BT-Drucksache 17/12682

Deutschland 2020 - Zukunftsinvestitionen für eine starke Wirtschaft: Infrastruktur modernisieren, Energiewende gestalten, Innovationen fördern

Vom 12. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12682
17. Wahlperiode 12. 03. 2013

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Tiefensee, Hubertus Heil (Peine), Ingrid Arndt-Brauer,
Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Heinz-Joachim Barchmann, Doris Barnett, Klaus
Barthel, Sören Bartol, Dirk Becker, Uwe Beckmeyer, Lothar Binding (Heidelberg),
Gerd Bollmann, Klaus Brandner, Willi Brase, Bernhard Brinkmann (Hildesheim),
Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Ulla Burchardt, Martin Burkert, Dr. Peter
Danckert, Martin Dörmann, Elvira Drobinski-Weiß, Sebastian Edathy, Ingo Egloff,
Siegmund Ehrmann, Petra Ernstberger, Dr. Edgar Franke, Michael Gerdes, Martin
Gerster, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Angelika Graf (Rosenheim), Kerstin
Griese, Michael Groß, Wolfgang Gunkel, Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn,
Klaus Hagemann, Rolf Hempelmann, Gustav Herzog, Gabriele Hiller-Ohm, Petra
Hinz (Essen), Dr. Eva Högl, Josip Juratovic, Oliver Kaczmarek, Johannes Kahrs,
Dr. Bärbel Kofler, Anette Kramme, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Burkhard
Lischka, Gabriele Lösekrug-Möller, Kirsten Lühmann, Caren Marks, Katja Mast,
Petra Merkel (Berlin), Ullrich Meßmer, Dr. Matthias Miersch, Dietmar Nietan,
Manfred Nink, Thomas Oppermann, Heinz Paula, Florian Pronold, Mechthild
Rawert, Stefan Rebmann, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Michael Roth
(Heringen), Annette Sawade, Anton Schaaf, Bernd Scheelen, Marianne Schieder
(Schwandorf), Werner Schieder (Weiden), Ulla Schmidt (Aachen), Silvia Schmidt
(Eisleben), Carsten Schneider (Erfurt), Ottmar Schreiner, Swen Schulz (Spandau),
Ewald Schurer, Frank Schwabe, Dr. Martin Schwanholz, Rolf Schwanitz, Rita
Schwarzelühr-Sutter, Dr. Carsten Sieling, Sonja Steffen, Christoph Strässer,
Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Ute Vogt, Andrea Wicklein, Waltraud Wolff
(Wolmirstedt), Manfred Zöllmer, Brigitte Zypries, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Deutschland 2020 – Zukunftsinvestitionen für eine starke Wirtschaft:
Infrastruktur modernisieren, Energiewende gestalten, Innovationen fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Wir brauchen wieder ein klares Bild von Deutschlands Zukunft. In der Gesell-

schaft zeichnen sich gravierende Veränderungen ab: Demografischer Wandel,
Klimawandel und globale Ressourcenknappheit, die Finanz- und Wirtschafts-
krise in Europa, aber auch die Unterfinanzierung von wirtschaftsnaher Infra-
struktur in den Bereichen Verkehr und Kommunikation gehören zu den zen-
tralen Entwicklungen, die zeitgemäße Antworten verlangen. Ziel muss es sein,
soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wachstum und Wohlstand gleicherma-
ßen zu erreichen. Beides bedingt einander: Einerseits ist der soziale Frieden in

Drucksache 17/12682 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Deutschland ein wesentlicher Faktor des wirtschaftlichen Erfolgs. Andererseits
wäre unser soziales System ohne die Leistungskraft der Unternehmen und ihrer
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu stemmen. Die Frage, die sich die
Politik stellen muss, lautet: Was ist ihr Beitrag, dass Deutschland, eingebettet in
ein gesundes und starkes Europa, auch im Jahr 2020 ein lebenswertes, gerech-
tes und wirtschaftlich modernes Land mit einer selbstbewussten Demokratie
ist? Hier bedarf es klarer Vorstellungen und konkreter Konzepte in wichtigen
Zukunftsbereichen wie Bildung, Arbeit und Soziales sowie im Hinblick auf
eine moderne Wirtschaft. Bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
braucht es ein Leitbild für zukunftsorientierte Investitionen. In der Wirtschafts-
politik der Bundesregierung ist dies nicht erkennbar.

