Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.06.2017, Az. B 6 KA 89/16 B

6. Senat | REWIS RS 2017, 8941

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxis - Fallzahlerhöhung - Durchschnittsumsatz der Arztgruppe - völlige Freistellung von der Wachstumsbegrenzung - Möglichkeit zur Steigerung der Fallzahl - Berücksichtigung anstelle eines Fallzahlzuwachses (oder zumindest gleichberechtigt daneben) auch von Fallwertsteigerungen - Verpflichtung nur in besonderen Fallkonstellationen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 24. November 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5582,82 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars der Klägerin in den [X.], [X.] und IV/2011. Die Klägerin ist seit Dezember 2008 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die beklagte [X.] ging davon aus, dass es sich bei der Praxis der Klägerin bezogen auf die streitgegenständlichen Q[X.]rtale um eine „Jungpraxis“ handelt. Sie wies der Klägerin für die genannten Q[X.]rtale deshalb zunächst - ausdrücklich vorläufig - ein [X.] zu, das auf der Grundlage der durchschnittlichen Fallzahl der [X.] ermittelt worden war. Mit den später ergangenen Honorarbescheiden änderte die Beklagte die [X.]-Zuweisung, indem sie anstelle der durchschnittlichen Fallzahl die (unter dem Durchschnitt der Fachgruppe liegende) tatsächliche Fallzahl der Klägerin zugrunde legte. Daraus folgten [X.] von 79,93 % im Q[X.]rtal I/2011, 89,16 % im Q[X.]rtal [X.]/2011 und 91,14 % im Q[X.]rtal IV/2011. Widersprüche, Klage und Berufung der Klägerin, mit der sie sich im Wesentlichen gegen die Berechnung des [X.] unter Zugrundelegung ihrer tatsächlichen Fallzahl anstelle des Durchschnitts der Fachgruppe wandte, blieben ohne Erfolg.

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] SGG) geltend.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

4

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl [X.] vom 29.11.2006 - [X.] [X.] 23/06 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN; [X.] vom 28.04.2005 - [X.]/9 VG 15/04 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.]). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB [X.] vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - [X.] 3-1500 § 146 [X.]; [X.] vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - [X.] 3-1500 § 160a [X.]; vgl auch [X.] vom 30.9.1992 - 11 [X.]/92 - [X.] 3-4100 § 111 [X.] S 2 f; [X.] vom [X.] - B 12 KR 2/00 B - [X.] 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die [X.] im [X.] vom 29.11.2006 - [X.] [X.] 23/06 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 sowie [X.] Beschluss vom 15.2.2006 - 1 BvR 2597/05 - [X.] 4-1500 § 160a [X.]6 Rd[X.] 4 f; [X.] Beschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.]).

5

Die Klägerin fragt,
„ob es zulässig ist, das [X.] einer sich im dritten Aufbaujahr befindlichen Vertragsarztpraxis erst nach Abschluss des [X.] anhand der tatsächlichen Fallzahl und des durchschnittlichen [X.] der [X.] im Vorjahresq[X.]rtal zu berechnen“.

6

Soweit der Fragestellung die Annahme der Klägerin zugrunde liegt, dass ihr [X.] nicht mit dem aktuellen Fallwert, sondern dem Fallwert der Fachgruppe aus dem entsprechenden Q[X.]rtal des Vorjahres gebildet worden sei, so trifft dies nicht zu. Richtig ist, dass für die Berechnung des [X.] an das entsprechende Vorjahresq[X.]rtal angeknüpft wird. Das gilt aber nicht nur für die Klägerin oder andere Jungpraxen. Vielmehr kam der nach Teil F I [X.].2.1 BewA-Beschluss vom 26.3.2010 (218. Sitzung vom 26.3.2010 idF der Beschlussfassung in der 242. Sitzung) allgemein maßgebende arztgruppenspezifische Fallwert zur Anwendung. Da der Berechnung der [X.] der Klägerin kein anderer Fallwert zugrunde gelegt wurde als der Berechnung des [X.] der anderen Ärzte ihrer [X.], erreicht sie bei durchschnittlicher Fallzahl auch die durchschnittliche Höhe des [X.]. Damit kann sie auch den [X.] der Fachgruppe erreichen. Dass die Klägerin ein niedrigeres [X.] als der Durchschnitt der Fachgruppe erreicht, liegt in deren unterdurchschnittlicher Fallzahl begründet.

