Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.12.2021, Az. 6 B 1/21

6. Senat | REWIS RS 2021, 428

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Gegenstand

Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs; gesetzlicher Richter; rechtliches Gehör


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] für das [X.] vom 4. November 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

[X.]ie Klägerin wendet sich gegen die Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs durch [X.]escheid des zuständigen Schulamts. [X.]ie dagegen gerichtete Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf den Zulassungsantrag der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht die [X.]erufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zugelassen. Nach einem Wechsel des [X.]erichterstatters sind die [X.]eteiligten darauf hingewiesen worden, dass eine Entscheidung über die [X.]erufung nach § 130a VwGO als unbegründet in [X.]etracht komme. [X.]ie [X.]erufung ist sodann mit [X.]eschluss des [X.] vom 4. November 2020 zurückgewiesen worden. [X.]ie [X.]eschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem [X.]eschluss.

II

2

[X.]ie auf die Revisionszulassungsgründe des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

3

1. Aus der [X.]eschwerdebegründung der Klägerin ergibt sich nicht, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung des [X.] beruhen kann.

4

a) [X.]ie [X.]eschwerde zeigt nicht auf, dass das Recht der Klägerin auf den gesetzlichen [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt wurde und damit ein Verfahrensmangel im Sinne der § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 138 Nr. 1 VwGO vorlag. [X.]ie Zuständigkeit der an dem angegriffenen [X.]eschluss mitwirkenden Mitglieder des 19. Senats des [X.] ergibt sich aus den hinreichend bestimmten Geschäftsverteilungsregelungen des [X.] und seines beschließenden Senats.

5

Aus der Garantie des gesetzlichen [X.]s gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass die Regelungen, die der [X.]estimmung des gesetzlichen [X.]s dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen müssen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche [X.] zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind. [X.]ie Regelungen über die Geschäftsverteilung in den jährlich aufzustellenden Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte, die die Zuständigkeit der jeweiligen Spruchkörper festlegen und diesen die erforderlichen [X.] zuweisen, müssen im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und die Zuweisung der einzelnen [X.] regeln, damit die einzelne Sache "blindlings" aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden [X.] gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird ([X.], [X.]eschluss vom 16. Februar 2005 - 2 [X.]vR 581/03 - NJW 2005, 2689 m.w.N.). [X.]a gesetzlicher [X.] im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch der im Einzelfall zur Mitwirkung berufene [X.] ist, muss sich die abstrakt-generelle [X.] bis auf die letzte Regelungsstufe erstrecken, auf der es um die [X.]estimmung der Person des im konkreten Fall mitwirkenden [X.]s geht. [X.]ei einem überbesetzten Kollegialgericht muss deshalb in den Mitwirkungsregelungen des [X.] vorab abstrakt geregelt sein, welcher der dem [X.]kollegium angehörenden [X.] für die anhängig werdende Sache jeweils zuständig ist (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 8. April 1997 - 1 [X.] 1/95 - [X.]E 95, 322 <328 f.> und vom 15. September 2020 - 1 [X.]vR 2435/18 u.a. - NJ 2021, 28). Wird - wie hier - geltend gemacht, dass die Geschäftsverteilungsbestimmungen selbst nicht den Gewährleistungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügen, sind die entsprechenden Regelungen vollumfänglich zu überprüfen; eine [X.]eschränkung auf eine bloße Willkürkontrolle ist nicht angezeigt (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 16. Februar 2005 - 2 [X.]vR 581/03 - NJW 2005, 2689 <2690> und vom 20. Februar 2018 - 2 [X.]vR 2675/17 - NJW 2018, 1155 <1156>).

