BT-Drucksache 18/8610

Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen

Vom 31. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8610
18. Wahlperiode 31.05.2016
Antrag
der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland
Claus, Klaus Ernst, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach,
Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas
Lutze, Birgit Menz, Norbert Müller (Potsdam), Thomas Nord, Harald Petzold
(Havelland), Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten
Tackmann, Azize Tank, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Hubertus Zdebel, Pia Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

„Die Riester-Rente ist gescheitert.“ Zu dieser späten, aber richtigen Einsicht kam
Anfang April 2016 einer der drei Partner der Großen Koalition aus CDU/CSU und
SPD – es war der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst See-
hofer („Seehofer eröffnet Renten-Wahlkampf“, Handelsblatt vom 11.4.2016).
Tatsächlich wird sich die vor 15 Jahren in die Wege geleitete Teilprivatisierung der
Alterssicherung für Millionen von gesetzlichen Versicherten als Sackgasse in die
Altersarmut erweisen. Durch das bis 2030 um fast 20 Prozent sinkende Rentenniveau
wird es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer schwieriger, eine Rente
oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erhalten. Wenn sich die Menschen nach
langen Jahren der Erwerbstätigkeit nicht mehr auf eine auskömmliche Rente verlas-
sen können, gefährdet dies den sozialen Zusammenhalt; es schürt auch Abstiegs-
ängste. Die Legitimationsbasis der gesetzlichen Rentenversicherung als soziales
Pflichtversicherungssystem wird so langfristig untergraben.
Die Riester-Rente war und ist nicht dazu geeignet, die politisch aufgerissene Siche-
rungslücke der gesetzlichen Rente effektiv zu schließen: Seit 2005 hat das Versor-
gungsniveau aus gesetzlicher Rente und Riester-Rente nur einmal, im Jahr 2010, die
Höhe des Sicherungsniveaus zu Beginn der Reform erreicht. Danach nie wieder.
Ausweislich des Rentenversicherungsberichtes 2015 wird es von der Bundesregie-
rung bis 2029 auch nicht mehr erwartet werden. Damit gibt die Bundesregierung
selbst zu: Die in die gesetzliche Rente gerissene Lücke ist allein mit der Riester-
Rente nicht zu schließen.

