BT-Drucksache 17/7863

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/6600, 17/6602, 17/7123, 17/7124, 17/7125 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012)

Vom 22. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7863
17. Wahlperiode 22. 11. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner, Sven-Christian Kindler,
Dr. Tobias Lindner, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, Volker Beck (Köln),
Cornelia Behm, Birgitt Bender, Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt,
Ingrid Hönlinger, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Sylvia Kotting-Uhl,
Stephan Kühn, Markus Kurth, Agnes Malczak, Jerzy Montag, Omid Nouripour,
Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Dorothea Steiner, Daniela Wagner,
Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/6600, 17/6602, 17/7123, 17/7124, 17/7125 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012
(Haushaltsgesetz 2012)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Schuldenkrise in Europa zeigt, wie wichtig eine echte wirtschafts-, finanz-
und sozialpolitische Koordination in Europa und nachhaltige Staatsfinanzen
sind. Die Bundesrepublik Deutschland profitiert durch niedrige Zinssätze bisher
noch von der Schuldenkrise. Aufgrund der Zinsentwicklung wird der Bundes-
haushalt deutlich entlastet – trotz steigender Verschuldung. Im Moment refinan-
ziert sich der Bund so günstig wie noch nie. Die Gesamtverschuldung des Bun-
des beträgt mittlerweile deutlich mehr als 1 Bio. Euro. Das bedeutet, dass bei
kleinen Veränderungen nach oben die Zinsbelastungen sofort explodieren kön-
nen. Aber mit diesem Etat steigt nicht nur die haushalterische Verschuldung,
sondern auch die soziale und ökologische Verschuldung wird von Schwarz-Gelb
in die Höhe getrieben.

Im Vergleich zum laufenden Jahr wird die Nettoneuverschuldung im Jahr 2012
mit 26,1 Mrd. Euro deutlich höher liegen. Zwar konnte die Nettoneuverschul-
dung im Vergleich zum Regierungsentwurf um 1,1 Mrd. Euro abgesenkt wer-

den, dies ist allerdings kein Verdienst der Bundesregierung: Allein aufgrund der
Zinsentwicklung, die den Bundeshaushalt deutlich entlastet, konnten die Ausga-
ben um 1,7 Mrd. Euro gesenkt werden. Der Haushaltsentwurf zeigt das Versagen
dieser Bundesregierung, einen nachhaltigen Haushalt aufzustellen.

Obwohl der Bundesminister der Finanzen mit Privatisierungserlösen in Höhe
von über 5 Mrd. Euro kalkuliert und so sein Finanztableau künstlich aufhübscht,
steigt die Neuverschuldung des Bundes gegenüber dem laufenden Jahr deutlich

Drucksache 17/7863 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

an. Damit verstößt die schwarz-gelbe Koalition gegen den Geist der Schulden-
bremse. Der Haushalt beruht auf einer Wachstumsannahme von immerhin 1 Pro-
zent. Ausflüchte für konjunkturstützende Mehrausgaben gibt es daher nicht. Die
Steuermehreinnahmen, die sich aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung
ergeben haben, werden sofort wieder ausgegeben, statt die Neuverschuldung zu
verringern. Die ansteigende Entwicklung der Nettokreditaufnahme ist ein
Menetekel schwarz-gelber Finanzpolitik. Die Steuersenkungspläne der schwarz-
gelben Bundesregierung würden die finanzielle Solidität der Bundesrepublik
Deutschland weiter beschädigen. Zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen in
Soziales, Bildung, ökologischen Umbau und internationale Gerechtigkeit brau-
chen wir stattdessen eine gerechtere Einbeziehung von Spitzenverdienenden
und großen Vermögen.