6

[X.]ies zugrunde gelegt ist ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht festzustellen. [X.]ie im maßgeblichen Zeitpunkt der [X.]eschlussfassung des [X.]erufungsgerichts geltenden Regelungen über die Geschäftsverteilung genügten den Anforderungen, die sich aus der Garantie des gesetzlichen [X.]s ergeben. Aus der gerichtsweiten Geschäftsverteilung des [X.] für das [X.] in der Fassung der 4. Änderung vom 13. August 2020 folgte, dass mit Wirkung der Ernennung der [X.]innen am [X.] und [X.] zu [X.]innen am Oberverwaltungsgericht und [X.] am Verwaltungsgericht [X.] zum [X.] am Oberverwaltungsgericht ([X.]) das bisherige Mitglied des 4. Senats des [X.] [X.] [X.] Mitglied des 19. Senats des [X.] wurde. Entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde war damit auch der Zeitpunkt des Eintretens von [X.] [X.] in den 19. Senat hinreichend bestimmt. [X.]er Zeitpunkt der Ernennung der aufgeführten [X.]innen und [X.] stand bei Fassung des [X.] zwar noch nicht fest. Es handelte sich dabei aber um einen objektiv feststellbaren Umstand, der den Mitgliedern der betroffenen Spruchkörper bei Eintritt bekannt sein würde und der keinen Raum für Zweifel über die Mitglieder des Senats oder für Manipulationen der [X.]esetzung des Spruchkörpers ließ. Aus der Mitteilung des Vorsitzenden des 19. Senats vom 7. Januar 2021 und der 2. Änderung der Geschäftsverteilung des 19. Senats vom 17. August 2020 ergibt sich im Übrigen, dass der hieraus resultierende Übertritt von [X.] [X.] am 19. August 2020 erfolgte. [X.]ieser war damit auch zum Zeitpunkt des angegriffenen [X.]eschlusses vom 4. November 2020 Mitglied des 19. Senats des [X.].

7

Wer innerhalb des damit mit vier Mitgliedern überbesetzten (vgl. § 9 Abs. 3 VwGO) 19. Senats für welche Verfahren zuständig war, ergab sich aus der 2. Änderung der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 17. August 2020. Hiernach gingen mit Ablauf des Tages des Übertritts von [X.] [X.] in den 19. Senat die zuvor zum [X.]ezernat von [X.] R. gehörenden und nach dem 31. [X.]ezember 2018 eingegangenen [X.] - und damit auch das vorliegende Verfahren - in das [X.] von [X.] [X.] über. Wie sich der Regelung über die Mitberichterstattung (Abschnitt [X.] vom 17. August 2020) entnehmen lässt, hatten an der Entscheidung damit neben [X.] [X.] auch noch [X.] R. sowie der Vorsitzende des Senats, Vorsitzender [X.] am [X.] mitzuwirken. [X.]as vierte Mitglied des 19. Senats, [X.] [X.]r. J., war nach der senatsinternen Geschäftsverteilung hingegen nicht zur Mitwirkung an dem angegriffenen [X.]eschluss berufen. [X.]ass es diesen [X.]estimmungen, die der Klägerin vom Oberverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht worden sind, an hinreichender [X.]estimmtheit mangeln könnte, macht die [X.]eschwerde nicht geltend; ein solcher Mangel ist auch nicht ersichtlich.

8

b) [X.]ie [X.]eschwerde rügt ebenfalls zu Unrecht, ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liege darin, dass das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche [X.]erufungsverhandlung durch [X.]eschluss nach § 130a Satz 1 VwGO entschieden habe. Aus dem [X.]eschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das Vorgehen nach § 130a VwGO verfahrensfehlerhaft gewesen ist und das [X.]erufungsgericht damit gegen § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen und zugleich das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) verletzt hat (vgl. zu diesem Zusammenhang [X.], Urteil vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - [X.]E 121, 211 <221>, [X.]eschlüsse vom 24. September 2009 - 6 [X.] 5.09 - [X.] 442.066 § 55 TKG Nr. 2 S. 14 und vom 24. April 2017 - 6 [X.] 17.17 - juris Rn. 9).

9

aa) Nach § 130a Satz 1 VwGO kann das [X.]erufungsgericht über die [X.]erufung durch [X.]eschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 VwGO entsprechend. [X.]en hieraus folgenden Anforderungen ist das Oberverwaltungsgericht gerecht geworden.

[X.]as Oberverwaltungsgericht hat dem aus § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO folgenden Anhörungserfordernis genügt.