Drucksache 18/8610 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zudem hat nur knapp die Hälfte der Förderberechtigten einen Riester-Vertrag abge-
schlossen. Die Zahl der abgeschlossenen Verträge sagt aber nichts darüber aus, ob
tatsächlich vier Prozent des Bruttolohns regelmäßig angespart werden. Dies ist aber
nötig, um die Kürzung kompensieren und den vollen Zulagenanspruch realisieren zu
können. Im Jahr 2011 (dem letzten bisher vollständig erfassten Zulagenjahr) waren
dies lediglich 56,4 Prozent der Riester-Sparerinnen und -Sparer (Kruse/Scherbarth,
in: RVaktuell, 3/2015, S. 56). Zudem ist nach Angaben des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales ein Fünftel der Verträge beitragsfrei gestellt. Sie werden faktisch
nicht mehr bespart. Die Hoffnung, dass von der Zulagensubventionierung gerade
Geringverdienende profitieren, hat sich als Trugschluss erwiesen. Eine aktuelle Stu-
die des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Freien Universität Ber-
lin belegt: Vorzugsweise einkommensstarke Haushalte profitieren von der Zulagen-
förderung. Geringverdienende sind dagegen deutlich unterrepräsentiert: 38 Prozent
der Zulagen kommen den oberen 20 Prozent der Einkommensskala zugute. Nur sie-
ben Prozent der Mittel fließen an die unteren beiden Einkommensgruppen (Cor-
neo/Schröder/König, Freie Universität Berlin, School of Business & Economics,
Discussion Paper 2015/18).
Die kapitalmarktabhängige Altersvorsorge ist schon deshalb keine Alternative zur
gesetzlichen Rente, weil sie in der Regel nicht den Sicherungsumfang aller drei Le-
bensrisiken (Alter, Invalidität und Hinterbliebene im Todesfall) abdeckt.
Zudem haben die Finanzmarktkrise und die Niedrigzinsphase gezeigt, dass die Ren-
diteerwartungen an die Riester-Rente völlig überzogen waren. Auch deshalb laufen
alle Konzepte, die sich nicht von der Kapitaldeckung lösen, ins Leere. Dies gilt bei-
spielsweise für die von der schwarz-grünen Landesregierung Hessens favorisierte
„Deutschland-Rente“. Wer aber deutlich höhere Renditen durch den Aufbau eines
Kapitalstocks in Aktien verspricht, ist schlicht unseriös: „Renditen lassen sich eben
nicht garantieren“ (Bäcker, in: Soziale Sicherheit, 4/2016).
Verbraucherschutzorganisationen kritisieren, dass die Rendite durch hohe Verwal-
tungs- und Provisionskosten der Banken- und Versicherungswirtschaft vernichtet
wird. Die Probleme und Risiken der kapitalgedeckten Altersvorsorge sind nicht
durch einen verbesserten Verbraucherschutz zu lösen. Mehr Transparenz bei den
Riester-Produkten schafft noch keine sicheren Kapitalmärkte. Die Probleme der
Riester-Rente sind vielmehr systembedingt.
Mit der Teilprivatisierung der Alterssicherung wurden insbesondere die Unterneh-
men aus der Verantwortung für die Finanzierung entlassen. Die Kostensteigerung
wird vor allem den Versicherten aufgehalst. Die Riester-Rente ist damit für die Ver-
sicherten im Ergebnis deutlich teurer als die gesetzliche Rente.
Die Riester-Rente ist gescheitert. Die versprochenen Renditen werden nicht reali-
siert. Sie ist intransparent und ineffektiv. Sie sichert zu wenige Menschen in ausrei-
chendem Maß ab. Sie führt zu erheblichen Mitnahmeeffekten von Besserverdienen-
den und nützt vor allem der Versicherungswirtschaft. Daher ist noch in dieser Legis-
laturperiode ein Kurswechsel in der Alterssicherung notwendig.
Vollkommen zu Recht fordern deshalb unter anderem der Wirtschaftsweise Peter
Bofinger und Gewerkschaftsvertreter/-innen sowie der ehemalige Sozialminister
Norbert Blüm, zunächst die staatliche Förderung auslaufen zu lassen und keine Neu-
verträge mehr zu fördern. In einem zweiten Schritt müssen die Riester-Sparerinnen
und -Sparer aber auch auf freiwilliger Basis die Möglichkeit erhalten, ihre Wertgut-
haben in die umlagefinanzierte gesetzliche Rente zu überführen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8610
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem
1. die Ziele der Lebensstandardsicherung und der strukturellen Armutsvermeidung

in der gesetzlichen Rentenversicherung verankert werden. Die Dämpfungsfakto-
ren in der Rentenanpassungsformel werden gestrichen. Als rentenpolitisches Si-
cherungsziel für die so genannte Standarderwerbsbiografie – 45 Versicherungs-
jahre zum Durchschnittsentgelt – wird ein Sicherungsniveau von 53 Prozent vor
Steuern festgeschrieben; dazu muss die Beitragssatzdeckelung aufgehoben wer-
den,

2. die Förderung der privaten Altersvorsorge eingestellt wird und die frei werden-
den Finanzmittel für Leistungsverbesserungen – z. B. für den Solidarausgleich –
in der gesetzlichen Rentenversicherung eingesetzt werden, wobei für die bereits
eingezahlten Eigenbeiträge und die erhaltenen Zulagen Vertrauensschutz ge-
währt wird,

3. die Sparerinnen und Sparer mit geförderten privaten Altersvorsorgeverträgen das
Recht erhalten, das bisher im Kapitaldeckungsverfahren angesparte Kapital (Bei-
träge, staatliche Zuschüsse und Zinsen) freiwillig in die umlagefinanzierte ge-
setzliche Rentenversicherung zu überführen, so dass Anwartschaften auf ihrem
persönlichen Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung entstehen. Die
Wechselkosten des Riester-Vertrags werden auf ein sachlich gebotenes Mini-
mum begrenzt. Von den Rentenversicherungsträgern werden keine Kosten für
die Überführung erhoben.

