Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.11.2023, Az. XI ZR 290/22

11. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8497

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Gegenstand

Sonderbedingungen für Altersvorsorgeverträge einer Sparkasse: Wirksamkeit einer Klausel über die Belastung der Sparer mit Abschluss- und Vermittlungskosten im Falle der Vereinbarung einer Leibrente


Leitsatz

Die in den von einer Sparkasse für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen vorformulierten Sonderbedingungen für Altersvorsorgeverträge nach dem Altersvermögensgesetz (sog. Riester-Verträge) enthaltene Klausel

"Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet."

ist eine Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot und ist im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des [X.] vom 20. Oktober 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, ein als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 [X.] eingetragener Verbraucherschutzverein, nimmt die beklagte Sparkasse auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel in [X.], [X.], in Anspruch.

2

Die Beklagte bot [X.] unter der Bezeichnung"[X.] Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögensgesetz (Sparkonto mit Zinsansammlung)" (nachfolgend: Sparverträge) an. Die Sparverträge sind nach dem Gesetz über die Zertifizierung von [X.] und Basisrentenverträgen ([X.]-Zertifizierungsgesetz - [X.]) zertifiziert und steuerlich förderungsfähig. Sie gliedern sich in eine Ansparphase, in der der Sparer regelmäßige Einzahlungen erbringt und für das angesparte Kapital Grund- und Bonuszinsen erhält, sowie in eine Auszahlungsphase.

3

Die Beklagte verwendet in ihren für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen vorformulierten "[X.] Sonderbedingungen Altersvorsorgevertrag (Sparkonto mit Zinsansammlung)" (nachfolgend: Sonderbedingungen) folgende Bestimmung:

"B. Ansparphase

[…]

4. Übergang in die Auszahlungsphase

[…]

4.2. Angebote über die Gestaltung der Auszahlungsphase

Die Sparkasse wird den Sparer bis spätestens sechs Monate vor Vollendung seines 60. Lebensjahres auffordern, ihr mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt er in die Auszahlungsphase eintreten möchte. Zu diesem Zweck wird die Sparkasse dem Sparer je ein Angebot

• für eine lebenslange gleich bleibende oder steigende monatliche Leibrente, die die Sparkasse ggfs. zugunsten des Sparers mit einem Versicherungsunternehmen abschließt, sowie

• für einen Auszahlungsplan mit unmittelbar anschließender lebenslanger Teilkapitalverrentung

unterbreiten. Für nach dem 31.12.2005 abgeschlossene Verträge erfolgt die Berechnung der Altersversorgung auch bezüglich der Rentenleistungen unabhängig vom Geschlecht des Sparers. Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet."

4

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - gegen die in Ziffer [X.] 4 der Sonderbedingungen enthaltene Klausel, wonach dem Sparer im Fall der Vereinbarung einer Leibrente gegebenenfalls Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet werden.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren diesbezüglichen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist unbegründet.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2022, 45584 veröffentlichten Entscheidung - soweit für die Revision von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

8

Bei der Klausel handele es sich nicht lediglich um einen tatsächlichen Hinweis, sondern um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel erwecke bei einem durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Kunden den Eindruck, dass sie den Inhalt des Vertrags bestimme. Dafür spreche schon, dass sie sich in den Sonderbedingungen befinde, wenngleich diese auch beschreibende oder feststellende Formulierungen enthielten, die das Vertragsverhältnis nicht inhaltlich regelten oder bestimmten. Die Klausel sei im Abschnitt [X.] der Sonderbedingungen enthalten, der nur vertragliche Regelungen umfasse. Aus dieser Stellung innerhalb des Vertragswerks folgere der durchschnittliche Vertragspartner, dass die Klausel einen Regelungsgehalt habe.

9

Ferner schließe der objektive Empfänger aus der Formulierung "werden […] belastet" auf eine vertragliche Regelung. Wenngleich die Klausel wegen der Verwendung des Wortes "ggfs." weder bestimme, ob dem Sparer Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet werden, noch welche Höhe derartige Kosten haben, eröffne sie der Beklagten doch die Möglichkeit, solche Kosten zu einem späteren Zeitpunkt abzurechnen und sich für ihre Berechtigung hierzu auf die Klausel zu berufen.

Die Klausel sei unwirksam, da sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße. Sie sei sowohl bezüglich der Frage, ob und wann welche konkreten Kosten anfallen, als auch bezüglich der Höhe der Kosten unbestimmt. Die Klausel bestimme auch nicht, in welcher Form die Kosten erhoben werden sollen. Dass die genannten Kosten in der Auszahlungsphase nur im Fall der Vereinbarung einer Leibrente anfallen, konkretisiere nicht, unter welchen Voraussetzungen das in der Klausel genannte "ggfs." greife.

