Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2018, Az. VIII ZB 35/17

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11069

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:100418B[X.]35.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 35/17
vom

10. April 2018

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat am 10.
April 2018
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richterin Dr.
Hessel sowie [X.]
Dr.
Achilles, Dr.
Schneider und Kosziol
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der undatierte [X.] der 3. Zivilkammer des [X.] (Aktenzeichen 3 S 44/17) aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über
die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 4.000

Gründe:
I.
Der Kläger erwarb vom Beklagten einen gebrauchten [X.] und macht geltend, dieser habe ihn beim Abschluss des Kaufvertrages arglistig ge-täuscht. Wegen eines Minderwerts des Fahrzeugs verlangt der Kläger die

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 9. März 2017 zugestellte Urteil mit am 31.
März 2017 beim [X.] eingegangenem [X.] Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz war nicht unterschrieben.
1
2
-
3
-

Die Geschäftsstelle des [X.]s hat
die Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten am 31. März 2017 telefonisch über die fehlende Un-terschrift informiert. Im Rahmen eines am 4. April 2017 geführten weiteren Tele-fonats hat die Kanzlei des Klägervertreters mitgeteilt, dass sich dieser bis zum 10. April 2017 in [X.] befinde und nach seiner Rückkehr einen unterzeichne-ten Berufungsschriftsatz an das Gericht übersenden werde. Nach telefonischer Erinnerung durch die Geschäftsstelle ist die unterschriebene Berufungsschrift am 20. April 2017 per Fax beim [X.] eingegangen. Mit Schriftsatz vom 24. April 2017 hat der Klägervertreter die Berufung begründet.
Das [X.] hat den Kläger mit Verfügung vom 5. Mai 2017 darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet eingegangen sei, weil die unter-schriebene Berufung erst am 20. April 2017 vorgelegen habe. Auch eine [X.] komme nicht in Betracht, weil die Geschäftsstelle die Kanzlei des Klägervertreters über die fehlende Unterschrift bereits am 31. März 2017 infor-miert habe und innerhalb der zweiwöchigen [X.] kein [X.]sgesuch eingereicht worden sei.
Der Klägervertreter hat in seiner Stellungnahme vom 15. Mai 2017 auf eine Mitteilung der Geschäftsstelle verwiesen, wonach die mit der ursprüngli-chen Berufungsschrift eingereichte beglaubigte Abschrift unterschrieben gewe-sen sei; hierüber habe ihn die Geschäftsstelle mündlich unterrichtet. Hilfsweise hat er Wiedereinsetzung beantragt.
Das [X.] hat die Berufung als unzulässig verworfen und den [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur [X.] hat es ausgeführt, dass es sich bei dem am 31. März 2017 eingegange-nen Schreiben nicht um eine ordnungsgemäße Berufungsschrift handele, da weder das Schreiben noch ein anderweitig beigefügtes zuzuordnendes Schrift-3
4
5
6
-
4
-

stück von dem Prozessbevollmächtigten des [X.] unterzeichnet gewesen sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde führt gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur Aufhe-bung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaf-te Rechtsbeschwerde ist form-
und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserhebli-cher Weise das Verfahrensgrundrecht des [X.] auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs. 1 GG) und damit zugleich auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.], 976, 977 mwN; Senatsbeschlüsse vom 25. September 2012
-
VIII ZB 22/12, [X.], 237 Rn. 7; vom 4. November 2014 -
VIII
ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 6; vom 1. März 2016 -
VIII ZB 57/15, NJW 2016, 2042 Rn.
12; vom 12. Juli 2016 -
VIII ZB 55/15, [X.], 632 Rn. 1; vom 9. Mai 2017 -
VIII ZB 69/16, [X.], 2041 Rn. 9; jeweils mwN).

7
8
9
-
5
-

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht [X.] das Rechtsmittel des [X.] nicht gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit der Begründung, die vor Ablauf der [X.] (§ 517 ZPO) eingereichte Beru-fungsschrift sei entgegen § 519 ZPO nicht unterzeichnet worden, als unzulässig verwerfen, ohne zuvor dem Vortrag des [X.] nachzugehen, dass die [X.] beglaubigte Abschrift unterschrieben gewesen sei. Insoweit hätte das Be-rufungsgericht den Sachverhalt von Amts wegen aufklären müssen.
a) Ob eine Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl das [X.] als auch das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2017 -
VIII ZR 224/16, [X.], 2285 Rn. 19 mwN).
Ausgehend vom Vorbringen des [X.], welches im [X.] zugrunde zu legen ist, war die beglaubigte Abschrift der Beru-fungsschrift vom Prozessbevollmächtigten des [X.] unterschrieben, was für eine ordnungsgemäße Einlegung der Berufung nach der Rechtsprechung des [X.] ausreichend ist.
aa) Zwar ist nach der Rechtsprechung des [X.] grund-sätzlich die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers nach § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Berufungsschrift. Mit der [X.] soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltspro-zess bedeutet dies, dass die Berufungsschrift von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst ver-fasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss ([X.], Beschlüsse vom 25. September 2012 -
VIII ZB 22/12, aaO 10
11
12
13
-
6
-