7

Im Rahmen der Begründung der Klärungsfähigkeit konkretisiert die Klägerin die Rechtsfrage indes dahingehend, dass es ihr auf die Frage ankommt, ob ihr nicht - anstelle der Berechnung des [X.] unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Fallzahl im [X.] - ein [X.] in Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe hätte zuerkannt werden müssen. Insoweit ist die Beschwerde der Klägerin jedoch nicht begründet, weil sich diese Frage aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt:

8

Nach ständiger Rechtsprechung müssen umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxen - typischerweise insbesondere neu gegründete Praxen - die Möglichkeit haben, durch Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen Umsatz der [X.] zu erreichen (vgl zB [X.] vom 21.10.1998 - [X.] [X.] 71/97 R - [X.], 52, 55, 58 f = [X.] 3-2500 § 85 [X.], 207 f; [X.] vom 10.12.2003 - [X.] [X.] 54/02 - [X.], 10 = [X.] 4-2500 § 85 [X.], Rd[X.]3 mwN). Daraus folgt, dass [X.] grundsätzlich nicht so ausgestaltet werden müssen, dass ein Erreichen des [X.]es unabhängig von der Fallzahl erreicht werden kann. Dies gilt auch für umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxen in der Aufbauphase. Der Unterschied zu anderen unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen besteht lediglich darin, dass Praxen in der Aufbauphase die Möglichkeit haben müssen, den durchschnittlichen Umsatz nicht erst „in absehbarer Zeit“ und damit innerhalb von fünf Jahren (vgl [X.] vom 10.3.2004 - [X.] [X.] 3/03 R - [X.], 233 = [X.] 4-2500 § 85 [X.], Rd[X.]8; [X.] vom 28.1.2009 - [X.] [X.] 5/08 R - [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.]9) zu erreichen, sondern dass ihnen die Steigerung auf den [X.] sofort ermöglicht werden muss (vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 44/12 R - [X.] 4-2500 § 87b [X.] Rd[X.]8; [X.] vom 3.2.2010 - [X.] [X.] 1/09 R - [X.] 4-2500 § 85 [X.]0 Rd[X.]5).

9

Soweit der Senat in einigen Urteilen formuliert hat, dass neu gegründete Praxen für die [X.] von der Wachstumsbegrenzung „völlig freizustellen“ seien ([X.] vom 10.3.2004 - [X.] [X.] 3/03 R - [X.], 233 = [X.] 4-2500 § 85 [X.], Rd[X.]9; [X.] vom 28.1.2009 - [X.] [X.] 5/08 - [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.]8), handelte es sich um eine Formulierung, die sich in erster Linie auf die Möglichkeit zur Steigerung der Fallzahl bezog. Auf die Möglichkeit zu einem Wachstum allein durch eine Steigerung des [X.] hat der Senat diese Aussage hingegen nie bezogen. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 28.1.2009 ([X.] [X.] 5/08 R - [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.]7) erwogen hat, ob eine Steigerungsmöglichkeit auch in der Form gewährt werden kann oder muss, dass anstelle eines Fallzahlzuwachses (oder zumindest gleichberechtigt daneben) auch [X.]teigerungen zu berücksichtigen sind, hat er in seiner (in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unberücksichtigt gebliebenen) Entscheidung vom 17.2.2016 ([X.] [X.] 4/15 R - [X.] 4-2500 § 85 [X.] 85 Rd[X.]5) klargestellt, dass eine solche Verpflichtung nur in besonderen Fallkonstellationen in Betracht kommt, etwa im Zusammenhang mit einer Änderung der Praxisausrichtung. Eine solche Konstellation steht hier nicht infrage: In dem hier maßgebenden Zeitraum wurde einer typischerweise mit höheren Fallwerten verbundenen besonderen Praxisausrichtung, [X.] durch q[X.]lifikationsgebundene Zusatzvolumen und durch die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten Rechnung getragen. Dass die Klägerin von diesen Regelungen nicht profitiert, ist darauf zurückzuführen, dass sie die Voraussetzungen nicht erfüllt. Eine besondere Praxisausrichtung oder eine Spezialisierung macht sie nicht geltend und dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Ihr Fallwert lag kontinuierlich unter dem durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe. Dass die Klägerin unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der dazu in der Rechtsprechung des [X.] entwickelten Maßstäbe nicht beanspruchen kann, dass ihr als Jungpraxis - unabhängig von der tatsächlichen Fallzahl - ein [X.] mindestens in Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe zugebilligt wird, unterliegt keinem Zweifel.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 6 KA 89/16 B

28.06.2017

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Potsdam, 6. Mai 2015, Az: S 1 KA 134/13, Urteil

§ 85 Abs 4 SGB 5, § 87b Abs 2 SGB 5 vom 26.03.2007

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.06.2017, Az. B 6 KA 89/16 B (REWIS RS 2017, 8941)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8941

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1 BvR 2856/07

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