abs 4 [X.] eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 [X.] muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, dem [X.] ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl [X.] Beschluss vom 16.7.2019 - B 13 R 150/19 B - juris Rd[X.] 14; [X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 6/16 B - juris Rd[X.] 4 f mwN). Dass dies der Fall gewesen wäre, hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht dargetan. Sie verweist ausschließlich auf einen ohnehin nicht den Anforderungen des § 118 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 403 ZPO genügenden Beweisantritt "Beweis: Ergänzendes Sachverständigengutachten" vor dem SG.

8

b) Die von der Klägerin vorrangig gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 GG) wird ebenfalls nicht formgerecht dargetan. Insoweit macht sie geltend, das [X.] habe einen Antrag auf Fristverlängerung zur weiteren Aufklärung der "vorhandenen Herzproblematik" abgelehnt. Im Hinblick hierauf habe das [X.] sie zumindest persönlich anhören müssen, anstelle ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

9

Wird - wie hier - eine Verletzung des Anspruchs eines Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör geltend gemacht, so muss auch dargetan werden, dass der Beteiligte seinerseits alles getan hat, um sich selbst rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr; zB [X.] Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris Rd[X.] 12; [X.] Beschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - juris Rd[X.] 6). An Ausführungen hierzu mangelt es jedoch. Insbesondere geht die Klägerin nicht darauf ein, dass sie mit ihrem in der Beschwerdebegründung vollständig wiedergegebenen Antrag eine Verlängerung der [X.] bis [X.] beantragt hatte, der Beschluss des [X.] jedoch erst vom 25.4.2022 datiert. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin ausführen müssen, dass sie alles ihr Zumutbare unternommen hat, um die beabsichtigte Stellungnahme bis zum Ende der von ihr beantragten Fristverlängerung oder jedenfalls noch vor Beschlussfassung durch das [X.] abzugeben. Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine Angaben.

Tatsächlich ist die [X.] der Klägerin im [X.] auf eine Verletzung des [X.]s durch das [X.] gerichtet, wie bereits die Verknüpfung beider [X.] in der Beschwerdebegründung zeigt. Jedoch können die für die Geltendmachung eines [X.] wegen Verletzung des § 103 [X.] nach § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] geltenden Einschränkungen auch nicht durch die Berufung auf die vermeintliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör umgangen werden (vgl [X.] Beschluss vom 6.4.2017 - B 9 V 89/16 B - juris Rd[X.] 12; [X.] Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris Rd[X.] 8 mwN).

c) Dass die Klägerin die Entscheidung des [X.] inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB [X.] Beschluss vom 28.10.2020 - B 10 EG 1/20 BH - juris Rd[X.] 11; [X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 22 Rd[X.] 4).

d) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

2. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Kaltenstein                [X.]. [X.]

Meta

B 9 SB 17/22 B

30.08.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Detmold, 14. September 2021, Az: S 8 SB 924/17, Beschluss

§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, § 65 SGG, § 103 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.08.2022, Az. B 9 SB 17/22 B (REWIS RS 2022, 5461)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5461

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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