Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2004, Az. V ZR 166/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 5011

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[X.] DES VOLKESURTEILV ZR 166/03Verkündet am:16. Januar 2004K a n i k,[X.] Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 16. Januar 2004 durch den Vizepräsidenten des [X.]Dr. [X.], [X.] [X.], [X.], [X.] und dieRichterin Dr. Stresemannfür Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Naumburg vom 13. Mai 2003 wird auf Kosten derKlägerin zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Mit notariell beurkundetem [X.] erwarb die Kläge-rin von der [X.]n unter Ausschluß der Gewährleistung für [X.] Verwendbarkeit des [X.] zwei Flurstücke in einer Gesamt-größe von 98.692 qm für 1.480.380 DM (= 15,- DM/qm). Der Kaufpreis ist in § 4als "vorläufig" bezeichnet, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein funkti-onsfähiger Markt für Grund und Boden und entsprechende Marktpreise [X.] § 5 sollte der endgültige Kaufpreis durch eine auf den 31. Juli 1993 aufden Grund und Boden bezogene Nachbewertung festgestellt werden, wobeider vorläufige Kaufpreis als "Mindestpreis" vereinbart war. § 20 enthält [X.] für den Fall der Undurchführbarkeit des [X.] -Vor dem Abschluß des Vertrags hatte die Klägerin ein Verkehrswertgut-achten vom 1. Januar 1991 eingeholt, in welchem der Bodenwert mit5,71 DM/qm ermittelt worden war; ein weiteres, ebenfalls von der Klägerin ein-geholtes Gutachten weist zum 21. Mai 1992 einen Verkehrswert von 15,- DM/qm aus. In beiden Gutachten wird darauf hingewiesen, daß die verkauftenFlurstücke nach der Aussage des Bürgermeisters der Klägerin in dem [X.]nutzungsplan als Gewerbefläche bzw. als Mischgebiet ausgewiesen sindbzw. sich in einer Bebauungsplanung befinden. Die Klägerin übermittelte [X.] beide Gutachten vor dem Abschluß des Kaufvertrags.Tatsächlich gab es seinerzeit - und gibt es noch heute - keinen Flächen-nutzungs- oder Bebauungsplan, der die verkauften Flurstücke erfaßt.Mit Schreiben vom 24. Januar 1994 erklärte sich die Klägerin der [X.] gegenüber mit der endgültigen Festschreibung des in dem [X.] einverstanden.In einem weiteren Sachverständigengutachten wurde der [X.] verkauften Flächen zum 22. Februar 1994 mit 15,- DM/qm ermittelt.Während des erstinstanzlichen Verfahrens erklärte die Klägerin gegen-über der [X.]n die Anfechtung des Kaufvertrags wegen Irrtums, nachdemder von dem [X.] beauftragte Sachverständige einen Verkehrswert derFlurstücke im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von 1,56 DM/qm ermittelt hatte.Die Klägerin hält den Kaufvertrag für nichtig, weil sie ihn wirksam ange-fochten habe und er sittenwidrig sei. Wenigstens sei er nach den [X.] Wegfalls der Geschäftsgrundlage und nach seinem § 20 aufzuheben oderanzupassen. Die Zwangsvollstreckung der [X.]n verstoße gegen [X.].Die Klage, mit der die Klägerin die Erklärung der [X.] der [X.] für unzulässig, hilfsweise die Verurteilung [X.] zur Unterlassung der Zwangsvollstreckung, und die Herausgabe [X.] verlangt, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision verfolgt dieKlägerin ihre Klage weiter. Die [X.] beantragt die Zurückweisung [X.].Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht meint, der Kaufvertrag sei wirksam [X.]; die erforderlichen Genehmigungen seien erteilt worden. Er [X.] weiterhin Bestand, weil er nicht wegen [X.] oder als wucherähnli-ches Geschäft nichtig sei. Auch die von der Klägerin eingewandten Verstößegegen das öffentliche Haushaltsrecht und ihre Anfechtungserklärung führtennicht zur Nichtigkeit des Vertrags. Einen Anspruch auf Aufhebung oder Ände-rung des Vertrags habe die Klägerin nicht. Sie könne die Zwangsvollstreckungder [X.]n nur hindern, indem sie sich auf Gewährleistungsrechte berufe;diese seien jedoch vertraglich [X.] 5 -Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.