Bundessozialgericht, Urteil vom 03.07.2012, Az. B 1 KR 16/11 R

1. Senat | REWIS RS 2012, 5077

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Gegenstand

(Krankenversicherung - Apotheker - Vergütung für Abgabe von Arzneimitteln - normenvertraglicher Vergütungsausschluss - rechtsmissbräuchliche Anwendung - Ausschlussregelungen bzgl Vergütung für eine Berufstätigkeit - Messung an Art 12 Abs 1 GG)


Leitsatz

1. Apotheker können von einer Krankenkasse für die Abgabe von Arzneimitteln an deren Versicherte keine Vergütung mehr verlangen, wenn ein normenvertraglicher Vergütungsausschluss nach zumutbarer Zeit eingreift und die Berufung hierauf nicht rechtsmissbräuchlich ist.

2. Die Berufung auf einen normenvertraglichen Vergütungsausschluss, der für kalendermonatliche Abrechnungen des Apothekers nach Ablauf zweier weiterer Monate eingreift, ist in Fällen rechtsmissbräuchlich, in denen Betroffene keine hinreichende Vorsorge treffen konnten.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. August 2011 geändert. Die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 27. September 2009 wird insgesamt zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 1429,17 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine Retaxierung wegen verfristeter Abrechnung von Arzneimittelvergütungen.

2

Der klagende Inhaber einer öffentlichen Apotheke ist Mitglied im [X.] Der Kläger gab am [X.] Arzneimittel an Versicherte der beklagten Krankenkasse ([X.]) nach Vorlage von 36 zwischen dem 12.4. und [X.] ausgestellten vertragsärztlichen Rezepten ab. Er stellte im August 2007 hierfür der Beklagten 1429,17 Euro über das von ihm einbezogene Rechenzentrum in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung umgehend, die Teil einer sich insgesamt auf 1750 Rezepte mit einem Volumen von knapp 100 000 Euro erstreckenden Gesamtabrechnung des [X.] war. Sie beanstandete am 2.4.2008 gegenüber dem Kläger ua die Abrechnung der 36 Rezepte wegen Versäumung der Abrechnungsfrist des § 8 Abs 1 Arznei-Liefervertrag in der seit [X.] geltenden Fassung (ALV). Der ALV besteht zwischen dem [X.] und mehreren Landesverbänden der [X.]n, darunter in dieser Funktion auch die Beklagte. § 8 Abs 1 ALV bestimmt: "Die Rechnungslegung sowie die Weiterleitung der Original-Verordnungsblätter erfolgt jeweils für einen abgeschlossenen Kalendermonat … bis spätestens zwei Monate nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte. … Andernfalls entfällt der Anspruch auf Bezahlung." Der Kläger machte mit seinem Einspruch (18.4.2008) geltend, die Verfristung der Abrechnung führe nicht zum Verlust seines Zahlungsanspruchs, da dies verfassungswidrig, nämlich unverhältnismäßig sei. Nicht er, sondern sein Personal bzw das für ihn arbeitende Rechenzentrum habe die Ursache der Verfristung zu vertreten. Die Beklagte wies den Einspruch zurück (22.5.2008) und rechnete 1429,17 Euro mit Forderungen des [X.] aus der nächsten Abrechnung auf.

3

Während die Klage bei dem [X.] erfolglos geblieben ist (Gerichtsbescheid vom [X.]), hat das L[X.] die Beklagte - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - verurteilt, dem Kläger 1429,17 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Denn die vertraglich ohne Ausnahmetatbestände geregelte Ausschlussfrist sei unverhältnismäßig im Sinne des Grundrechts der Berufsfreiheit (Urteil vom 31.8.2011).

