Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2023, Az. B 9 SB 36/22 B

9. Senat | REWIS RS 2023, 4270

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Obliegenheit der Gehörsverschaffung - Widersprechen einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 153 Abs 4 SGG - Aufklärungspflicht - Übergehen eines Beweisantrags - Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 SGG - anwaltlich vertretener Beteiligter - erforderliche Aufrechterhaltung des Beweisantrags - Darlegungsanforderungen)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 11. August 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das [X.] mit Beschluss vom 11.8.2022 einen Anspruch des [X.] auf die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 anstelle eines GdB von 70 verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim [X.] eingelegt und mit Verfahrensmängeln begründet.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] gebotenen Form. Der Kläger hat den von ihm geltend gemachten Zulassungsgrund nicht in der danach vorgeschriebenen Weise bezeichnet.

4

1. Der Kläger macht ausschließlich geltend, die angegriffene Entscheidung des [X.] beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]), weil das [X.] durch sein Vorgehen die ihm obliegende Amtsermittlungspflicht verletzt und ihm nicht die Möglichkeit eröffnet habe, ihn anzuhören.

5

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des [X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl stRspr; zB [X.] Beschluss vom 10.6.2021 - B 9 V 56/20 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]0 Rd[X.] 16, jeweils mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

6

a) Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]) wird in der Beschwerde - anders als erforderlich - kein Beweisantrag bezeichnet, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; zB [X.] Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom [X.] - B 9a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 11). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - das [X.] von der ihm durch § 153 Abs 4 [X.] eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 [X.] muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich bereits gestellte Beweisanträge aufrechterhalten will, dem [X.] ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder aber neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl [X.] Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom 16.7.2019 - B 13 R 150/19 B - juris Rd[X.] 14). Dass dies der Fall gewesen wäre, hat der Kläger in der Beschwerdebegründung ebenso wenig dargetan wie eine Erwähnung von Beweisanträgen durch das [X.] in der angefochtenen Entscheidung.

7

b) Die vom Kläger darüber hinaus gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]) wird ebenfalls nicht formgerecht dargetan. Gründe dafür, weshalb das [X.] nicht von der ihm durch § 153 Abs 4 [X.] eingeräumten Möglichkeit Gebrauch hätte machen dürfen, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, hat der Kläger nicht benannt. Er trägt nicht einmal vor, im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entscheidung im [X.] widersprochen und eine mündliche Verhandlung beantragt zu haben. Wird jedoch - wie hier - eine Verletzung des Anspruchs eines Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör geltend gemacht, so muss auch dargetan werden, dass der Beteiligte seinerseits alles getan hat, um sich selbst rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr; zB [X.] Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris Rd[X.] 9; [X.] Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris Rd[X.] 12).

8

c) Dass der Kläger die Entscheidung des [X.] inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB [X.] Beschluss vom 6.7.2022 - [X.] [X.] B - juris Rd[X.] 10; [X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 22 Rd[X.] 4).

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

2. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Kaltenstein

Othmer

Ch. [X.]

Meta

B 9 SB 36/22 B

12.04.2023

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Bremen, 16. Juli 2021, Az: S 46 SB 173/11, Urteil

§ 62 SGG, § 103 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2023, Az. B 9 SB 36/22 B (REWIS RS 2023, 4270)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4270

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