Echte Konsolidierung findet bei Schwarz-Gelb nicht statt. Eine Dividende aus
der Bundeswehrreform wird absehbar nicht erzielt. Trotz der vollmundigen
Ankündigung von 2010 leistet der Verteidigungsetat keinen Sparbeitrag. Die
Bundesregierung versuchte dies zwar vorzutäuschen, indem sie 1,45 Mrd. Euro
in andere Bereiche des Bundeshaushaltes verschob, hat aber selbst damit keine
signifikante Absenkung des Bundeswehrhaushaltes erreichen können. Durch die
Abkehr von den Sparvorgaben hat die Bundesregierung ohne Not den Reform-
druck von der Bundeswehr genommen. Eine weitere Verkleinerung der Streit-
kräfte und eine schnellstmögliche Außerdienststellung von Material sind zwin-
gend nötig. Beschaffungen sind auf den Prüfstand zu stellen und auf das absolut
Notwendigste zu reduzieren.

Statt durch den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen z. B. durch die
Abschaffung des Dienstwagenprivilegs oder das Ende der Steuerbegünstigun-
gen vom Kerosin gegenüber anderen Kraftstoffen auch ein ordnungspolitisches
Signal in Richtung einer ökologischen Neuausrichtung der Volkswirtschaft zu
setzen, plant die Bundesregierung sogar neue Subventionen für energieintensive
Betriebe mit Hilfe des Energie- und Klimafonds. Dieses Sondervermögen
widerspricht nicht nur den Haushaltsgrundsätzen von Klarheit und Wahrheit,
sondern unterliegt auch einem erheblichen Einnahmerisiko durch sinkende Zer-
tifikatepreise, das die notwendigen Investitionen gefährdet. Auch im Wirtschafts-
etat werden weiterhin nur die alten Fördertöpfe bedient, anstatt in zukunfts-
weisende Technologien für Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu inves-
tieren und den Ausstieg aus der Atomenergie zu beschleunigen. Dabei sind die
Neuausrichtung unserer Wirtschaft nach ökologischen Maßstäben, der Ausstieg
aus der Atomkraft und der Ausbau der erneuerbaren Energien zentrale Aufga-
ben, deren Ausfinanzierung gesichert sein muss. Mit dem grünen Klimaschutz-
haushalt hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Entwurf vorge-
legt, der dies leistet.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schichtet die nötigen Ausgaben für
die Energiewenden und den Klimaschutz in die Fachetats um und stockt sie mas-
siv auf. Statt unsicheren 780 Mio. Euro im schwarz-gelben Sondervermögen
braucht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5,2 Mrd. Euro zusätzlich im
grünen Klimaschutzhaushalt. Dass der Bundeshaushalt 2012 dagegen den Her-
ausforderungen von Klimaschutz und Energiewende nicht gerecht wird, zeigen
auch die Kürzungen der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP beim
ökonomisch und ökologisch sinnvollen Marktanreizprogramm für erneuerbare
Wärme. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit ihren Anträgen
nachgewiesen, wie Klimaschutz und Energiewende ohne Sondervermögen finan-
ziert werden und darüber hinaus noch ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung
geleistet werden kann.

2012 werden 113 Mio. Euro mehr für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfü-
gung stehen als dieses Jahr. Das reicht bei Weitem nicht aus, um sich dem

0,7-Prozent-Ziel (Quote der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, ODA-
Quote) zu nähern. Aktuell beträgt sie gerade einmal 0,38 Prozent. Schlimmer

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7863

noch: 2013 sollen nach dem Finanzplan die Mittel für Entwicklungszusammen-
arbeit um 581 Mio. Euro gekürzt werden. Das sind fast 10 Prozent des Fachetats.

372 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus allen fünf Fraktionen – fast
60 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestages – haben den Aufruf zu
einem entwicklungspolitischen Konsens unterzeichnet, in dem gefordert wird,
im Haushalt 2012 die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre
Hilfe um mindestens 1,2 Mrd. Euro aufzustocken. Mit den Anträgen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN diesen Konsens übernommen. Leider hat die Bundesregierung nicht
die Kraft aufgebracht, sich an den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
FDP zu halten und die Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
abgelehnt.

