Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.11.2009, Az. VI ZB 36/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 440

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[X.] vom 24. November 2009 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 24. November 2009 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des [X.] vom 31. März 2009 aufgeho-ben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. [X.]: 25.000 • Gründe: [X.] Das [X.] hat mit Urteil vom 18. Dezember 2008, den [X.] des [X.] zugestellt am 29. Dezember 2008, die Klage [X.]. Am 27. Januar 2009 sind die erste Seite einer zweiseitigen Berufungs-schrift, zwei einfache und zwei beglaubigte Abschriften der Berufungsschrift sowie das erstinstanzliche Urteil per Telefax beim [X.] eingegangen. Die Berufungsschrift ist vom Prozessbevollmächtigten des [X.] nicht [X.] worden. Die erste Seite der Berufungsschrift enthält die Überschrift "Berufung", die Bezeichnung der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten 1 - 3 - sowie die Angabe des Urteils erster Instanz mit Aktenzeichen und Zustellungs-datum. Die beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift trägt auf der ersten Seite in der Mitte am rechten Rand den vom Prozessbevollmächtigten des [X.] unterschriebenen [X.]. Dort steht: "[X.] zwecks Zu-stellung". Es folgen darunter der handschriftliche Namenszug des [X.] und die Bezeichnung "Rechtsanwalt". Auf richterlichen Hinweis vom 5. Februar 2009 hat der Kläger am 13. Februar 2009 per Telefax erneut Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die [X.] der Berufungsfrist beantragt. Zur Wiedereinsetzung hat der Kläger vorgetragen, dass die den Faxversand durchführende Mitarbeiterin nicht [X.] habe, dass die zweite Seite der Berufungsschrift nicht übermittelt worden sei. Es sei ihr nicht aufgefal[X.], dass statt der zu sendenden 20 Seiten nur 19 Seiten gesendet worden seien. Angesichts der "Ok"-Meldung auf dem Übertra-gungsprotokoll habe sie sich auf den vollständigen Versand verlassen. Die Mit-arbeiterin arbeite seit Jahren zuverlässig. Üblicherweise werde bei [X.] die Anzahl der zu sendenden Seiten mit dem [X.] abgeglichen. Es handle sich deshalb um ein bislang noch nicht aufgetretenes Versehen der Mitarbeiterin. Das [X.] hat die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist nicht gewährt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.], mit der er die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Entscheidung an das [X.] begehrt. 2 - 4 - I[X.] 3 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.], denn die angefochtene Entscheidung verletzt den Kläger in entscheidungserheblicher Weise in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit zugleich auf Gewährung wirkungsvol[X.] Rechtsschutzes. 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. 4 a) Das [X.] hat die Berufung für unzulässig gehalten, weil die eingereichte Berufungsschrift entgegen § 519 ZPO nicht vom Prozessbevoll-mächtigten des [X.] unterschrieben sei. Zwar könne eine gleichzeitig einge-reichte beglaubigte Abschrift, die der Rechtsanwalt unterzeichnet habe, die feh-[X.]de Unterschrift auf der Urschrift ersetzen. Auch in diesem Fall dürfe jedoch zum Zeitpunkt des Fristablaufs kein Zweifel mehr möglich sein, dass der [X.] Schriftsatz von dem [X.] herrührt, so dass die Rechtssicherheit nicht in Frage gestellt sei. Der unterschriebene Beglaubi-gungsvermerk auf der ersten Seite der Abschrift lasse aber nicht erkennen, ob der Schriftsatz in seiner Gesamtheit von dem unterzeichneten Rechtsanwalt stamme und von ihm kontrolliert worden sei. Dies führe bei Gericht und beim [X.] zu einer Unklarheit und Unsicherheit der Rechtslage, die dem Rechtsmittelbeklagten nicht zugemutet werden könne. Es sei deshalb im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern, dass eine Unterzeichnung den Inhalt der Klärung räumlich decken, d.h. hinter oder unter dem Text stehen müsse. 5 b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in al[X.] Punkten stand. 6 - 5 - 7 aa) Im Ansatz zutreffend ist das [X.] allerdings davon [X.], dass die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen muss. Die Unterschrift ist grund-sätzlich [X.]. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Wil[X.] zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Durch die Unterschrift soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Ent-wurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wil[X.] des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Für den [X.] bedeutet dies, dass die Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem dazu Bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst ver-fasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (Senatsbeschluss vom 22. November 2005 - [X.] ZB 75/04 - [X.], 387; vom 15. Juni 2004 - [X.] ZB 9/04 - [X.], 136, 137 zum Fall der feh[X.]den Unterzeichnung einer Berufungsbegründung; ebenso [X.], Urteil vom 10. Mai 2005 - [X.] - NJW 2005, 2086, 2088 m.w.N.; Beschlüsse vom 2. April 2008 - [X.]