Die gegenwärtige deutsche Wirtschaftspolitik vernachlässigt die materielle Ba-
sis des wirtschaftlichen Erfolgs. Bei der Infrastruktur sowie bei Investitionen
auf Zukunftsmärkten – also bei entscheidenden Grundlagen für zukünftiges
Wirtschaftswachstum – gerät Deutschland immer mehr ins Hintertreffen. Mit
einer Nettoinvestitionsquote von gerade einmal 3 Prozent im Jahr 2011 liegt
Deutschland im Vergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) weit hinten. Seit der Jahrtausendwende war die Netto-
investitionsquote der öffentlichen Hand in Deutschland gemessen am Brutto-
inlandsprodukt im Schnitt sogar negativ. Das heißt, die öffentlichen Investitio-
nen haben nicht einmal den Ersatzbedarf gedeckt – Deutschland lebt von der
Substanz.

Gleichzeitig hat die Krise in der Euro-Zone deutlich gemacht, dass der Weg zu
wirtschaftlichem Erfolg nur mit einer starken Realwirtschaft gelingen wird.
Deutschland hat mit seiner breiten industriellen Basis, seinen weit verzweigten
Wertschöpfungsketten und seinen exzellenten Fachkräften die besten Voraus-
setzungen, als europäischer Motor einer schwächelnden Euro-Zone Antrieb zu
verleihen. Unsere wirtschaftliche Stärke basiert mit auf dem engen Zusammen-
spiel aus produktionsnahen Dienstleistungen und produzierendem Gewerbe.
Während sich andere Länder im letzten Jahrzehnt ihr Heil vornehmlich in der
Finanzwirtschaft gesucht haben, ist Deutschland seiner realwirtschaftlichen
Verankerung treu geblieben. Auch deshalb konnte unsere Volkswirtschaft bes-
ser durch die Krise kommen als die anderer Länder.

Trotz der substanziellen Stärke unserer Wirtschaft drohen die Wachstumskräfte
immer weiter zu erlahmen. In der Energiepolitik geraten Bezahlbarkeit und
Sicherheit der Energieversorgung in Gefahr. Unsere öffentliche Infrastruktur
leidet an Unterfinanzierung. Straßen, Schienen, Wasserstraßen, Strom- und
Telekommunikationsnetze – die Lebensadern unserer Volkswirtschaft – werden
den Anforderungen einer modernen und wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft
nicht mehr gerecht. Dieser Missstand betrifft alle staatlichen Ebenen – bis hin zur
kommunalen Infrastruktur wie den Gemeindeverkehrswegen, Verteilnetzen oder
Breitbandnetzen von Kommunen. Hinzu kommt, dass der Mittelstand – und mit
ihm das Herzstück des deutschen Unternehmertums – dringend erforderliche
Investitionen aus Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung zurück-
hält.

In diesem Umfeld muss die Wirtschaftspolitik wieder verstärkt darauf setzen,
die handfesten Standortbedingungen für die deutsche Wirtschaft zu verbessern.
Gerade in den Feldern Infrastruktur, Energie und Innovationen sind Investitio-
nen und neue Impulse notwendig, um das Potenzial für Wachstum und Be-
schäftigung zu heben und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12682

I. In eine moderne Infrastruktur investieren – Einen neuen gesellschaftlichen
Konsens erzielen

1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Als Grundlage für neues Wachstum und für die Arbeit von morgen braucht
Deutschland eine Modernisierung seiner Energie-, Verkehrs- und Kommunika-
tionsinfrastruktur. Es muss ein intelligentes Energienetz geschaffen werden, das
auf den Ausbau der erneuerbaren Energien angelegt ist. Eine gute Verkehrsin-
frastruktur ist eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum. Deutschland
braucht eine Strategie, mit der eine Lösung für ein schnelles Breitbandnetz für
alle auf den Weg gebracht wird. Deshalb braucht Deutschland eine aktive Infra-
strukturpolitik.

