BT-Drucksache 17/10603

Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Polizei und Grenzsicherungstruppen in Belarus

Vom 5. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10603
17. Wahlperiode 05. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Wolfgang Wieland, Tom Koenigs,
Volker Beck (Köln), Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Britta
Haßelmann, Ingrid Hönlinger, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Memet Kilic,
Ute Koczy, Monika Lazar, Kerstin Müller (Köln), Dr. Konstantin von Notz,
Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele, Josef Philip Winkler und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Polizei und Grenzsicherungstruppen
in Belarus

Am 24. August 2012 berichtete „DER TAGESSPIEGEL“ über Schulungsmaß-
nahmen des Bundesministeriums des Innern (BMI) für Angehörige der Polizei
und Grenzsicherungstruppen in Belarus. Unter anderem sollen Angehörige der
belarussischen Bereitschaftspolizei für Anschauungszwecke den Einsatz der
Polizei beim Castortransport im November 2010 beobachtet haben. Am
27. August 2012 berichtete die „BILD Zeitung“, dass die belarussische Polizei
über die Schulungsmaßnahmen hinaus auch materiell unterstützt worden sei. So
seien Digitalkameras, Diktiergeräte und Laptops für die belarussische Bereit-
schaftspolizei beschafft worden. Bestritten werden vom Bundesminister des
Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, Presseberichte, wonach die belarussische
Polizei auch mit Helmen, Schilden, Schlagstöcken und Körperprotektoren aus-
gestattet wurde.

Die belarussische Polizei ist berüchtigt für die Brutalität, mit der sie gegen De-
monstrantinnen und Demonstranten vorgeht. Am 19. Dezember 2010 wurden in
Minsk die Proteste gegen Wahlfälschung durch die belarussische Polizei mit
äußerster Brutalität aufgelöst und rund 700 Demonstrantinnen und Demonstran-
ten festgenommen. Unter den Festgenommenen fanden sich etliche oppositio-
nelle Präsidentschaftskandidaten. In den folgenden Monaten ging das Regime in
Minsk mit aller Härte gegen jegliche kritische Stimmen vor. In Schauprozessen
wurden Oppositionelle zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Inhaftierten
berichteten über Folter und seelische wie körperliche Misshandlungen, um
ihnen Schuldeingeständnisse abzupressen.

Die Europäischen Union reagierte auf die schweren Menschenrechtsverletzun-
gen in Belarus mit gezielten Sanktionen gegen das Regime. Unter anderem wur-

den Innenminister sowie Kommandeure der Bereitschaftspolizeien auf die Liste
der von Visumsbann und Kontensperrung betroffenen Regimevertreter gesetzt,
da sie für den brutalen Einsatz der Polizei gegen Demonstrantinnen und De-
monstranten verantwortlich gemacht werden.

Drucksache 17/10603 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wer veranlasste wann die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der
belarussischen Polizei und dem Grenzschutz, und wie wurde dieser Schritt
begründet?

2. Welche Abstimmung erfolgte zwischen den zuständigen Ministerien des
Bundes und der Länder bei der Planung und Durchführung der Zusammen-
arbeit der Polizeien der Bundesländer mit belarussischen Sicherheits-
kräften, welche Vorhaben kamen auf wessen Initiative zustande, welche
konkreten koordinierenden und ausführenden Aufgaben übernahmen die
zuständigen Bundesbehörden, und inwieweit handelten die Bundesländer
eigenständig?

3. Aufgrund welcher einzelnen Maßnahmen und welcher umgesetzten Reform-
schritte in Belarus kam das Bundesministerium des Innern (BMI) zu der
Annahme, dass rechtsstaatliche und demokratische Reformen in Belarus
durchgeführt werden würden (zitiert z. B. von der Nachrichtenagentur AFP
am 24. August 2012) und deswegen die Ausbildungsmaßnahmen gerecht-
fertigt seien?

4. Wann und in welcher Weise ist die Zusammenarbeit der Bundesregierung
mit der belarussischen Polizei und dem Grenzschutz mit den europäischen
Partnern abgesprochen und in das Konzept einer gemeinsamen Politik ge-
genüber Belarus eingebettet worden?