Der Umstand, dass bei Abschluss der streitgegenständlichen Verträge nicht vorhersehbar sei, ob und welche Kosten im Fall der Vereinbarung einer Leibrente anfallen, weil eine solche Vereinbarung weit in der Zukunft liege, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine Regelung sei rechtlich möglich, auch wenn sich der Kunde noch nicht für eine Leibrente entschieden habe. Sie berge für die Beklagte nur das Risiko, dass sich die Marktverhältnisse zum Nachteil der Beklagten entwickelten, bis es zur Auszahlung der Leibrente komme.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des [X.] aus §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] auf Unterlassung der weiteren Verwendung der angegriffenen Klausel zu Recht bejaht.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass es sich bei der Klausel in Ziffer [X.] der Sonderbedingungen um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (ebenso [X.], Urteil vom 28. Juli 2020 - 25 O 8/20, juris Rn. 37 ff. für eine gleichlautende Klausel).

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingung setzt eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll (Senatsurteile vom 12. Juni 2001 - [X.], [X.], 74, 76, vom 8. März 2005 - [X.], [X.], 294, 297 und vom 5. Juni 2018 - [X.], [X.], 35 Rn. 30). Für die Unterscheidung von allgemeinen (verbindlichen) Vertragsbedingungen und (unverbindlichen) Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen ist auf den [X.] abzustellen. Eine Vertragsbedingung liegt danach vor, wenn ein im Vertrag enthaltener Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden, wobei - ebenso wie bei der Auslegung des Inhalts von Allgemeinen Geschäftsbedingungen - auf den rechtlich nicht vorgebildeten [X.] und die dabei typischerweise gegebenen Verhältnisse abzustellen ist ([X.], Urteil vom 3. Juli 1996 - [X.], [X.]Z 133, 184, 187 ff.; Senatsurteil vom 8. März 2005, [X.]O; [X.], Urteile vom 4. Februar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 319 Rn. 11, 17 und vom 9. April 2014 - [X.], [X.]Z 200, 362 Rn. 24). Die im Wege der Auslegung vorzunehmende Unterscheidung zwischen rechtsverbindlichen Vertragsbedingungen und unverbindlichen Erklärungen kann der Senat selbst vornehmen (vgl. [X.], Urteil vom 9. April 2014, [X.]O Rn. 25 mwN).

b) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.

[X.]) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Klausel.

Danach werden dem Sparer bei "Vereinbarung einer Leibrente […] ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet". Der durchschnittliche Sparer versteht die Klausel dahin, dass sie der Beklagten das Recht einräumen soll, von ihm im Fall der Vereinbarung einer Leibrente Abschluss- und/oder Vermittlungskosten zu verlangen. Aus der Klausel ergibt sich zwar nicht, von welchen Voraussetzungen es abhängen soll, damit die Beklagte bei Vereinbarung einer Leibrente tatsächlich Abschluss- und/oder Vermittlungskosten beansprucht. Die Höhe derartiger Kosten wird in der Klausel ebenfalls nicht bestimmt. Die fehlende Benennung von Voraussetzungen für die Beanspruchung von Abschluss- und/oder Vermittlungskosten und die fehlende Bestimmung der [X.] stellt den Regelungsgehalt der Klausel aber nicht in Frage. Das gilt auch, soweit aus der in der Klausel enthaltenen Formulierung "ggfs." von einem durchschnittlichen Verbraucher darauf geschlossen wird, dass er bei der Vereinbarung einer Leibrente von der Beklagten nur möglicherweise und nicht in jedem Fall mit Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet werden soll. Auch aus dieser Formulierung lässt sich nicht ableiten, dass die Beklagte mit der Klausel lediglich Informationspflichten erfüllt ([X.], Urteil vom 6. Juli 2022 - 7 U 106/20, n.v.).

