Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2006, Az. VIII ZR 19/04

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1623

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 27. September 2006 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 533 Nr. 1 und 2, 139 Abs. 2 a) Mit dem in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmal der Sachdienlichkeit einer Klageände-rung in der Berufungsinstanz ist die entsprechende Zulassungsschranke der §§ 523, 263 ZPO in der bis zum 31. Januar 2001 geltenden Fassung unverändert in das neue [X.] übernommen worden. Zu den Tatsachen, auf die gemäß § 533 Nr. 2 ZPO eine Klageänderung gestützt wer-den kann, weil sie das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, gehören auch solche, die bereits in erster Instanz vorgetragen waren, von dem erstinstanzlichen Gericht aber als unerheblich beurteilt worden sind und deshalb im [X.] keine Erwähnung gefunden haben; kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts aufgrund der Klageänderung auf diese Tatsachen an, bestehen erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsge-richt nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten (im [X.] an [X.], Urteil vom 19. März 2004 [X.], [X.] 158, 295, 309 f.). b) Das Gericht verletzt seine Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO, wenn es ohne vorheri-gen Hinweis eine Klage mangels Aktivlegitimation des [X.] abweist, nachdem es zuvor durch eine Beweisaufnahme zu erkennen gegeben hat, dass es die Klage für schlüssig hält. [X.], Urteil vom 27. September 2006 - [X.] - [X.]

