Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.02.2014, Az. B 1 KR 45/13 B

1. Senat | REWIS RS 2014, 7544

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Gegenstand

Krankenversicherung - öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Krankenkasse bei Pflichtverletzung eines Apothekers durch Verstoß gegen landesvertragliche Abgabebestimmungen - Retaxierung als Rechtsfolgen - keine Ursachen für Obliegenheitspflichten - sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. März 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 2693,29 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der klagende Apotheker gab an einen Versicherten der beklagten Krankenkasse ([X.]) aufgrund einer nicht unterschriebenen Arzneimittelverordnung vom 18.12.2008 eine Infusionslösung ab. Die vertragsärztliche Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. W. und [X.] mit Sitz im selben Haus wie der Kläger bestätigte später, dass sie dem Versicherten am selben Tag die Infusionslösung, die laut Absprache mit dem Kläger termingerecht beim Arztbesuch des Versicherten hergestellt worden sei, verabreicht habe. Außerdem legte der Kläger 2010 eine zweite von [X.] unterschriebene, auf den 18.12.2008 datierte Verordnung vor. Die Beklagte rechnete mit unstreitigen Forderungen des [X.] in Höhe der mit 2693,29 Euro vergüteten Verordnung vom 18.12.2008 auf. Das [X.] hat die Beklagte zur Zahlung dieser Summe verurteilt. Das L[X.] hat das [X.]-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagten habe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe der insoweit wirksamen Aufrechnung zugestanden. Der Kläger habe aus der Abgabe der Infusionslösung keinen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte, weil die ärztliche Unterschrift auf der Verordnung Wirksamkeitsvoraussetzung für den kraft Gesetzes entstehenden Vergütungsanspruch sei. § 4 Abs 1 Buchst n des im [X.] geltenden [X.] ([X.]) - der für eine ordnungsgemäß ausgestellte Verordnung die vertragsärztliche Unterschrift fordert - und § 4 Abs 2 [X.] [X.] - der die Heilung fehlender Angaben in bestimmten Fällen vorsieht - seien eng auszulegen. Eine Heilung des Mangels der fehlenden vertragsärztlichen Unterschrift sei danach ausgeschlossen (Urteil vom 20.3.2013).

2

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im L[X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 [X.]G iVm § 169 [X.] [X.]G zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.]G abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.

4

1. Der Kläger legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 [X.]G) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] [X.] 3-1500 § 160a Nr 21 [X.]8; B[X.] [X.] 3-4100 § 111 Nr 1 [X.] f; B[X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.] f mwN).

5

a) Der Kläger wirft zwar als Fragen auf,

        

"ob § 4 Abs. 1 [X.] nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Apotheker führt",

        

und     

        

"ob Apotheker durch die Regelung in § 4 Abs. 1 n [X.] schon durch die Vertragsverhandlungen und die unterschiedliche Stärke der Vertragsparteien nicht unangemessen benachteiligt werden, auch und gerade vor dem Hintergrund, dass die Krankenkassen Retaxierungen als Einnahmequellen missbrauchen".

6

Der Senat lässt offen, ob der Kläger unter Verwendung des Begriffs der unangemessenen Benachteiligung klare Rechtsfragen formuliert hat. Jedenfalls zeigt die Beschwerdebegründung den erforderlichen Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist" (B[X.] [X.] 3-2500 § 75 Nr 8 [X.]4; B[X.] [X.] 3-1500 § 146 [X.] und § 160a Nr 21 [X.]8; B[X.] Beschluss vom 21.10.2010 - [X.] [X.]/10 B - Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - Juris Rd[X.]; zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei Rechtsfragen der Krankenhausvergütung vgl B[X.] [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.]). Deshalb hätte sich der Kläger in der Beschwerdebegründung näher damit auseinandersetzen müssen, wieso in Würdigung der ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch Klärungsbedarf verblieben ist. Die Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen nicht.