Das Vorliegen der genannten Unklarheiten hat entgegen der Ansicht der Revision nicht zur Folge, dass die Klausel lediglich als bloßer Hinweis ohne Regelungsgehalt einzustufen ist. Der rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittsverbraucher erkennt in der Klausel vielmehr eine vertragliche Regelung, nach der die Beklagte bei Vereinbarung einer Leibrente ohne Bindung an bestimmte weitere Voraussetzungen berechtigt sein soll, ihn mit Abschluss- und/oder Vermittlungskosten zu belasten, die der Höhe nach im Vorhinein nicht feststehen. Aus seiner Sicht schafft die Klausel damit die rechtliche Grundlage für eine Forderung der Höhe nach bei Vertragsschluss nicht feststehender Abschluss- und/oder Vermittlungskosten in der Auszahlungsphase, wenn er zur Leibrente optiert. Dass dem Sparer in der Auszahlungsphase neben der Leibrente eine alternative Auszahlungsvariante ([X.] mit lebenslanger Teilkapitalverrentung) zur Wahl steht, ändert nichts daran, dass die beanstandete Klausel die Berechtigung der Beklagten regelt, vom Sparer Abschluss- und/oder Vermittlungskosten zu beanspruchen, wenn dieser sich für eine Leibrente entscheidet.

bb) Dieses Verständnis wird verstärkt durch den Kontext, in den die Klausel eingebettet ist.

Die Bezeichnung des Klauselwerks als Sonderbedingungen spricht dafür, dass die hierin enthaltenen Klauseln den Vertragsinhalt regeln. Das gilt insbesondere für den Abschnitt [X.], in dem die beanstandete Klausel platziert ist. Dieser Abschnitt regelt die Rechte und Pflichten der Beklagten beim Übergang des Sparvertrags in die Auszahlungsphase. Danach ist die Beklagte nach Abschnitt [X.] Satz 1 der Sonderbedingungen zunächst verpflichtet, den Sparer aufzufordern, ihr mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt er in die Auszahlungsphase eintreten möchte. Satz 2 dieses Abschnitts verpflichtet die Beklagte weiter, dem Sparer für die Auszahlungsphase jeweils ein Angebot für eine Leibrente und für einen [X.] mit lebenslanger Teilkapitalverrentung zu unterbreiten. Satz 3 des Abschnitts [X.] der Sonderbedingungen regelt für nach dem 31. Dezember 2005 abgeschlossene Verträge, dass die Berechnung der Rentenleistung unabhängig vom Geschlecht des Sparers erfolgt. Die sich hieran unmittelbar anschließende streitgegenständliche Klausel hat - wie die vorangegangenen Regelungen - ebenfalls einen Regelungsgehalt und nicht nur informativen Charakter. Sie berechtigt die Beklagte, vom Sparer, wenn dieser zur Leibrente optiert, Abschluss- und/oder Vermittlungskosten zu beanspruchen (siehe [X.])). Angesichts der in dem Abschnitt [X.] der Sonderbedingungen insgesamt bestimmten Rechte und Pflichten der Beklagten im Zusammenhang mit den Angeboten über die Gestaltung der Auszahlungsphase spricht damit auch die Verortung der streitgegenständlichen Klausel in dem genannten Abschnitt für einen Regelungsgehalt der angegriffenen Klausel.

2. Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Klausel gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt und damit unwirksam ist.

a) Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB dann vor, wenn die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist; sie muss auch im Kontext mit dem übrigen Klauselwerk verständlich sein. Die Klausel muss die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach den Umständen gefordert werden kann. Der Vertragspartner des Verwenders muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls "auf ihn zukommt" (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 344, 352; [X.], Urteile vom 7. Februar 2019 - [X.]/18, NJW-RR 2019, 942 Rn. 22, vom 26. März 2019 - [X.], [X.], 915 Rn. 12, vom 1. Oktober 2019 - [X.], [X.], 2304 Rn. 23, vom 16. Januar 2020 - [X.], [X.], 369 Rn. 25, vom 26. Mai 2021 - [X.], NJW-RR 2021, 1096 Rn. 22 und vom 7. April 2022 - I ZR 212/20, RdTW 2022, 274 Rn. 47; vgl. auch [X.], NJW 2014, 2335 Rn. 73, [X.] und [X.]né Rábai; [X.], Urteil vom 19. September 2019 - [X.], juris Rn. 62, [X.] Tóth).

Das von dem Transparenzgebot umfasste Bestimmtheitsgebot verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen ([X.], Urteile vom 10. Februar 2016 - [X.], NJW 2016, 1308 Rn. 18, vom 19. Mai 2016 - [X.], [X.], 347 Rn. 26 und vom 8. September 2021 - [X.], [X.], 1384 Rn. 56). Einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (Senatsurteil vom 19. Oktober 1999 - [X.], [X.], 2545, 2547; vgl. auch [X.], Urteil vom 20. Juli 2005 - [X.], [X.]Z 164, 11, 26 f.).

Bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten [X.] verstanden werden ([X.], Urteile vom 22. März 2018 - [X.], [X.]Z 218, 183 Rn. 35, vom 7. Februar 2019 - [X.]/18, NJW-RR 2019, 942 Rn. 24, vom 26. Mai 2021 - [X.], NJW-RR 2021, 1096 Rn. 23 und vom 7. April 2022 - I ZR 212/20, RdTW 2022, 274 Rn. 47; Senatsurteil vom 15. November 2022 - [X.], [X.]Z 235, 102 Rn. 19; [X.], Urteil vom 18. April 2023 - [X.], [X.], 851 Rn. 18). In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Klauselwerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Vertragspartner erkennbar sind ([X.], Urteile vom 6. Juli 2016 - [X.], [X.]Z 211, 51 Rn. 17, vom 7. Februar 2019, [X.]O und vom 1. März 2023 - [X.], [X.], 622 Rn. 9; Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - [X.], [X.], 1126 Rn. 18, zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt).

b) Gemessen hieran erweist sich die Klausel, die der Senat selbst auslegen kann (Senatsurteil vom 15. November 2022 - [X.], [X.]Z 235, 102 Rn. 19 mwN), als nicht klar und verständlich und benachteiligt dadurch die Vertragspartner der Beklagten unangemessen.

Der Verbraucher kann die mit der Klausel für ihn verbundenen wirtschaftlichen Folgen nicht absehen (vgl. auch [X.], Urteil vom 28. Juli 2020 - 25 O 8/20, juris Rn. 42). Die Klausel lässt weder erkennen, ob die Beklagte die genannten Abschluss- und Vermittlungskosten vom Sparer tatsächlich beansprucht, noch in welcher Höhe sie den Sparer mit Abschluss- und Vermittlungskosten belastet, wenn sich dieser im Rahmen der Auszahlungsphase für die Zahlung einer Leibrente entscheidet. Durch die Verwendung der Formulierung "ggfs." bleibt schon unklar, ob der Sparer im Fall der Vereinbarung einer Leibrente überhaupt mit Abschluss- und Vermittlungskosten belastet wird. Voraussetzungen, die maßgebend dafür sind, dass die genannten Abschluss- und Vermittlungskosten dem Grunde nach anfallen, werden dem Sparer weder in der Klausel noch an anderer Stelle mitgeteilt. Angaben zur Höhe der dem Sparer "ggfs." belasteten Abschluss- und Vermittlungskosten enthält die Klausel ebenfalls nicht. Es wird weder ein absoluter Betrag genannt noch ein Prozentsatz, der sich auf ein Kapital bezieht. Weiter unklar bleibt, ob die Kosten einmalig, jährlich oder monatlich anfallen sollen. Danach kann der Sparer nicht einmal die Größenordnung der Kosten absehen, mit denen er bei Vereinbarung einer Leibrente im Rahmen der Auszahlungsphase auf der Grundlage der Klausel "ggfs." belastet werden soll. Auch den Informationen zum Altersvorsorgevertrag (Anlage K2) lassen sich keine Präzisierungen bezüglich des tatsächlichen Anfalls oder bezüglich der Höhe der Abschluss- und/oder Vermittlungskosten entnehmen. Dort heißt es lediglich, dass der Sparer "ggfs." mit "angemessenen" Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet wird. Damit ist für den Sparer kein Informationsgewinn verbunden, der über die Angaben in der streitgegenständlichen Klausel hinausgeht.

Die Klausel benennt keine Voraussetzungen und Kriterien, die maßgebend für den Anfall der Abschluss- und/oder Vermittlungskosten dem Grunde nach und für die voraussichtliche Höhe dieser Kosten sind. Die Revision räumt in dem Zusammenhang selbst ein, dass die Kosten der Größenordnung nach durchaus hätten eingegrenzt werden können.

3. Die aufgrund der Verwendung der Klausel in ihren Sonderbedingungen vermutete [X.] hat die Beklagte nicht widerlegt.

Das Berufungsgericht hat mit Bindungswirkung (§ 314 ZPO) festgestellt, dass die Beklagte die streitgegenständliche Klausel in ihren Sonderbedingungen verwendet. Eine [X.] ist auf der Grundlage dieser Feststellung zu bejahen, da die Beklagte die Wirksamkeit der Klausel verteidigt und keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2018 - [X.], [X.]Z 218, 132 Rn. 23). Die Androhung von [X.] beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.

[X.]     

      

[X.]     

      

Schild von [X.]

      

Sturm     

      

Ettl     

      

Meta

XI ZR 290/22

21.11.2023

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 20. Oktober 2022, Az: 29 U 2022/21

§ 305 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.11.2023, Az. XI ZR 290/22 (REWIS RS 2023, 8497)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8497

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