[X.] - 2 - - 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2006 durch den Vorsitzenden [X.], die [X.] und [X.] sowie [X.]innen [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 3. Dezember 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der [X.] bot im November 1999 in der [X.] Zei-tung 550 Ölgemälde aus dem 18. bis 20. Jahrhundert für 280.000 DM zum Kauf an. Am 3. Dezember 1999 schlossen der Zeuge [X.] der Ehemann der Klä-gerin [X.] und der [X.] einen entsprechenden Kaufvertrag. Bei der Übergabe der Bilder am 9. Dezember 1999 wurde der [X.] [X.] [X.]von den Beteiligten ohne Wissen der Klägerin auf diese als Käuferin umgeschrieben. Am selben Tag beglich der Zeuge [X.]auch den Kaufpreis [X.] ob vollständig oder nur teilweise ist streitig [X.] mit Mitteln, die er zuvor von der Klägerin als Darlehen erhalten hatte. 1 - 4 - Die Klägerin verlangt von dem [X.]n die Rückzahlung von 280.000 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe von 433 Bildern, die der [X.] dem Zeugen [X.] nach ihrem Vortrag nur übergeben hat. Das [X.] hat die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abge-wiesen. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin Ansprüche auch aus abgetretenem Recht des Zeugen [X.] geltend gemacht und die [X.] begehrt, dass sich der [X.] mit der Annahme der 433 Bilder in [X.] befinde. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Begehren nur noch aus abgetretenem Recht des Zeugen [X.] weiter. 2 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt: 3 Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei der Zahlung des Kaufpreises um eine Leistung der Klägerin im [X.] von § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. [X.] gehandelt habe, weil aus der maßgebli-chen Sicht des [X.]n eine solche nur gegeben sei, wenn die Geldzahlung nach der Umschreibung des Kaufvertrags auf die Klägerin erfolgt sei; dies habe sie nicht zur vollen Überzeugung des Senats bewiesen. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 263 StGB wegen einer behaupteten Täuschung des Zeugen [X.] durch den [X.]n über die Anzahl und die Qualität der verkauften Gemälde fehle es schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin an einem Schaden, weil durch den Verlust des dem Zeugen [X.] dar-4 - 5 - lehensweise überlassenen Geldes ohne gleichwertige Gegenleistung nur die-ser, nicht aber die Klägerin geschädigt worden sein könne. 5 Soweit die Klägerin ihre Klageforderung im Berufungsverfahren auch auf abgetretenes Recht des Zeugen [X.] gestützt habe, liege darin eine nach § 533 ZPO nicht zulässige Klageänderung. Nach § 533 Nr. 2 ZPO könne eine [X.] nur zugelassen werden, wenn diese auf Tatsachen gestützt werden könne, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen habe. Das sei hier nicht der Fall. Bei Berücksichti-gung der Klageänderung müsse der Frage nachgegangen werden, ob ein abge-tretener Anspruch des Zeugen [X.] wegen eines gegen ihn gerichteten An-spruchs aus § 179 [X.] nicht durchsetzbar sei. Im Rahmen des § 179 [X.] stellten sich die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, ob der Kaufvertrag sittenwidrig, wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten oder infolge Wandelung rückabzuwickeln sei. Dies könne nur aufgrund eines Sachverhalts entschieden werden, den der Senat derzeit nicht zu beurteilen habe. [X.] wären weitere Feststellungen durch Vernehmung von Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert der Kunstwerke erfor-derlich. Daraus folge, dass die Klageänderung auch nicht als sachdienlich an-gesehen werden könne, was weitere Voraussetzung ihrer Zulassung sei, nach-dem der [X.] in die Änderung nicht eingewilligt habe. Ob das [X.] die Klage nicht ohne vorherigen Hinweis an die Klä-gerin mangels Schlüssigkeit habe abweisen dürfen, nachdem es zuvor [X.] Beweis erhoben habe, könne dahinstehen, weil sich ein möglicher Verfah-rensfehler nicht ausgewirkt habe. Selbst wenn die Klägerin einen solchen Hin-weis zum Anlass genommen hätte, sich auf eine Abtretung zu berufen, wäre eine Klageänderung auch vom [X.] nicht zuzulassen gewesen. Es sei davon auszugehen, dass der [X.] wie auch in zweiter Instanz der [X.] - 6 - änderung widersprochen hätte; die Sachdienlichkeit wäre in gleicher Weise zu verneinen gewesen, wie es in der Berufungsinstanz der Fall sei. I[X.] 7 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 533 ZPO für eine Klageände-rung in der Berufungsinstanz rechtsfehlerhaft verneint. 1. Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon [X.], dass die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht auch bei einem einheitlichen Klageziel einen anderen Streitgegenstand darstellt als die Geltendmachung aus eigenem Recht ([X.], Urteil vom 17. November 2005 [X.] IX ZR 8/04, NJW-RR 2006, 275 = [X.], 592 unter [X.]; [X.] vom 4. Mai 2005 [X.] [X.] ZR 93/04, NJW 2005, 2004 unter [X.]; Urteil vom 13. April 1994 [X.] XII ZR 168/92, NJW-RR 1994, 1143 = [X.], 1545 unter [X.]; Urteil vom 29. November 1990 [X.] I ZR 45/89, NJW 1991, 1683 unter [X.] a), weil der der Klage zugrunde gelegte Lebenssachverhalt im [X.] geändert wird, wenn die Klage statt auf eigenes auf fremdes Recht gestützt wird. Die deshalb durch die zusätzliche Geltendmachung des Anspruchs aus abgetrete-nem Recht eingetretene nachträgliche (Eventual-)Klagenhäufung (§ 260 ZPO) ist wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandeln ([X.] 158, 295, 305; Senatsurteil vom 15. Juni 2005 [X.] [X.] ZR 74/04, [X.], 2057 unter [X.]; [X.], Urteil vom 10. Januar 1985 [X.] III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 unter 4). 8 2. Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass die Annahme des Berufungs-gerichts, die Klageänderung sei nicht sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO), von [X.] beeinflusst ist. Das Revisionsgericht kann zwar die Verneinung der Sachdienlichkeit nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff 9 - 7 - der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen seines Ermessens überschrit-ten hat (Senatsurteil vom 15. Juni 2005, [X.]O; [X.], Urteil vom 19. Oktober 1999 [X.] XI ZR 308/98, [X.], 143, unter I[X.] b; [X.] 123, 132, 137). Das ist hier jedoch der Fall, weil das Berufungsgericht einerseits für die Beurteilung wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat und andererseits Gesichts-punkte in die Abwägung eingeflossen sind, die so nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. a) Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen ([X.], Urteil vom 19. Oktober 1999, [X.]O, unter I[X.] a). Nach ständiger Rechtsprechung zu dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden [X.] (Senatsurteil vom 15. Juni 2005, [X.]O, unter [X.] a; [X.] 143, 189, 197 f. m.w.Nachw.) kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rah-men des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärti-genden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die [X.] Erledigung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der [X.] zwischen den [X.]en entscheidend. Deshalb steht der Sachdienlich-keit einer Klageänderung nicht entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Be-weiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses ver-zögert würde. Die Sachdienlichkeit kann vielmehr bei der gebotenen prozess-wirtschaftlichen Betrachtungsweise im allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. 10 - 8 - Daran hat sich durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 ([X.] 1887) nichts geändert. Denn mit den in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmalen der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit wollte der Gesetzgeber die bereits nach bisherigem Recht (§ 523 ZPO a.[X.] in Verbindung mit § 263 ZPO) geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer zweitinstanzlichen Klageänderung übernehmen (BT-Drucks. 14/4722, [X.]). 11 b) Das [X.] hat bei seiner Würdigung der Sachdienlichkeit außer [X.] gelassen, dass der von der Klägerin in der Berufung neu geltend gemachte Anspruch aus abgetretenem Recht entgegen der Ansicht der Revisi-onserwiderung unmittelbar an den vorherigen [X.] anknüpft. Die Kläge-rin hatte, wie die Revision zu Recht geltend macht, bereits in erster Instanz zu den vom [X.]n angeblich gegebenen Zusicherungen, dem Ablauf der [X.], der Übergabe der Bilder und des Geldes, zum wahren Wert der Bilder sowie zu einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vorge-tragen und sich auf Gewährleistungsansprüche berufen. Das [X.] hatte auch bereits Beweis erhoben über die Umstände des [X.] am 3. Dezember 1999 und der nachträglichen Vertragsgestaltung, die Höhe des gezahlten Kaufpreises und die Zahl der zur Erfüllung übergebenen Bilder durch Vernehmung des Zeugen [X.] und durch kommissarische Vernehmung des Zeugen [X.]