4

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung der § 69 Abs 1, § 129 Abs 5 [X.]B V, der §§ 53 ff [X.]B X und der Art 12 Abs 1, Art 9 Abs 3, Art 3 Abs 1 und Art 20 GG. § 8 Abs 1 ALV sehe wirksam und verhältnismäßig eine Ausschlussfrist - wie in vielen anderen Rechtsbereichen auch - für das Massengeschäft der Arzneimittelabrechnung im Interesse schneller Klarheit und Erhalt der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) vor.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 31. August 2011 zu ändern und die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 27. September 2009 insgesamt zurückzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ist begründet. Das angefochtene L[X.]-Urteil ist zu ändern und die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des [X.] insgesamt zurückzuweisen. Die Vorinstanz hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, an den klagenden Apotheker 1429,17 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Der zulässig mit der echten Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]G) geltend gemachte restliche Vergütungsanspruch des [X.] für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte der Beklagten (dazu 1.) ist durch Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch erloschen (dazu 2.).

9

1. Dem Kläger stand für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte der Beklagten aufgrund der nächsten auf den [X.] ein Anspruch auf Vergütung ua in Höhe von 1429,17 Euro zu. Ansprüche der Apotheker für die von ihnen an Versicherte der Beklagten abgegebenen Arzneimittel ergeben sich aus § 129 [X.]B V (idF durch Art 1 [X.] des [X.] des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung - [X.]-[X.]stärkungsgesetz - vom [X.], [X.] mit Wirkung vom [X.]) in Verbindung mit den hierfür geltenden vertraglichen Regelungen des Leistungserbringungsrechts. Nach § 129 [X.]B V geben die Apotheker nach Maßgabe der ergänzenden Rahmenvereinbarungen und [X.] (§ 129 Abs 2 und Abs 5 S 1 [X.]B V, vgl auch § 2 Abs 2 S 3 [X.]B V) vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte der [X.] ab. Diese Vorschrift begründet im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheker, vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an die Versicherten abzugeben. Die Apotheker erwerben im Gegenzug für die Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht einen durch [X.] näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die [X.]n, der schon in § 129 [X.]B V vorausgesetzt wird (stRspr, vgl zB B[X.] Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; ausführlich B[X.]E 106, 303 = [X.] 4-2500 § 129 [X.], Rd[X.] 12 f; B[X.]E 105, 157 = [X.] 4-2500 § 129 [X.], Rd[X.] 15).

Der Vergütungsanspruch des [X.] erfüllte die dargelegten Voraussetzungen. Dies ergibt sich aus den dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe des L[X.] zu entnehmenden unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen aufgrund des zulässig vom L[X.] zugrunde gelegten übereinstimmenden Beteiligtenvortrags (vgl dazu B[X.] Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; § 163 [X.]G).

2. Der entstandene Vergütungsanspruch des [X.] erlosch dadurch, dass die Beklagte analog § 387 BGB gegen die Vergütungsforderung des [X.] in Höhe von 1429,17 Euro aufrechnete. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs der Beklagten aus öffentlich-rechtlicher Erstattung waren entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfüllt. Die Beklagte konnte mit einer Gegenforderung aus öffentlich-rechtlicher Erstattung gegen die Hauptforderung aufrechnen (vgl allgemein zB B[X.] Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; B[X.]E 109, 236 = [X.] 4-5560 § 17b [X.], Rd[X.] 10 f mwN; zur Aufrechnung B[X.] [X.] 4-2500 § 264 [X.] Rd[X.] 15). Der Vergütungsanspruch des [X.] und der von der Beklagten geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch erfüllten die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit und der Gleichartigkeit. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Beklagten war auch fällig und der Vergütungsanspruch des [X.] erfüllbar.

Die Beklagte hatte einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen den Kläger, weil sie ihm ohne Rechtsgrund 1429,17 Euro aufgrund der Abrechnung von August 2007 zahlte. Der vermeintliche Vergütungsanspruch des [X.] war nämlich aufgrund der Verfristung seiner Abrechnung gemäß § 8 Abs 1 [X.] in dieser Höhe erloschen. Die sich aus der Erbringung von Leistungen für nach dem [X.]B V Versicherte ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen [X.]n und Apothekern sind öffentlich-rechtlicher Natur (vgl B[X.]E 106, 303 = [X.] 4-2500 § 129 [X.], Rd[X.] 11 ff mwN). Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen tritt an die Stelle des zivilrechtlichen [X.] nach § 812 BGB der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl B[X.]E 109, 236 = [X.] 4-5560 § 17b [X.], [X.], 11 f mwN).