Berlin, den 31. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Drucksache 18/8610 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

1. Die Abschaffung des Ziels der Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rente zugunsten der Beitrags-
satzstabilität unterwirft die Rentenversicherung kurzsichtigen politischen Vorgaben und provoziert Altersarmut.
Mit dem Paradigmenwechsel in der Rentenpolitik unter der rot-grünen Bundesregierung wurden zur Jahrtau-
sendwende im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt: Der Beitragssatzanstieg sollte durch das kontinuierlich sin-
kende Leistungsniveau begrenzt werden. Gleichzeitig sollte mit Hilfe der staatlich geförderten zusätzlichen Al-
tersvorsorge („Riester-Rente“) die gerissene Vorsorgelücke geschlossen werden.
Der damals verantwortliche Bundesminister Walter Riester (SPD) versprach nicht nur, dass die jüngere Gene-
ration der Beitragszahlenden entlastet werden würde. Insbesondere Geringverdienende sollten durch die staat-
liche Zulagenförderung profitieren. Schließlich sollte das Rentenniveau mit der kapitalgedeckten Riester-Rente
dauerhaft angehoben werden (vgl. Plenarprotokoll 14/133 vom 16. November 2000, S. 12753). Sechzehn Jahre
später zeigt sich: Die Versprechen sind nicht eingelöst worden.
Die Dämpfungsfaktoren (Riester-Faktor, Beitragssatzfaktor und Nachhaltigkeitsfaktor) sorgen dafür, dass das
Rentenniveau kontinuierlich sinkt. Von einst 52,9 Prozent im Jahr 2000 soll es bis 2030 auf 44,3 Prozent fallen.
Aktuell (2016) beträgt es noch 47,7 Prozent. Zwar darf das Sicherungsziel bis 2030 nicht unter 43 Prozent
sinken. Der Nachhaltigkeitsfaktor wird aber dafür sorgen, dass die Talfahrt auch nach 2030 anhalten wird. Vor-
kehrungen, wie dies verhindert werden soll, sind nicht vorgesehen.
Es wird verkannt, dass Leistungsverbesserungen oder Rentenanpassungen – wie zum 1. Juli 2016 (4,25 Prozent
im Westen bzw. 5,95 Prozent im Osten) – das Rentenniveau nicht stabilisieren. Ganz im Gegenteil. Die Ren-
tenanpassungsformel ist so angelegt, dass jede Rentensteigerung oder Leistungsverbesserung kontinuierlich an
Wert verliert.
Wenn aber der gesellschaftliche Konsens darin besteht, dass die gesetzliche Rente mehr als eine Basisabsiche-
rung sein soll und das im Alter entfallende Erwerbseinkommen ersetzen soll, ist es für eine verlässliche Lebens-
planung im Alter unerlässlich, die Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung sicherzustellen. Die
Dämpfungsfaktoren sind deshalb zu streichen und die Beitragssatzobergrenzen sind aufzuheben. Stattdessen
muss wieder gelten: Die Rente folgt den Löhnen.
Auch die Behauptung, dass durch einen höheren Beitragssatz die jüngere Generation unverhältnismäßig belastet
werden würde, trifft nicht zu. Vielmehr wurde die Beitragsparität mit den rot-grünen Rentenreformen einseitig
zu Gunsten der Kapitalseite aufgekündigt. So müssen die Beiträge zur privaten Altersvorsorge seit 2002 trotz
staatlicher Zulagen von den Versicherten allein getragen werden. Da durch den Nachhaltigkeitsfaktor seit dem
Jahr 2004 ein zusätzlicher Dämpfungsmechanismus in der Rentenanpassungsformel wirkt, sind nach Angaben
der Bundesregierung bis 2030 weitere 3,2 Prozent des Bruttolohns notwendig, um die Vorsorgelücke zu schlie-
ßen (Antwort auf die Schriftliche Frage 34 des Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Bundestagsdrucksa-
che 18/7331 vom 22.1.2016). Diese „zusätzliche private Vorsorge“ muss ebenfalls allein von den Versicherten
getragen werden. Von einer Beitragsentlastung kann also keine Rede sein. Tatsächlich werden die Versicherten
im Jahr 2030 Beitragsanteile von 18,1 Prozent tragen müssen. Der Beitragsanteil der Arbeitgeber wird dagegen
bei maximal elf Prozent eingefroren.
Um das sinkende Rentenniveau auszugleichen, müssen bei einem aktuellen Durchschnittsverdienst (3022 Euro)
monatlich vier Prozent des Bruttolohnes bzw. 121 Euro in einem Riester-Vertrag angelegt werden. Für eine
lebensstandardsichernde Rente im Alter zu einem Sicherungsniveau vor Steuern von 53 Prozent wäre der aktu-
elle Rentenwert (West) um gut elf Prozent anzuheben. Die daraus entstehenden zusätzlichen Kosten in Höhe
von rund 29 Mrd. Euro würden zu einem Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung von 21 Prozent
führen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Unternehmen müssten also jeweils lediglich knapp
35 Euro monatlich an zusätzlichen Beiträgen aufbringen.
Dass die jüngere Generation zur Sicherung des Lebensstandards bereit wäre, einen höheren Beitragssatz zur
Rentenversicherung zu tragen, zeigt eine aktuelle Umfrage im Auftrag der IG Metall: Fast drei Viertel (72 Pro-
zent) der Befragten sind mit einem höheren paritätischen Beitragssatz „voll und ganz“ sowie „eher“ einverstan-
den, wenn sich zugleich die Leistungen verbesserten.
Auch das Beispiel Österreich zeigt, wie leistungsfähig die gesetzliche Rente als zentrale Säule der Alterssiche-
rung sein kann (Blank/Logeay/Türk/Wöss/Zwiener, in: Wirtschaftsdienst, 4/2016). Daran sollte sich die Bun-
desregierung orientieren.