Ausgabenreduzierungen finden sich fast ausschließlich im Sozialetat wieder.
Die Regierungsrhetorik von einer fairen Verteilung der Belastung wird von den
Fakten widerlegt: Denn einzig beim Sozialabbau wurden alle Ankündigungen
aus dem Sparpaket umgesetzt. Vor allem die Kürzungen für die Eingliederungs-
leistungen für die Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) sind wider-
sinnig, wenn eine nachhaltige Konsolidierung erreicht werden soll. Aufgrund
der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt besteht gerade jetzt die Chance,
auch Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, die sehr lange
arbeitslos waren. Dafür braucht es aber staatliche Mittel, um diese Menschen ge-
zielt zu qualifizieren und für einen sozialen Arbeitsmarkt. So können mittel- und
langfristig echte Entlastungen für die öffentlichen Haushalte erzielt werden.
Dies gilt auch für Bildungsausgaben: Nur so werden die Menschen in die Lage
versetzt, dauerhaft und selbständig ihr Auskommen zu erzielen. Höhere Bil-
dungsinvestitionen und Qualität ermöglichen mehr Teilhabe und Chancen-
gerechtigkeit, erhöhen Durchlässigkeit und Aufstiegsmobilität, Integration und
Inklusion. Auf diese Weise kann bessere Bildung Auswege aus vererbter und
verfestigter Armut sowie sozialer Spaltung schaffen. Aber auch diejenigen, die
nicht von der günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt profitieren, brau-
chen eine echte Grundsicherung, die soziale Teilhabe garantiert. Die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat gezeigt, dass ALG-II-Sätze in Höhe von
420 Euro finanziert werden können. Daher ist auch dieser Bereich ein Schwer-
punkt des Haushaltskonzepts der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die
Anrechnung – und damit faktische Kürzung – des Elterngelds bei Eltern im
ALG-II- Bezug im Rahmen des sogenannten Sparpakets hat die unsoziale Politik
von Schwarz-Gelb überdeutlich gemacht, die sehenden Auges die prekäre Situ-
ation ärmerer Familien weiter verschärft. Dieser Politik ist eine klare Absage zu
erteilen.

Die Einführung eines sogenannten Betreuungsgelds ist eine durch und durch
unsinnige Maßnahme. Diese Fernhalteprämie sowohl für Kinder aus frühkind-
lichen Bildungseinrichtungen als auch für Frauen vom Arbeitsmarkt ist absurd
und widersinnig. Gerade für bildungsferne und zugleich einkommensschwache
Eltern bietet das Betreuungsgeld einen starken Anreiz, ihren Kindern frühe
Förderangebote vorzuenthalten und sich stattdessen für die Geldleistung zu ent-
scheiden. Ein Land, in dem der Schulerfolg eines Kindes so stark von der fami-
liären Herkunft abhängt wie in Deutschland – mit all den bekannten negativen
Folgen – muss ein Interesse daran haben, Kinder früh zu fördern und Ressourcen
in den Ausbau frühkindlicher Bildungsangebote zu investieren. Das Betreu-
ungsgeld würde den Bundeshaushalt mit 1,5 bis 2 Mrd. Euro belasten – Geld,
das entsprechend für notwendige Investitionen in den Kita-Ausbau, in frühkind-
liche Bildung und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf fehlt.

Der Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab dem ersten Lebensjahr ist ein
wichtiger Schritt auf dem Weg zur Chancengerechtigkeit für Kinder und um der

Lebenswirklichkeit junger Familien endlich gerecht zu werden. Eine solide
Finanzierung ist das Fundament für den notwendigen Ausbau. Viele Kommunen

