BT-Drucksache 17/11816

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 - Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes

Vom 11. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11816
17. Wahlperiode 11. 12. 2012

Änderungsantrag
der Abgeordneten Jerzy Montag, Kerstin Andreae, Volker Beck (Köln), Cornelia
Behm, Birgitt Bender, Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Priska Hinz (Herborn),
Ingrid Hönlinger, Herbert Frankenhauser, Sven-Christian Kindler, Tom Koenigs,
Niema Movassat, Kerstin Müller (Köln), Dietmar Nietan, Dr. Konstantin von Notz,
Björn Sänger, Elisabeth Scharfenberg, Kathrin Vogler, Josef Philip Winkler,
Waltraud Wolff (Wolmirstedt)

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 –

Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer
Beschneidung des männlichen Kindes

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. In Absatz 1 wird Satz 2 wie folgt gefasst:

„Dies gilt nicht, wenn das Kind einen entgegenstehenden Willen zum Aus-
druck bringt oder durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres
Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.“

2. In Absatz 2 werden die Wörter „sechs Monaten“ durch die Wörter „vierzehn
Tagen“ ersetzt.

Berlin, den 11. Dezember 2012

Jerzy Montag
Kerstin Andreae
Volker Beck (Köln)
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Katrin Göring-Eckardt
Priska Hinz (Herborn)

Tom Koenigs
Niema Movassat
Kerstin Müller (Köln)
Dietmar Nietan
Dr. Konstantin von Notz
Björn Sänger
Elisabeth Scharfenberg
Kathrin Vogler
Ingrid Hönlinger
Herbert Frankenhauser
Sven-Christian Kindler

Josef Philip Winkler
Waltraud Wolff (Wolmirstedt)

Drucksache 17/11816 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Umfang der Personensorge bei
einer Beschneidung des männlichen Kindes, Bundestagsdrucksache 17/11295,
erklärt die Einwilligung von Eltern in die Beschneidung ihres Sohnes unter be-
stimmten Umständen für rechtmäßig. Die Regelung umfasst nur Einwilligungen
zu Beschneidungen männlicher Kinder, die noch nicht einsichts- und urteilsfähig
sind. Die Beschneidung muss „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ durchge-
führt werden. Diese werden in verschiedenen Gesetzen, so z. B. in § 4 Absatz 2
Satz 2 der Bundesärzteordnung näher beschrieben. § 1 des Heilpraktikergesetzes
(HeilprG) legt die Rechtsprechung (BVerwG I C 2/69 – Urteil vom 18. Dezember
1972) dahingehend aus, dass medizinische Behandlungen, die ärztliche Fachkennt-
nisse voraussetzen oder gesundheitliche Schäden verursachen können, nur von
einem Arzt oder einer Ärztin oder einer Person, die eine Erlaubnis nach dem
HeilprG besitzt, durchgeführt werden dürfen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass
Beschneidungen, zu denen Eltern nach dem Entwurf des § 1631d Absatz 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB-E) ihre Einwilligung geben, in aller Regel nur
von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt werden können. Dies ergibt sich
im Rückschluss auch aus § 1631d Absatz 2 BGB-E, der als Ausnahme die Vor-
nahme des Eingriffs auch durch einen Nichtarzt vorsieht.

1. Da der Regelungsvorschlag nur Beschneidungen von nicht einsichts- und ur-
teilsfähigen und damit nicht einwilligungsfähigen männlichen Kindern er-
fasst, gilt die Regelung gerade für solche Kinder, die aufgrund ihres Entwick-
lungsstandes noch nicht in der Lage sind, Wesen, Bedeutung und Tragweite
des mit der Beschneidung verbundenen Eingriffs in ihre körperliche Unver-
sehrtheit zu erfassen. Aber auch unterhalb der Schwelle von Einsichts- und
Urteilsfähigkeit ist ein ernsthaft und unmissverständlich zum Ausdruck ge-
brachter Wille des (noch nicht einsichtsfähigen) Kindes nicht irrelevant (so
ausdrücklich in der Begründung zum Gesetzentwurf unter Nummer 2 Buch-
stabe d zum Einwilligungsrecht der Eltern).

Der Gesetzestext sieht jedoch eine ausdrückliche Beachtung des Willens des
Kindes nicht vor. Lediglich in der Begründung zu § 1631d Absatz 1 Satz 2
BGB- E wird darauf abgehoben, dass ein solcher kindlicher Wille gegen die Be-
schneidung „im Einzelfall“, der nicht näher spezifiziert wird, Berücksichtigung
finden kann. Darüber hinaus – so die Begründung des Gesetzentwurfs unter Hin-
weis auf § 1626 Absatz 2 Satz 2 BGB – sollen sich die Eltern mit dem der Be-
schneidung entgegenstehenden Willen des noch nicht einsichtsfähigen Kindes
lediglich auseinandersetzen.