Wir benötigen einen neuen gesellschaftlichen Konsens, indem wir uns darüber
verständigen, wie die Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsinfrastruktur
der Zukunft aussehen soll. Daran müssen Gesellschaft, Unternehmen und Poli-
tik gemeinsam arbeiten. Zu diesem Infrastrukturkonsens gehört auch eine ver-
bindliche und frühzeitige Bürgerbeteiligung. Sie steht nicht im Widerspruch zu
kurzen Planungs- und Bauzeiten, im Gegenteil: Breite Akzeptanz von Bauvor-
haben sichert deren rasche Umsetzung.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

a) zur Finanzierung einer modernen Infrastruktur

• im Entwurf für den Bundeshaushalt 2014 und in der mittelfristigen
Haushaltsplanung jährlich 3 Mrd. Euro mehr für die Modernisierung
der Infrastruktur sowie für die Energiewende – davon 2 Mrd. Euro
jährlich verlässlich für die Verkehrsinfrastruktur – zur Verfügung zu
stellen;

• die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Lkw-Maut in der kommen-
den Legislaturperiode auf alle Bundesstraßen sowie mittelfristig auf
Landes- und Kommunalstraßen ausgeweitet werden kann und die
Mehreinnahmen ohne Abstriche in die Verkehrsinfrastruktur investiert
werden. Verkehrsinvestitionsmittel im allgemeinen Haushalt dürfen
nicht im Gegenzug gekürzt werden;

• zu diesem Zweck einen verkehrsträgerübergreifenden Finanzierungs-
kreislauf zu installieren;

• sich klar gegen die Einführung einer Pkw-Maut auszusprechen, die
gerade diejenigen Menschen zusätzlich belasten würde, die aus beruf-
lichen oder familiären Gründen auf ihr Fahrzeug angewiesen sind;

• die Energiemarkt- und Finanzmarktregulierung so auszugestalten, dass
für private Investoren hinreichende Anreize zur Investition in Energie-
netze entstehen. Bestehende Hemmnisse für den Einstieg neuer insti-
tutioneller Anleger müssen abgebaut werden;

• für die Strom-Übertragungsnetze sowie für die Anbindung von Off-
shore-Windanlagen zur Überwindung des Ausbau- und Anschluss-
staus die Gründung einer deutschlandweiten Netz AG anzubieten, an
der sich die öffentliche Hand finanziell zu einem Anteil beteiligt, der
es ihr erlaubt, Einfluss auf das Unternehmen auszuüben, und gleich-
zeitig durch die bessere Absicherung unternehmerischer Risiken einen
Anreiz für die Beteiligung privater Investoren schafft;

• einen neuen Gesetzentwurf zur Frage der Haftung beim Bau von Off-
shore-Windanlagen vorzulegen, der die derzeitigen Regelungen zur
Haftung bei verspäteter Anbindung der Offshore-Windparkanlagen

grundlegend neu gestaltet und insbesondere durch eine formale Risi-

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kominimierungsvorgabe Schadensersatzansprüche weitgehend aus-
schließt, die Haftungsregelung auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt
und auf eine Rückwirkung verzichtet, so dass eine sachgerechte Risi-
koverteilung unter Berücksichtigung aller Akteure beim Bau von Off-
shore-Windanlagen erfolgt;

• die staatlichen Förderprogramme im Bereich der Breitbandförderung
konsequenter als bisher auf die Ziele Qualitätsentwicklung, kommu-
nale Flächenversorgung und Hochgeschwindigkeitsnetze auszugestal-
ten. Mitnahmeeffekte müssen verringert und eine möglichst große He-
belwirkung muss für private Investitionen erreicht werden;

• ein neues Sonderfinanzierungsprogramm der KfW Bankengruppe auf-
zulegen, um mit zinsverbilligten Krediten Breitbandinvestitionen von
Kommunen und Unternehmen anzustoßen;

b) zum Ausbau der Energieinfrastruktur für die Energiewende

• Anreize für mehr Energieeffizienz zu setzen, u. a. durch Energieaudits
und Energiemanagementsysteme, damit der Neubau von Stromleitun-
gen auf das Notwendige beschränkt werden kann;

• sämtliche Möglichkeiten zur Erhöhung der Kapazität bestehender Lei-
tungen auszuschöpfen, etwa indem die Netzbetreiber zu einem effizi-
enten Leitungsmanagement verpflichtet werden;