Drucksache 17/7863 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

agieren bereits jetzt auch und gerade im Bereich der Jugendhilfe an der Grenze
ihrer Leistungsfähigkeit und dürfen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen
werden. Insbesondere die Bundesländer sind in der Pflicht, die Finanzmittel des
Bundes an die Träger und Kommunen in vollem Umfang weiterzuleiten und den
eigenen Finanzierungsverpflichtungen nachzukommen. Der Bund muss ge-
meinsam mit den Ländern und Kommunen den tatsächlichen Bedarf an Betreu-
ungsplätzen erheben und auf dieser Grundlage ein solides Finanzierungskonzept
vereinbaren, das die tatsächlichen Kosten des Ausbaus berücksichtigt und die
Mittel dahin leitet wo sie tatsächlich gebraucht werden: in die notleidenden
Kommunen. Städte und Gemeinden dürfen nicht zum Ausfallbürgen eines un-
terfinanzierten Kita-Ausbaus werden. Bund, Länder und Kommunen sind ge-
meinsam in der Pflicht für eine aufgabengerechte Kostenausstattung Sorge zu
tragen und den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr
in 2013 Wirklichkeit werden zu lassen. Zusätzlich zur Schaffung neuer
Kita-Plätze sind vielfältige Anstrengungen zur Stärkung von pädagogischer und
Bildungsqualität der Angebote notwendig. Mit den Ländern und Kommunen
müssen verbindliche Maßnahmen zur Qualitätssteigerung auf den Weg gebracht
werden.

Um auf den erfreulichen und starken Ansturm von Studienanfängerinnen und
-anfängern auf die Hochschulen zu reagieren, muss der Hochschulpakt zügig
weiter ausgebaut werden. Es kann nicht sein, dass Schwarz-Gelb Fachkräfte-
mangel beklagt und von einer „Bildungsrepublik Deutschland“ fabuliert, wäh-
rend zugleich zehntausende Studienplätze fehlen und es an fair beschäftigtem
Personal sowie adäquater baulicher und sozialer Infrastruktur an den Hochschu-
len mangelt. Deshalb will die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zusätz-
liche Studienplätze schaffen, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsför-
derungsgesetz (BAföG) erhöhen und perspektivisch zu einem Zwei-Säulen-
Modell weiterentwickeln, um mehr unterrepräsentierte Gruppen und potenzielle
Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger für ein Hochschulstudium zu gewin-
nen. Die Schuldenbremse darf nicht als Bildungsinvestitionsbremse wirken. Ein
Erreichen des 10-Prozent-Ziels (7 Prozent für Bildung, 3 Prozent für Forschung)
ist unerlässlich und ein entscheidender Beitrag für soziale Sicherheit und Wohl-
stand sowie Innovationskraft und Kreativität unserer Volkswirtschaft und Ge-
sellschaft.

Die Verpflichtung der Schuldenbremse zu nachhaltiger Haushaltspolitik wird
von der schwarz-gelben Koalition nicht umgesetzt. Dabei ist ein solches Um-
steuern dringend notwendig. Nur mit einem Dreiklang aus Konsolidierung, Sub-
ventionsabbau und gerechten Mehreinnahmen können wir den Haushalt ver-
fassungsgemäß konsolidieren und uns gleichzeitig den zentralen politischen
Herausforderungen stellen. Die Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN im Beratungsverfahren haben deutlich gemacht, dass eine soziale und
ökologische Schwerpunktplanung und gleichzeitig auch eine Konsolidierung
für einen Abbaupfad im Sinne der Schuldenbremse mit einer um über 4 Mrd.
Euro niedrigeren Neuverschuldung von 21,7 Mrd. Euro möglich ist.

II. Der Bundestag wolle beschließen:

Zur Konsolidierung des Bundeshaushalts bedarf es Aufgabenkritik und Aus-
gabenkürzung. Gleichzeitig ist die Einnahmebasis zu verbessern. Neben und
parallel zur notwendigen Sanierung gilt es, nachhaltig in Ökologie und soziale
Sicherung zu investieren. In der Haushalts- und Finanzpolitik muss das Leitbild
der nachhaltigen Entwicklung gelten. Dies sollte sich in der Ausgaben- und Ein-
nahmenstruktur des Bundeshaushalts widerspiegeln. Wichtige Zukunftsaufga-
ben sind zu finanzieren, gleichzeitig aber müssen die Gesamtausgaben maßvoll
und die Steuereinnahmen angemessen sein. Kluge Haushaltssanierung baut auf

einem Mix aus gerechter Einnahmeverbesserung und gezielter Ausgabenkür-
zung sowie Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7863

Nachhaltig investieren und umweltschädliche Anreize abbauen

Programme für einen ökologischen Umbau im Gesamtumfang von mehr als
5,2 Mrd. Euro sind aufzulegen und aufzustocken. Insbesondere die Mittel für
Energieeffizient, das CO2-Gebäudesanierungsprogramm und die Mittel für den
internationalen Klimaschutz müssen auch in den kommenden Jahren weiter
wachsen.