in [X.]. Dass es darauf aus der Sicht des Be-rufungsgerichts für die Abweisung des Anspruchs der Klägerin aus eigenem Recht nicht ankam, hindert die Sachdienlichkeit der Klageänderung nicht; der bisherige Vortrag der [X.]en und die dazu bereits gewonnenen [X.] können gleichwohl bei der Verhandlung und Entscheidung über den von der Klägerin neu geltend gemachten Anspruch aus abgetretenem Recht ver-wertet werden. Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit spricht deshalb für die Sachdienlichkeit der Klageänderung. Anders als das Berufungsgericht meint, steht dieser nach dem oben (unter a) Ausgeführten auch nicht entgegen, 12 - 9 - dass die Klageänderung weitere Feststellungen durch Vernehmung von Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich macht. 13 3. Die Klageänderung kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch auf Tatsachen gestützt werden, die dieses seiner Verhandlung und [X.] über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (§ 533 Nr. 2 ZPO). Dabei kann offen bleiben, ob die von der Revision als rechtsfehlerhaft gerügte Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, bei Berücksichtigung der [X.] müsse der Frage nachgegangen werden, ob der abgetretene An-spruch des Zeugen [X.] wegen eines gegen ihn gerichteten Anspruchs aus § 179 [X.] nicht durchsetzbar sei. Auch über einen [X.] die Klageforderung hin-dernden [X.] möglichen Gegenanspruch des [X.]n gegenüber dem Zeugen [X.] kann aufgrund der Tatsachen entschieden werden, die das Berufungsge-richt seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte. 14 a) Für einen solchen Anspruch kommt es darauf an, ob und mit welchem Inhalt das zunächst zwischen dem Zeugen [X.] und dem [X.]n abge-schlossene und sodann auf die Klägerin "umgeschriebene" Geschäft [X.] vorbe-haltlich des Fehlens der Vertretungsmacht des Zeugen [X.] wirksam [X.] gekommen ist, ob es infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nichtig ist oder ob Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüchen des [X.]n aus die-sem Geschäft die [X.] entgegensteht. Das [X.] hat da-zu zwar keine Tatsachen festgestellt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) in dem Sinne, dass es aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, die insoweit behaupteten Tatsachen seien wahr oder nicht wahr. Denn darauf kam es nach der materiell-rechtlichen Beurteilung 15 - 10 - des [X.] nach mehrfachem Richterwechsel [X.] letztlich erkennenden Einzelrichters beim [X.] nicht an. 16 Nach der Rechtsprechung des [X.] gelangt jedoch mit dem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersicht-liche [X.] erster Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz. Das Berufungsgericht darf also auch schriftsätzlich angekündigtes, entscheidungs-erhebliches [X.]vorbringen berücksichtigen, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet worden ist, auch wenn es im [X.] keine Erwähnung gefunden hat ([X.] 158, 295, 309; 158, 269, 278, 280 ff.). Die Klägerin hatte [X.] wie oben (unter 2 b) bereits ausgeführt [X.] zu den tatsächli-chen Umständen, aus denen sie die Sittenwidrigkeit des Vertrags wegen eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (§ 138 Abs. 1 und 2 [X.]), dessen Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 [X.]) oder jedenfalls die Berechtigung eines Wandelungsverlangens (§§ 462, 459 ff. [X.] in der bis zum 31. Januar 2001 geltenden Fassung) herleitet, schon in [X.] Instanz vorgetragen. Der entsprechende Vortrag in der Berufungsbegrün-dung war daher nicht neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts aufgrund der Klageänderung für die Entscheidung auf Tatsachen an, die [X.] wie hier [X.] in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden [X.]vortrags nicht festgestellt sind, bestehen er-hebliche Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststel-lungen, die das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten (vgl. [X.] 158, 295, 310). b) Neu war in der Berufungsinstanz allerdings die Behauptung der Kläge-rin, der Zeuge [X.] habe einen ihm zustehenden Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises an sie abgetreten. Dieser Vortrag war aber, wie die Revision zu Recht rügt, nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil er im ersten 17 - 11 - Rechtszug infolge eines [X.] nicht geltend gemacht worden ist; er war daher vom Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu berück-sichtigen. 18 [X.]) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die erstinstanzliche [X.] wegen mangelnder Schlüssigkeit ohne vorherigen Hinweis an die Klägerin verfahrensfehlerhaft war, nachdem das [X.] zuvor in anderer Besetzung aufwändig Beweis erhoben hatte. Die Frage ist zu bejahen. Nach § 139 Abs. 2 ZPO darf das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt, den eine [X.] erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat oder den das Gericht anders beurteilt als beide [X.]en, nur stüt-zen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Die Hinweispflicht dient vor allem der Vermeidung von Überraschungsent-scheidungen und besteht auch gegenüber der anwaltlich vertretenen [X.], wenn der Prozessbevollmächtigte der substantiierungspflichtigen [X.] ersicht-lich darauf vertraut, dass sein schriftlicher Vortrag ausreicht ([X.] 127, 254, 260; [X.], Urteil vom 25. Juni 2002 [X.] X ZR 83/00, NJW 2002, 3317 unter I[X.] a; Urteil vom 18. Mai 1994 [X.] IV ZR 169/93, NJW-RR 1994, 1085 unter 3 b; Urteil vom 4. Juli 1989 [X.] XI ZR 45/88, [X.]R ZPO § 139 Abs. 1 Anwaltsprozess 3 m.w.Nachw.). Deshalb hat das Berufungsgericht auf Bedenken hinzuweisen und Gelegenheit zur Ergänzung des Sachvortrags zu geben, wenn es anders als das erstinstanzliche Gericht das Klagevorbringen nicht als schlüssig ansieht ([X.], Urteil vom 16. Mai 2002 - [X.], NJW-RR 2002, 1436 unter [X.]). Ein Hinweis ist weiter geboten, wenn ein Gericht von seiner in einer gerichtli-chen Verfügung geäußerten Auffassung später abweichen will ([X.], Urteil vom 25. Juni 2002, [X.]O). Nichts anderes kann gelten, wenn es die Klage mangels Sachbefugnis des [X.] als unschlüssig abweisen will, obwohl es zuvor durch Anordnung einer Beweisaufnahme konkludent zu erkennen gegeben hat, dass 19 - 12 - es die Klage für schlüssig und insbesondere die Aktivlegitimation des [X.] für gegeben hält (OLG S[X.]rbrücken, [X.] 2003, 1372 f.; [X.], NJW-RR 1998, 1608 f.; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 139 Rdnr. 30; [X.]/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 139 Rdnr. 8). 20 So liegt der Fall hier. Die [X.]en konnten die Anordnung der Verneh-mung des von der Klägerin benannten Zeugen [X.]in der mündlichen Verhand-lung vom 11. August 2000 und die aufgrund Beweisbeschluss vom 30. Juli 2001 erfolgte Vernehmung des von dem [X.]n gegenbeweislich benannten Zeugen [X.]in [X.] nur dahin verstehen, dass das [X.] jeden-falls nach der persönlichen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhand-lung vom 11. August 2000 von der Schlüssigkeit ihres Klagevorbringens und damit auch von ihrer Aktivlegitimation ausging. Nach Eingang der Aussage des Zeugen [X.]ist nicht erneut mündlich verhandelt, sondern nach § 128 ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet worden. Weder von Seiten des Gerichts noch von Seiten des [X.]n ist in diesem Stadium die Schlüssigkeit des Klagevorbringens im Hinblick auf die Aktivlegitimation der Klägerin erneut the-matisiert worden. Vor diesem Hintergrund stellte sich das landgerichtliche Urteil für die Klägerin als Überraschungsentscheidung dar. bb) Dies hat die Klägerin, wie die Revision zutreffend geltend macht, mit ihrer Berufungsbegründung gerügt (§§ 529 Abs. 2 Satz 1, 520 Abs. 3 ZPO) und vorgetragen, sie und der Zeuge [X.] seien sich bereits vor Klageerhebung einig gewesen, dass alle in Betracht kommenden Rückforderungsansprüche, auch soweit sie in der Person des Zeugen [X.]