• den Ausbau intelligenter Netze voranzutreiben, damit Verbraucherin-
nen und Verbraucher die Möglichkeit erhalten, Strom in Zeiten schwa-
cher Nachfrage preiswerter zu beziehen;

• die Anreizregulierung derart auszugestalten, dass Netzinvestitionen
ausgelöst werden, die einer dezentralen Einspeisung und Entnahme
von Strom aus erneuerbaren Energien gerecht wird;

• die Nutzerentgelte so zu regulieren, dass die Ausrüstung vorhandener
Stromtrassen mit Hochtemperaturseilen für die Netzbetreiber rentabel
wird;

• Anreize zu schaffen, damit Anlagen zur Energieerzeugung verstärkt
dort gebaut werden, wo die Energie benötigt wird, und hierfür unter
anderem die Einführung entfernungsabhängiger Netzentgelte zu prü-
fen;

• die rechtlichen und administrativen Hemmnisse und Unklarheiten bei
den Pilotstrecken für die Erdverkabelung von Höchstspannungsleitun-
gen zu beseitigen;

• bei den geplanten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs(HGÜ)-
leitungen auch die Option für eine Erdleitung zu ermöglichen;

• gegenüber den verantwortlichen Übertragungsnetzbetreibern auf eine
zügige Umsetzung der vier Pilotprojekte zur Erdverkabelung auf der
Höchstspannungsebene nach dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG)
zu drängen und die hierbei gesammelten Erfahrungen in die Erwei-
terungen der gesetzlichen Regelungen zur Erdverkabelung aufzu-
nehmen;

• den europäischen Stromverbund zu einem intelligenten europäischen
Verbundnetz weiterzuentwickeln, der durch die Einbindung dezentra-
ler erneuerbarer Energiequellen und den Einbau von weiteren Kuppel-
stellen im Stromnetz dazu beiträgt, ein auf erneuerbarer Energiever-
sorgung beruhendes System zu stabilisieren;
• durch die Regulierung Anreize für Investitionen zum Ausbau und zur
Ertüchtigung des Gasnetzes zu setzen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12682

• den Entwurf für ein Speichergesetz vorzulegen, um den Bau von Ener-
giespeichern technologieneutral voranzutreiben. Speicher müssen da-
rin unabhängig von ihrer Wirkungsweise definiert und in das beste-
hende Fördersystem eingliedert werden. Es müssen Anreize für die
Entwicklung, Erprobung und Markteinführung neuer Speichertechno-
logien gesetzt werden;

c) bei den Verkehrswegen

• den Substanzverfall zu stoppen und den Etat für die Erhaltung der Ver-
kehrswege entsprechend aufzustocken. Bei der Verteilung der Finanz-
mittel muss Erhalt vor Aus- und Neubau gehen;

• eine klare Priorität bei der Beseitigung von Engpässen und dem
Ausbau hoch belasteter Hauptachsen und Knotenpunkte zu setzen.
Hierfür ist ein „Nationales Verkehrswegeprogramm“ aufzulegen, in
das 80 Prozent der Neu- und Ausbaumittel fließen. Die Finanzierung
muss außerhalb der Länderquote erfolgen und im Bundeshaushalt auf
fünf Jahre fixiert werden;

• die Erschließung der Fläche nicht zu vernachlässigen. Hierfür müssen
weiterhin 20 Prozent der Investitionsmittel des Verkehrsetats für den
Neu- und Ausbau zur Verfügung stehen;

• bei der Bundesverkehrswegeplanung einen Neuanfang einzuleiten, in-
dem sie zu einer verkehrsträgerübergreifenden Netzplanung umgestal-
tet wird;

• eine stärkere Transparenz und bessere Kontrolle der Mittelverwen-
dung sicherzustellen und zu diesem Zweck künftig alle zwei Jahre einen
Verkehrsinfrastrukturbericht vorzulegen, der Schwachstellen aufdeckt
und den Finanzbedarf für die Erhaltung der Verkehrswege offenlegt;