7

Der Kläger setzt sich im Hinblick auf § 4 Abs 1 Buchst n [X.] schon nicht mit dem - auch vom L[X.] zitierten - Urteil des B[X.] vom 17.12.2009 (B[X.]E 105, 157 = [X.]-2500 § 129 [X.]) auseinander, das eine nicht vom Arzt autorisierte Erhöhung der Abgabemenge betraf. Im Übrigen legt er nicht die Entscheidungserheblichkeit der geltend gemachten Rechtswidrigkeit der übrigen in § 4 Abs 1 [X.] genannten Voraussetzungen dar.

8

b) Zudem wirft der Kläger die Frage auf,

        

"ob die Vielzahl an Retaxierungen und die daraus resultierenden [X.] nicht ein Verstoß gegen Artikel 12 [X.] ist".

9

Der Kläger stellt bereits keine klar formulierte Rechtsfrage. Denn (allenfalls) aus der Verletzung von gesetzlichen oder (normen-)vertraglichen Pflichten können zwar Retaxierungen (Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche im Wege der Aufrechnung) als Rechtsfolgen resultieren, nicht hingegen können diese Rechtsfolgen selbst Ursachen tatbestandlicher Voraussetzungen ("[X.]") sein. Aber selbst wenn man zugunsten des [X.] von einer noch hinreichend klar formulierten Rechtsfrage ausginge, fehlte es an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit.

Wer sich - wie hier der Kläger - auf die Verfassungswidrigkeit untergesetzlicher Regelungen beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Grundrechte beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] und des B[X.] darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl B[X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 87/08 B - Juris RdNr 4; B[X.] Beschluss vom 20.7.2010 - [X.] KR 10/10 B - Juris Rd[X.] mwN). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfach-gesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des [X.] dargelegt werden (vgl nur B[X.] Beschluss vom 29.9.2011 - [X.] KR 46/11 B - Rd[X.]). An alledem fehlt es. Mit dem Regelungsgehalt des Art 12 Abs 1 [X.] setzt sich der Kläger nicht auseinander. Selbst wenn der Kläger die im [X.] aufgestellten, von den Apothekern bei der Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte zu beachtenden Verhaltenspflichten in ihrer Gesamtschau oder einzelne Verhaltenspflichten gemeint haben sollte, deren Nichtbeachtung zu Retaxierungen führt (vgl nur B[X.]E 105, 157 = [X.]-2500 § 129 [X.]; B[X.]E 106, 303 = [X.]-2500 § 129 [X.]; s ferner B[X.] [X.]-2500 § 129 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] KR 49/12 R ), zeigt der Kläger nicht auf, woraus sich eine Verletzung des Art 12 [X.] hier ergeben soll. Er macht insbesondere nicht deutlich, warum den Apothekern nicht die Prüfung abverlangt werden kann, dass die Verordnung (vertragsärztlich) unterschrieben ist. Soweit er sich auf eine Verletzung des Art 12 Abs 2 [X.] beruft, der den Arbeitszwang zum Gegenstand hat, zeigt er schon nicht den Schutzbereich dieser Vorschrift auf.

c) Schließlich formuliert der Kläger - sinngemäß - die Rechtsfrage,

        

ob § 4 Abs 1 Buchst n [X.] gegen Art 14 Abs 2 [X.] verstößt.

Auch insoweit wird der Kläger den vorgenannten Darlegungserfordernissen bei Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht gerecht. Schon im Ansatz ist ein Zusammenhang zwischen der am Maßstab des Art 12 Abs 1 [X.] zu prüfenden normenvertraglichen Verhaltenspflicht der Apotheker nach § 4 Abs 1 Buchst n [X.] und der Gemeinwohlbindung des Eigentums nicht nachvollziehbar dargelegt und wird auch durch die weitere Begründung nicht erhellt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 GKG.

Meta

B 1 KR 45/13 B

26.02.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hannover, 1. November 2011, Az: S 19 KR 362/10, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 31 SGB 5, § 129 Abs 2 SGB 5, § 129 Abs 5 S 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.02.2014, Az. B 1 KR 45/13 B (REWIS RS 2014, 7544)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7544

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