[X.]ei einem Vorgehen nach § 130a VwGO muss die Anhörungsmitteilung unmissverständlich erkennen lassen, wie das [X.]erufungsgericht zu entscheiden beabsichtigt. [X.]as gilt sowohl hinsichtlich der Verfahrensweise - ohne mündliche Verhandlung durch [X.]eschluss - als auch hinsichtlich der beabsichtigten Sachentscheidung - [X.]egründetheit oder Unbegründetheit der [X.]erufung; zu beiden Punkten muss den [X.]eteiligten Gehör gewährt werden (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 30. Juni 2021 - 1 [X.] 33.21 - juris Rn. 3). [X.]em genügte die Anhörungsmitteilung vom 9. September 2020. Aus ihr ergab sich eindeutig, dass das Gericht eine Entscheidung nach § 130a VwGO im [X.]eschlusswege beabsichtigte und die [X.]erufung für unbegründet hielt. [X.]en [X.]eteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. [X.]er Umstand, dass die Mitteilung keine Gründe für die [X.]eurteilung der [X.]erufung als unbegründet enthielt, macht sie nicht fehlerhaft. In der Anhörungsmitteilung müssen weder die Gründe für die beabsichtigte Entscheidungsform noch die - vor der [X.] ohnedies nur vorläufigen - Gründe für die beabsichtigte Entscheidung in der Sache angegeben werden (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 13. [X.]ezember 1983 - 9 [X.] 1387.82 - NVwZ 1984, 792 [zu Art. 2 § 5 [X.]], vom 19. Januar 2001 - 3 [X.] 113.00, vom 25. September 2007 - 5 [X.] 53.07 - juris Rn. 16, vom 4. Oktober 2010 - 9 [X.] 17.10 - juris Rn. 6, vom 28. Januar 2014 - 4 [X.] 50.13 - juris Rn. 7 und vom 13. August 2015 - 4 [X.] 15.15 - juris Rn. 5; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 130a Rn. 22).

bb) [X.]as [X.]erufungsgericht hat ermessensfehlerfrei nach § 130a VwGO entschieden.

Ausweislich des Wortlauts des § 130a VwGO ("kann") steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch [X.]eschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts. [X.]ie Grenzen des dem [X.]erufungsgerichts eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. [X.]as Revisionsgericht kann die Entscheidung für die [X.]urchführung des vereinfachten [X.]erufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 12. März 1999 - 4 [X.] 112.98 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5, vom 25. September 2003 - 4 [X.] 68.03 - NVwZ 2004, 108 <109>, Urteile vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - [X.]E 121, 211 <213> und vom 9. [X.]ezember 2010 - 10 C 13.09 - [X.]E 138, 289 <296>). [X.]er Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist nur zu beanstanden, wenn er auf sachfremden Erwägungen oder auf grober Fehleinschätzung beruht (vgl. [X.], Urteile vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - [X.]E 121, 211 <213> und vom 9. [X.]ezember 2010 - 10 C 13.09 - [X.]E 138, 289 <296>).

[X.]ei seiner Ermessensentscheidung kann das [X.]erufungsgericht unterschiedliche Gesichtspunkte erwägen. [X.]azu gehören beispielsweise die rechtliche oder tatsächliche Komplexität des [X.], des Weiteren etwa die Annahme, Prozessbeteiligte könnten sich besser mündlich als schriftsätzlich äußern, es sei besser, die Fassung sachdienlicher Anträge zu besprechen, oder es seien gewichtige neue Gesichtspunkte entstanden (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 12. März 1999 - 4 [X.] 112.98 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5). Unter dem Gesichtspunkt der von der Klägerin geltend gemachten Komplexität des Streitstoffs erweist sich eine Entscheidung des [X.]erufungsgerichts ohne mündliche Verhandlung als ermessensfehlerhaft, wenn die Rechtssache außergewöhnlich große, das Maß des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO übersteigende Schwierigkeiten aufweist; abzustellen ist insoweit auf die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. [X.], Urteile vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - [X.]E 121, 211 <217> und vom 9. [X.]ezember 2010 - 10 C 13.09 - [X.]E 138, 289 <297 f.>, [X.]eschlüsse vom 10. Juni 2008 - 3 [X.] 107.07 - juris Rn. 3 und vom 24. Oktober 2018 - 6 [X.] 151.18, 6 PKH 5.18 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 435 S. 35).

Hieran gemessen zeigt das [X.]eschwerdevorbringen nicht auf, dass das Vorgehen im [X.]eschlusswege nach § 130a VwGO ermessensfehlerhaft gewesen ist. [X.]ass die sich im Verfahren stellenden Rechtsfragen außergewöhnlich schwierig waren und die Erörterung in einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen wäre, legt die Klägerin mit dem pauschalen Verweis auf "die schwierigen Aspekte des Verfahrens zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderungsbedarf" nicht hinreichend dar. [X.]ie Annahme, der "neue" [X.]erichterstatter sei "völlig fachfremd" gewesen, führt ebenfalls nicht auf die Erforderlichkeit einer mündlichen [X.]erufungsverhandlung. Ungeachtet des Umstandes, dass mit der [X.]efähigung zum [X.]amt von jedem [X.]ewerber grundsätzlich die schnelle Einarbeitung in ein neues Rechtsgebiet erwartet werden kann (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 9. August 2019 - 3 CE 19.895 - juris Rn. 13), zeigt das [X.]eschwerdevorbringen nicht auf, warum es für die Klägerin vor diesem Hintergrund erforderlich gewesen wäre, die von ihr angeführten schwierigen Aspekte gerade in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen.

Entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde hinderte auch die Zulassung der [X.]erufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils eine Entscheidung nach § 130a VwGO nicht (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. August 2004 - 6 [X.] 49.04 - juris Rn. 8; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 130a Rn. 33). [X.]ass die Klägerin angesichts der [X.]erufungszulassung offenbar auf einen Erfolg ihres Rechtsmittels gehofft hatte, begründete für sich keine Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung. Auch bei einer [X.]erufungszulassung wegen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung kann der jeweilige Rechtsmittelführer nicht automatisch von seinem Obsiegen ausgehen; vielmehr muss er auch damit rechnen, dass sich die zur Zulassung führenden Zweifel im Laufe des weiteren Verfahrens nicht zur Überzeugung des [X.]erufungsgerichts verdichten. [X.]ass dies hier der Fall war, hatte das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Anhörungsmitteilung auch zu erkennen gegeben.

Soweit die [X.]eschwerde vorbringt, Grund für die Entscheidung im [X.]eschlusswege könne allein die Arbeitsüberlastung des Senats des [X.] gewesen sein, zeigt sie keine Überschreitung des dem [X.]erufungsgericht zustehenden Ermessensspielraums auf. Ungeachtet der Frage, ob diese Annahme der Klägerin zutreffend ist, hätte es sich bei der [X.]erücksichtigung der Arbeitsbelastung des Senats jedenfalls um im Rahmen des § 130a VwGO sachgerechte Erwägungen gehandelt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung im [X.]eschlusswege zu entscheiden, gerade der [X.] der Verwaltungsgerichte dienen (vgl. [X.]T-[X.]rs. 8/842 S. 7 f.; [X.]T-[X.]rs. 11/7030 S. 17, 19 und 31; siehe auch [X.], Urteil vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - [X.]E 121, 211 <215>; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 130a Rn. 3). Im Übrigen ignoriert das [X.]eschwerdevorbringen mit der Annahme, es sei bei der Entscheidung über das Vorgehen nach § 130a VwGO allein um die Arbeitsbelastung des Senats gegangen, dass das [X.]erufungsgericht im angegriffenen [X.]eschluss andere Gründe für eine Entscheidung nach § 130a VwGO - etwa Erwägungen zum vorbeugenden Infektionsschutz während der [X.] - angeführt hat.

Auch aus Art. 6 [X.] folgt entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde keine Pflicht zur [X.]urchführung einer mündlichen Verhandlung. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmt, dass jede Person ein Recht darauf hat, dass über Streitigkeiten in [X.]ezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Ob diese Vorschrift, die nach der Rechtsprechung des [X.] auch auf bestimmte verwaltungsgerichtliche Verfahren Anwendung finden kann (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 16. [X.]ezember 1999 - 4 CN 9.98 - [X.]E 110, 203 <206 ff.>, [X.]eschlüsse vom 25. September 2003 - 4 [X.] 68.03 - NVwZ 2004, 108 <109 f.> und vom 23. Februar 2021 - 1 [X.] 13.21 - juris Rn. 7) auf das vorliegende Verfahren direkt anwendbar ist, kann dahinstehen. Ebenso kann offen bleiben, ob die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 [X.] bei der konventionskonformen Anwendung des § 130a VwGO (vgl. [X.], Urteil vom 9. [X.]ezember 2010 - 10 C 13.09 - [X.]E 138, 289 <297>, [X.]eschlüsse vom 10. Juli 2019 - 1 [X.] 57.19, 1 PKH 29.19 - juris Rn. 10 und vom 23. Februar 2021 - 1 [X.] 13.21 - juris Rn. 7) unabhängig vom Anwendungsbereich der Norm zu berücksichtigen sind, weil der [X.] Gesetzgeber das Verfahrensprinzip der öffentlichen mündlichen Verhandlung aus Art. 6 Abs. 1 [X.] allgemein im Einzelfall gewahrt wissen wollte (vgl. [X.]T-[X.]rs. 13/3993 S. 12 zu § 84 VwGO; [X.], Urteile vom 14. März 2002 - 1 C 15.01 - [X.]E 116, 123 <127 f.> und vom 9. [X.]ezember 2010 - 10 C 13.09 - [X.]E 138, 289 <297>; anders [X.], [X.]eschluss vom 30. November 2017 - 6 [X.] 1.17 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 212 S. 89 f.).

