BT-Drucksache 18/6814

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/5500, 18/5502, 18/6124, 18/6125, 18/6126 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016)

Vom 24. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6814
18. Wahlperiode 24.11.2015

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Anja Hajduk,
Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Luise Amtsberg, Dr. Franziska Brantner,
Katja Dörner, Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Matthias Gastel, Kai
Gehring, Britta Haßelmann, Uwe Kekeritz, Maria Klein-Schmeink, Oliver
Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz,
Friedrich Ostendorff, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Claudia
Roth (Augsburg), Corinna Rüffer, Elisabeth Scharfenberg, Ulle Schauws,
Dr. Gerhard Schick, Kordula Schulz-Asche, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Markus Tressel, Jürgen Trittin, Dr. Julia Verlinden, Doris Wagner, Beate
Walter-Rosenheimer, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/5500, 18/5502, 18/6124, 18/6125, 18/6126 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016
(Haushaltsgesetz 2016)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Haushalt 2016 ist kurzsichtig und ungerecht

Der Haushalt der Großen Koalition gibt auf die drängenden Herausforderungen un-
serer Zeit keine ausreichende Antwort. Statt mit Mut und Tatkraft Flüchtlinge zu
integrieren und Fluchtursachen zu bekämpfen, handelt die Koalition kurzsichtig und
produziert Chaos. Statt kraftvoll die Klimakrise anzugehen und den Investitionsstau
aufzulösen, verschwendet die Große Koalition Geld. Sie investiert zu wenig und sie
investiert falsch.

Die Koalition weigert sich, endlich im Haushalt anzupacken. Dadurch fehlen finan-
zielle Spielräume für eine vorsorgende und gerechte Haushaltspolitik. Gerade jetzt
braucht es strukturelle Änderungen im Haushalt, um Geld für Investitionen in In-
tegration, für einen ökologischen Umbau und für die Beseitigung des Investitions-
staus frei zu machen. Deutschland lebt von der Substanz und die Koalition schaut
tatenlos zu. Das ist kurzsichtig und ungerecht.

Der Haushalt von Dr. Wolfgang Schäuble bleibt ein Risikohaushalt. Er ist für die
Zukunft nicht gut aufgestellt. Ändert sich das Zinsniveau, wird es schnell sehr teuer.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa ist längst nicht überstanden. Hieraus

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entstehen Risiken in Milliardenhöhe. Für einen vorsorgenden und ehrlichen Haus-
halt sind Umschichtungen, Subventionsabbau und Einnahmeverbesserungen not-
wendig.

In der Koalition gilt das Prinzip Hoffnung

Die Nullverschuldung hat die Koalition vor allem glücklichen Umständen zu ver-
danken, wie den historisch niedrigen Zinsen, niedriger Arbeitslosigkeit und guten
Steuereinnahmen. Eine haushaltspolitische Leistung ist das nicht. Der ausgeglichene
Haushalt ist das Ergebnis des Verschiebens von Schulden in die Sozialversicherun-
gen und in Schattenhaushalte, zum Beispiel durch ÖPP. Die Nullverschuldung fußt
auf dem Verschleiß der öffentlichen Infrastruktur. Zur Finanzierung ihres Haushalts
greift die Koalition zudem noch zu Taschenspielertricks. Sie verschiebt Gewinne der
Bundesbank in die neue Rücklage, statt sie – wie gesetzlich vorgeschrieben – für die
Tilgung von Schulden zu nutzen. Die Nullverschuldung ist reine Augenwischerei.
In Wahrheit verschuldet sich Deutschland erheblich, indem es von der Substanz und
auf Kosten der kommenden Generationen lebt. Der Großen Koalition fehlt der Mut,
das zu ändern.

Mutige Integrationspolitik – Fehlanzeige

Die Koalition kommt im Haushalt 2016 nicht umhin, die Mittel im Bereich Flücht-
linge zu erhöhen. Zentrale Bereiche aber lässt sie unterfinanziert und es bleiben
große Lücken: Bei den Integrationskursen fehlen immer noch Mittel. Im sozialen
Wohnungsbau macht sie viel zu wenig und bei der Arbeitsmarktpolitik hat die Re-
gierung die Bedarfe waghalsig kleingerechnet. Die Gelder für humanitäre Hilfe wer-
den nicht ausreichen. Bei der Integration über Bildung legt die Koalition die Hände
in den Schoß – Kommunen und Länder werden bei dieser Mammutaufgabe alleine
gelassen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit ihren Änderungsvor-
schlägen in den Haushaltsberatungen gezeigt, wie die Zuwanderung als Chance für
alle genutzt werden kann und in die Zukunft der Menschen investiert werden soll.

