BT-Drucksache 18/12898

Investitionen in Streumunition und Antipersonenminen verbieten

Vom 23. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12898
18. Wahlperiode 23.06.2017
Antrag
der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Dr. Diether Dehm, Klaus Ernst, Annette Groth,
Heike Hänsel, Dr. André Hahn, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij,
Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Birgit Menz, Cornelia Möhring,
Niema Movassat, Norbert Müller (Potsdam), Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte,
Kersten Steinke, Dr. Kirsten Tackmann, Azize Tank, Dr. Axel Troost, Alexander
Ulrich, Kathrin Vogler, Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.
sowie der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Dr. Gerhard Schick,
Katja Keul, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska
Brantner, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner,
Omid Nouripour, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Ekin Deligöz, Kai Gehring, Anja Hajduk, Dieter Janecek, Sven-Christian Kindler,
Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Dr. Julia Verlinden und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Investitionen in Streumunition und Antipersonenminen verbieten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Antipersonenminen und Streumunition sind grausame Waffen. Die weit überwiegende
Zahl der Opfer sind Zivilistinnen und Zivilisten, darunter vor allem Kinder. Weil sie
oftmals nicht sofort explodieren, werden auch noch lange nach dem Abwurf Menschen
durch sie getötet oder verstümmelt. Noch heute gefährden Millionen nicht explodierter
Minen und Streumunitionen die Bevölkerung vieler Staaten.
Das Übereinkommen zum Verbot von Antipersonenminen (Ottawa-Übereinkommen)
und das Übereinkommen zum Verbot von Streumunition (Oslo-Übereinkommen) sind
Meilensteine für den Schutz der Zivilbevölkerung vor diesen barbarischen Waffen.
Aus der Ratifikation beider Konventionen ergeben sich für die Bundesrepublik
Deutschland eine Reihe von umfassenden Verpflichtungen zur Umsetzung des Verbo-
tes des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung, der Entwicklung und des Handels
von Antipersonenminen und Streumunition. Hierzu gehört, in allen relevanten Berei-
chen dafür Sorge zu tragen, dass die Ziele der Konventionen nicht unterlaufen werden.
Dies schließt insbesondere den Finanzsektor mit ein und erfordert ein ausdrückliches
Verbot von Investitionen in Unternehmen, die Antipersonenminen oder Streumunition
herstellen oder entwickeln.

Drucksache 18/12898 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
§ 18a Absatz 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) setzt die
im Ottawa-Übereinkommen und Oslo-Übereinkommen übernommenen völkerrechtli-
chen Verpflichtungen in nationales Recht um. Das darin verankerte Förderungsverbot
schließt jedoch nicht ausdrücklich ein Verbot von Investitionen in diese Waffen ein.
Hierdurch entsteht ein Auslegungsspielraum, der die effektive Umsetzung des Verbo-
tes von Antipersonenminen und Streumunition gefährdet.
Besonders problematisch ist, wenn staatliche Investitionen und Förderungen dazu füh-
ren, dass die Herstellung und Entwicklung von Antipersonenminen und Streumunition
unterstützt wird. Eine steuerliche Förderung von Investitionen in Firmen, die diese
Waffen herstellen oder entwickeln, ist derzeit nicht ausgeschlossen, da staatlich zerti-
fizierte und steuerlich geförderte Produkte der privaten Altersvorsorge („Riester-
Rente“) nicht daraufhin überprüft werden, ob mit dem investierten Kapital auch Geld
in solche Unternehmen fließt.
Es ist nicht ausreichend, sich auf den mündigen Anleger und die Selbstverpflichtung
der Branche zu verlassen. Aufgrund mangelnder Transparenz bei Kreditinstituten ist
es zumeist unmöglich herauszufinden, ob das Institut in irgendeiner Form Geschäfte
mit Herstellern von Antipersonenminen oder Streumunition tätigt. Und die Selbstver-
pflichtung der Branche greift offenbar nicht, wenn nur ein niedriger einstelliger Pro-
zentsatz der Unternehmen, die Riester-Altersvorsorgeverträge anbieten, Investitionen
in diese Waffen ausschließen. Aufgrund der Komplexität dieser Anlageprodukte
braucht es eine staatliche Regulierung, die Investitionen in Antipersonenminen und
Streumunition ausschließt.
Wer es mit der Bekämpfung völkerrechtswidriger Waffen ernst meint, muss ein gene-
relles Investitionsverbot in Unternehmen, die Antipersonenminen und Streumunition
herstellen oder entwickeln, verhängen (Bundestagsdrucksache 17/7339).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem § 18a Absatz 1 des Gesetzes über die
Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) dahingehend geändert wird, dass das darin
enthaltene Förderungsverbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung, der
Entwicklung und des Handels von Antipersonenminen und Streumunition auch
ausdrücklich ein Investitionsverbot mit einschließt. Dieses soll direkte wie indi-
rekte Investitionen sowie jede Form der Finanzierung umfassen, um Umgehungs-
möglichkeiten auszuschließen, und sich auf alle Investitionen in Unternehmen
weltweit beziehen, die in die Herstellung und Entwicklung von Antipersonenmi-
nen und Streumunition involviert sind;