§ 8 Abs 1 [X.] begründet wirksam eine Ausschlussfrist für verfristete Abrechnungen. Das ergibt sich klar und unmissverständlich schon aus dem bewusst gewählten Wortlaut der Regelung. § 8 Abs 1 [X.] unterscheidet sich darin von anderen, insbesondere früher abgeschlossenen Verträgen auf Landesebene, die gerade nicht ausdrücklich Ausschlussfristen vorsehen (vgl zB B[X.] [X.] 4-2500 § 129 [X.] Rd[X.] 14 ff). Der [X.] beruht auf § 129 Abs 5 S 1 [X.]B V. Danach können die Landesverbände der [X.]n und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Diese Verträge ergänzen den Rahmenvertrag (§ 129 Abs 2 [X.]B V; Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung, hier anzuwenden idF vom 23.3.2007) und das Gesetz. Der Rahmenvertrag lässt Raum dafür, in ergänzenden Verträgen auf Landesebene Ausschlussfristen im Zusammenhang mit der Abrechnung von Apothekervergütungen und der Geltendmachung von Rechnungs- und Taxberichtigungen zu begründen (vgl zB B[X.] Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; B[X.]E 105, 157 = [X.] 4-2500 § 129 [X.], Rd[X.]3 f). Denn er hat lediglich - soweit hier von Interesse - das "Zustandekommen des Zahlungsanspruchs" des Apothekers gegen die [X.] zum Gegenstand (§ 1 [X.]), nicht aber dessen Wegfall oder Erlöschen.

Die Regelung des § 8 Abs 1 [X.] steht bei gebotener Auslegung auch mit höherrangigem Recht in Einklang. Die auszulegende Regelung ist - obwohl Landesrecht - revisibel. Nach § 162 [X.]G kann die Revision allerdings nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des [X.] geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des [X.] hinaus erstreckt. Ungeachtet der Frage nach dem Geltungsbereich des hier betroffenen [X.] bestehen nach den Feststellungen des L[X.] jedenfalls auch in anderen Ländern Verträge mit entsprechenden Regelungen, die im [X.] an Rechtsprechung des B[X.] ([X.] 4-2500 § 129 [X.]) bewusst einheitlich getroffen worden sind, um zu einer vom Ausgangspunkt der genannten Rechtsprechung abweichenden Vertragsgrundlage und auf dieser Basis zu einer einheitlichen Rechtsanwendung zu gelangen. In solchen Fällen ist die Auslegung auch eines derartigen Landesvertrages revisibel (vgl B[X.] [X.] 4-2500 § 69 [X.] Rd[X.]6 mwN).

[X.], die sich auf Vergütungen für eine Berufstätigkeit beziehen, sind als Berufsausübungsregelungen an Art 12 Abs 1 GG zu messen (vgl generell zu Preisregelungen für Apotheker [X.] 114, 196 = [X.] 4-2500 § 266 [X.], Rd[X.]29 ff; s auch B[X.] [X.] 4-2500 § 129 [X.]; B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.]; vgl zur rechtsähnlichen Fragestellung der Verfassungsmäßigkeit tarifvertraglicher Ausschlussfristen [X.] Urteil vom 22.9.1999 - 10 AZR 839/98 - AP [X.]26 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau = [X.], 551, juris Rd[X.]8 mwN). Dies gilt auch, wenn zu berücksichtigen ist, dass die Vertragsparteien der [X.] - wie hier - besonders fachkundig und geeignet sind, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. § 129 [X.]B V schafft im Zusammenspiel mit der Regelung zur Datenübermittlung des § 300 [X.]B V eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage, um die Arzneimittelabrechnung vertraglich unter Einbeziehung von [X.] zu regeln (zutreffend die Vorinstanz; vgl auch [X.], [X.], [X.], [X.]b 2007, 178 ff; [X.], [X.] 1/2012 [X.] 3). Denn § 129 [X.]B V ermächtigt die Vertragspartner umfassend, "das Nähere" zu regeln. Ein Gegenschluss aus § 129 Abs 4 [X.]B V - keine weitergehenden Sanktionen - ist insoweit nicht zulässig: Ausschlussfristen sind keine Sanktionen für schuldhafte Rechtsverstöße, sondern ein Mittel der Rechtsordnung, mit Fristablauf Rechtssicherheit zu schaffen.

