Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2012, Az. V ZB 27/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5905

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Gegenstand

Rechtsanwaltsverschulden bei Versäumung der Berufungsfrist bzw. bei Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist: Sorgfaltspflichten eines Anwalts bei der Vorlage einer Akte aufgrund einer Vorfrist


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 20. Dezember 2011 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe als unzulässig verworfen, dass der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] verworfen wird.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt bis 65.000 €.

Gründe

I.

1

Der [X.] ist von dem [X.] zur Herausgabe eines Oldtimers verurteilt worden. Innerhalb der Berufungsfrist beantragte er für die beabsichtigte Berufung die Gewährung von Prozesskostenhilfe, die das [X.] ihm mit am 23. September 2011 zugestelltem Beschluss bewilligte. Am 29. September 2011 stellte der beigeordnete Prozessbevollmächtigte des [X.]n bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des [X.]s den Antrag, ihm die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren des Berufungsverfahrens zu erstatten. Am 13. Oktober 2011 gingen die Berufung und die Berufungsbegründung des [X.]n bei dem [X.] ein. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden, dass die Berufung bis zum 7. Oktober 2011 hätte eingelegt werden müssen, hat der [X.], der diese Auffassung nicht teilte, mit einem am 28. Oktober 2011 eingegangenen Schriftsatz hilfsweise die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der [X.] beantragt. Er hat vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter die Fristen korrekt errechnet habe, bei Eintragung der Daten durch dessen sonst stets gewissenhaften Kanzleiangestellten aber fehlerhaft der 7. Oktober 2011 als [X.] und der 14. Oktober 2011 als Fristablauf notiert worden sei. Bei Vorlage der Handakte am 7. Oktober 2011 habe der Prozessbevollmächtigte geringfügige Änderungen an der schon gefertigten Berufungsschrift verfügt. Am nächsten Arbeitstag sei sie dann in den Postlauf gegeben worden.

2

Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verworfen, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] zurückgewiesen und die Berufung des [X.]n als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.]n.

II.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der [X.] die versäumte [X.], die Berufungseinlegung, nicht innerhalb der mit der Zustellung des [X.] beginnenden zweiwöchigen [X.] vorgenommen. Die beantragte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der [X.] sei nicht zu gewähren, da die Frist nicht unverschuldet versäumt worden sei. Der Prozessbevollmächtigte des [X.]n habe es pflichtwidrig unterlassen, bei Vorlage der Handakten am 7. Oktober 2011 die Fristen zu überprüfen. Hätte er dies getan, wäre ihm der Fehler aufgefallen, und er hätte noch am selben Tag die Berufungsschrift fristwahrend per Fax an das [X.] senden können.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO erfordert nicht eine Entscheidung des [X.]. Das Berufungsgericht hat dem [X.]n den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.

5

1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass der [X.] die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versäumt hat. Die zweiwöchige [X.] begann mit der Zustellung des [X.] (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und endete mit Ablauf des 7. Oktober 2011. Nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist innerhalb der [X.] des § 234 ZPO die versäumte [X.] - hier die Berufungseinlegung - nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Die Berufung des [X.]n ist aber erst am 13. Oktober 2011, also nach Ablauf der [X.] eingelegt worden. Entgegen der Auffassung des [X.]n stellt der am 29. September 2011 von seinem Prozessbevollmächtigten gestellte Gebührenfestsetzungsantrag keine Berufungseinlegung dar. Dies folgt - neben den völlig unterschiedlichen Zielrichtungen von Rechtsmitteleinlegung und Vergütungsantrag - schon daraus, dass der Anwalt einen Antrag auf Festsetzung der ihm aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nur im eigenen Namen stellt.

6

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] (vgl. § 233 ZPO) versagt.

7

a) Allerdings trifft den Prozessbevollmächtigten des [X.]n kein Verschulden an der Versäumung der [X.]. Zwar nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] einem Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung obliegt, ob das von der Kanzleikraft notierte Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf [X.] - zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. nur [X.], Beschluss vom 10. Juni 2008 - [X.], [X.], 3439, 3440, mwN). Diese Prüfung muss aber nicht sofort erfolgen, weil die [X.] gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden ([X.], Beschluss vom 10. Juni 2008 - [X.], [X.], 3439, 3440; Beschluss vom 24. Oktober 2001 - [X.], [X.], 1391, jeweils mwN). Es kann daher nicht beanstandet werden, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.]n am [X.], dem 7. Oktober 2011, die Frist nicht sofort überprüft hat. Dass er die notwendige Überprüfung am folgenden Arbeitstag möglicherweise ebenfalls nicht vorgenommen und die fehlerhafte Fristnotierung nicht bemerkt hat, muss außer Betracht bleiben. Denn dies ist für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden, da zu diesem Zeitpunkt die Frist bereits abgelaufen war.

8

Ein [X.] ist dem Prozessbevollmächtigten des [X.]n nicht anzulasten. Der [X.] hat glaubhaft gemacht, dass dieser seinen Pflichten zur Kontrolle seines ihm als zuverlässig bekannten Kanzleimitarbeiters nachgekommen ist.

9

b) Der [X.] hat jedoch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] nicht innerhalb der [X.] des § 234 ZPO gestellt.

Nach § 234 Abs. 2 ZPO beginnt die [X.] mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Ein Hindernis ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; vielmehr ist es auch behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist ([X.], Beschluss vom 16. September 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 282, 283, mwN). Hier hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.]n, nachdem ihm die Akte aufgrund der notierten [X.] zur Bearbeitung vorgelegt worden war, spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag eine Kontrolle der von seinem Angestellten eingetragenen Fristen vornehmen und damit jedenfalls am Montag, dem 10. Oktober 2011, als die Berufung in den Postauslauf gegeben wurde, erkennen müssen, dass die Berufungseinlegungsfrist bereits abgelaufen war (vgl. [X.], aaO). Ab diesem Zeitpunkt war das Hindernis somit behoben, und die [X.] des § 234 ZPO begann zu laufen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der [X.] ist jedoch nicht innerhalb der am 24. Oktober 2011 endenden Frist gestellt worden, sondern ging erst am 28. Oktober 2011 ein.

3. Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des [X.]n wegen Versäumung der Berufungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                     [X.]                                       Czub

                      Brückner                                         Weinland

Meta

V ZB 27/12

31.05.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 20. Dezember 2011, Az: 2 U 57/10

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 Abs 1 S 1 ZPO, § 234 Abs 2 ZPO, § 236 Abs 2 S 2 ZPO, § 517 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2012, Az. V ZB 27/12 (REWIS RS 2012, 5905)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5905

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VIII ZR 357/14

XI ZB 12/13

VIII ZB 2/22

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