Grüner Klimaschutzhaushalt 2012

Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

GRÜNER
Haushalt

GRÜNE
Veränderungen*

in Mio. Euro Erläuterungen

Ausgaben

Nachhaltig investieren – Effizienzoffensive starten!

Energiesparfonds 3 000 2 911 Im EP 16 BMU

Marktanreizprogramm erneuerbare Wärme &
Klimaschutzinitiative

548 30 Im EP 16 BMU

Forschung & Entwicklung erneuerbare Ener-
gien, Energieeffizienz, Ressourceneffizienz

272 47 Im EP 09 BMWi, EP 10
BMELV, EP 16 BMU und
EP 30 BMBF

Ausbau Stromnetze & Speicher 40 20 Im EP 09 BMWi

CO2-Gebäudesanierungsprogramm 2 000 500 Im EP 12 BMVBS

Ökologische Verkehrswende

Investitionen in die Schiene 4 948 925 Im EP 12 BMVBS

Förderung sonstige umweltfreundliche Mobi-
lität

134 69 Im EP 12 BMVBS

Klima und biologische Vielfalt schützen – auch international!

Biologische Vielfalt
(Bundesprogramm und Querungshilfen)

55 40 Im EP 16 BMU und EP 12
BMVBS

Internationaler Klimaschutz
(Kopenhagen-Gelder und Yasuní)

650 608 Im EP 16 BMU

Klimaneutralisierung Dienstreisen 4,2 3,6 Im EP 60 BMF

Summe Mehrausgaben 5 287

Kein Sponsoring des Klimawandels!

Vorzeitiges Auslaufen Steinkohlesubventionen nicht quantifizierbar

Rückzahlung Steinkohlesubventionen 112 Angleichung an Welt-
marktpreis

Abschaffung Dienstwagenprivileg** 600 Bundesanteil, gesamt-
staatlich 3,5 Mrd. Euro
(volle Jahreswirkung)

Abschöpfung Zusatzgewinne durch kosten-
freie Zuteilung CO2-Zertifikate**

1 000 Windfallprofits; ab 2013
Vollversteigerung

Drucksache 17/7863 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

* Veränderungen gegenüber dem Regierungsentwurf inkl. Umschichtungen aus dem Energie- und Klimafonds in den ordentlichen Bundeshaushalt
(„Netto“-Werte).

** Einführung zum 1. Juli 2012.

Soziale Teilhabe stärken

Die Bundesregierung hat von ihrem groß angepriesenem Sparpaket nur die im
Bereich des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherung angekündigten Kürzun-
gen vollständig umgesetzt. Während die Langzeitarbeitslosigkeit im Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nur in geringem Maße zurückgegangen ist, wird
bei der Förderung deutlich überproportional gekürzt. Dies wird zulasten von
Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen gehen. Zurück bleiben werden
vor allem diejenigen, die einer besonders intensiven Förderung bedürfen. Ins-
besondere Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte sowie Menschen mit
besonderen Vermittlungshemmnissen, psychischer Erkrankung oder Sucht-
erkrankung sind auf eine bessere Unterstützung, Betreuung und Qualifizierung
angewiesen. Um auch diesem Personenkreis neue Jobchancen zu eröffnen und
dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, muss mehr in Qualifizierung inves-
tiert werden.