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2. Dass mit Hilfe der Riester-Rente die Vorsorgelücke nicht zu schließen ist, belegen die Rentenversicherungs-
berichte der Bundesregierung: Das Gesamtversorgungsniveau vor Steuern aus gesetzlicher und privater Rente
erreicht laut Rentenversicherungsbericht im Jahr 2029 mit 51,1 Prozent nicht einmal das Ausgangsniveau zur
Jahrtausendwende von rund 53 Prozent (Rentenversicherungsbericht 2015, Bundestagsdrucksache 18/6870,
S. 43, Tabelle B8, Spalte 6). Dabei werden weder die steigenden Beiträge der Rentnerinnen und Rentner zur
Pflege- und Krankenversicherung berücksichtigt noch der steigende Steueranteil. Allein durch die Rentenan-
passung zum 1. Juli 2016 werden nach Angaben der Bundesregierung weitere 160.000 Rentnerinnen und Rent-
ner steuerpflichtig werden. Davon wird allein der Bundeshaushalt mit Mehreinnahmen von 720 Mio. Euro im
Jahr 2017 profitieren (vgl. Antwort auf die Schriftliche Frage 52 des Abgeordneten Dr. Axel Troost, Bundes-
tagsdrucksache 18/8127 vom 15.4.2016).
Außerdem darf nicht vergessen werden, dass sich die Angaben der Bundesregierung für das ausgewiesene Ver-
sorgungsniveau lediglich auf den jeweiligen Rentenzugang bezieht. Wie sich die Riester-Rente bei einer Ren-
tenlaufzeit von 20 oder mehr Jahren entwickeln wird, ist völlig ungewiss. Da sie in der Regel nicht dynamisiert
wird, verliert sie in der Auszahlungsphase kontinuierlich an Kaufkraft. Die Annahmen der Bundesregierung zur
Rendite liegen bei vier Prozent pro Jahr. Dies ist angesichts eines ab Januar 2017 gültigen Garantiezinses von
0,9 Prozent offenkundig völlig unrealistisch. Schlussendlich hängt die Leistungshöhe der Riester-Rente allein
von der Entwicklung auf den Finanz- und Kapitalmärkten ab. Die Finanzmarktkrise sowie die Niedrigzinsphase
zeigen als Ausdruck einer europaweiten wirtschaftlichen Stagnation, dass es bei der kapitalgedeckten – und
damit kapitalmarktabhängigen – Altersvorsorgeleistung systembedingt überhaupt nicht möglich ist, ein defi-
niertes Sicherungsziel vorzugeben (Bäcker, in: Soziale Sicherheit, 4/2016, S. 276).
Nicht zuletzt zeigt eine aktuelle Studie des WSI, dass für Neusparerinnen und -sparer der Anreiz gesunken ist,
Riester-Verträge abzuschließen (Blank: Einstieg in den Ausstieg? – Die Entwicklung der Förderung der „Ries-
ter-Rente“, in: Sozialer Fortschritt, 4/2016). Da die verschiedenen Zulagen nicht automatisch an die Preisent-
wicklung angepasst werden, gehen die Förderbeträge real zurück. Wer bereits riestert, bekommt real betrachtet
jedes Jahr weniger vom Staat dazu. Gleichzeitig müssen Sparerinnen und Sparer, die Wert auf die volle öffent-
liche Förderung legen, ihren Eigenbeitrag regelmäßig erhöhen. Im Ergebnis verliert die Riester-Rente gerade
für Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen an Reiz. Es entstehen weitere Vorsorgelücken. Anstatt
mit höheren Zulagen gegenzusteuern, sollte die Chance zu einem Ausstieg genutzt werden, argumentiert Blank.
Und dass „sich die Renditehoffnungen nicht erfüllt und zu wenige Geringverdiener eine solche Altersvorsorge
abgeschlossen hätten“, musste selbst Bundesministerin Andrea Nahles jetzt zugeben (Bild am Sonn-
tag, 24.4.2016). Damit bestätigt erstmals eine zuständige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, was wis-
senschaftliche Studien seit Langem belegen: Die Riester-Rente lohnt sich nicht für Geringverdienende.
Nach der Statistik der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) wurden für das Jahr 2011 Zulagen in
Höhe von 2,7 Mrd. Euro gezahlt. Die steuerliche Förderung für 2011 wird vorläufig mit 0,8 Mrd. Euro angege-
ben. Die Gesamtförderung 2011 betrug somit 3,5 Mrd. Euro (Kruse/Scherbarth, in: RVaktuell, 3/2015, S. 56).
Statt mit Steuermilliarden weiterhin die ineffiziente und intransparente Riester-Rente zu subventionieren, sollte
die bisherige Förderung (Zulagen und Steuern) für Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung eingesetzt werden. Es dürfen nicht noch mehr Steuermilliarden verschwendet werden. Mit den freiwer-
denden Mitteln könnten etwa die Rente nach Mindestentgeltpunkten oder die rentenrechtliche Absicherung von
SGB-II-Leistungsberechtigten finanziert werden. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil die Zahl der Versi-
cherten mit unterbrochenen bzw. prekären Erwerbsbiografien beim Übergang in die Rente in den kommenden
Jahren weiter zunehmen wird.
Gleichzeitig muss denjenigen, die eine förderfähige Riester-Rente abgeschlossen haben, für die bisher einge-
zahlten Eigenbeiträge sowie die bisher erhaltenen Zulagen Vertrauensschutz gewährt werden. Dies hatte die zu-
ständige Bundesministerin Andrea Nahles bereits zugesagt (Bild am Sonntag, 24.4.2016).