Die Berufsausübungsregelung ist - wie verfassungsrechtlich geboten - durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Sicherung der finanziellen Stabilität der [X.] ist ein solcher Gemeinwohlbelang (vgl [X.] 114, 196 = [X.] 4-2500 § 266 [X.], Rd[X.]33; [X.] 68, 193, 218), den ein reibungsloser Ablauf der Arzneimittelabrechnung sichert. Für die Apothekerabrechnung steht speziell das Interesse an einer schnellen Klärung der Ansprüche im Vordergrund. Dies ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass die Apotheken - abgesehen von den Zuzahlungen - vorleisten, die [X.]n Abschlagszahlungen leisten (vgl § 9 Abs 8 [X.]) und die Rechnungen innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der [X.] bei den vorgesehenen Annahmestellen zu begleichen haben (vgl § 9 Abs 1 S 1 [X.]). Auch aufgrund der betroffenen großen Datenmengen besteht ein erhebliches Interesse daran, durch überschaubare Abrechnungsfristen für einen kontinuierlichen [X.] zu sorgen. Andernfalls droht schon aufgrund der Datenmenge (vgl anschaulich hierzu zB B[X.] Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R - Rd[X.], 9 f, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) eine nicht mehr zu bewältigende Überforderung bei der Datenverarbeitung, die nur durch eine ganz erhebliche Ausweitung der Verarbeitungskapazität kostspielig aufgefangen werden könnte. Nur ergänzend und hintergründig tritt das Interesse an brauchbaren Prognosen für die Kalkulation der Ausgabenstruktur und des Finanzbedarfs der [X.]n hinzu.

Spiegelbild der zu bewältigenden Datenströme ist die Ausgestaltung der Datenverarbeitung (§ 300 [X.]B V; Vereinbarung gemäß § 300 [X.]B V vom 4.11.1994 - "Vereinbarung"). Auch hier wird das allseitige Interesse an einer schnellen Klärung der Verhältnisse deutlich (§ 6 Abs 1 Vereinbarung: [X.] spätestens ein Monat nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte). Regelmäßig bedient sich der Apotheker - wie auch hier der Kläger - einer Abrechnungsstelle, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Die [X.] bieten typischerweise wahlweise Online- oder Offline-Informationsdienste an zu Vorabprüfungen, zur Abrufbarkeit des konkreten Abrechnungsstands einschließlich der Rezeptdaten und -images sowie zur Marktentwicklung im relevanten Teilsegment auf gesicherten Wegen. Zur Absicherung offerieren sie eine Versicherung der Rezepte ab Eingang in der Apotheke bis zum Abschluss des gesamten Abrechnungsverfahrens. Die problemlose, seit Jahren eingespielte [X.], die Möglichkeit zu zeitnaher Fehlererkennung und -korrektur und das allseitige Interesse an schneller Abrechnung lassen die in § 8 Abs 1 [X.] eingeräumte Frist von zwei Monaten nach Abschluss des Kalendermonats der [X.] als sehr lang erscheinen, sodass sie kaum praktische Relevanz erlangt.

Die Ausschlussfrist des § 8 Abs 1 [X.] ist geeignet und erforderlich, für eine umgehende Abrechnung im Interesse eines kontinuierlichen Datenflusses zu sorgen. Dies kann zur Ausgabenbegrenzung der [X.]n beitragen. Verschuldensabhängige Sanktionen kommen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht. Sie sind nicht gleich geeignet, da hierfür ein aufwändiger Verschuldensnachweis zu führen wäre.