Ambitionierter Klimaschutz – Fehlanzeige

Der Klimagipfel in Paris muss für einen konsequenten Kurswechsel genutzt werden.
Deutschland braucht eine verantwortungsbewusste Klimaschutzfinanzierung und
soll unter den Industrienationen des globalen Nordens eine Vorreiterrolle für mehr
globale Gerechtigkeit übernehmen. Beim internationalen Klimaschutz fehlt weiter-
hin ein echter Plan, mit dem Deutschland endlich seine internationalen Verpflich-
tungen erfüllt. Den Worten der Bundeskanzlerin zur Erhöhung der deutschen Kli-
magelder auf 4 Mrd. Euro bis 2020 sind keine Taten und keine Mittel gefolgt. Dabei
sind die nationalen und internationalen Klimaschutzziele nur mit einem radikalen
Kurswechsel zu erreichen. Dieser Wechsel erfordert vor allem einen echten Zuwachs
internationaler Klima- und Biodiversitätsschutzmittel und hohe sowie verbindliche
Qualitätsstandards. Die Bundesregierung muss ihren fairen Anteil am 100-Mrd.-US-
Dollar-Versprechen aus Kopenhagen einlösen und 7 bis 9 Mrd. Euro für den inter-
nationalen Klima- und Biodiversitätsschutz bereitstellen.

Investitionen in die Zukunft – Fehlanzeige

Von 1992 bis 2012 hat sich das private Vermögen auf mehr als 10 Bill. Euro ver-
doppelt, gleichzeitig ist das staatliche Nettovermögen um 800 Mrd. Euro auf nahezu
null geschrumpft. Seit mehr als zehn Jahren ist die Nettoinvestitionsquote des Ge-
samtstaates negativ. Der Wertverzehr nimmt weiter zu. Die Große Koalition schaut
kraftlos zu, wie die Infrastruktur des Landes zerfällt. Die Investitionskraft dieses
Haushalts ist viel zu gering. Die Bundesregierung handelt ausgesprochen kurzsichtig
und zukunftsvergessen. Sie verschärft die Lage sogar zusätzlich, denn die Investiti-
onsquote sinkt in den nächsten Jahren signifikant und bleibt einstellig. Dabei steigen
die Steuereinnahmen deutlich an von 281 Mrd. Euro in 2015 auf 324 Mrd. Euro in
2019. Dennoch verharren die Investitionen in absoluten Zahlen bei rund 30 Mrd.
Euro.

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Haushalt der Gerechtigkeit – Fehlanzeige

Abermals hat die Koalition es versäumt, Maßnahmen zur Armutsbekämpfung in An-
griff zu nehmen. Gegen Altersarmut tut sie nichts, obwohl sie mit der Mütterrente
und der Rente mit 63 in der Rentenversicherung Milliarden bewegt. Auch weiterhin
bleiben nach dem Willen der Koalition die Jobcenter deutlich unterfinanziert, selbst
wenn die Koalition aufgrund steigender Flüchtlingszahlen dort die Verwaltungs- und
Eingliederungsmittel mäßig erhöht hat.

Allen Ankündigungen zum Trotz: Auch mit diesem Haushalt, kommt die Verbesse-
rung der Kita-Qualität nicht voran. Die Koalition nimmt kein Geld hierfür in die
Hand. Den besonders armutsgefährdeten Alleinerziehenden bleibt die dringend nö-
tige Verbesserung ihrer Situation weiter versagt.

Auch bei der globalen Gerechtigkeit bleibt die Bundesregierung hinter ihren Ver-
pflichtungen und Möglichkeiten zurück. Sie schafft es auch weiterhin nicht, mit ei-
nem ambitionierten Aufholplan die internationalen Vereinbarungen in der Entwick-
lungspolitik zu erfüllen. Das vor 40 Jahren gegebene Versprechen, eine ODA-Quote
von 0,7 Prozent zu erreichen, ist noch immer nicht erfüllt. Gerade in Anbetracht der
globalen Krisen braucht es eine glaubwürdige und entschlossene Entwicklungszu-
sammenarbeit. Es zeigt sich, dass der ehrliche Anspruch zur Armutsbekämpfung
fehlt. Dabei ist gerade die Entwicklungszusammenarbeit ein wichtiger Grundpfeiler
zur Bekämpfung von Fluchtursachen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• mutig in die Integration aller Menschen zu investieren, die bei uns Schutz suchen
und die große Chance zu nutzen, die sie uns bieten,

• kraftvoll in den ökologischen Umbau und den Klimaschutz zu investieren,
• weitsichtig in unsere öffentlichen Vermögenswerte zu investieren und die Inves-

titionsquote zu steigern.