entstanden sein sollten, der Klägerin zustehen sollten. Gleichzeitig hat sie eine aktuelle Abtretungsvereinbarung vor-gelegt und ausgeführt, auf einen Hinweis des [X.]s hin wäre zur Klar-stellung bereits im ersten Rechtszug (nochmals) die Abtretung erklärt worden. 21 - 13 - cc) Der Berücksichtigung der auf eine Verletzung von § 139 Abs. 2 ZPO durch das [X.] gestützten Verfahrensrüge und der mit der Rüge vorge-tragenen neuen Tatsachen durch das Berufungsgericht stand auch nicht der Schutzzweck von § 139 ZPO entgegen. Zwar soll die Vorschrift grundsätzlich der betroffenen [X.] nur die Möglichkeit geben, sich zu dem gegebenen Streitgegenstand umfassend zu äußern. Das Gericht darf nicht auf neue, in dem Vortrag der [X.]en noch nicht andeutungsweise enthaltene Klagegründe hinweisen ([X.], Urteil vom 9. Oktober 2003 [X.] I ZR 17/01, NJW-RR 2004, 495, unter [X.] c bb). Das schließt jedoch nicht aus, dass die [X.] auf einen zuläs-sigen und gebotenen Hinweis nach § 139 ZPO, der die Schlüssigkeit ihres bis-herigen Vorbringens in Frage stellt, von sich aus [X.] im Rahmen von § 263 ZPO [X.] einen neuen Klagegrund in das Verfahren einführt ([X.], Urteil vom 9. Oktober 2003, [X.]O; Urteil vom 7. Dezember 2000 [X.] I ZR 179/98, NJW 2001, 2548, unter I[X.] b und c; Urteil vom 25. November 1992 [X.] XII ZR 116/91, NJW 1993, 597, unter 2 b und c; zum [X.]wechsel [X.] 91, 132, 134). Auch diese Reaktionsmöglichkeit wird vom Schutzzweck des § 139 ZPO umfasst. 22 II[X.] Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; das Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es zu dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus abgetretenem Recht weiterer tatsächlicher 23 - 14 - Feststellungen bedarf, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.]/00 - [X.], Entscheidung vom 03.12.2003 - 8 U 181/02 -

Meta

VIII ZR 19/04

27.09.2006

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2006, Az. VIII ZR 19/04 (REWIS RS 2006, 1623)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1623

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