• die infrastrukturellen Voraussetzungen für einen Deutschland-Takt auf
der Schiene mit bundesweit funktionierenden und aufeinander abge-
stimmten Anschlüssen zu schaffen und unverzüglich Planungen auf
den Weg zu bringen, um die Kapazität des Schienennetzes für den Gü-
terverkehr bis 2030 zu verdoppeln und gleichzeitig mehr Kapazitäten
für den Schienenpersonenverkehr zu schaffen;

• den Schutz vor Verkehrslärm deutlich zu verbessern und dafür zu sor-
gen, dass ab 2020 keine lauten Güterwagen mit Graugussbremssohlen
in Deutschland mehr verkehren;

• einen Masterplan „Flughäfen“ zu erarbeiten als ersten Schritt zu einer
bundesweiten integrierten Flughafeninfrastrukturnetzplanung, bei der
wirtschaftliche Erfordernisse und der Schutz der Anwohnerinnen und
Anwohner vor Lärm in Einklang gebracht werden;

• mit den Ländern einen Investitionspakt für die kommunale Verkehrs-
infrastruktur zu schließen, bei dem die Länder weiterhin Investitions-
mittel für die kommunale Verkehrsinfrastruktur erhalten und sich im
Gegenzug verpflichten, die Gelder zweckgebunden zu verwenden;

• Vorschläge vorzulegen, wie den Ländern im Rahmen der anstehenden
Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ein ausreichen-
der Ausgleich für die 2019 entfallenden Entflechtungsmittel zur Fi-
nanzierung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur geschaffen werden
kann;

Drucksache 17/12682 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) zur Sicherstellung eines flächendeckenden schnellen Internetzugangs

• die Regulierung im Bereich der Telekommunikationsinfrastruktur so
auszugestalten, dass private Investitionen in neue Netze angeregt und
kreative Wettbewerbslösungen gefunden werden;

• für den Fall, dass wettbewerbliche Lösungen allein nicht zum Ziel
führen, die Grundversorgung durch einen gesetzlichen Universal-
dienst abzusichern, mit der die Unternehmen je nach Marktanteil über
ein Umlageverfahren zum Aufbau einer flächendeckenden Internet-
grundversorgung verpflichtet werden;

• darüber hinaus den Aufbau von Hochleistungsnetzen mit modernen
Glasfaserkabeln voranzutreiben. Um Marktverzerrungen oder ineffizi-
ente Doppelinvestitionen zu vermeiden, muss sichergestellt werden,
dass alle Anbieter die Netze von Wettbewerbern zu diskriminierungs-
freien Konditionen nutzen können (sog. Open-access-Modell);

• die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Wettbe-
werber stärker zusammenarbeiten und auf diese Weise die Kosten für
den Ausbau der Breitbandnetze senken können;

e) zur Bürgerbeteiligung und Planungsbeschleunigung

• die von der Fraktion der SPD in ihrem Antrag „Für einen neuen Infra-
strukturkonsens: Gemeinsam Zukunft planen – Infrastruktur bürger-
freundlich voranbringen“ (Bundestagsdrucksache 17/9156) erhobenen
Forderungen zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung und zur Pla-
nungsbeschleunigung aufzugreifen und umzusetzen.

II. Ökonomischen und ökologischen Wandel gestalten – Für eine sichere
Energie- und Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft

1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Umbau unseres Energiesystems ist ein wesentlicher Bestandteil moderner
Industriepolitik. Eine verlässliche, umweltgerechte und nachhaltige Energiepo-
litik, die Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Kosten garantiert, ist
ein wesentlicher Standortfaktor. Energie muss für die privaten wie auch indus-
triellen Verbraucher bezahlbar bleiben.

Die Situation der deutschen Wirtschaft in der Energiewende lässt sich folgen-
dermaßen darstellen: Es gibt die am Prozess beteiligten und die vom Prozess
eher betroffenen Unternehmen. Für viele Unternehmen ist der Umbau der Ener-
gieversorgung eine große Chance, denn er ist das größte Infrastrukturprojekt
unserer Zeit. Gleichzeitig ist die Politik in der Verantwortung, die Ener-
giewende möglichst kosteneffizient umzusetzen, damit Strom auch künftig für
den industriellen Mittelstand, industrieorientierte Dienstleistungen, den Handel
und das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe des Handwerks bezahlbar bleibt.