Dies erscheint zu wenig. Stattdessen ist es richtig, ausdrücklich im Gesetz fest-
zuhalten, dass eine Einwilligung der Eltern in eine Beschneidung ihres nicht ein-
sichts- und urteilsfähigen Sohnes gegen seinen ernsthaft und unmissverständlich
zum Ausdruck gebrachten Willen nicht möglich ist.

2. § 1631d Absatz 2 BGB-E sieht für Kinder in den ersten sechs Monaten nach
der Geburt die Möglichkeit vor, dass der Eingriff auch von einer von einer Re-
ligionsgemeinschaft dazu vorgesehenen Person durchgeführt wird, die – weil
speziell hierfür ausgebildet – ohne Arzt oder Ärztin zu sein, für die Durch-
führung der Beschneidung vergleichbar befähigt ist. Dies bedeutet im Er-
gebnis, dass – wenn der Eingriff ohne Assistenz eines Arztes oder einer Ärztin
erfolgt – in den ersten sechs Monaten nach der Geburt die Schmerzlinderung
nicht mittels Narkosemittel durchgeführt werden kann.

Eine Begründung für die vorgeschlagene Zeitspanne von sechs Monaten, in-
nerhalb derer auch Nichtärzte beschneiden können sollen, findet sich im Gesetz-

entwurf nicht. Lediglich im Rahmen des internationalen Rechtsvergleiches wird
darauf verwiesen, dass das Oberrabbinat in Israel mitgeteilt habe, dass bei Kin-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11816

dern, die älter als sechs Monate sind, Beschneidungen mit Narkose und von
einem Arzt mit Mohel-Lizenz durchgeführt werden.

Dies ist zur Begründung der Sechsmonatsfrist bei weitem nicht ausreichend.
Vielmehr ist darauf abzustellen, dass bei Neugeborenen die Belastungen einer
Anästhesie (Narkose) so beträchtlich sind, dass kleinere medizinische Eingriffe
unterlassen oder auf ein Alter verschoben werden, in dem solche anästhetischen
Maßnahmen relativ komplikationslos eingesetzt werden können. In der Praxis
werden Beschneidungen an Neugeborenen in Deutschland nur bis zu zweiten
Lebenswoche nur unter Anwendung von schmerzlindernden Salben oder Zäpf-
chen durchgeführt.

Darüber hinaus werden in der jüdischen Gemeinschaft die männlichen Kinder in
aller Regel am achten Tag nach der Geburt beschnitten.

Deshalb ist es richtig, die Ausnahme nach § 1631d Absatz 2 BGB-E erheblich
auf den Zeitraum von zwei Wochen nach der Geburt zu beschränken.

B. Besonderer Teil

1. Zu Absatz 1 Satz 2 (Vetorecht des Kindes)

Mit der Einfügung der Worte „das Kind einen entgegenstehenden Willen zum
Ausdruck bringt oder“ wird zum Ausdruck gebracht, dass auch noch nicht ein-
willigungs- und urteilsfähige Kinder durchaus in der Lage sind, ihren einer
Beschneidung entgegenstehenden Willen zum Ausdruck zu bringen. Sowohl
die Grenze, ab wann Kinder hierzu in der Lage sind, als auch die Grenze, ab
wann sie einwilligungs- und urteilsfähig sind, lässt sich nicht exakt bestim-
men. Sie wird zwischen dem zweiten bis dritten Lebensjahr einerseits und dem
zwölften bis zum vierzehnten Lebensjahr andererseits liegen. Jedenfalls sind
Kinder in diesem Zwischenstadium sehr wohl fähig, ernsthaft und unmissver-
ständlich zum Ausdruck zu bringen, dass sie eine Beschneidung ablehnen.
Dies kann auch nonverbal geschehen. In diesen Fällen entfaltet eine etwaige
Einwilligung der Eltern zu einer Beschneidung nach § 1631d Absatz 1 Satz 1
BGB-E keine Wirkung.

2. Zu Absatz 2 (Zweiwochenfrist)

Mit der Ersetzung der Worte „sechs Monaten“ durch „vierzehn Tagen“ wird
die Ausnahmevorschrift des § 1631d Absatz 2 BGB-E erheblich verkürzt.

Diese Begrenzung richtet sich in erster Linie danach, dass in den ersten beiden
Lebenswochen der Einsatz von Allgemeinanästhetika (Narkosemittel) bei
kleineren und nicht akut lebenswichtigen medizinischen Eingriffen nicht den
Regeln der ärztlichen Kunst entspricht. Die Belastung des Neugeborenen
durch solche Maßnahmen ist unvertretbar hoch. Stattdessen können und müs-
sen in der Regel zur Schmerzlinderung Salben und Zäpfchen verabreicht wer-
den. Diese Mittel können auch diejenigen Personen einsetzen, die ohne Arzt
oder Ärztin zu sein, besonders ausgebildet sind, um Beschneidungen auch in
den ersten beiden Lebenswochen durzuführen. Die jüdische Religion sieht in
aller Regel eine rituelle Beschneidung am achten Tag vor. Dieser Ritus ist mit
der vorgeschlagenen Regelung in vollem Umfang vereinbar.

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