2. im Sinne einer umfassenden Umsetzung von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c des
Übereinkommens über Streumunition unverzüglich jegliche steuerliche Subven-
tionierung der Investitionen in Streumunition zu unterbinden, indem die Bundes-
regierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Altersvorsorgeverträge-Zertifi-
zierungsgesetzes (AltZertG) vorlegt, in dem Finanzprodukten, die im Zusammen-
hang mit der Finanzierung von Antipersonenminen oder Streumunition stehen,
die Zertifizierung nicht erteilt bzw. entzogen wird;

3. in ihrer Funktion als (Mit-)Eigentümer öffentlich-rechtlicher oder privater Ban-
ken unverzüglich Einfluss auf die Geschäftspolitik dahingehend zu nehmen, dass
Investitionen in die Herstellung und Entwicklung von Antipersonenminen und
Streumunition verhindert werden;

4. Finanzvermögen des Staates wie etwa Sondervermögen, das Vermögen der Sozi-
alversicherungsträger und das der Postbeamtenversorgungskasse unverzüglich so
anzulegen, dass eine Investition in die Herstellung und Entwicklung von Antiper-
sonenminen und Streumunition ausgeschlossen wird;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12898
5. Unternehmen, die Antipersonenminen und Streumunition herstellen oder entwi-

ckeln, schnellstmöglich von der öffentlichen Auftragsvergabe auszuschließen;
6. unverzüglich durch eine entsprechende Gesetzesinitiative sicherzustellen, dass

mit dem Vermögen gemeinnütziger Stiftungen keine Investitionen in Unterneh-
men, die Antipersonenminen oder Streumunition herstellen, vorgenommen wer-
den;

7. international, insbesondere auf europäischer Ebene, für ein Verbot von Investiti-
onen in Herstellung und Entwicklung von Antipersonenminen und Streumunition
zu werben.

Berlin, den 20. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Antipersonenminen und Streumunition sind weiterhin ein großes Problem. Die Opfer sind zu 97 % Zivilistinnen
und Zivilisten. Noch heute gefährden Millionen nicht explodierter Minen und Streumunitionen die Bevölkerung
mindestens in acht Staaten. 2015 waren über 400 Todesopfer und Verletzte zu beklagen (http://the-moni-
tor.org/media/2394895/Cluster-Munition-Monitor-2016-Web.pdf). Die aktuelle Lage in vielen Konfliktländern,
z. B. Syrien oder Jemen, ist kein gutes Omen für die künftige Entwicklung.
Das Übereinkommen zum Verbot von Antipersonenminen (Ottawa-Übereinkommen) und das Übereinkommen
zum Verbot von Streumunition (Oslo-Übereinkommen) verbieten Produktion, Einsatz, Lagerung und Verkauf
dieser Waffen. 119 Staaten haben diese Übereinkommen unterzeichnet, wobei zehn von ihnen spezifische Ge-
setze haben, die Investitionen in Steuermunition verbieten. 28 Vertragsstaaten haben sich offiziell für ein Verbot
von Investitionen ausgesprochen, da sie diese als Unterstützung der Produktion ansehen (www.handels-
blatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/streumunition-die-deutsche-bank-und-der-krieg/11142754
.html).
2013 stellten weltweit 139 Finanzinstitute den sechs verbleibenden Herstellern der völkerrechtlich verbotenen
Streumunition Finanzmittel in Höhe von 24 Millionen US-Dollar zur Verfügung. 22 Investoren stammen aller-
dings aus sechs Ländern, die die „Oslo-Konvention“ zum Verbot von Streumunition unterzeichnet haben
(www.facing-finance.org/de/2013/12/press-release-over-us24-billion-invested-in-cluster-bomb-producers-
worldwide-financial-institutions-and-governments-urged-to-stop-explosive-investments/). Darunter sind laut
„Facing Finance“ drei deutsche Firmen. Im Jahr 2014 hat die „Allianz“ 132 Mio. US-Dollar investiert. Bei der
„Deutschen Bank“ waren 39 Mio. und bei „Siemens Financial Services“ 15 Mio. US-Dollar (www.facing-fi-
nance.org/de/2014/11/deutsch-presseerklarung-volkerrechtliches-verbot-von-streumunition-erreicht-auch-fi-
nanzwelt/). Trotz des angedeuteten Rückzugs deutscher Finanzdienstleister aus dem völkerrechtswidrigen Waf-
fengeschäft ist ein Investitionsverbot das Gebot der Stunde, trotz der bisherigen Zurückhaltung in dieser Frage
durch die Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/8811).
Die Bundesrepublik Deutschland steht zudem in der Verantwortung, da sie jährlich erhebliche finanzielle Mittel
für die Räumung von Antipersonenminen und Streubomben weltweit zur Verfügung stellt.

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/streumunition-die-deutsche-bank-und-der-krieg/11142754
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/streumunition-die-deutsche-bank-und-der-krieg/11142754
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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