Die im SGB II angestrebten Betreuungsschlüssel für die Vermittlung und Be-
treuung von Arbeitsuchenden werden derzeit weder bei den unter 25-Jährigen
noch bei Älteren erreicht. Eine bessere Relation von Arbeitsvermittlern zu

Abschaffen Ausnahmen Ökosteuer** 1 000 Ersetzen durch Härtefall-
regelung

Besteuerung Erdöl bei stofflicher Nutzung** 560 stufenweiser Abbau

Aufhebung der Energiesteuerbefreiung für
Binnenschifffahrt**

43 stufenweiser Abbau

Aufhebung der Energiesteuerbegünstigung
von Agrardiesel**

198 Abschaffung der Sonder-
behandlung

Kerosinbesteuerung Inland** 340 Angleichung an andere
Verkehrsträger

Brennelementesteuer 2 100 800 Mehreinnahmen durch
höheren Steuersatz

Erhöhung LKW-Maut 5 610 2 000 Ausweitung auf LKW ab
3,5 t und auf fernverkehrs-
relevante Bundesstraßen

Besteuerung Auslandsflugverkehr** 1 650 650 ökologische Ausgestal-
tung Ticket-Tax

Summe Mehreinnahmen
(ohne Besteuerung Auslandsflugverkehr)

6 652 differenzierte Einführung

Summe Mehreinnahmen
(ohne Besteuerung Auslandsflugverkehr)

10 392 volle Jahreswirkung

Grüner Klimaschutzhaushalt 2012

Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

GRÜNER
Haushalt

GRÜNE
Veränderungen*

in Mio. Euro Erläuterungen
Arbeitslosen verringert die Dauer der Arbeitslosigkeit. Die geplante Kürzung
bei den Verwaltungskosten wird zu weiteren Personalengpässen führen und die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7863

Personalfluktuation in den Jobcentern anhaltend hoch ausfallen lassen. Dies
geht erfahrungsgemäß zulasten der Qualität. Eine gute und nachhaltige Vermitt-
lung in Arbeit erfordert eine ausreichende Mittelausstattung.

Grundlage für die Feststellung der Bedarfe ist die Gewährleistung eines men-
schenwürdigen Daseins auch für jene Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht
aus eigenen Mitteln bestreiten können. Hierzu gehören auch die soziale und kul-
turelle Teilhabe, für Kinder insbesondere die Teilhabe an Bildung, für Erwach-
sene auch die Teilhabe am Arbeitsleben. Daher fordert die Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN eine Erhöhung des Regelsatzes auf 420 Euro. Aufgrund der
notwendigen komplexen Neuberechnung wird diese zum 1. Juli 2012 umgesetzt.
Durch die Einführung eines allgemeinverbindlichen Mindestlohnes kann die
Kostenentwicklung im Bereich des Arbeitslosengeldes II gedämpft werden.

Entwicklungszusammenarbeit ausbauen

Um schrittweise das Ziel, 0,7 Prozent der Wirtschaftskraft für Entwicklungs-
zusammenarbeit bereitzustellen, erreichen zu können, werden hierfür 1,2 Mrd.
Euro zusätzlich bereitgestellt. Die Mittel werden insbesondere dafür eingesetzt,
Hunger und Krankheiten nachhaltig zu bekämpfen, die ländlichen Räume zu
stärken, die Gleichstellung zu fördern, den Aufbau guter Verwaltungsstrukturen
zu unterstützen und Grundbildung für alle zu ermöglichen.

Bildung und Forschung als Zukunftsinvestition deutlich stärken

Die Ausgaben für Bildung und Forschung werden um 650 Mio. Euro erhöht, um
das unerlässliche 10-Prozent-Ziel erreichen zu können. Der Hochschulpakt zum
Aufbau zusätzlicher Studienplätze wird mit 530 Mio. Euro gestärkt, um den An-
sturm auf die Universitäten und Fachhochschulen zu bewältigen, die Lehrquali-
tät und die Studienbedingungen zu verbessern. Das BAföG wird erhöht, um
mehr unterrepräsentierte Gruppen und potenzielle Bildungsaufsteigerinnen und
-aufsteiger für ein Hochschulstudium zu gewinnen. Die Weiterbildung wird
ausgebaut und hierfür das Aufstiegsfortbildungsfördergesetz mit zusätzlichen
100 Mio. Euro zu einem „Erwachsenenbildungsförderungsgesetz“ erweitert.
Forschungsmittel für Agro-Gentechnik und Fusionsforschung werden gestri-
chen. Um die Innovationskraft zu stärken und die ökologische Transformation
der Wirtschaft zu beschleunigen, will die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Forschung und Entwicklung besonders für kleine und mittlere Unternehmen
fördern.