/06 - NJW-RR 2008, 1020 f. und vom 14. Mai 2008 - [X.] 34/07 - NJW 2008, 2508). Von diesem Grundsatz sind jedoch Ausnahmen möglich. Denn das Er-fordernis der Schriftlichkeit ist kein Selbstzweck. Wenn sich aus anderen An-haltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Wil[X.] ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, kann das Feh[X.] einer Unterschrift ausnahmsweise unschädlich sein. Diese Beurtei-lung trägt dem Anspruch der Prozessbeteiligten auf wirkungsvol[X.] Rechts-schutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sowie ihren Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung, die es verbieten, den Zu-gang zur jeweiligen nächsten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht 8 - 6 - mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. [X.] 74, 228, 234). An die Beachtung formeller Voraussetzungen für die Geltendmachung eines [X.] dürfen deshalb keine überspannten Anforderungen gestellt werden ([X.], Urteil vom 10. Mai 2005 - [X.] - NJW 2005, 2086, 2088). Mit Rücksicht darauf ist allgemein anerkannt, dass der Mangel der Un-terschrift in einem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch eine gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben werden kann, auf der der [X.] von dem [X.] handschriftlich vollzogen worden ist ([X.]Z 24, 179, 180; Beschluss vom 2. April 2008 - [X.]/06 - aaO, 1021). 9 [X.]) Zwar stellt das Berufungsgericht diese Grundsätze nicht in Frage. Jedoch überspannt es die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsschrift und den Nachweis für deren Urheberschaft. Bei Würdigung der Umstände des Streitfalls konnte unter den Beteiligten des Rechtsstreits weder eine Unklarheit noch eine Unsicherheit der Rechtslage trotz der feh[X.]den zweiten Seite der Berufungsschrift mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des [X.] entstehen. 10 Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass bei Ersetzung der feh[X.]den Unterschrift auf der Urschrift durch eine gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift, die der Rechtsanwalt unterzeichnet hat, die Unterzeichnung den In-halt der Erklärung räumlich decken, d.h. hinter oder unter dem Text stehen muss (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juni 2004 - [X.] ZB 9/04 - NJW-RR 2004, 1364). Das Feh[X.] der Unterschrift kann nur bei Vorliegen besonderer [X.] ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den [X.] - 7 - [X.] ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Mai 2005 - [X.] - aaO, m.w.N.). 12 Im Streitfall finden sich die nach § 519 Abs. 2 ZPO notwendigen Anga-ben für die Berufungsschrift bereits auf der ersten Seite des Schriftsatzes, der an das Berufungsgericht gefaxt worden ist. Weitere Angaben sind zur [X.] der Berufung nicht erforderlich und auch nicht üblich. Dementsprechend wird auf Seite 2 des Schriftsatzes lediglich in Worten noch einmal wiederholt, was sich bereits aus der Seite 1 unzweifelhaft ergibt. Dass der Prozessbevoll-mächtigte des [X.] die Verantwortung hierfür übernehmen wollte, ist [X.] bewiesen durch die Unterschrift unter dem [X.]. War somit im Streitfall eine Unklarheit und Unsicherheit der Rechtslage, die dem Rechtsmittelgericht und dem Rechtsmittelbeklagten nicht zugemutet werden könnte, nicht gegeben, ist die Berufung per Telefax am 27. Januar 2009 [X.] eingelegt worden. c) Ob im Übrigen von einer hinreichenden Ausgangskontrolle des Pro-zessbevollmächtigten auszugehen wäre und zur Beurteilung insoweit auch die zusätzliche Begründung in der Rechtsbeschwerde herangezogen werden könn-te (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 15. Juni 2004 - [X.] ZB 9/04 - aaO, 1365), muss somit nicht entschieden werden. 13 3. Die Verwerfung der Berufung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO), weil die Berufung mit 14 - 8 - Schriftsatz vom 30. März 2009 (Montag) fristgerecht begründet worden ist. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache an das Kammer-gericht zurückzuverweisen. [X.]Zoll [X.] Diederichsen

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 18.12.2008 - 13 O 151/05 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 20 U 14/09 -

Meta

VI ZB 36/09

24.11.2009

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.11.2009, Az. VI ZB 36/09 (REWIS RS 2009, 440)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 440

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