5. Wer leitete als verantwortlicher Ansprechpartner auf deutscher wie belarus-
sischer Seite die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der belarussi-
schen Polizei und dem Grenzschutz, und welche Behörden und Abteilungen
waren auf deutscher Seite an der Planung und Durchführung der Schulungs-
maßnahmen in welcher Weise beteiligt?

6. In welcher Weise und in welchem Zeitraum war der heutige Vizepräsident
der Bundespolizei, Jürgen Schubert, an der Zusammenarbeit mit der bela-
russischen Polizei beteiligt?

7. Wann und wo fanden die einzelnen Schulungsmaßnahmen für die belarus-
sischen Polizeikräfte und Grenzschützer statt, und was waren die Inhalte der
einzelnen Schulungen?

8. Gab es bereits vor der Suspendierung der Sanktionspolitik durch die Euro-
päischen Union im Jahr 2008 Kooperationen mit belarussischen Polizei-
kräften, und falls ja,

a) welcher Art war die Zusammenarbeit,

b) in welchem Zeitraum erfolgte die Zusammenarbeit und

c) waren an dieser Zusammenarbeit auch Spezialkräfte, etwa die Einheit
„Almas“, beteiligt?

9. War nach Ansicht der Bundesregierung der Castortransport im November
2010 eine geeignete Gelegenheit, um den Angehörigen der belarussischen
Polizei ein bürgernahes und deeskalierendes Vorgehen zu demonstrieren,
und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung hierzu, auch ange-
sichts der Tatsache, dass trotz der schweren Folgen der Tschernobyl-Kata-
strophe gerade in Belarus die Regierung mit dem Bau eines ersten Atom-
kraftwerks begonnen hat, und hierbei auf erheblichen Widerstand der
Bevölkerung stößt?

10. Welche Einheiten der belarussischen Polizei waren an Schulungen mit der
GSG 9 der Bundespolizei beteiligt, und welche Inhalte wurden bei diesen

Schulungen vermittelt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10603

11. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass belarussische Polizeiangehörige
beim Naziaufmarsch im Februar 2010 in Dresden zugegen waren, und falls
ja, wie begründet die Bundesregierung die Auswahl dieses Ereignisses für
Schulungszwecke für die belarussische Polizei?

12. In welchem Umfang waren bei den einzelnen Schulungsmaßnahmen Ver-
treter der belarussischen Polizei und des Grenzschutzes vertreten, und aus
welchen Einheiten der belarussischen Sicherheitskräfte stammten sie?

13. Wie begründet die Bundesregierung die Fortsetzung der Schulungsmaßnah-
men auch nach dem 19. Dezember 2010, und sieht die Bundesregierung
hierin nicht einen Widerspruch zur Sanktionspolitik, mit der die Europä-
ische Union auf die Niederschlagung der belarussischen Opposition rea-
gierte?

14. Welche materielle Unterstützung wurde für die belarussische Polizei und
Grenzsicherung durch die Bundesregierung wann geleistet, und wie be-
gründet die Bundesregierung diese Ausstattungshilfe, insbesondere die
behauptete Ausstattung mit Helmen, Schilden, Schlagstöcken und Protek-
toren?

15. Sieht die Bundesregierung in der Ausstattungshilfe für die belarussische
Polizei – auch wenn sie in Form von Kommunikationsmitteln und Auf-
zeichnungsgeräten geleistet wurde – einen Verstoß gegen die Sanktions-
bestimmung der Europäischen Union, die die Lieferung von Ausstattung,
die für Repressionen im Inland genutzt werden könnte, untersagt?

16. In welchem Umfang wurden von der Bundesregierung Mittel für Schu-
lungsmaßnahmen und Ausstattungshilfen für die belarussische Polizei und
den Grenzschutz aufgewandt, und aus welchen Haushaltstiteln wurden
diese Mittel bereitgestellt?

Berlin, den 5. September 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.