Über die internationale Konkurrenzfähigkeit der Produktion werden künftig in
noch stärkerem Maße als schon heute die Kosten für Energie, Rohstoffe und
Materialien entscheiden. Der Schlüssel für eine zukunftsfähige Wirtschaftsent-
wicklung liegt darin, die Ressourceneffizienz und Energieproduktivität so weit
zu steigern, dass Wachstum von Ressourcen-, Flächen- und Energieverbrauch
entkoppelt wird. Dabei stehen wir vor den Herausforderungen, den Klimawan-
del abzumildern und mit schrumpfenden Rohstoffvorräten bei gleichzeitig stei-
gendem weltweitem Bedarf zurechtzukommen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/12682

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• ein umfassendes Konzept für die einzelnen Schritte der Energiewende
vorzulegen, das einen zielgerichteten Umbau des Energiesystems hin zu
einer sicheren, bezahlbaren und sauberen Energieversorgung verfolgt.
Dazu gehört,

– das System der Strompreisbildung und das Marktdesign für den
Strommarkt unter den Prämissen der Versorgungssicherheit und Be-
zahlbarkeit grundlegend neu zu konzipieren,

– das derzeitige System der Einspeisevergütung für Strom aus erneuer-
baren Energien unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz weiter-
zuentwickeln; die Instrumente sind an den Ausbauzielen für die erneu-
erbaren Energien auszurichten und dürfen nicht zu Investitionsun-
sicherheit führen,

– die Kompetenzen in der Energiepolitik zu bündeln und eine regelmä-
ßige Koordination und Kooperation zwischen Bund, Ländern und den
europäischen Nachbarländern zu institutionalisieren,

– eine technologieoffene Energieforschung voranzutreiben und in der
Forschungsförderung des Bundes einen Schwerpunkt bei der Entwick-
lung innovativer Energieleitungs- und Speichertechniken zu legen,

– die Energiewende in Deutschland im europäischen Energiebinnen-
markt abzusichern;

• die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen zu gewährleis-
ten, u. a. durch die Einführung eines unabhängigen „industriepolitischen
Monitorings“, um die Kostenentwicklung für Industrie und produzieren-
des Gewerbe im Hinblick auf die Energiepreisentwicklung zu überwa-
chen. Dies erfolgt in der Gegenüberstellung der Kosten für Energieeffizi-
enzmaßnahmen und entsprechender Minderung des Energieverbrauchs;

• den Markt für Energiedienstleistungen weiter zu stärken, insbesondere
durch die Beseitigung von Hemmnissen im Ordnungsrecht und durch
eine Qualifizierungsoffensive zur besseren Schulung von Architekten,
Planern und Handwerkern;

• die Steigerung der Energie- sowie Rohstoff- und Materialeffizienz zu för-
dern. Dazu gehören folgende Maßnahmen:

– Unternehmen des produzierenden Gewerbes sollen schrittweise Ener-
gie- und Rohstoffmanagementsysteme einführen und sicherstellen,
dass identifizierte Potenziale tatsächlich umgesetzt werden,

– eine Effizienzinitiative auf der Grundlage von gesetzlichen Regelun-
gen, um dazu beizutragen, dass bis zum Jahr 2020 20 Prozent des heu-
tigen Primärenergiebedarfs eingespart werden,

– Ausbau zu einem umfassenden Recycling- und Pfandsystem von Roh-
stoffen und Materialien, um die Recyclingquoten zu erhöhen,

– Kraft-Wärme-Kopplung (KWK): Ausbau bis 2020 auf mindestens
25 Prozent Anteil an der gesamten Stromversorgung. Hierzu sind Be-
nachteiligungen der KWK zu beseitigen und die Förderinstrumente zu
optimieren;

• eine sichere Rohstoffversorgung der Industrie zu gewährleisten, u. a.
durch

– den Abbau von nicht tarifären und WTO-widrigen (WTO=World

Trade Organisation) Exportbeschränkungen auf bilateralem und multi-
lateralem Wege,