Der Haushalt 2016 soll vorausschauend und gerecht werden. Folgende Prioritäten
sind umzusetzen:

• 3 Mrd. Euro zusätzlich als Investition in Integration, Bildung und den Arbeits-
marktzugang von Flüchtlingen.

• 2 Mrd. Euro für den sozialen Wohnungsbau, um mehr günstigen Wohnraum zu
schaffen.

• 1,2 Mrd. Euro zusätzlich für die Entwicklungszusammenarbeit und die humani-
täre Hilfe, um Fluchtursachen und Armut weltweit zu bekämpfen.

• 3 Mrd. Euro für einen Energiesparfonds, um den nationalen Klimaschutz voran-
zutreiben.

• 750 Mio. Euro zusätzlich für den Ausbau der erneuerbaren Wärme und Wärme-
speicher, um die Wärmewende zu beschleunigen.

• 500 Mio. Euro zusätzlich, um den internationalen Klimaschutz zu finanzieren.
• 500 Mio. Euro zusätzlich für ein neues Sonderprogramm Brückensanierung an

Bundesfernstraßen, um den Verfall der Brückenbauwerke zu stoppen, ohne die
Mittel für den Straßenerhalt zu schmälern.

• 850 Mio. Euro zusätzlich für die Sanierung von Bundestraßen und Autobahnen,
um die Substanz unserer Verkehrsinfrastruktur zu erhalten.

• 240 Mio. Euro zusätzlich für klimafreundlichen Radverkehr in Städten und an
Bundesfernstraßen, um die Verkehrswende zu beschleunigen.

• 1 Mrd. Euro zusätzlich für gute und verlässliche Betreuung in Kindertagesstätten,
um gute Bildung und Betreuung zu fördern.

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• 1,3 Mrd. Euro für attraktiveres BAföG, einen besseren Hochschulpakt und die
erste Finanzierung von Infrastrukturen des Wissens, um Bildungschancen zu ver-
bessern.

• 270 Mio. Euro für die Einführung einer Garantierente, um Altersarmut effektiv
zu bekämpfen.

• 1 Mrd. Euro für die Erhöhung des ALG-II-Regelsatzes einschließlich Kosten der
Unterkunft.

• 1,1 Mrd. Euro zusätzlich für einen sozialen Arbeitsmarkt, die Stärkung der akti-
ven Arbeitsmarktpolitik und die sachgerechte Ausstattung der Jobcenter, um
Teilhabe und Chancen von Arbeitslosen zu fördern.

• 690 Mio. Euro für den Unterhaltsvorschuss, um Alleinerziehende zu entlasten.

Zur Finanzierung dieser Maßnahmen sind ökologisch schädliche Subventionen in
Höhe von 10 Mrd. Euro abzubauen, wie die Privilegierung von schweren Dienstwa-
gen, die milliardenschwere Bevorzugung des Flugverkehrs, die Subventionierung
des Agrardiesels und zahlreiche Ausnahmen bei der Ökosteuer. Im Geschäftsbereich
des Bundesministeriums der Verteidigung sind mehr als 1,9 Mrd. Euro Steuergelder
einzusparen, unter anderem bei der Beschaffung.

Haushaltskonsolidierung muss gerecht sein; deswegen müssen starke Schultern
mehr tragen als schwache. Trotz der derzeit günstig aussehenden Finanzlage des
Bundes gibt es eine strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Hand. Daher
muss nicht zuletzt nach einer Priorisierung der Ausgaben auch die Einnahmeseite
des Staates strukturell erhöht werden. Die ungerechte Abgeltungsteuer muss abge-
schafft werden. Kapitaleinkommen sind wieder progressiv wie Löhne und Gehälter
zu besteuern. Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer, wie für die Systemgastronomie,
sind zu streichen.

Berlin, den 23. November 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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