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3. Für Riester-Sparerinnen und -Sparer besteht bereits heute die Möglichkeit, den Anbieter zu wechseln und das
bisher angesparte Kapital inklusive Förderzulagen neu anzulegen. Das gilt jedoch nur für einen Wechsel von
dem einen zu einem anderen Anbieter oder einem anderen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsge-
setz anerkannten Altersvorsorgevertrag (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 10 Buchstabe b AltZertG). Damit Riester-
Sparerinnen und -Sparer mit geförderten privaten Altersvorsorgeverträgen freiwillig ihr Wertguthaben (Bei-
träge, staatliche Zuschüsse und Zinsen) in persönliche Entgeltpunkte in der umlagefinanzierten gesetzlichen
Rentenversicherung umwandeln können, ist der gesetzliche Rahmen zu erweitern und anzupassen. Die Wech-
selkosten des Riester-Vertrags werden auf ein sachlich gebotenes Minimum begrenzt. Von den Rentenversiche-
rungsträgern selbst werden keine Kosten für die Überführung erhoben.
Dass verfassungsrechtlich einer Übertragung von Wertguthaben auf freiwilliger Basis in die gesetzliche Ren-
tenversicherung nichts entgegensteht, belegt ein aktuelles Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deut-
schen Bundestages. Wenn „lediglich ein Recht, nicht jedoch eine Pflicht“ zur Übertragung der Riester-Renten
in die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt würde, sei „keine Verletzung grundgesetzlicher Vorgaben“
ersichtlich, so das Gutachten („Rettung für Riester-Sparer gesucht“, DER TAGESSPIEGEL vom 27.5.2016).

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