Drucksache 17/12682 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– eine Ausnahmeregelung beim Rohstoffhandel für die am wenigsten
entwickelten Länder, damit dort sensible Märkte und Produkte ge-
schützt werden, um die Entwicklungschancen dieser Länder nicht zu
gefährden,

– Regeln, um Rohstoffspekulationen auf den Finanzmärkten einzudäm-
men. Dabei ist darauf zu achten, dass die Absicherungsmöglichkeiten
von Industrieunternehmen nicht über Gebühr beeinträchtigt oder un-
verhältnismäßig verteuert werden,

– die Entwicklung einer verbesserten Effizienzstrategie für den Rohstoff-
einsatz gemeinsam mit der Wirtschaft,

– Rohstoffförderung, -gewinnung und -recycling: Die Bundesregierung
muss die Initiative ergreifen, um deutsche Unternehmen für einen
Wiedereinstieg in Rohstoffförderung und Rohstoffgewinnung (sog.
Rückwärtsintegration) zu aktivieren, die Rohstoffgewinnung im In-
land zu erleichtern, Stoffkreisläufe aufzubauen und die Recyclingquo-
ten für wichtige Rohstoffe zu erhöhen,

– die Schaffung eines einheitlichen Zertifizierungssystems für die För-
derung und den Handel von Rohstoffen entlang der gesamten Liefer-
kette zur Einhaltung von Menschenrechten, sozialen und ökologischen
Mindeststandards. Die Bundesregierung ist gefordert, sich für den
Ausbau der internationalen Rohstofftransparenz-Initiative EITI einzu-
setzen, um deren Transparenzziele in nationale und internationale Ge-
setze und Normen zu integrieren,

– die Umsetzung einer projektbezogenen Offenlegung aller Transaktio-
nen, die im Bereich Rohstoffhandel getätigt werden, so wie es die in
den USA beschlossenen Dodd-Frank-Regelungen einfordern,

– den Ausbau von Rohstoff-, Material- sowie Produktionsforschung:
Vernetzung von Lehrstühlen, Instituten und Unternehmen,

– den Aufbau von Rohstoffpartnerschaften nach bestimmten Kriterien.
Bei der Auswahl der Länder und in den Verhandlungen müssen men-
schenrechtliche, soziale und ökologische Gesichtspunkte eine wich-
tige Rolle spielen.

III. Technologische Leistungsfähigkeit der Industrie sichern – Innovationen
fördern und den Mittelstand stärken

1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Innovationen sind der Schlüsselfaktor, um den tiefgreifenden Veränderungen in
der Gesellschaft und den globalen ökonomischen und ökologischen Herausfor-
derungen erfolgreich zu begegnen. Innovationspolitik muss den technologi-
schen Wandel in Märkten, die zunehmend durch eine Verkürzung der Innova-
tionszyklen und steigende Herausforderungen der Globalisierung geprägt sind,
durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen unterstützen und somit
Wachstumsimpulse verleihen. Hierbei kommt es darauf an, dass sich beste-
hende und neue Zweige im verarbeitenden Gewerbe effizient miteinander ver-
netzen. Wir brauchen in Deutschland die gesamte Wertschöpfungskette – von
der industriellen Grundstoffproduktion bis zum hochspezialisierten Mittel-
ständler im Hightech-Bereich.

Eine nach sozialdemokratischen Vorstellungen entwickelte Industriepolitik
setzt sich aber nicht nur für industrielle Forschung und Entwicklung von
„High-End-Produkten“ ein, sondern unterstützt ebenso den Wandel in der Pro-

duktion, damit die gesamte industrielle und gewerbliche Wertschöpfungskette
am Standort Deutschland erhalten bleibt. Zur Innovationsfähigkeit werden

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/12682

kompetente Fachkräfte und wandlungsfähige Unternehmen gebraucht. Im Vor-
dergrund muss daher insbesondere die Innovationsfähigkeit durch Arbeitneh-
merrinnen und Arbeitnehmer stehen – das Know-how der Beschäftigten ist
Motor der Innovation. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels spielt
die Sicherung des Fachkräftbedarfs eine zunehmend größere Rolle.