[X.]Die Zwangsvollstreckung der [X.]n aus dem Kaufvertrag ist zuläs-sig.1. Fehlerfrei ist das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt, daßder Kaufvertrag wirksam zustandegekommen und nicht nach § 138 Abs. 2 BGBwegen [X.] oder nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das öffentlicheHaushaltsrecht nichtig ist; auch treffen seine weiteren Annahmen zu, daß dievon der Klägerin erklärte Anfechtung nicht die Nichtigkeit des Kaufvertragsnach § 142 Abs. 1 BGB zur Folge hat, die Klägerin durch den [X.] benachteiligt wird und § 20 des Vertrags, der Bestimmungen fürden Fall seiner Undurchführbarkeit enthält, keinen Aufhebungsanspruch derKlägerin begründet. Das alles nimmt die Revision hin.2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die Nichtigkeit des [X.] nach § 138 Abs. 1 BGB verneint; er ist nicht sittenwidrig.a) Es kann offen bleiben, ob hier ein grobes Mißverhältnis zwischen [X.] und Gegenleistung besteht. Die daran geknüpfte Vermutung der verwerf-lichen Gesinnung des Begünstigten, also der [X.]n, wäre nämlich durchbesondere Umstände erschüttert, so daß der Schluß allein von dem Vorliegeneiner besonders groben Äquivalenzstörung auf eine subjektiv unlautere Aus-nutzung eines den Benachteiligten in seiner Entscheidungsfreiheit hemmenden- 6 -Umstands nicht zulässig wäre ([X.], Urt. v. 27. September 2002, [X.], [X.], 642, 643 m.w.N.). Beide Parteien haben die verkauften [X.] als Bauerwartungsland eingestuft. Darauf beruhte die Kaufpreisfindung.Sie war aus Sicht der [X.]n nach einem der ihr vorgelegten Sachverstän-digengutachten sachgerecht, zumal die Gutachter die [X.] der Flächen aufgrund der Angaben des Bürgermeisters der [X.] hatten. Unter diesen Umständen hat die [X.] ausreichende,eine Übervorteilung der Klägerin ausschließende Bemühungen zur [X.] angemessenen Leistungsverhältnisses angestellt; daß das Gutachtenfehlerhaft war, fällt ihr nicht zur Last (vgl. [X.], Urt. v. 19. Juli 2002, [X.], [X.], 154, 156 m.w.[X.]) Die Rüge der Revision (§ 286 ZPO), das Berufungsgericht habe nichtberücksichtigt, daß sich aus der Bezeichnung des vereinbarten Kaufpreises als"vorläufig" und als "[X.]" ergebe, daß die [X.] nicht auf [X.] vertraut, sondern die Möglichkeit eines besonders groben [X.] zwischen Leistung und Gegenleistung ausdrücklich in Kauf genom-men habe, und daß sie vertragliche Abhilfemöglichkeiten nur zu ihren Gunstendurchgesetzt habe, bleibt ohne Erfolg. Eine verwerfliche Gesinnung der [X.] läßt sich diesen Vertragsbestimmungen nicht entnehmen. Sie wurdenvereinbart, weil es nach Auffassung beider Parteien im Zeitpunkt des Vertrags-schlusses noch keinen funktionsfähigen Grundstücksmarkt und entsprechendeMarktpreise gab. Die Nachbewertung der verkauften Flächen sollte dem Rech-nung tragen und zu einem marktüblichen Kaufpreis führen. Dabei lag es [X.], daß die Parteien mit steigenden Grundstückspreisen rechneten (vgl.[X.], [X.], 331, 336). Nicht aber sollte die Nachbewertung [X.] ausgleichen, die sich aus einer eventuellen Änderung der baupla-- 7 -nungsrechtlichen Qualität der Flächen ergab. Daß die Parteien an eine solcheMöglichkeit gedacht haben, ist nicht ersichtlich.c) Wäre somit die auf ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen [X.] und Gegenleistung beruhende Vermutung der verwerflichen Gesinnungder [X.]n erschüttert, müßte die Klägerin - ebenso wie bei dem [X.] solchen [X.] - die für die Sittenwidrigkeit eines wucherähnli-chen Geschäfts entscheidenden subjektiven Merkmale auf seiten der [X.] darlegen und beweisen. Das ist ihr nach den fehlerfreien Feststellungendes Berufungsgerichts, die von der Revision nicht angegriffen werden, nichtgelungen.d) Auf die von der [X.]n vorsorglich erhobenen Revisionsgegenrü-gen (§ 286 ZPO), mit denen sie die Verkehrswertermittlung durch den von dem[X.] bestellten Sachverständigen angreift und zusätzlich zu den Fest-stellungen des Berufungsgerichts die fehlende verwerfliche Gesinnung der [X.] begründen will, kommt es nach alledem nicht [X.] Ebenfalls - im Ergebnis - zu Recht hat das Berufungsgericht [X.] oder Abänderungsanspruch der Klägerin nach den [X.] Wegfalls der Geschäftsgrundlage verneint.a) Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Klägerin - wie das [X.] meint - wegen des Vorrangs der Sachmängelhaftung nicht auf ei-ne fehlende oder geänderte Geschäftsgrundlage berufen kann (siehe dazu [X.], [X.], 159, 162 m.w.N.). Die dagegen gerichteten Angriffe der Revi-sion braucht der [X.] nicht zu prüfen. Denn selbst wenn die Annahme des- 8 -Berufungsgerichts fehlerhaft wäre und die Grundsätze des Wegfalls der [X.] nicht über die Sachmängelgewährleistung ausgeschlossenwären, könnte die Klägerin keine Aufhebung oder Anpassung des Vertragsverlangen. Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlageist nämlich kein Raum, wenn nach der vertraglichen Regelung derjenige [X.] zu tragen hat, der sich auf die Störung beruft ([X.], [X.], 370,373 m.w.N.). Hier hat die Klägerin das Risiko der künftigen Bebaubarkeit derverkauften Flächen übernommen.Nach der gesetzlichen Interessenbewertung beim Kaufvertrag trägt inder Regel der Käufer das Risiko, ob er den Kaufgegenstand wie [X.] kann. Bei dem Kauf von Bauerwartungsland kommt hinzu, daß einsolches Geschäft typischerweise ein Element der Unsicherheit einschließt, [X.] aller Regel gerade nicht feststeht, ob und gegebenenfalls wann das [X.] bebaubar werden wird. Sind - wie normalerweise in einem solchen Fall -Störungen der Geschäftsgrundlage voraussehbar, ist es grundsätzlich [X.] betroffenen Vertragspartners, sich gegen die daraus drohenden Nachteilezu sichern; für eine Berücksichtigung der Geschäftsgrundlage ist bei [X.] risikobehafteten Geschäft in der Regel kein Raum ([X.], [X.],370, 374; 101, 143, 151 f. m.w.N.). Das nach diesen allgemeinen Grundsätzendie Klägerin treffende Risiko der Verwendbarkeit des [X.] wirdnach den vertraglichen Vereinbarungen - worauf die [X.] in ihrer Revisi-onserwiderung zutreffend hinweist - bei ihr belassen. Zum einen wurde derKlägerin zwar ein Rücktrittsrecht eingeräumt, nicht aber für den Fall, daß siedie Flächen nicht in der erwarteten Art und Weise nutzen kann. Zum [X.] die Parteien in § 7 Abs. 2 einen Gewährleistungsausschluß vereinbart,- 9 -der sich ausdrücklich auch auf die Verwendbarkeit des [X.] be-zieht.b) Nach alledem kommt es auf die weiteren von der [X.]n vorsorg-lich erhobenen Revisionsgegenrügen nicht an.4. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, daß die Zwangsvollstrek-kung aus der [X.] nach den Grundsätzen von [X.] und Glau-ben (§ 242 BGB) für unzulässig erklärt werden müsse.Zwar kann der Einwand des Rechtsmißbrauchs im Wege der [X.] nach § 767 ZPO der Vollstreckung aus einem Titel entge-gengehalten werden ([X.], 1, 2). Voraussetzung ist aber, daß [X.] den Bestand der zu vollstreckenden Forderung betrifft ([X.], ZPO, 3. Aufl., § 767 Rdn. 26; [X.]/[X.], ZPO, 24. [X.] 767 Rdn. 12 "Rechtsmißbrauch"). Daran fehlt es hier. Die [X.] hat, wievorstehend unter [X.] 2. ausgeführt, die Kaufpreisforderung redlich erworben.Daran ändert nichts der von der Revision hervorgehobene Umstand, daß [X.] in der vielfach durch unrealistische Erwartungen [X.] unmittelbar nach der [X.] von einer sehr kleinen Gemeindein den neuen Bundesländern geschlossen wurde. Das Berufungsgericht hat- fehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen - nicht festgestellt, daß [X.] [X.] diesen Umstand bei der Vereinbarung des Kaufpreises einseitigzunutze gemacht hat. Vielmehr war es der Bürgermeister der Klägerin, der [X.] die [X.] der verkauften Flächen vorgege-ben und dadurch die Preisfindung entscheidend zum Nachteil der Klägerin be-einflußt hat. Daß den mit dem Vertragsschluß befaßten Mitarbeitern der Be-- 10 -klagten die abweichende rechtliche Qualität der Flächen bekannt war, hat [X.] ebenfalls fehlerfrei und unangegriffen nicht festgestellt. Falls,wie die Revision meint, die [X.] der Klägerin bei dem Vertragsschluß in-tellektuell überlegen gewesen wäre, hätte sich das somit nicht auf die [X.] des Kaufpreises ausgewirkt. Schließlich spielt es entgegen der [X.] der Revision für die Frage des Rechtsmißbrauchs auch keine Rolle, obdie Klägerin durch die Zwangsvollstreckung wirtschaftlich überfordert wird.Somit ist das Verhalten der [X.]n nicht als unzulässige Rechtsausübunganzusehen.I[X.]Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.[X.] [X.] [X.]Stresemann

Meta

V ZR 166/03

16.01.2004

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2004, Az. V ZR 166/03 (REWIS RS 2004, 5011)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 5011

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