Allerdings sind Ausschlussfristen nach Art des § 8 Abs 1 [X.] nur zumutbar, wenn sie erst nach einer hinreichend langen Zeit greifen und ausgewogen sind, insbesondere wenn sie nur dann eingreifen, wenn der Betroffene hinreichende Vorsorge zu ihrer Beachtung treffen kann. Andernfalls wäre eine Berufung auf die Ausschlussfrist rechtsmissbräuchlich (vgl zum Rechtsmissbrauch als Grenze von Ausschlussfristen zB B[X.] Urteil vom 30.11.1982 - 2 RU 39/81 - HVGBG RdSchr VB 21/83; B[X.] [X.] 2200 § 627 [X.]; B[X.]E 14, 246 = [X.] [X.] zu § 58 [X.]; B[X.]E 10, 88; zur Grenze von tarifvertraglichen Ausschlussfristen durch [X.] und Glauben vgl [X.] Urteil vom 22.9.1999 - 10 AZR 839/98 - AP [X.]26 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau = [X.], 551). Während der Fristenlauf im Vertrag bestimmt sein muss, bedarf es keines ausdrücklichen Vorbehalts für Fälle des Rechtsmissbrauchs: Diese Einschränkung versteht sich auch ohne ausdrückliche Regelung von selbst, soweit nicht punktuelle Teilregelungen Unklarheit schaffen (vgl zu einer unverhältnismäßigen Ausschlussfrist zB B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.]).

Den dargelegten Anforderungen genügt § 8 Abs 1 [X.]. Die Regelung sieht nicht etwa bloß eine Frist von acht oder zehn Tagen (vgl zu einer solchen Konstellation zB B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.]0) oder von einem Monat vor (so zB der Fall in B[X.] [X.] 4-2500 § 129 [X.], allerdings ohne überhaupt eine klare Ausschlussregelung zu treffen), sondern von zwei Monaten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es schon im Eigeninteresse des Apothekers liegt, möglichst bald nach Abschluss des jeweiligen Kalendermonats seine Abrechnung einzureichen, um umgehend in den Genuss der Vergütung zu kommen. Aufgrund der kurzen, vertraglich vorgesehenen Reaktionszeit der [X.] (vgl oben, § 9 Abs 1 S 1 [X.]) kann er unmittelbar erkennen, dass ggf eine Abrechnung nicht erfolgt ist.

Soweit und solange der Betroffene ausnahmsweise aus Gründen, für deren Beachtung er keine hinreichende Vorsorge treffen kann, an der Einhaltung der Frist gehindert ist, ist die Berufung auf die [X.] auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung rechtsmissbräuchlich. In solchen Fällen muss die [X.] trotz Fristablaufs die unverzüglich nach Beseitigung des Hemmnisses eingereichte ordnungsgemäße Abrechnung der [X.] noch vergüten.

Der Kläger stützt sich nicht auf Gründe, für deren Beachtung er keine hinreichende Vorsorge treffen konnte, sondern insbesondere auf Fehler des von ihm beauftragten [X.]. Insoweit gehört es indes gerade zu den grundlegenden Pflichten eines beauftragten [X.], für die Einhaltung der Abrechnungsfristen Sorge zu tragen. Es hat im Verhältnis zum Apotheker das Risiko der Pünktlichkeit der Abrechnung zu tragen und kann sich notfalls hiergegen durch Abschluss einer Versicherung absichern. Gerade solche Fälle verdeutlichen, dass es nicht angeht, das legitime Interesse an einer umgehenden Klärung der Verhältnisse zu Lasten letztlich der Beitragszahler von demjenigen wegzuverlagern, der aufgrund seiner professionellen Stellung und seiner Einbindung in den arbeitsteiligen Prozess der Abrechnung dazu berufen ist, dieses Risiko selbst zu tragen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 52 Abs 3 GKG.

                          

Meta

B 1 KR 16/11 R

03.07.2012

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hannover, 27. September 2009, Az: S 19 KR 151/09, Gerichtsbescheid

Art 12 Abs 1 GG, § 2 Abs 2 S 3 SGB 5, § 129 Abs 2 SGB 5 vom 26.03.2007, § 129 Abs 4 SGB 5 vom 20.12.1988, § 129 Abs 5 S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 300 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 03.07.2012, Az. B 1 KR 16/11 R (REWIS RS 2012, 5077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5077

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