Innovationen entstehen gerade dort, wo sich Partner aus Wirtschaft, Wissen-
schaft und Bildung in Innovationsbündnissen zusammenschließen, um die
Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Regionen zu erhöhen. Die För-
derung und Organisation von Innovationsprozessen und Netzwerkbildungen
wird daher zunehmend im Vordergrund stehen müssen. Innovationen gehen
häufig auch aus jungen Unternehmen hervor. Daher muss die Gründung neuer
Unternehmen erleichtert und unterstützt werden. In Deutschland steht zu wenig
privates Beteiligungskapital zur Verfügung – die Finanzierungsmöglichkeiten
für Start-up-Unternehmen müssen verbessert werden.

Es sind gerade auch die Ideen der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
für neuartige Produkte und ihre Bereitschaft, die Unsicherheiten der Entwick-
lung in Kauf zu nehmen, die ein Schlüssel zur globalen Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands sind. Mit über 30 000 forschenden und 110 000 hoch innovativen
Unternehmen gibt der deutsche Mittelstand das Entwicklungstempo vor. Damit
dies nicht erlahmt und die Innovationsfähigkeit des Mittelstands gefördert wird,
bedarf es einer besseren Unterstützung vonseiten der Politik.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• zur Sicherung des Fachkräftebedarfs Bildungsinvestitionen zu erhöhen,
Kompetenzen und Qualifikationen zu fördern, indem die Aus- und Wei-
terbildung für Beschäftigte, aber auch für Arbeitssuchende als Dauerauf-
gabe verstanden und unterstützt wird, die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf zu verbessern und die Einwanderung von ausländischen Fachkräf-
ten zu fördern;

• eine Strategie zur Unterstützung des Mittelstands vorzulegen, die einen
Schwerpunkt auf die Stärkung von Innovationen legt. Dazu gehören vor
allem eine steuerliche Forschungsförderung für KMU, ein leichterer Zu-
gang zu Venture Capital und eine Vereinfachung bei der Beantragung von
Fördermitteln;

• regionale Netzwerke und Cluster zur industriellen Schwerpunktsetzung
zu fördern: Vorhandene Clusterpotenziale müssen bei der Wirtschaftsför-
derung stärker als bisher Berücksichtigung finden; in diesem Zusammen-
hang brauchen wir auch eine Stärkung der Wissens- und Forschungs-
transfers, d. h. aus der Forschung in die Praxis, von der Idee zur
wirtschaftlichen Verwertung;

• eine Initiative zur Schaffung von mehr Technikverständnis auf den Weg
zu bringen: Dabei muss es vor allem darum gehen, technisches Verständ-
nis schon in frühkindlicher und schulischer Bildung mehr als bisher zu
fördern;

• mittelständische Unternehmen zu stärken durch

– die Umsetzung des nationalen und des europäischen Programms zum
Abbau bürokratischer Informationspflichten um 25 Prozent. Da die
meisten Bürokratiekosten durch Vorgaben aus Brüssel entstehen, die
in nationale Gesetzgebung umgesetzt werden müssen, gilt es schon im
Vorfeld, diese Bürokratiekosten in den Richtlinien und Verordnungen
der EU möglichst zu vermeiden;

Drucksache 17/12682 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– eine breite Förderung von Gründungen mit einem besonderen Schwer-
punkt auf der Unterstützung von technologieorientierten/wissensba-
sierten Gründungen;

– die Sicherstellung der Mittelstandsfinanzierung, insbesondere auch für
eine Wachstumsfinanzierung junger Unternehmen, durch eine gemein-
same Anstrengung von Staat und Finanzwirtschaft zur Ausgabe einer
Mittelstandsanleihe, die den Liquiditätsbedarf der mittelständischen
Wirtschaft zu annehmbaren Konditionen sicherstellen kann;

– eine Prüfung, ob und an welchen Stellen die Rahmenbedingungen für
private Beteiligungsgesellschaften verbessert werden können;

• die Internationalisierungsanstrengungen des industriellen Mittelstands
durch eine stetige und auf die Bedürfnisse dieser Unternehmen ausge-
richtete Außenwirtschaftsförderung zu unterstützen. Dazu gehört auch
ein erleichterter Zugang zu den europäischen Förderprogrammen insbe-
sondere im Forschungsbereich durch eine Flexibilisierung der europäi-
schen Definition für KMU.

Berlin, den 12. März 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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