Rn. 9; vom 14.
März 2017 -
XI [X.], NJW-RR 2017, 760 Rn. 6; vom 13.
Juni 2017 -
XI [X.], juris Rn. 6; jeweils mwN).
bb) Von diesem Grundsatz sind jedoch Ausnahmen möglich. Denn das Erfordernis der Schriftlichkeit ist kein Selbstzweck. Deshalb dürfen an die Be-achtung formeller Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rechts-schutzbegehrens keine überspannten Anforderungen gestellt werden ([X.], Urteil vom 10. Mai 2005 -
XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086 unter II
1 d bb; [X.] vom 24. November 2009 -
VI [X.], aaO; vom 2. April 2008

XII
[X.], aaO). Wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der [X.] vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, kann das Fehlen einer Unterschrift
ausnahmsweise unschädlich sein ([X.], Beschlüsse vom 10. März 2009

VIII
ZB 55/06, NJW-RR 2009, 933 Rn. 8; vom 24. November 2009 -
VI [X.], juris Rn. 8; vom 2.
April 2008 -
XII [X.], NJW-RR 2008, 1020 Rn.
8).
Es ist daher in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass der Mangel der Unterschrift in einem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch eine gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben werden kann, auf der der [X.] von dem Prozessbevollmächtigten handschriftlich vollzogen worden ist. Denn dann ist davon auszugehen, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt eines fristwahrenden Schriftsatzes übernommen hat ([X.], Beschlüsse vom 3.
Mai 1957 -
VII ZB 7/57, [X.]Z 24, 179, 180; vom 24. November 2009
-
VI [X.], aaO; vom 2. April 2008 -
XII [X.], aaO Rn. 9; vom 26. März 2012 -
II ZB 23/11, [X.], 1738 Rn. 9 mwN).
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beach-tet. Zu Recht
rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Berufungsgericht das Vor-14
15
16
-
7
-

bringen des [X.] zur rechtzeitigen Einreichung einer unterschriebenen be-glaubigten Abschrift nicht zur Kenntnis genommen hat. Es hat in seinem Be-schluss ausgeführt, dass "weder das Schreiben noch ein anderweitig beigefüg-tes, zuzuordnendes Schriftstück von dem Prozessbevollmächtigten des [X.] unterzeichnet war". Auf den Vortrag des [X.], dass innerhalb der [X.] nicht nur eine nicht unterzeichnete Urschrift, sondern auch eine vom [X.] unterschriebene beglaubigte Abschrift der Berufung eingereicht und dies auf telefonische Nachfrage von der Geschäftsstelle am 20. April 2017 be-stätigt worden sei, ist es gehörswidrig nicht eingegangen. Mangels Aufklärung des Sachverhalts kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Vortrag zu-trifft. Der [X.], der im Besitz der beglaubigten Abschrift ist, hat dem klägerischen Vortrag nicht widersprochen. Das Berufungsgericht hat, was die Rechtsbeschwerdebegründung ebenfalls zu Recht rügt, weder den Beklag-tenvertreter aufgefordert, die beglaubigte Abschrift zu den Akten zu reichen, noch eine dienstliche Stellungnahme der Geschäftsstelle hierzu eingeholt.
-
8
-

3. Der Verwerfungsbeschluss war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), damit die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden können. Der Senat ist nicht gehalten, die fehlenden Feststellungen selbst nachzuholen. Vielmehr ist es schon im Hinblick auf die größere Orts-
und Sachnähe sachgerecht, die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderli-chen Feststellungen selbst trifft (Senatsurteil vom 31. Mai 2017 -
VIII ZR 224/16, [X.], 2285 Rn. 30 mwN).
Dr. Milger

Dr. Hessel Dr. Achilles

Dr. [X.]Kosziol
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.02.2017 -
6 C 280/16 -

LG [X.], -
3 S 44/17 -

17

Meta

VIII ZB 35/17

10.04.2018

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2018, Az. VIII ZB 35/17 (REWIS RS 2018, 11069)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11069

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZB 35/17 (Bundesgerichtshof)

Berufungsverfahren: Heilung des Formmangel fehlender Unterzeichnung des Berufungsschriftsatzes; Gehörsverletzung bei Nichtberücksichtigung des entsprechenden Klägervortrags


VI ZB 27/20 (Bundesgerichtshof)

Formunwirksame Berufungseinlegung: Heilung eines Unterschriftsmangels der Berufungsschrift durch Beifügung einer Abschrift mit Beglaubigungsvermerk; Grundsatz der …


XII ZB 120/06 (Bundesgerichtshof)


5 AZR 849/13 (Bundesarbeitsgericht)

Zulässigkeit der Berufung - Unterzeichnung der Berufungsschrift - Zustellung der Klageschrift - Beglaubigungsvermerk


V ZB 28/22 (Bundesgerichtshof)

Anforderungen an die Signatur bei Übermittlung einer Berufungsschrift über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.