Bundeswehrreform

Die Umfänge der Bundeswehr sind für die Risiko- und Bedrohungsszenarien
unserer Zeit überdimensioniert. Es bedarf keiner Armee, die alles kann. Die
Streitkräfte müssen auf die wahrscheinlichsten Aufgaben ausgerichtet und
bündnisfähig werden. Die konzeptionelle Grundlage der Reform, die der Bun-
desminister der Verteidigung in Form der verteidigungspolitischen Richtlinien
im Mai 2011 vorgestellt hat, folgt alten Denkmustern, die nicht als Basis für eine
kleine, einsatzorientierte und vor allem auch konsequent europäisch einge-
bettete Armee dienen können. Durch die konsequente Reduktion des Personal-
umfangs, eine konsequente Anpassung der Materialumfänge und strikte Über-
prüfung und Beendigung anachronistischer Beschaffungsprojekte sind umfang-
reiche Einsparungen bei der Bundeswehr möglich. Ein Sparbeitrag der Bundes-
wehr für 2012 in Höhe von 2,4 Mrd. Euro ist notwendig.

Wirtschaftspolitik auf die Zukunft ausrichten
Die milliardenschwere Subvention der Luft- und Raumfahrt ist abzubauen. Mit-
tel sind in nachhaltigen und zukunftsträchtigen Wirtschaftsfeldern weitaus besser

Drucksache 17/7863 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
angelegt. In den Bereichen Energie und Rohstoffe gilt es, Schlüsseltechnologien
voranzubringen. Der effiziente und sparsame Einsatz von Rohstoffen oder die
Wiederverwertung Seltener Erden ist ein Zukunftsthema, welches völlig ver-
schlafen wird. Im Etat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
sind in erster Linie durch Subventionsabbau Mittel in Höhe von 250 Mio. Euro
freizusetzen.

Steuermehreinnahmen

Die notwendige Sparanstrengung kann nur funktionieren, wenn alle starken
Schultern einen Beitrag leisten. Daher sind spezifische Steuererhöhungen not-
wendig. Mit der Einführung einer zeitlich begrenzten Vermögensabgabe für
große Vermögen will die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die krisenbe-
dingte Verschuldung begleichen. Außerdem will die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN den Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer für Besserverdie-
nende anheben.

In Ergänzung zu den Veränderungen im Rahmen des Klimaschutzhaushalts er-
geben sich daher folgende weitere Veränderungen bei der Besteuerung:

Berlin, den 21. November 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Maßnahme
Verbesserung
Haushalt 2012
Bundesanteile

Erläuterung

Abschaffung Ausnahmen MwSt 1 800 000 u. a. Übernachtungsgewerbe und System-
gastronomie

(Einführung zum 01.01.2012)

Abschmelzung Ehegattensplitting 1 150 000 Überführung des Ehegattensplittings in eine
Individualbesteuerung

(Einführung zum 01.01.2012)

Kerosinbesteuerung Inland 340 000 (Einführung zum 01.07.2012)

Abschaffung Abgeltungsteuer 700 000 Wiedereinführung der Besteuerung
von Zinseinkünften nach der progressiven
Einkommensteuer

(Einführung zum 01.01.2012)

Nichtabzugsfähigkeit Gehälter als Betriebs-
ausgaben

95 000 ab Gehältern über 500 000 Euro

(Einführung zum 01.01.2012)

Auslaufen Wohnungsbauprämie 60 000 Gegenfinanzierung für Bildungssparen

(Einführung zum 01.01.2012)

Steuerliche Förderung Forschung und Ent-
wicklung

–185 000 Bundesanteil

(Einführung zum 01.01.2012)

Korrekturtitel –561 000 Steuermindereinnahmen durch Abzugs-
fähigkeit als Betriebsausgaben bzw. gerin-
gere Steuerbasis

(Einführung zum 01.01.2012)

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.