Jedenfalls lässt sich ein Verstoß gegen die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 [X.] nicht feststellen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt diese Vorschrift nicht notwendigerweise eine mündliche Verhandlung, wenn eine solche in der ersten Instanz durchgeführt wurde oder die [X.]eteiligten - wie hier - darauf verzichtet haben. Ob eine mündliche Verhandlung in der [X.]erufungsinstanz erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, ob der Fall tatsächliche oder rechtliche Fragen aufwirft, die nicht angemessen auf Grundlage der Verfahrensakten entschieden werden können (vgl. [X.], Urteil vom 8. Februar 2005 - 55853/00, [X.] - Rn. 30 m.w.N.). [X.]ass dies der Fall ist, zeigt die [X.]eschwerde - wie bereits dargestellt - nicht auf.

c) Soweit die [X.]eschwerde im weiteren einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip als Verfahrensmangel rügt, weil das Oberverwaltungsgericht sich bei der Prüfung der Gutachtenerstellung und der [X.]urchführung des Elterngespräches über den Wortlaut des § 13 Abs. 1 und 6 der [X.] Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung ([X.]) hinweggesetzt habe, macht sie bereits keinen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend. Ein Verfahrensmangel in diesem Sinne ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die den Verfahrensablauf regelt, also den Weg zur Entscheidung betrifft (error in procedendo). [X.]ie angeblich fehlerhafte Anwendung von Regeln und Grundsätzen, die nicht den äußeren Verfahrensablauf, sondern die materielle Rechtsanwendung bestimmen (error in iudicando), vermögen einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO demgegenüber grundsätzlich nicht zu begründen ([X.], [X.]eschlüsse vom 2. November 1995 - 9 [X.] 710.94 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f., vom 6. Mai 1997 - 9 [X.] 15.97 - juris Rn. 4 und vom 12. Januar 2017 - 5 [X.] 41.16 [X.] - juris Rn. 2). Mit ihrem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit seiner [X.]ewertung, dass sowohl die Gutachtenerstellung als auch die [X.]urchführung des [X.] formell rechtmäßig erfolgt seien, über den Wortlaut der [X.]estimmungen der [X.] hinweggesetzt, rügt die Klägerin indes die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen [X.]eschlusses.

2. [X.]ie Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. [X.]ie diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin genügen nicht den [X.]arlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. [X.]as [X.]arlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll. [X.]ie [X.]eschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann. [X.]etrifft die [X.]eschwerde die Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts, muss die [X.]eschwerde für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung darlegen, dass die Auslegung der - gegenüber dem irrevisiblen Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 20. September 1995 - 6 [X.] 11.95 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8, vom 3. April 2013 - 9 [X.] 44.12 - juris Rn. 5, vom 15. Februar 2019 - 6 [X.] 6.19 - juris Rn. 3 f. und vom 22. Juli 2020 - 6 [X.] 9.20 - juris Rn. 5).

[X.]iesen Anforderungen wird die [X.]eschwerde nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage. Soweit sich den Ausführungen der Klägerin der Sache nach Fragen zur Auslegung der landesrechtlichen Regelungen der [X.] entnehmen lassen, fehlt es an [X.]arlegungen dazu, inwieweit sich in diesem Zusammenhang eine Frage des revisiblen Rechts stellt.

3. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. [X.]ie Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

6 B 1/21

10.12.2021

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. November 2020, Az: 19 A 2839/19, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 130a VwGO, Art 6 Abs 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.12.2021, Az. 6 B 1/21 (REWIS RS 2021, 428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 428


Verfahrensgang

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Az. 6 B 1/21

Bundesverwaltungsgericht, 6 B 1/21, 10.12.2021.


Az. 10 B 8/22

Bundesverwaltungsgericht, 10 B 8/22, 09.06.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

6 L 1693/23

Zitiert

2 BvR 2675/17

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