Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.09.2013, Az. XII ZA 54/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2909

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Gegenstand

Einstweilige Anordnung in einer Gewaltschutzsache: Zulassung der Rechtsbeschwerde bei Verwerfung der Beschwerde als unzulässig


Leitsatz

Wird in einem Verfahren auf Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung die Beschwerde eines Beteiligten als unzulässig verworfen, kann auch durch die Zulassung der Rechtsbeschwerde keine dritte Instanz eröffnet werden.

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

In einer Gewaltschutzsache erließ das Amtsgericht am 29. August 2011 eine längstens bis zum 28. Februar 2012 befristete einstweilige Anordnung, mit der es dem Antragsgegner untersagt wurde, sich der Antragstellerin auf bestimmte Weise zu nähern; die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners wies das [X.] durch Beschluss vom 25. Januar 2012 zurück. Auf Antrag des Antragsgegners ordnete das Amtsgericht am 13. März 2012 an, dass die Antragstellerin binnen einer Frist von vier Wochen das Hauptsacheverfahren einzuleiten oder um Verfahrenskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren nachzusuchen habe.

2

Am 10. September 2012 hat der Antragsgegner beantragt, die Gewaltschutzanordnung aufzuheben und der Antragstellerin die Kosten des Anordnungs- und des Aufhebungsverfahrens aufzuerlegen, weil die Antragstellerin das Hauptsacheverfahren nicht innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist eingeleitet habe. Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das [X.] wegen Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, dass das zuständige Amtsgericht - wie es auch im vorliegenden Fall geschehen sei - über Anträge nach § 52 Abs. 2 Satz 3 FamFG ohne mündliche Erörterung entscheide und sich die Unanfechtbarkeit seiner Entscheidung daher aus § 57 Satz 1 FamFG ergebe.

3

Der Antragsgegner beantragt Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragsgegners mangels Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 ZPO) bietet.

5

1. In Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet nach § 70 Abs. 4 FamFG gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung die Rechtsbeschwerde nicht statt.

6

a) Dieser Ausschluss ist - wie der Wortlaut von § 70 Abs. 4 FamFG verdeutlicht - umfassend. Die Vorschrift begrenzt den Instanzenzug bezüglich sämtlicher Entscheidungen, welche die - mit dem "Hauptsacheverfahren" nach § 52 FamFG nicht zu verwechselnde - Hauptsache im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffen ([X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 70 Rn. 19). Zur Hauptsache des Eilverfahrens gehören insbesondere Kostenentscheidungen ([X.], 576) und die gemäß § 62 FamFG nach Erledigung der einstweiligen Maßnahme zu treffenden Entscheidungen ([X.] Beschluss vom 3. Februar 2011 - [X.] - [X.] 2011, 148 Rn. 8).

7

b) Nur hinsichtlich solcher, von der Hauptsache des Eilverfahrens gelösten Neben- und Zwischenentscheidungen, die [X.] angefochten werden können, steht § 70 Abs. 4 FamFG einer Anrufung der [X.] nicht entgegen. Dies ist etwa bei Entscheidungen über die Verfahrenskostenhilfe (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - [X.] 265/10 - FamRZ 2011, 1138 Rn. 7) oder über die Zulässigkeit des Rechtsweges (vgl. [X.] Beschluss vom 9. November 2006 - [X.] - NJW 2007, 1819) der Fall.

8

c) Wird die Beschwerde gegen eine Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - wie hier - als unzulässig verworfen, betrifft dies die Anfechtbarkeit der einstweiligen Maßnahme in der Hauptsache; daher schließt § 70 Abs. 4 FamFG eine Rechtsbeschwerde in diesen Fällen aus ([X.] in Schulte-Bunert/[X.] FamFG 4. Aufl. § 70 Rn. 31). Damit steht es in Einklang, dass in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach der Zivilprozessordnung gegen die Verwerfung eines Rechtsmittels durch das Berufungs- oder Beschwerdegericht wegen §§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO weder die Revision noch die Rechtsbeschwerde eröffnet ist (vgl. [X.] Beschlüsse vom 15. Januar 2009 - [X.]/08 - [X.], 145 Rn. 4 und vom 10. Oktober 2002 - [X.] - NJW 2003, 69). Die Regelungen der §§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO sollten in § 70 Abs. 4 FamFG ihre inhaltliche Entsprechung finden (BT-Drucks. 16/6308, S. 209).

9

2. An der Begrenzung des [X.] durch § 70 Abs. 4 FamFG ändert auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht nichts. § 70 Abs. 1 FamFG bindet das Gericht der Rechtsbeschwerde zwar an die Beurteilung des [X.] zum Vorliegen von [X.]; diese Vorschrift vermag allerdings den gesetzlichen Instanzenzug nicht zu erweitern. Daher kann das Beschwerdegericht in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch durch die (irrtümliche) Zulassung der Rechtsbeschwerde die nach dem Gesetz ausgeschlossene Anrufung der dritten Instanz nicht ermöglichen ([X.]/[X.] FamFG 17. Aufl. § 70 Rn. 48; [X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 70 Rn. 19; [X.]/[X.] in [X.]/[X.] FamFG 4. Aufl. § 70 Rn. 7; [X.] in Schulte-Bunert/[X.] FamFG 4. Aufl. § 70 Rn. 31; vgl. auch Senatsbeschluss vom 23. Mai 2012 - [X.] 417/11 - FamRZ 2012, 1204 Rn. 4).

3. Die Rechtsbeschwerde ist daher - unabhängig von der durch das Beschwerdegericht für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfrage nach der allgemeinen Unanfechtbarkeit von Aufhebungsentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 FamFG - in jedem Falle unzulässig. Kann sich indessen die zulassungsrelevante Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich auswirken, gebietet es auch das Prinzip der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 3 GG) nicht, einem unbemittelten Beteiligten zur Durchführung einer zugelassenen, aber aussichtslosen Rechtsbeschwerde Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

[X.]                               Weber-Monecke                               Günter

                                Botur                                           [X.]

Meta

XII ZA 54/13

11.09.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend OLG Frankfurt, 9. Juli 2013, Az: 6 UF 111/13

§ 70 Abs 4 FamFG, § 1 GewSchG, §§ 1ff GewSchG, § 542 Abs 2 S 1 ZPO, § 574 Abs 1 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.09.2013, Az. XII ZA 54/13 (REWIS RS 2013, 2909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2909

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